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Reisebericht erstes Interrail 1972


Im Jahr 2012 feierten wir 40 Jahre Interrail. Ich habe im Sommer mit dem Reisebericht begonnen, viel Mühe war es, die Dias zu scannen oder zu suchen oder schon gescannte wiederzufinden. Dann hatte ich lange Monate keine Zeit, weiterzuarbeiten. Heute kam ich drauf, daß das Werk noch immer unvollendet auf meinem PC schlummert. Also schnell ein paar restliche Bilder gescannt, allzuviel dürfen es ja auch nicht sein. Heute haben wir zwar leider schon 2013, aber ich hoffe, es geht durch. Für viele ist ja wohl auch der Textinhalt interessant. Ist ja schon fast historisch, was ich damals erlebt habe. Spannend war es jedenfalls!
Viel Vergnügen mit der Lektüre!

Ich musste den Reisebericht auf drei Teile aufteilen, sonst konnte ich ihn nicht hochladen:
Teil 1
Teil 2
Teil 3


Vorbemerkungen

Im Juli 1972 war ich gerade 18 Jahre alt geworden und wollte wie auch im Jahr davor mit einer ÖBB-Netzkarte mein Heimatland bereisen. Es gab ja noch viele Nebenstrecken zu entdecken, noch dauerte es eine Weile, bis ich alle Bahnstrecken in Österreich abgefahren haben würde.

Da bemerkte ich zufällig die Werbung für das neue Interrail-Ticket. Es sollte nur unwesentlich mehr kosten als die ÖBB-Netzkarte für ein Monat (1650 Schilling statt 1300 Schilling, das wären umgerechnet heute 120 Euro). Dafür konnte ich aber ganz Westeuropa bereisen. Das war natürlich verlockend. Aus finanziellen Gründen konnte ich natürlich nicht alle 31 Tage im Ausland verbringen. Ich war schließlich nicht einmal die Hälfte der Zeit wirklich im ferneren Ausland. Die meiste Zeit verbrachte ich in Östereich oder in der unmittelbaren Nähe (Bayern, Schweiz), damit ich Gratisübernachtungen bei Verwandten und Freunden nutzen konnte. Zusätzlich zu den 1650 Schilling für das Ticket habe ich höchstens 2000 Schilling (etwa 145 Euro) an Bargeld für Essen oder zusätzliche Fahrscheine sowie für Filmmaterial verbraucht. Da ich aber sehr knauserig war, und mir das Sightseeing wichtiger als das Essen war, habe ich während der Reise nicht weniger als 10 Kilogramm abgenommen! Heute unfaßbar! Geld für richtiges Essen gehen hatte ich sowieso nicht. Meine Nahrung bestand aus (Wurst)semmeln, Obst sowie Gebäck aus Bäckerein oder Konditoreien.

Um Geld zu sparen, wollte ich auf den Europastrecken Nachtzüge im Sitzwagen nutzen, ich übernachtete im ersten Jahr meiner Interrail-Laufbahn in keiner einzigen Jugendherberge! Damit ich in Österreich auch gratis fahren konnte, wollte ich die Fahrkarte in Italien kaufen, denn dorthin wollte ich sowieso nicht fahren. Damals konnte man die Fahrkarte noch im Ausland kaufen, das war im Jahr danach schon nicht mehr möglich! Für den Besuch der fremden Länder wechselte ich pro Land etwas Geld in die Landeswährung um, je etwa 100 Schilling in Britische Pfund, Belgische Francs, holländische Gulden, französische Francs, dänische Kronen und schwedische Kronen. Wie ich das bei Deutschland und der Schweiz löste, weiß ich nicht mehr. Dort hielt ich mich ja länger auf. (100 Schilling waren damals etwa 14-15 DM, heute 7,27 Euro. Mein Monatsgehalt betrug damals am Ende meiner Lehrzeit etwa 1000 Schilling)

