Dicke Luft bei den Schwiegereltern
Teil 1: Dicke Luft in Peking?!
Nach etwas längerer Abstinenz melde ich mich mit einem vierteiligen, aktuellen Reisebericht zurück. Ich war mal wieder in Asien unterwegs (wo auch sonst) und erzähle euch ein bisschen was von meiner Reise. Keine Sorgen, mit meinen Schwiegereltern habe ich überhaupt keine Probleme, die dicke Luft bezieht sich eher auf den Wohnort meiner Schwiegereltern. Im Februar stand nämlich der Besuch bei den Schwiegereltern in Peking an, um das Chinesische Frühjahrs- oder Neujahrsfest sowie unsere Hochzeit zu feiern. Und wie in den westlichen Medien genüsslich breit getreten wurde, gab es ja in Peking in genau dieser Zeit angeblich den schlimmsten Smog in der Geschichte der Menschheit. Aber dazu später mehr, fangen wir erst einmal von vorne an. Ich möchte euch China und Peking aus einem Blickwinkel zeigen, wie man es nicht kennt und vielleicht auch nicht erwartet.
Dabei wird es zuerst einmal ziemlich off-topic, wer nur die Eisenbahnbilder sehen möchte, sollte gleich zum Ende des Berichts scrollen.
2. Februar 2013
Heute hieß es dank Elternzeit und Resturlaub für fünf Wochen Abschied nehmen von der Arbeit. Das fiel mir alles andere als schwer. Bereits um 11 Uhr ließ ich meine Kollegen alleine und machte mich von Eschborn Süd mit der S3 in Richtung Hauptbahnhof auf. Ich hatte zwar ein Rail&Fly-Ticket, das aber ausgerechnet im RMV-Verkehrsverbund nicht gilt. Also musste ich eine Fahrkarte lösen. Um mir wenigstens die Extra-Tarifzone zum Flughafen zu ersparen, stieg ich am Hauptbahnhof in den ICE um. Der benötigt zwar ein paar Minuten länger zum Flughafen wie die S-Bahn, kostete mich aber dank des Rail&Fly-Tickets nichts.
An der Gepäckabgabe dann die spannende Frage: komme ich mit meinem Gepäck durch. Meine Frau (die bereits zwei Wochen zuvor mit unserem Sohn nach Peking geflogen war) hatte extra Flugtickets mit 46kg Freigepäck besorgt. Meine beiden Koffer hatten aber schon 50kg, das Handgepäck nochmals knapp 16kg. Jetzt werdet ihr euch fragen: warum reise ich mit so schwerem Gepäck? Nun, ich selbst bin noch nie mit so wenig Gepäck verreist, denn fast das gesamte Gepäck war für meinen Sohn (u.a. 6 Packungen Windeln, 60 Gläschen Babynahrung, 8 Packungen Milchpulver) und die liebe Verwandtschaft (u.a. 6 Flaschen Wein, 10 Gläser Nutella, 20 Tafeln Schokolade). Das passte gar nicht alles in die beiden Koffer, deswegen wanderten einige Gläschen Babynahrung und drei Gläser Nutella ins Handgepäck. Am Schalter drückte man nochmals beide Augen zu und ignorierte die 4kg Übergewicht, an der Sicherheitsschleuse drückte man dann allerdings kein Auge mehr zu. Bei Nutella würde es sich um Flüssigkeit handeln. Wie bitte? Das ließ ich mir nicht gefallen und fing das diskutieren an. Man zeigte mir eine Liste mit verbotenen Gegenständen, aber da stand nichts von Nutella oder streichfähigen Lebensmitteln darauf. Die Babynahrung in meinem Handgepäck war übrigens kein Problem (obwohl ich alleine reiste), mein Argument, dass diese flüssiger als Nutella sei, wurde ignoriert. Also ließ ich den Chef der Sicherheitskontrolle kommen, biss aber bei ihm auch auf Granit. Schließlich kam auch noch ein Bundespolizist dazu, aber der war der gleichen Meinung. Unter lautem Fluchen schleuderte ich schließlich die Nutella-Gläser so laut in die bereitgestellte Mülltonne, dass das gesamte Sicherheitspersonal aufschreckte. Das nächste Mal fahre ich mit dem Zug nach Peking, da passiert einem so etwas nicht. Oder ich fülle das Nutella vorher in Gläschen für Babynahrung um. Um nicht mit leeren Händen vor der chinesischen Verwandtschaft zu stehen und gleich beim ersten Aufeinandertreffen einen schlechten Eindruck zu hinterlassen, kaufte ich direkt nach der Sicherheitsschleuse in einem Laden drei 500g-Gläser Nutella, das Stück für knapp sieben Euro!!!
