Mit der Eisenbahn durch Montenegro
In fast allen Balkanländern einschließlich Griechenland fristet die Eisenbahn nur noch ein Schattendasein. Schlechte Gleise mit langen Reisezeiten, kaputte oder schmutzige Wagen, Verspätungen von bis zu mehreren Stunden, unmotivierte Zugstreichungen mitten im Jahr. Die Investitionen im Verkehrsbereich fließen nahezu ausschließlich in den Straßenbau. Vielfach hat der Bus der Bahn längst den Rang auch als Fernverkehrsmittel abgelaufen.
Doch es gibt eine Ausnahme: Montenegro!
Das Land der Schwarzen Berge.
Kaum überquert man vor Bjelo Polje die serbisch-montenegrinische Grenze, hört das Geschlingere des Zuges auf abgewirtschafteter Infrastruktur von einem Meter auf den anderen auf, sieht man gepflegte Bahnhöfe, haben die La-Stellen ein Ende. Auch sieht man allenthalben Gleisbautätigkeit, saubere Wagen und (meist) pünktliche Züge, sofern diese nicht aus Serbien kommen. Und 2013 will man sogar die rund 50 km lange Strecke Podgorica - Niksic wieder eröffnen, die man in den letzten Jahren quasi völlig neu gebaut und elektrifiziert hat.
Es tut gut, das zu sehen.
Anbei - und mit einem herzlichen Dankeschön insbes. an Hans-Jürgen Warg für seine Informationen! - ein paar Bilder jener Züge, die in diesem kleinen, sympathischen und mit grandiosen Landschaften gesegneten Bahnparadies, umgeben von einer untergehenden Eisenbahnwelt, unterwegs sind! Und später gibt es von Julian Nolte und mir, die sich auch für die Inhalte dieses Beitrages verantwortlich zeigen, auch einen richtigen Bericht (den dann aber vielleicht in einer Zeitschrift).
Tageszug IC 430/431 "Tara" (Belgrad - Bar, Aufnahme in Vranjina) mit sauberen montenegrinischen und beschmierten serbischen Wagen. Es kommen serbische und, wie auf dem Foto, montenegrinische Loks der Gütersparte "Monte Cargo" zum Einsatz. Auch der Speisewagen wechselt täglich zwischen ZS und ZPCG.
5 Wagen, davon ein Speisewagen, für den einzigen durchgehenden Tageszug auf dieser Strecke sind irgendwie ein wenig mager. Aber wer will schon von 9 bis 20 Uhr - zzgl. der obligatorischen Verspätung - für 520 km im Zug setzen? Eineinhalb geschlagene Stunden länger als noch 2004 (wobei die Fahrzeitverlängerung allein auf serbischen Gleisen eintrat)?
Die Nachtzüge sind dafür länger. Nachtzug B 432/433 "Lovcen" (Bar - Belgrad, Aufnahme in Sutomore) mit sauberen montenegrinischen und z.T. beschmierten serbischen Wagen. Die serbische Lok läuft bis Bar durch
Saison-Nachtzug 1342/1343 "Auto-Voz" (Belgrad - Bar, Aufnahme bei Zeta) mit serbischen Schlaf-, Liege-, Autotransport- und Salonwagen. Der erste Wagen hinter der Lok ist ein Salon-Autotransportwagen. Auch bei diesem Zug läuft die serbische Lok bis an die Adria durch.
Salon-Schlaf- und Schlaf-/Aufenthaltswagen (aufgenommen gefühlte 1000 m über dem Talgrund).
Saison-Nachtzug 1136/1137 "Pannonija" (Bar - Belgrad - Subotica, aufgenommen bei Crmnica) mit z.T. beschmierten serbischen Schlaf-, Liege-, Sitz- und Autotransportwagen, serbischer Lok sowie sauberen tschechischem und ungarischem Kurswagen.
Die beiden langlaufenden Regionalzug-Paare Bjelo Polje - Podgorica - Bar gehören wohl zu dem Komfortabelsten, was in Europa im Nahverkehr unterwegs ist: Drei klimatisierte Abteilwagen mit riesigen 6-er-Abteilen (ähnlich DB-Avmz). Aufnahme bei Susanj.
Der übrige, recht dichte und gut nachgefragte, weil gegenüber dem Auto absolut konkurrenzfähige Regionalverkehr im "Talabschnitt" Podgorica - Bar (
zeitmäßig, aber auch beim Preis: alleine die Tunnelmaut durch das auf dem nächsten Bild zu sehende Gebirgsmassiv ist teurer als eine Fahrkarte Podgorica - Sutomore) wird mit teilmodernisierten "Riga-Triebwagen" aus sowjetischer Produktion gefahren. Zwei Verdichterzugpaare fahren darüber hinaus mit 461 und drei oder vier älteren Abteilwagen, darunter ex. Bundesbahn-Bm. Diese sind die einzigen nicht so sauberen Wagen in Montenegro (Aufnahmen bei Crmnica und am Aerodrom mit einem ehemaligen Bundesbahn-Bm am Zugschluss).
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Apropos Flughafen: Wo in anderen Ländern ein schicker Palast aus Stahl und Glas stehen muss, reicht am Flughafen der montenegrinischen Hauptstadt ein einfacher Waschbetonbau. Wer hier aussteigt, läuft noch einen guten Kilometer zum eigentlichen "Aerodrom". Aber das ist auch nicht unbedingt kürzer als in Frankfurt vom Fernbahnhof zum Terminal 2. Und was man hier besser beherrscht als in der germanischen Hauptstadt: es gibt keine Zulassungs-Verzögerungen wegen unzureichendem Brandschutz!
Bonus-Track aus dem Nachbarland: In Albanien werden die DREHSCHEIBEN mit dem Zug angeliefert und per LKW verteilt...
...und so bekommt auch der Schrankenwärter in Sukth pünktlich sein Exemplar.
Ach so: Das mit Monte Cargo war kein Witz - die Gütersparte heißt da wirklich so.
Gruß
Heiko
2-mal bearbeitet. Zuletzt am 2012:07:13:10:10:56.