Dass meine Eltern nichts dagegen hatten, dass ich alleine quer durch Europa fahren wollte, erstaunt mich heute noch. Damals waren 18jährige noch nicht so ohne weiteres mobil und selbständig. Die Reise wurde jedenfalls zum Erlebnis! Ich habe vor etlichen Jahren anhand von Fotos, Erinnerungen und der Reiseroute, die ja im Interrail-Ticket-Heft eingetragen werden musste, eine Zusammenfassung der Reise verfaßt. Da wir nun „40 Jahre Interrail“ feiern, denke ich mir, dass diese Erlebnisse und Erfahrungen sicher von Interesse sein würden. Also versuche ich, diesen Bericht für das Forum aufzubessern und auch einige alte Bilder hervorzuholen und zu zeigen. Denn natürlich hab ich schon damals hauptsächlich (aber nicht nur) Eisenbahnen und Straßenbahnen fotografiert. Mit einer alten Kamera ohne Blichtungsmesser und ohne Spiegelreflex, aber ich machte schon Farbdias, denn Schwarz/Weiß war mir schon immer ein Greuel. Zur Qualität muss ich sagen, dass ich um Nachsicht bitte, denn mit heutigen Digitalaufnahmen können die alten Bilder natürlich nicht mithalten. Es kann auch durchaus vorkommen, dass die gezeigten Bilder eher Beispielcharakter haben, weil ich damals meine Dias nicht mit Datum beschriftet habe. Es kann also vorkommen (vor allem bei den österreichischen Aufnahmen), dass ein Bild nicht von 1972 stammt, sondern von 1971 oder 1973/74. Aber ich denke, diese Abweichungen sind unerheblich, wenn man bedenkt, dass es auf jedenfalls etwa 40 Jahre her ist... Grundsätzlich hab ich sehr wenig fotografiert, weil ich es mir nicht so leisten konnte. Damals hab ich auch nur Loktypen fotografiert. Wenn ich also ein Bild einer Lok schon hatte, fotografierte ich kein zweites derselben Baureihe. Die Bilder von den besuchten Städten sind teilweise von minderer Qualität und ich habe sie auch nicht mehr alle. Daher ist der Schwerpunkt des Berichts auf das Abenteuer an sich und nicht auf die Bilder gelegt.

Im ersten Jahr galt das Ticket - wie auf der Rückseite der Fahrkarte genauestens vermerkt war - auf folgenden Bahnunternehmen:
BLS (Bern-Lötschberg-Simplon)
BR (Großbritannien)
CFF/SBB (Schweiz)
CFL (Luxemburg)
CH (Griechenland)
CIE (Irland)
CP (Portugal)
DB (BRD)
DR (DDR)
DSB (Dänemark)
JZ (Jugoslawien)
MAV (Ungarn)
NIR (Nordirland)
NS (Niederlande)
NSB (Norwegen)
ÖBB (Österreich)
PKP (Polen)
RENFE (Spanien)
SJ (Schweden)
SNCB (Belgien)
SNCF (Frankreich)
VR (Finnland)

Immerhin waren da also auch drei kommunistische Länder dabei (Polen, Ungarn, DDR), für die man damals ein Visum benötigte, was ja wieder Geld kostete - nicht zu vergessen der Zwangsumtausch pro Tag. Damit waren also diese Länder von vornherein für mich indiskutabel.

Auf meiner Reise, die 31 Tage dauerte, habe ich 13 verschiedene Länder bereist (AT-IT-FL-CH-DE-FR-UK-BE-NL-DK-SE-NO-FI), 48 mal eine Staatsgrenze überschritten, 13 Nächte bei Verwandten oder Freunden gratis übernachtet, 16 Nächte im Zug oder am Schiff (ohne Aufzahlung) übernachtet, 1 mal in einem Hotel übernachtet (Narvik, Schlafsaal). Die längste Zugsfahrt auf der Reise war Stockholm-Narvik (1544 km).
In Summe legte ich 18.551 km mit der Bahn zurück, 488 km mit Fährschiffen und 284 km mit Auto oder Autobus.