Ich war schon auf 180 als ich an der Personenkontrolle ankam. Unser Finanzminister muss ja für einen ausgeglichenen Haushalt sparen, deswegen waren am Terminal 1 wohl gerade mal zwei Bundespolizisten für die Personenkontrolle zuständig. Es waren nur noch 5 Minuten bis zum Boarding und ich freute mich schon auf die Durchsage „Calling for passenger Grupp, Florian Grupp, flight CA 966 to Beijing. Please proceed to Gate B24 for immediate boarding“. Das ist mir bisher nur einmal in Singapur passiert. Aber der aus Peking kommende Flieger hatte zum Glück Verspätung. Am Gate erfuhr ich dann, warum nur zwei Bundespolizisten für die Kontrolle da waren: sechs(!) Bundespolizisten waren in Zweier-Teams unterwegs und kontrollierten von jedem vor dem Gate sitzenden Chinesen Ausweis und Handgepäck, alle westlich aussehenden Passagiere wurden dagegen ignoriert. Eigentlich gab es vor kurzem ein Gerichtsurteil, dass Polizisten bei Kontrollen keine Auswahl nach Aussehen und Rasse machen dürfen …
Der Flieger war eine nagelneue B-777 mit Entertainment-System an jedem Sitz. Auch das Essen war sehr gut. Ich muss sagen, dass sich Air China in den letzten Jahren stark verbessert hat. Und bei 580€ für Hin- und Rückflug samt 46kg Freigepäck kann man sich auch nicht beschweren. Nur den Stewardessen könnten sie wirklich mal neue Uniformen verpassen, die sehen mit ihren Schürzchen wie Hausfrauen aus den 50er-Jahren aus. Ansonsten verlief der Flug sehr ruhig, ich gönnte mir die neuesten chinesischen Kung-Fu-Streifen und ein bisschen Schlaf. Trotz der Verspätung in Frankfurt kam der Flieger 40min früher als geplant am frühen Morgen in Peking an. An der Personenkontrolle null Minuten Wartezeit, im Duty-Free-Shop noch schnell zwei Stangen Zigaretten für die Hochzeitsfeier gekauft und auf zum Gepäckband, das gerade anlief. Erfahrungsgemäß kommt mein Gepäck immer ziemlich zum Schluss, weil ich normalerweise mit Rucksack reise. Das ist mir ganz recht, denn dann sind die Zöllner schon ziemlich gut ausgelastet. Diesmal purzelten meine Koffer aber als eine der ersten auf’s Band. Deswegen spielte ich noch ein bisschen mit dem Handy herum und tat so, als würde ich versuchen, jemanden zu erreichen. Schließlich machte sich eine Chinesin mit zwei großen Koffern Richtung Ausgang auf. Die Gelegenheit muss man ergreifen und ich schlich mich direkt hinter sie, denn ich hatte mit meinem ganzen Wein, Lebensmittel und Babynahrung keine Lust auf eine Zollkontrolle. Am Ausgang stand ein Röntgengerät und der Zöllner winkte die Frau auch sofort raus, während ich am Ausgang schon meine Frau und meinen Sohn erblickte und mit meinem voll beladenen Wagen ihnen entgegen stürmte.
Bild 1: Über den Wolken Frankfurts direkt nach dem Abflug
Draußen erwartete mich dann statt Smog strahlend blauer Himmel. Die Luft hatte zwar nicht die Qualität eines Luftkurorts, aber ich kann mich daran erinnern, dass die Luft in den 80er-Jahren zu nebligen Herbst- und Wintertagen in Ulm (wo ich damals wohnte) schlechtere Qualität hatte. Das Wetter sollte übrigens die nächsten Wochen abgesehen von ein paar trüben Tagen so bleiben. Aber Hauptsache die westlichen Medien hatten für ein paar Tage wieder mal etwas Negatives aus China zu berichten …
Bild 2: Trübes Wetter beim Besuch des Pekinger Zoos. Es sollte aber bei zwei trüben Tagen bleiben …
Bild 3: … denn meistens war das Wetter sehr sonnig, wie der Blick aus der Wohnung meiner Schwiegereltern zeigt. Von Smog ist weit und breit nichts zu sehen.
