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 08/01 - Auslandsforum "classic" 

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2.3.

Den vorletzten Eisenbahntag unserer Tour wollen wir noch einmal hoch nach Bagou. Der Ort hat uns ausnehmend gut gefallen mit seinem Markt und den besten Maultaschen weit und breit. So stehen wir dann auch wie jeden Morgen zusammen mit den Arbeitern der Mine und wenigen anderen Fahrgästen um viertel nach sechs wieder am Bahnhof in Sanji (Yuejing). Die übliche Routine, Abkuppeln der Lok -  Schnellbekohlung – Ankuppeln – weiter. Unsere Lok, die Nummer 14, macht heute schlecht Dampf. Anderthalb Stunde bis oben. Mit Verspätung erreichen wir Bagou. Wir genießen das Treiben rund um den Zug auf der Station und begeben uns dann für die Rückkehr des Zuges an eine Stelle etwas oberhalb von Bagou. Wir bleiben anschließend gleich dort, denn der erste Kohlenleerzug wird bereits erwartet.


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Er kreuzt den zurückfahrenden P-Zug in Jiaoba und ist 10 Minuten später bei uns.

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Die Rückleistung mit beladenem Zug nur wenige Minuten später wird auch noch mitgenommen,

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dann sind erst mal beide Maschinen unten und wir haben endlich Zeit für die Maultaschen


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und den täglichen Markt. Was es  hier alles zu sehen gibt!

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Ein Schneider bietet seine Dienste an

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Fleisch wird unter für Europäer eher bedenklichen hygienischen Zuständen zerteilt, abgewogen und verkauft, wobei auch Ohren, Schwänze und Füße sehr begehrt sind.

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Exotisch anmutend auch ein Salat aus Hühnerfüßen!

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Fische werden lebend in einem provisorischen Folienbecken angeboten und gleich vor Ort geschlachtet


Im Hotel haben wir ein Bild gesehen oben vom Berg bei Bagou auf die Strecke. Diese Motiv haben wir nun im Auge. Die Suche gestaltet sich ob fehlender Wanderwege und Beschilderung komplizierter als gedacht und irgendwie reicht plötzlich die Zeit nicht mehr. Außerdem ist es heute deutlich trüber als gestern und talüberquerende Blicke  werden grenzwertig.

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So sind wir mit dem Ergebnis der Ablichtung des bergfahrenden Personenzuges eher weniger zufrieden und es hat eher dokumentarischen Wert.

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Rückfahrt des Personenzuges bei Huangcunjin

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Trainspotter in Huangcunjin beobachten die Vorbeifahrt des Zuges

Die Zeit bis zum nächsten Zug ist knapp. Schon in 20 Minuten wird der nächste Güterzug erwartet, auch das war ein Grund, die Motivsuche nicht zu weit in die Berge auszudehnen, denn das Rangieren eines Güterzuges im Streckenendpunkt an der Mine wollen wir unbedingt noch dokumentieren. Grade rechtzeitig sind wir dort um die Einfahrt und das Rangiermanöver festzuhalten.

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Die Einfahrt des Kohleleerzuges in Huangcunjin

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Die Lok kuppelt ab

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und zieht den beladenen Kohlezug aus der Verladeanlage

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Ich wechsle den Standort und gehe nach oben auf die Verladeanlage.

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Nun drückt die Lok den leeren Kohlezug unter die Verladeanlage

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kuppelt ab und setzt sich vor den beladenen Kohlezug

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Ausfahrt aus Huangcunjin man beachte den mit Betonplatten belegten Bahnsteig und das Verkaufszelt. Von der gleichen Stelle hat Bob Avery wenige Jahre zuvor noch diese Situation so vorgefunden:

Bild von Bob Avery: [www.railpictures.net]


Nach Abfahrt des Zuges können wir uns wieder etwas der Mine zuwenden.

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Per Hand werden die leeren Wagen passend unter die Verladeöffnungen geschoben,
die ebenfalls per Hand mit einem langen Ringschlüssel geöffnet und geschlossen werden.

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Anschließend wird die Kohle von Hand im Wagen gleichmäßig verteilt.

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Oberhalb des Verladebunkers werden die gestern neu angelieferten Loren einsatzbereit gemacht.