Tag 1: Triest und Lienz

Wie erwähnt, wollte ich mein Interrail-Ticket in Italien kaufen, damit ich auch in Österreich ohne Aufzahlung fahren konnte. Ich fuhr also am Vorabend des 1. Juli mit einer normalen Bahnkarte von meiner Heimatstadt Wien nach Tarvis (Tarvisio), dem italienischen Grenzbahnhof, über den man damals noch häufig nach Triest, Venedig, Rom oder Mailand fahren konnte. Vermutlich nutzte ich damals den „Ö-Italien-Express“, der um 23 Uhr vom Wiener Südbahnhof abfuhr und um 5.14 Uhr in Tarvis ankam. Leider konnte man dort aber kein Interrail-Ticket ausstellen. Ich wurde zu einem „größeren Bahnhof“ verwiesen und versuchte es also in Udine, der nächsten größeren Stadt. Dort teilte man mir dann mit, dass ich es in Triest oder Venedig versuchen sollte, in Triest gelang es dann auch tatsächlich. Zwar konnte ich damals noch nicht so viel Italienisch wie heute, aber ich schaffte das Ausfüllen des Antragsformulares doch einigermaßen. Nun hatte ich mein erstes Interrail in der Hand, ein kleines Heftchen im Format A7, mit fünf Doppelseiten und insgesamt 25 Feldern für 25 Fahrten. Falls dieser Raum für das Eintragen der Zugsfahrten nicht ausreichen würde, würde man ein Ergänzungsheftchen bekommen – sagte man mir. Allerdings war das nur ein frommer Wunsch. Wie das ausging, wird am Tag 16 verraten, so lang reichten die 25 Zeilen nämlich! Das Ticket kostete 41.200 Lire, das entsprach bei einem Kurs von etwa 4 Schilling für 100 Lire ziemlich genau dem Preis von 1650 Schilling in Österreich.

Beim Interrail-Ticket musste man die Fahrt vor Antritt eintragen und am Bahnhofsschalter bestätigen lassen. Später bemerkte ich jedoch, dass es auch genügte, wenn der Schaffner das Feld entwertet, in das man seine Fahrtroute einträgt. Ich wollte von Triest zu meiner Oma nach Lienz in Osttirol fahren, der Schalterbeamte trug aber nur Triest-Tarvis ein, reine Platzverschwendung. Für diese Strecke zahlte ich nun also 50% des Fahrpreises. Bevor ich abfuhr, besuchte ich aber noch die Straßenbahn in Triest und außerdem war ich ganz glücklich, erstmals in meinem Leben das Meer zu sehen, auch wenn es nur die Adria war. Dann ging es wieder Richtung Österreich, ab Tarvis war ich dann gratis unterwegs. Die Fahrt ging also von Triest über Udine und Tarvis nach Villach, von dort weiter nach Lienz, wo ich meine Verwandten besuchte und wo ich übernachten konnte. Mein Opa war bereits sterbenskrank.


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Mein Interrail-Fahrscheinheftchen im ersten Jahr 1972.


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Eine Innenseite. Immer wieder versuchte ich durch Korrekturen Platz zu sparen. Nicht immer gelang das. Manche Bahnverwaltungen wollten, dass man vor der Abfahrt schon am Schalter sich die Route bestätigen lässt.

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Natürlich reichten die wenigen Seiten nicht aus. Angeblich gab es Einlageheftchen auf den Bahnhöfen, aber niemand hatte was vorrätig. Ein Schaffner in Bayern oder Österreich gab mir den Rat, mir selbst ein Einlageblatt zu basteln. Damit hatte ich nur in Norddeutschland Probleme. In Hamburg schimpfte man über die „Südländer“ (Bayern und Österreicher).