9. Februar 2013
Am 9.Februar wurde das alte Jahr des Drachens verabschiedet und das neue Jahr der Schlange willkommen geheißen. Traditionell verbringt man das Neujahrsfest mit der väterlichen Seite der Verwandtschaft (sprich der Verwandtschaft meines Schwiegervaters), daher hatten wir bereits in den Tagen zuvor mit der Verwandtschaft mütterlicherseits gefeiert. Am schönsten war dies bei der Oma meiner Frau, die noch immer in einem der wenigen verbliebenen Hutongs von Peking wohnt. Hutongs sind die typischen Altstadtviertel mit einstöckigen Häuschen und verwinkelten Gassen. Die meisten von ihnen hat man längst abgerissen, die wenig verbliebenen Viertel hat man mittlerweile größtenteils touristisch aufgemotzt und nur in der Gegend von meiner Schwiegeroma gibt es noch richtig authentische Hutongs mit herrlichen, schmalen Gässchen, durch die höchstens noch ein Fahrrad passt, Backsteinhäuschen, Kohleöfen... Aber bevor hier zuviel romantische Gefühle hochkommen, das Leben im Hutong war (und ist) alles andere als romantisch. Meine Schwiegeroma bewohnt die beiden jeweils gut 10m² großen Zimmer mittlerweile alleine, hat Stromanschluss und ein kleines Waschbecken mit Wasseranschluss. Die Küche befindet sich aber immer noch im Freien, es gibt nur zentrale Toiletten für das gesamte Viertel und Badewanne oder Dusche sind bis heute noch Fremdwörter in Hutongs. Meine Frau ist die ersten drei Jahre ihres Lebens hier aufgewachsen, damals lebten in den beiden 10m² großen Räumen ihrer Oma 10(!) Personen, das macht pro Person gerade mal 2m². Heute haben meine Schwiegereltern eine moderne, große Wohnung und ein Auto, daran sieht man, welche enorme Entwicklung in den letzten Jahren in China stattgefunden hat. Anbei noch ein paar Impressionen von einem Streifzug durch das Hutong-Viertel:
Bild 4: Blick von der Haustür meiner Schwiegeroma in die Hutong-Gasse, rechts die Küche.
Frische Lebensmittel wie Fleisch werden im Winter einfach draußen in Plastiktüten aufgehängt.
Bild 5: Vor der “professional laundry” hängen die Kleider der Kunden zum Trocknen.
Bild 6: Auch die Privatbewohner nutzen das sonnige Wetter zum Trocknen ihrer Wäsche.
Bild 7: Vor diesem Haus sortieren die Müllmänner, die den Müll vor jeder Tür mit ihren Dreirädern abholen. In China sortiert und recycled eben nicht der Verbraucher, sondern der Müllmann .
Bild 8: Auch die Gasflaschen für die Freiluftküchen werden mit dem Dreirad ausgefahren und ...
Bild 9: ... natürlich direkt bis in die Küche getragen.
Bild 10: Typisches Hutong-Ambiente. Links das schmale Gässchen, rechts die Toiletten und Waschräume für das gesamte Viertel.
Bild 11: An dem Toilettengebäude hängen übrigens die folgenden Warnschilder, die einer gewissen Ironie nicht entbehren…
Bild 12: An allen Ecken Pekings (nicht nur den Hutongs) wachen sogenannte “Freiwillige” (erkennbar an den roten Armbändern mit gelber Schrift) über die öffentliche Ordnung.
Meist sind es Rentner, die so ihre Zeit vertreiben und ein paar Yuan zu ihrer kargen Rente dazuverdienen. Diese Frau vertreibt sich die Zeit beim Wache schieben mit dem Lesen der aktuellen Werbung.
Bild 13: Fast alle Türen sind mit Papierschmuck verziert, um das neue Jahr der Schlange zu begrüßen.