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Frauen sortieren aus dem tauben Gestein noch einzelne Kohlen heraus

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beladene Loren werden aus dem Berg geschoben

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Eine Lore ist entgleist und wird mit vereinten Kräften wieder ins Gleis gehievt

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Die Loren werden in den Verladebunker gekippt

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Blick von oben in den Verladebunker

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die ausgeleerten Loren werden wieder in den Berg geschoben

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Eine junge Frau wartet mit Kind und Mittagessen auf die Mittagspause im Bergwerk und hat für ihren Mann eine warme Mahlzeit vorbereitet.

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Für uns Europäer ungewohnt mit wie wenig Emotionen das Treffen abläuft. In Deutschland ginge das ja mit Küsschen hier, Küsschen da ab und das Kleine würde auf den Arm genommen und herzlichst begrüßt. Hier in China bleibt es im Tragetuch auf dem Rücken der Mutter.  
Inzwischen nach 12 verspüren auch wir Hunger. Laut Auskunft unseres Guide ist um 14.40 erst der nächste Zug fällig, der planmäßige Personenzug, danach soll im Blockabstand ein Kohlezug folgen. So haben wir ausreichend Zeit für die Mittagspause. Im Anschluss machen wir eine Erkundungstour durch den Ort und kaufen fast den gesamten Vorrat der örtlichen Händler an Hackbeilchen mit Holzgriff für die eigene Küche auf.

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In einem Gemischtwarenladen wird gerade eine Nasenoperation vorgenommen - chirurgische Nasenverkleinerung

Wir besichtigen noch das örtliche Hotel und bedauern fast, nicht hier oben zu wohnen. Die restliche Zeit verbringen wir beim Friseur, genauer gesagt einer Friseurin. Haareschneiden und Rasieren zum Spottpreis.

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Ich sitze gerade unter der Schere und werde von zarter Hand bearbeitet, da ertönt oben im  Bahnhof ein Lokomotivpfiff.

Wie ein Blitz durchzuckt mich ein scheußliches Gefühl, das ich meinen ärgsten Feinden nicht wünsche. Oben dampft der leere Kohlenzug Richtung Bergwerk und wir sitzen beim Friseur! Das Konzept für die beiden noch verbleibenden Fotostellen ist dahin. Unbedingt sollte doch noch eine Aufnahme vom Wasserbehälter gemacht werden und bei der Durchfahrt zwischen den großen Häusern bei Huangcunjin! Tja

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So klettere ich dann für die Rückkehr des beladenen Zuges auf den Wasserbehälter und fertige einen Nachschuss.

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Durch die beladenen Wagen und die Bremser auf dem Zug auch nicht uninteressant.


Den mit halbstündiger Verspätung heraufkommenden Personenzug hat Michael dann von hier oben aufgenommen, so dass ich doch noch zu einem Bild eines vorwärts fahrenden Zuges von hier oben komme.

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Ich nehme den Personenzug dann wie geplant bei den großen Häusern in Huangcunjin auf.

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Nachdem auch die Rückfahrt im Kasten ist wandern wir noch etwas durch den Ort. Auf dem großen Dorfplatz wir eine Art Polo zu Fuß gespielt.  Es gibt vergleichsweise wenige Kinder im Ort. Die Schule ist schon seit mehreren Jahren geschlossen. Die Kinder fahren mit dem Zug zur Schule nach Shixi. Ob Ihnen wohl dämmert, dass sie wahrscheinlich die letzten Schüler der ganzen Erde sind, die täglich mit der Dampfkleinbahn zur Schule fahren dürfen?
Vom Bahnhof dröhnt ein wummerndes Geräusch über den Ort. Eine Lok ist es nicht. Wir folgen dem Geräusch und landen in der örtlichen Schmiede. „Blacksmith – traditional  forging hat wohl ein auswärtiger Besucher an die Tafel draußen mit Kreide geschrieben. Innen sieht es urig aus. Ein großer Schmiederaum ist gleichzeitig Schuppen und Hühnerstall. Der einzige Wohnraum mit Bett und Tisch hinter einem Vorhang nebenan. Der Wok wird auf der Asche des Schmiedefeuers erhitzt, aber soweit ist es noch nicht, erstmal werden mehrere Hammer geschmiedet. Ein großer Eisenhammer, elektrisch angetrieben,  in der Mitte der Schmiede.

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Das glühende Eisenstück wird passend gelegt und mit einem Fußhebel wird der Eisenhammer ausgelöst.


Tonnenschwer schlägt er auf das Werkstück. Eine tolle Atmosphäre aus einer vergangenen Zeit zwischen Handwerk und Industriealisierung. Arbeit ist schön, wir könnten stundenlag zusehen wie aus dem klobigen Eisen Hämmer mit Spitze und Loch für den Stiel entstehen. Draußen setzt die Dämmerung ein.