Tag 2: Lienz-Innsbruck-Feldkirch

Am nächsten Tag fuhr ich weiter zu einer Tante nach Feldkirch. Die Stadt an der Schweizerischen und Liechtensteiner Grenze war ein guter Ausgangspunkt, um Ziele im Ausland zu erreichen und gleichzeitig Nächtigungskosten zu sparen. Die Fahrt führte über die damals als Korridorstrecke bezeichnete Route Lienz - San Candido/Innichen - Fortezza/Franzensfeste - Brennero/Brenner nach Innsbruck. Im „Korridorzug“ wurde man, ohne dass man einen Reisepass benötigte, im versperrten Zug durch das fremde Land befördert. Man durfte in Italien (Südtirol) nicht aussteigen, benötigte aber auch keinen internationalen Fahrausweis. In Innsbruck hielt ich mich auch kurz auf, um die Straßenbahnen zu fotografieren. Am Nachmittag oder Abend erreichte ich mein Ziel und wurde von meiner Tante wie üblich kulinarisch verwöhnt.


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1670.14 in (korr.:) Innsbruck. Damals waren diese Loks auch in Vorarlberg oft anzutreffen.


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1670.102, eine Unterbauart, in Feldkirch.


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Die 1670.20 war bereits rot. Oder das Bild stammt von 1973 oder 1974, was auch möglich ist.


Tag 3: Ausflug nach Zürich und St. Gallen

Mein erstes Ziel war wieder Zürich, das ich während der Österreich-Rundfahrt auch 1971 schon mal besucht hatte. Die Fahrt dauerte noch länger als heute, denn sowohl in Buchs SG als auch in Sargans musste der Zug gestürzt werden (= österreichisch für: die Fahrtrichtung ändern).
In Zürich fotografierte ich natürlich auch die Straßenbahnen, es gab sogar noch alte Zweiachser. Am Hauptbahnhof sah ich den TEE-Dieseltriebwagen, der nach Amsterdam verkehrte und der auf jeder Seite einen Triebkopf besaß. Es gab sowohl NS- als auch SBB-Triebköpfe. Zu dieser Zeit fuhren die Städteschnellzüge der ÖBB (Reihe 4010) noch über Zürich bis Basel und über Bregenz bis St. Gallen. Auch die schweizerischen Privatbahnen interessierten mich. Also fuhr ich mit der Uetlibergbahn (damals noch eigenständig) auf den Zürcher Uetliberg. Die Strecke konnte ich auch ohne Aufzahlung befahren, sonst hätte ich die Station Zürich-Uetliberg nicht in mein Fahrkartenheft eingetragen. Eventuell gab es eine Ermäßigung, aber ganz sicher musste ich nicht den Vollpreis bezahlen. Auf der Uetlibergbahn (Abkürzung BzU, vermutlich „Bahn zum Uetliberg“) verkehrten noch die alten Triebwagen mit einer seltsam aussehenden rosa Farbgebung, und schon damals fielen mir die seitlich versetzten Stromabnehmer ab, denn im Sihltalbahnhof, wo die Fahrt begann, fuhr auch die Sihltalbahn (SiTB) ab, die mit Wechselstrom fährt, während die Uetlibergbahn mit Gleichstrom verkehrt. Das ist auch heute noch so, allerdings fährt man heute vom Hauptbahnhof ab. Die beiden Bahnen sind inzwischen fusioniert und heißen heute SZU (Sihltal-Zürich-Uetliberg).