Bild 14: Da viele Hutong-Bewohner kein Telefon haben, gibt es auch Telefonzellen.
Das üppige Grün im Vordergrund ist übrigens nicht echt, sondern aus Plastik.
Bild 15: In Peking ist es im Winter sehr frostig, deswegen haben fast alle Mopeds und Motorroller Lenker mit integrierten Handschuhen.
Bild 16: Verkabelungen sind in Asien immer dankbare Fotomotive.
Bild 17: Türklopfer an einer Haustür.
Bild 18: Vor dem Gemeindehaus informieren Aushänge über die neuesten Anordnungen und Kampagnen. Die aktuelle Kampagne ruft dazu auf, nur bei grüner Ampel
über die Straße zu gehen. Aber selbst das ist in China gefährlich, denn eine rote Ampel ist in China für Autofahrer nicht unbedingt eine Aufforderung zum Anhalten.
Bild 19: Die Verkehrsregeln im Hutong sind sehr einfach: Höchstgeschwindigkeit 5km/h, auf dem Fahrrad darf man niemanden mitnehmen und Hupen ist verboten.
Aber Verkehrsschilder haben wie Ampeln in China keinen Ge- oder Verbotscharakter wie in Deutschland, sondern dienen eher der groben Orientierung.
Bild 20: Der Kiosk im Hutong hat trotz des Frühlingsfestes geöffnet im Gegensatz zum …
Bild 21: … zum örtlichen Friseursalon, der hat nämlich über die Feiertage geschlossen.
Bild 22: Der Nationalstolz der Chinesen ist überall sichtbar, auch im Hutong.
Bild 23: Leider fressen sich moderne Bauten immer tiefer in die letzten Hutong-Viertel. Bilder wie die folgenden gehören daher wohl bald der Vergangenheit an.
Bild 24: “There are six million bicycles in Beijing...”
Bild 25: Parkplätze sind selbst für Dreiräder Mangelware im Hutong.
Bild 26: Blick in eine Hutong-Gasse.
Bild 27: Hier wurde vor kurzem eine Hochzeit gefeiert. In dem Herz steht zweimal das chinesische Zeichen für Glück.
Doppeltes Glück ist in China das Symbol für die Hochzeit und hängt auch noch immer an unserer Wohnungstür in Deutschland.
Bild 28: Diese Ecke im Hutong ist mal richtig sauber und aufgeräumt.
Bild 29: Szenerie im Dengcao-Hutong von Peking.
Bild 30: Die Anzahl und Farbe der sechseckigen Balken über dem Türrahmen gaben früher an, welchen sozialen
Status die Bewohner dieser Hutong-Gasse haben. Eine Heirat war damals nur innerhalb dieser Gruppe möglich.
Bild 31: Fast alle Hochhauswohnungen in Peking haben verglaste Balkone, in denen Küchekräuter wachsen oder die Wäsche zum Trocknen aufgehängt wird.
Bild 32: Ein Müllmann hat alle wiederverwertbaren Dinge, die er heute im Müll gefunden hat, auf sein Dreirad gepackt und bringt sie zur nächsten
Verwertungsstelle, wo er ein paar Yuan dafür bekommt. So funktioniert das Duale System in China ohne grünen Punkt und gelben Sack.
Bild 33: Und für die O-Busfreunde noch eine Impressionen von einer der zahlreichen O-Busstrecken in Peking.
Die Feierlichkeiten zum Chinesischen Neujahr waren dann eher unspektakulär. Man traf sich mittags zum Feuertopf-Essen (eine Art Kräutersuppen-Fondue, sehr lecker!), dann verzogen sich die Frauen zum Tratschen in ein Zimmer und die Männer zum Schnapstrinken in ein anderes Zimmer. Zum Abendessen traf man sich dann nochmals, machte anschließend ein bisschen Feuerwerk und zog sich dann wieder zum Tratschen bzw. Schnapstrinken zurück. Mitternacht gab es dann nochmals einen Höhepunkt bezüglich Feuerwerk. Es wurde den ganzen Tag über schon heftig geballert und es heißt nicht umsonst China-Kracher, da ist unser Silvester-Feuerwerk nur Kinderkram dagegen. Manchmal dachte ich, es sei gerade Krieg, so heftig ballerte es durch die Häuserschluchten. Das Feuerwerk beschränkt sich übrigens nicht nur auf den Neujahrstag, sondern es wird ganze 14 Tage lang geballert, wobei es jeweils nochmals Höhepunkte zum fünften und 15. Tag gibt. Nach Mitternacht gingen dann alle schnell ins Bett zum Ausschlafen bzw. Ausnüchtern.