Von Zürich fuhr ich dann über Wallisellen, Uster, Wetzikon nach Rapperswil, wo ich auch wieder mehrere Privatbahnfahrzeuge fotografieren konnte: SOB, BT und MThB. Von hier ging es wenig später über Uznach und Wattwil nach Wil und von dort nach St. Gallen. Ich schaute gar nicht in die Stadt, sondern blieb auf dem Bahnhof: auch hier gab und gibt es viele Privatbahnfahrzeuge. Die Rückfahrt nach Feldkirch führte mich über St. Margarethen und Altstätten nach Buchs und von dort nach Feldkirch. Um Platz zu sparen in meinem Interrail-Heft schrieb ich „Zürich-Uetliberg nach Feldkirch“ ein, allerdings in die „Via-Zeile“: Wallisellen, Rapperswil, Wil, St. Gallen, Buchs. Die Schaffner schmunzelten...

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Mein erster Besuch auf dem Uetliberg in Zürich. Leider war das Wetter schlecht. BDe 4/4 13 wartet im Nebel auf die Rückfahrt nach Zürich-Selnau.

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BDe 4/4 13 der BZUe, wie sie damals noch hieß (Uetlibergbahn bzw. vermutlich „Bahn zum Uetliberg“ in Zürich-Selnau. Gut zu sehen der seitliche Stromabnehmer. In der Mitte musste ja der Platz für die Wechselstromleitung der SiTB freibleiben.

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Auf dem Hauptbahnhof war der NS DE4 (vielleicht auch der RAm 501 der SBB) zu sehen. Damals ahnte ich nicht, was für ein Glück es war, diesen Triebwagen (noch) gesehen zu haben. Wenn ich mich recht erinnere, fuhr er damals als TEE von Zürich nach Amsterdam.

Tag 4: Feldkirch - München

In der Nähe von München wohnte ein Freund, also konnte ich auch dort eine kostenlose Übernachtung einplanen. Also fuhr ich am nächsten Tag von Feldkirch nach München. Damals war die Grenze nach Deutschland immer ein Abenteuer, denn die deutschen Zöllner hatten Angst, dass die jungen Leute in Deutschland arbeiten wollen. Jedenfalls wurde ich immer belästigt und ausgefragt, ob ich sicher nicht hier arbeiten wollte, was ich natürlich abstritt. Ich war auf Urlaub und nicht auf Jobsuche! Die Zöllner waren damals jedenfalls immer sehr unfreundlich. Bei der Einreise nach Österreich wurde häufig das Gepäck kontrolliert, ob man nicht etwas Verbotenes einführte. Das Einkaufen war damals in der Schweiz häufig günstiger als in Österreich. Nach der Besichtigung von Lindau fuhr ich via Memmingen nach München, von dort mit der S-Bahn nach Gauting, dort wohnte mein Freund. Das S-Bahn-Netz in München war nagelneu, die Garnituren der Reihe 420 beeindruckten mich, weil man vom Bahnsteig ohne Stufen den Zug betreten konnte. Das kannte ich damals nicht, Wien hatte noch keine U-Bahn! Im Sommer 1971 war ich auch schon in München gewesen und hatte noch die Baustelle vor dem Rathaus gesehen. Nun war alles fertig.


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Damals war die Baureihe 118 (auch 119) noch in München anzutreffen.


Tag 5: München - Kempten - Innsbruck - Feldkirch

Am nächsten Tag ging es wieder nach Feldkirch zurück. Um Geld zu sparen war die wirkliche Fernreise etwas später geplant, außerdem wollte ich vielleicht auch erst Mut tanken. Am heutigen Tag wollte ich die Mittenwaldbahn befahren, aber auch die Strecke im Außerfern. Daher ging es zunächst nach Kempten, von dort mit einem Schienenbus nach Reutte, wo ich umsteigen musste. Weiter ging es mit einem ÖBB-Korridorzug über Garmisch-Partenkirchen und die Mittenwaldbahn (die erste elektrische Vollbahn Österreichs) nach Innsbruck hinunter. Die Fahrt beeindruckte mich sehr, damals verkehrten auf dieser Strecke Loks der Reihe 1145. Ich erinnere mich nicht mehr, ob ich in einem Sperrwagen fuhr oder nicht. Auch hier gab es nämlich einige Züge im Korridorverkehr von Reutte üb er Ehrwald/Griesen, Garmisch-Partenkirchen, Mittenwald/Scharnitz nach Innsbruck, aber nur ein Teil des Zuges führte Sperrwagen. Von Innsbruck ging es wieder nach Feldkirch zur Tante. Dort erfuhr ich vom Tod meines Großvaters in Lienz. Das bedeutete eine Reiseplan-Änderung, denn ich beschloss, beim Begräbnis dabeizusein. Die zwei Tage bis dahin fuhr ich noch in der Umgebung herum.


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Schienenbus Reihe 798 in Reutte. Entweder war es ein Zug Kempten-Reutte oder Kempten-Garmisch.


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Bei der Fahrt über Garmisch erwischte ich nur aus dem Zugsfenster heraus diese 144 060.


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In Innsbruck hatte ich auch einmal die Zeit, den Stubaitalbahnhof zu besuchen.


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Die Sonne stand falsch, daher nur ein Bild von schräg hinten.


Tag 6: Ausflug nach Schruns (Montafonerbahn)

Den nächsten Tag nutzte ich dazu, die Montafonerbahn zu besuchen. Der Fahrpreis für die kurze Nebenbahn (11 km) war nicht so hoch, das wollte ich mir leisten. Damals herrschte noch Gleichstrombetrieb. Auf der kurzen Strecken gab es durchaus Besonderheiten, so zum Beispiel Kurswagen aus Dortmund oder Kiel, die mit einem Triebwagen befördert wurden. Bei einer engen Brücke achtete der Schaffner besonders darauf, dass alle Fenster geschlossen blieben, denn es wäre sehr gefährlich gewesen, sich oder etwas hinauszubeugen.


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ET 10.101 der Montafonerbahn in Tschagguns. Ehemals Bad Eilsener Kleinbahn ET204. Angehängt ist ein Kurswgen, vermutlich nach Kiel.


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ET 10.106 (ehemals ÖBB 4060.02) mit Kurswagen nach Dortmund in Schruns.


Tag 7: Ausflug zur Bregenzerwaldbahn

Heute kann ich von Glück reden, dass ich diese Strecke noch befahren habe. Sie wurde nämlich 1980 eingestellt (Abschnitt Kennelbach-Bezau), drei Jahre später auch das Reststück von lediglich 5 Kilometern (Bregenz-Kennelbach). Ich bin also noch die schöne Strecke entlang der Bregenzer Ache entlanggefahren und entgegen meinen sonstigen Gewohnheiten erachtete ich es für wichtig, während der Fahrt Bilder zu machen, die ich hier zeigen kann. Von Bezau wieder zurückgekehrt, fuhr ich über St. Margarethen und Buchs auf Umwegen nach Feldkirch zurück.


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2095.04 unterwegs nach Bezau.


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Mein Zug mit der 2095.04 nach der Ankunft in Bezau.


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2095.04 abfahrbereit in Bezau für die Rückfahrt nach Bregenz.


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Bregenz war damals noch ein schöner, alter, Bahnhof. 2095.07 nach der Ankunft



Tag 8: Autofahrt nach Osttirol

An diesem Tag war das Begräbnis meines Großvaters, sodass ich mit meinen Verwandten im Auto nach Lienz fuhr. Ich erinnere mich daran, dass es das erste Mal in meinem Leben war, dass ich einen Leichnam offen aufgebahrt gesehen habe. Über Nacht blieb ich wieder hier, denn am nächsten Tag wollte ich einige Nebenbahnen abfahren.