Bild 34: In diesem Porzellangefäß befanden sich knapp 3l mit 56%-igem Schnaps. Das ganze kostet wohl
mehrere hundert Euro und der Inhalt wurde am Neujahrstag von drei Männern einfach so restlos vernichtet.
Zum Chinesischen Neujahrsfest verwandelt sich der Erde-Tempel in Peking in einen großen Jahrmarkt. Auch davon ein paar Impressionen:
Bild 35: Über den Jahrmarktbuden hängen die Hauptpreise, in den Bäumen hängt roter Papierschmuck. So sieht es rund um das Frühlingsfest im Erdetempel aus.
Bild 36: Miss Piggy und ihre Verwandtschaft, eingerahmt von einem Eingangstor des Erdetempels .
Bild 37: Eigentlich haben wir jetzt ja das Jahr der Schlange...
Bild 38: Kandierte Früchte am Stiel.
23. Februar 2013
Heute wurde mit der chinesischen Verwandtschaft nochmals Hochzeit nachgefeiert. In China mietet man dazu ein komplettes Restaurant an und verteilt die Verwandtschaft auf große, runde 10er-Tische. Das hatten meine Schwiegereltern vorher schon organisiert. Kurzfristig entschloss sich meine Frau dann auch noch dazu, einen professionellen Hochzeitsveranstalter zu beauftragen. So standen in den Tagen zuvor zahlreiche Termine mit Kosmetikerin, Floristin, Brautkleidverleih (es musste nicht nur eins, sondern gleich drei Brautkleider sein), Moderator, Fotograf, Videografen an. Zudem mussten wir die Verwandtschaft nochmals besuchen und Geschenke machen, damit sie auch bei unserer Hochzeitsfeier vorbeischauen (eine einfache Einladung wie in Deutschland genügt dafür nicht und es kamen insgesamt knapp 100 Gäste). Die Hochzeitsfeier selbst war dann eine Mischung aus westlichen Elementen (Ringe austauschen, auf Knien um die Hand meiner Frau anhalten, Ja-Sagen, Treueschwur leisten) und chinesischen Traditionen (meinen Schwiegervater um die Hand seiner Tochter bitten, sich vor allen mehrfach verbeugen, meinen Schwiegereltern Tee anbieten, mit der männlichen Verwandtschaft einen Schnaps trinken und ihnen eine Zigarette anzünden, der weiblichen Verwandtschaft Süßigkeiten anbieten).
24. Februar 2013
Direkt nach der Hochzeitsfeier wurden wir noch vom Onkel meiner Frau zum Essen in den Zoo eingeladen. Zu Essen gab es u.a. Schlange, Kamelfüße, Krokodilgulasch, Hirschpenis und frittierte Skorpione. Exotisch, aber abgesehen von den Skorpionen nicht sonderlich wohlschmeckend, zudem hatte ich am nächsten Tag heftigen Durchfall. Aber aus einem ganz anderen Grund war das Treffen mit meinem Schwiegeronkel wichtig: aufgrund der vielen Termine wg. Neujahrs- und Hochzeitsfeierlichkeiten hatte ich weder Zeit für auch nur ein einziges Eisenbahnbild, geschweige denn für den Besuch des Eisenbahnmuseums in Peking. Deswegen sollte die letzte Woche komplett der Eisenbahn gewidmet werden, es sollten aber mehr als nur ein paar Streckenaufnahmen chinesischer Einheitsloks rund um Peking sein. Ziel war Hami in der Provinz Xinjiang im Nordwesten Chinas. Problem: es gab wegen des Frühlingsfestes kein einziges Zugticket mehr dorthin, nicht einmal Sitzplatz oder mit Umsteigen, alles restlos ausgebucht. Und da kam mein Schwiegeronkel ins Spiel. Der hat Beziehungen zu Angestellten bei der chinesischen Staatseisenbahn und meinte, er könnte mir problemlos noch eine Fahrkarte besorgen. Allerdings hatte er heute noch keine Fahrkarte dabei.