Tag 9: Nebenbahnen in Kärnten und in der Steiermark

Ich wollte nicht wieder mit dem Auto nach Feldkirch zurückfahren, sondern machte eine etwas größere Runde durch Österreich. Zuerst ging es über Villach nach Klagenfurt, wo ich die Strecke Klagenfurt-Zeltweg befahren wollte. Unterwegs stieg ich in St. Paul aus, um die kurze Stichstrecke nach Lavamünd zu befahren, die 1997 eingestellt worden ist. Und von Zeltweg gab es damals noch eine 6 km lange Nebenbahn nach Fohnsdorf (eingestellt 1991), die ich ebenso kennenlernen wollte. Auf dieser Strecke verkehrte damals noch eine Verschublok der Reihe 2067 mit einem Spantenwagen. Ein wirklich seltsames Gespann! Wieder zurück in Zeltweg ging es dann über Leoben und die Schoberpaßstrecke nach Selzthal und weiter durch das Ennstal nach Bischofshofen, wo ich einen Nachtzug nach Zürich bestieg.


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E992 von Klagenfurt nach Zeltweg in St. Paul mit einer grünen 2043.


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Zwischen St. Paul und Lavamünd verkehrten blaue Schienenbusse der Reihe 5081. Hier ist Zug ZD21 in Lavamünd angekommen.


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2067.49 mit dem Zug ZF19 in Zeltweg vor der Abfahrt zum 6 km entfernten Fohnsdorf.


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Das Bild zeigt eigentlich eher den kleinen Bahnhof Fohnsdorf, vom Zug (ZF20 zurück nach Zeltweg) ist ja nicht so viel zu sehen.


Tag 10: Zürich, Interlaken und Luzern

Den zehnten Tag meiner Reise verbrachte ich in der Schweiz. Nach der Ankunft in Zürich fuhr ich mit dem nächsten Zug nach Bern weiter, wo es viele Fahrzeuge der BLS-Gruppe (damals noch unterteilt in SEZ, GBS, BN, BLS) zu sehen und zu fotografieren gab. Außerdem auch eine Straßenbahn. Für die Stadt selbst, die ja sehr sehenswert ist, hatte ich keine Augen oder keine Zeit, ich war ganz auf Eisenbahnen aus. Leider herrscht Regenwetter, das sieht man auch deutlich auf den Bildern, die ich gemacht habe. Mit einem BLS-Zug fuhr ich dann weiter nach Interlaken, wo ich zwar viele Schmalspurfahrzeuge fotografieren konnte, aber eben leider auch nur mit Regen. Mit der Brünigbahnlinie fuhr ich sodann nach Luzern. Unnötig zu erwähnen, dass die meisten Bahnen in der Schweiz damals ebenso wie in Österreich und Deutschland noch grün waren. Von Luzern fuhr des Regens wegen aber auch bald weiter nach Zürich und wieder zurück nach Feldkirch.

Tag 11: Chur

Den letzten Tag vor dem ersten Aufbruch zu einer Runde in die Ferne nutzte ich für einen Besuch in Chur. Dort fotografierte ich im Regen die Fahrzeuge der Rhätischen Bahn, sah auch noch die ganz alten Loks wie Ge 6/6 und Ge 2/4. Am Nachmittag kehrte ich nach Feldkirch zurück und packte meinen Rucksack für die erste große Fahrt nach Westen. Das Ziel sollte zunächst Paris sein. Mein Plan war es, einige europäische Hauptstädte anzusehen, jeweils überall nur einen Tag verbringen, um zu sehen, wo es interessant sei. Im nächsten oder übernächsten Jahr wollte ich dann dorthin zurückkehren, wo es mir besonders gut gefallen hätte. So ähnlich dachte ich es mir jedenfalls.
Ob die Fahrt im Nachtzug nach Paris schon in Feldkirch begann, oder ob ich in Basel umsteigen musste, daran erinnere ich mich nicht mehr. Um Zeilen zu sparen schrieb ich in mein Interrail-Fahrkartenbüchlein die gesamte Strecke Feldkirch-London hinein (via Basel, Belfort, Paris, Dunkerque, Dover).


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In Sargans dah ich dieses altertümliche Monster: Triebwagen De 4/4 1677.


EDIT: Korrekturen eingefügt.

Fortsetzung:
Teil 2

LG Gustav
HIER sind meine Reiseberichte zu finden!




5-mal bearbeitet. Zuletzt am 2013:01:02:17:07:17.
Schöner Bericht mit interessanten Bildern!

Zur Uetlibergbahn, da müsste die Abkürzung BZUe gewesen sein, Bahngesellschaft Zürich-Uetliberg.

Florian



2-mal bearbeitet. Zuletzt am 2013:01:01:23:10:19.
Hallo,

Überaus interessanter Bericht. An dieser Stelle danke!
Das erste Bild entstand in Innsbruck Hbf (die 1670.14 war auch eine Innsbrucker Maschine)

Gruß
Stephan aus Tirol ( momentan eher frühlingshaft)
Kleine Korrektur zur MBS:

Der ET 10.106 ist ein eindeutiges Indiz für die bereits erfolgte Umstellung auf Wechselstrom (war laut wikipedia - was anderes habe ich nicht bei der Hand 1972). Der Et 10.101 war ja ein Zweisystemtriebwagen, weswegen ihn Stern & Hafferl viele Jahre späte kaufte und bis zur Einstellung zwischen (Wels) - Lambach und Haag am Hausruck einsetzte.

liebe Grüße
Werner

Super, danke! :-) (o.w.T)

geschrieben von: Roni

Datum: 02.01.13 14:22

(Dieser Beitrag enthält keinen Text)
lg, Roni - [raildata.info] - Meine DSO-Reportagen Teil 1 (2005 bis 06/2019): [www.drehscheibe-online.de] - Meine DSO-Reportagen Teil 2 (neueste): [www.drehscheibe-online.de]
https://raildata.info/raildatabanner1.jpg

P.S. Umrechnung Euro <-> Schilling 1972

geschrieben von: Roni

Datum: 02.01.13 15:28

Hallo Gustav!

Etwas ist allerdings nicht sehr aussagekräftig: man kann Schilling vor fast einem halben Jahrhundert klarerweise nicht direkt in heutige Euro umrechnen.
Tatsächlich waren die 1650 Schilling von damals heutzutage nämlich mehr als 400 Euro wert!

lg, Roni - [raildata.info] - Meine DSO-Reportagen Teil 1 (2005 bis 06/2019): [www.drehscheibe-online.de] - Meine DSO-Reportagen Teil 2 (neueste): [www.drehscheibe-online.de]
https://raildata.info/raildatabanner1.jpg

Re: P.S. Umrechnung Euro <-> Schilling 1972

geschrieben von: tokkyuu

Datum: 02.01.13 17:05

Roni schrieb:
-------------------------------------------------------
> Hallo Gustav!
>
> Etwas ist allerdings nicht sehr aussagekräftig:
> man kann Schilling vor fast einem halben
> Jahrhundert klarerweise nicht direkt in heutige
> Euro umrechnen.
> Tatsächlich waren die 1650 Schilling von damals
> heutzutage nämlich mehr als 400 Euro wert!

Ja, das stimmt natürlich. Ich habe aber keine Ahnung, nach welchen Kriterien ich damalige Beträge umrechnen soll. Und wenn wir heute noch Schilling hätten, dann wären 1650 Schilling eben auch mehr gewesen als heutige 1650 Schilling. Insofern bleibt die Aussagekraft gleich schlecht.

Re: P.S. Umrechnung Euro <-> Schilling 1972

geschrieben von: Roni

Datum: 02.01.13 20:48

Hallo!

Es gibt dazu sogar einen Rechner von der Statistik Austria, zwar nur bis 2008, aber es kommt in etwa hin:
[inflationsrechner.appspot.com]

lg, Roni - [raildata.info] - Meine DSO-Reportagen Teil 1 (2005 bis 06/2019): [www.drehscheibe-online.de] - Meine DSO-Reportagen Teil 2 (neueste): [www.drehscheibe-online.de]
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