Bild 39: Exotisches Essen im Zoo in Peking, hier Krokodil. Als Gastgeschenk hatte ich eine Flasche Schwarzwälder Kirschwasser mitgebracht,
die übrigens von meinen beiden Schwiegeronkeln zum Mittagessen komplett geleert wurde (OK, ich habe auch ein bisschen mitgeholfen).
In China trinkt man Schnaps nicht nach dem Essen, sondern zum Essen und auch nicht aus kleinen Gläsern, sondern aus normalen Trinkgläsern.
Bild 40: Neben Schlange gab es auch frittierte Skorpione (noch mit Stachel), die recht lecker waren …
Bild 41: … eher nicht so leckere Schlange mit Erdnüssen …
Bild 42: …Hirschpenisse, die eher nach Regenwürmern aussahen …
Bild 43: ... und gekochte Kamelfüße, eine westchinesische Spezialität. Die Richtung stimmte ja schon mal, aber statt westchinesischen
Kamelfüßen hätte ich lieber eine Zugfahrkarte nach Westchina gehabt, um mir dort Lasttiere ganz anderer Art anzuschauen.
25. Februar 2013
Neben heftigem Durchfall kam um 22 Uhr die zweite Hiobsbotschaft an diesem Tag: Mein Schwiegeronkel rief an und erzählte, dass es ihm nicht gelungen sei, noch eine Fahrkarte zu besorgen. Die Züge müssen wohl bis unter die Decke voll gebucht sein. Trotzdem sollten wir morgen früh um halb neun am Pekinger Westbahnhof sein. Es gäbe da noch eine Möglichkeit…
Wie es mit der Geschichte weitergeht, erfahrt ihr im nächsten Bericht. Zum Abschluss des off-topic-Teils hatte ich drei Tage vor meinem Abflug noch ein besonderes Erlebnis. Wir hatten den neunzigjährigen Onkel meiner Schwiegermutter zu unsrer Hochzeit eingeladen. Er war darüber so glücklich, dass er uns dann nochmals zu Hause besuchte und für uns kochte. Aber nicht irgendetwas, sondern unter anderem geschmorten Rinderschwanz und Kartoffelsalat. Ich habe in meinem Leben noch nie so einen guten Kartoffelsalat gegessen. Und woher kann der alte Mann so gut Westlich kochen? Nun, er war ab Ende der 1930er-Jahre in der Küche der Nationalchinesen (Kuomintang) beschäftigt, bekochte fast täglich Tschiang-Kai-Tschek (der später mit seinen verbliebenen Truppen nach Taiwan flüchtete) und bei zwei Zusammenkünften auch Mao Tse Tung. Damals ahnte aber noch niemand, dass der nur wenige Jahre später für fast 30 Jahre uneingeschränkter Herrscher Chinas sein sollte. Nachdem die Kommunisten die Kontrolle über China übernommen hatten, landete er natürlich sofort als Anhänger der Nationalchinesen im Knast. Schnell zeigte sich aber, dass auch die Kommunisten dringend gute Köche benötigen und so wurde ihm die Küche im ehemaligen Deutschen Krankenhaus, das zur damaligen Zeit das beste Krankenhaus Pekings war und auch alle Ausländer behandelte, übertragen. Der alte Mann ist fit wie ein Turnschuh, bereiste vor 10 Jahren alleine mit Bahn und Bus Tibet und möchte das dieses Jahr wiederholen. Für nächstes Jahr habe ich ihn nach Deutschland eingeladen und er will auf alle Fälle kommen…
Bild 44: Der beste Kartoffelsalat meines Lebens, gekocht vom ehemaligen Koch
(im Hintergrund) der Kuomintang und des Deutschen Krankenhauses von Peking.
Der Rückflug verlief dann alles andere als spektakulär. Und kaum am Flughafen Frankfurt angekommen, begann schon wieder der Ärger mit der Bundespolizei. Noch in der Gangway meinten zwei Bundespolizisten, dass sie die Pässe aller Passagiere kontrollieren müssten. Der Zweck erschließt sich mir nicht, da gerade mal 200m weiter sowieso die Personenkontrolle stattfindet. Und auch hier wieder: jeder chinesische Pass wurde auf das Genaueste kontrolliert, die Westler einfach durchgewunken. Da ich ganz hinten saß, musste ich fast 45min warten, bis ich das Flugzeug verlassen konnte. Aber so war dann wenigstens mein Gepäck schon da, das ist mir bis jetzt am Frankfurter Flughafen noch nie passiert. Auf drei nebeneinander liegenden Gepäckbändern kam das Gepäck von Flügen aus Neu-Delhi, Istanbul und Peking, es herrschte entsprechend Hochbetrieb und zwei Zöllner waren sichtlich überfordert, so dass ich hier auch noch mal 15min warten musste. Hoffentlich fangen die Chinesen bald mit dem Bau einer Hochgeschwindigkeitsstrecke nach Europa an, damit ich auf die nervende Fliegerei endlich verzichten kann.
Bild 45: Mit dem Zug geht’s von der Abflughalle zu den Gates ...
Bild 46: ... wo bereits mein Flieger zurück nach Frankfurt wartet. Passend zum Abflug wurde die Luft in Peking wieder dick.
Und damit dies nicht ein kompletter off-topic-Bericht wird, hänge ich noch ein paar Abfall-Eisenbahnbilder von meinem vorletzten China-Urlaub an:
Bild 47: Güterzüge mit elektrischer Traktion auf schmaler Spur (in diesem Fall 762mm) gibt es nicht mehr allzu viele.
2010 verkehrten in Shibanxi in der Provinz Sichuan noch solche Züge (Bild hatte ich schon mal hier gezeigt).
Bild 48: Eine Staatsbahn-Diesellok der Baureihe DF8B hat gerade einen voll beladenen Kohlezug im Bahnhof Nanzhan abgeholt.
Bild 49: Die Stichstrecke von Shankou (an der Strecke von Lanzhou nach Urumqi) zur Erzmine in Yamansu ist mittlerweile leider Geschichte
(Details folgen im nächsten Bericht). 2010 konnte man im Endbahnhof von Yamansu noch diesen Triebwagen ablichten.
Bild 50: Die E-Loks der Baureihe SS3 sind schon etwas älter, für Güterzüge aber immer noch unverzichtbare Arbeitstiere. Hier steht ein Exemplar im
Bahnhof Jiayuguan neben einem moderneren Exemplar in Doppeltraktion, im Hintergrund sind die schneebedeckten Ausläufer des Himalajas zu sehen.
Bild 51: Auf der privaten Industriebahn von Bayin ist die Traktion von Güterzügen fest in der Hand von modernen Diesellokomotiven.
Hier zieht ein braunes Exemplar leere Güterwaggons in den Bahnhof von Shenbutong und von dort weiter nach Kuangsan,
dem Endpunkt der Stichstrecke von Bayin aus. Dort werden die Waggons mit Material aus der örtlichen Kupfermine beladen.
Bild 52: Auf der Industriebahn von Fuxin waren 2010 die goldenen Zeiten auch schon vorbei. Der verbliebene Güterverkehr lag größtenteils in den Händen von Dieselloks wie diesen.
Bild 53: In Diaobingshan/Tiefa gab es noch Dieselloks zu sehen, die zumindest farblich ein bisschen vom Einheitsbrei der chinesischen Staatsbahn abwichen.
Mehr Bilder von dieser 2010er-Tour zeige ich euch irgendwann mal, wenn ich wieder mehr Zeit habe. Vielleicht ist der Bericht dann schon HiFo-reif…
Im
nächsten Bericht erzähle ich euch dann von der Zugfahrt von Peking nach Hami. Und ich verspreche euch, es wird sehr interessant, komisch und lustig, denn es war mal wieder alles andere als eine gewöhnliche Zugfahrt von A nach B. Warum z.B. eine Langnase nachts um vier Uhr mitsamt Gepäck an einem chinesischen Dienstabteil vorbeirobbt und was passiert, wenn die Schaffnerin das bemerkt, lest ihr im nächsten Bericht. Und es gibt definitiv keinen off-topic Teil, ich hoffe also, dass ihr wieder reinschaut.
Bild 54: Im nächsten Bericht geht’s auf die Reise. Ihr könnt alle virtuell mitkommen, mein kleiner Sohn muss leider zuhause bleiben.
1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2014:08:18:11:36:42.