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Eine Kolonne von 7 Arbeitern mit Werkzeugen  läuft im Gänsemarsch am Gleis entlang in den Tunnel.

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Ich fühle mich an die Zwerge aus Schneewittchen erinnert. Der Schmidt ist fertig und fährt sein Motorrad, das draußen geparkt war, in die Schmiede. Auf der Glut des Schmiedefeuers wird er nun sein Abendessen zubereiten. Am Bahnhof gibt es einen recht gut sortierten Kiosk. Dank unserem Guide können wir mit dem älteren Ehepaar sogar kommunizieren. Beide sind schon über siebzig, aber die Rente ist nur klein, so haben sie diesen Kiosk gepachtet und bessern ihr Einkommen dank der immer zahlreicher werdenden Touristen auf. Es gibt auch Bücher und DVD der Bahn zu kaufen. Hier in diesem entlegenen Tal sind das 19. und das 21. Jahrhundert ineinander verwoben und es wird deutlich wie die Zeit fließt, ineinander verfließt, die Grenzen verschwimmen. Wir haben dieses Tal 5 Tage lang Schwelle für Schwelle talauf talab erwandert, es ist uns ans Herz gewachsen, Abschiedsschmerz macht sich breit, von den emsigen lautstarken C2 Dampfloks, den herzhaften und den süßen Maultaschen die mit einem rosa Punkt markiert sind, Von der Friseurin, dem Kiosk und den vielen freundlichen Menschen die dieses Tal mit Leben füllen. Wir stehen an der Mauer und blicken vom Bahnhof über die Stadt. Michael nimmt Kontakt mit Deutschland auf und prüft die Verlängerung der Tour. Da ja ein Wochenende hinter unserer Rückkehr liegt, wären noch 2 Tage möglich. Leichter Nieselregen setzt ein. Der Zug hat eine deutliche Verspätung. Am Bahnsteig haben sich schon die Reisenden nach Shixi eingefunden und Ladegut staut sich auf dem Bahnhof. Inzwischen ist es dunkel geworden. Mit 40 minütiger Verspätung trifft der Zug ein. Er ist vollbesetzt und entleert sich auf den Bahnsteig. Eine Menge Güter werden ausgeladen und auf Handkarren verstaut. Noch einmal wird uns deutlich welche Bedeutung die Bahn hier für die Menschen hat. Aber auch wenn sie sie lieben, werden sie wohl froh sein wenn Bus LKW und Auto Einzug halten. Der Zug fährt noch bis Huangcunjin und kehrt nach einer Viertelstunde zurück. Nun steigen auch wir ein und fahren ein letztes Mal auf dieser Reise durch das Tal. Morgen wollen wir uns dem unteren, elektrifizierten Abschnitt der Strecke widmen, ehe uns am Mittag der Kleinbus in gut 3 Stunden nach Chengdu zum Flughafen bringen wird. Eine Verlängerung, so die Rückmeldung aus Deutschland, wäre zwar möglich, sprengt aber dann doch unsere Reisekassen.

Euer Pängelanton

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2-mal bearbeitet. Zuletzt am 2011:04:25:21:24:35.
Ein herausragender Reisebericht, so habe ich China noch nie gesehen und ich finde es höchst interessant, einen Blick "in die Vergangenheit" zu werfen. Man kann sich gut ausmalen, daß es bei uns in Mitteleuropa vor 100 bis 150 Jahren ähnlich ausgesehen haben könnte. Ein wunderbarer Eindruck vom "Reich der Mitte". Endlich mal nich tnur Peking und Shanghai... usw.
Vielen Dank!
Hallo!

Wieder sehr stark, danke dir! :-)

lg, Roni - [raildata.info] - Meine DSO-Reportagen Teil 1 (2005 bis 06/2019): [www.drehscheibe-online.de] - Meine DSO-Reportagen Teil 2 (neueste): [www.drehscheibe-online.de]
https://raildata.info/raildatabanner1.jpg
Hallo,

danke für die tollen Eindrücke.

Das weckt die Vorfreude ungemein. Am Mi abend geht es für mich gen China :-)

Grüße
Martin

http://www.steamphone.de
steamphone.de - Eisenbahn, Reisen und Tech-Stuff

!!! Beeindruckend !!!

geschrieben von: MichaelM

Datum: 26.04.11 16:19

P.S.:

Der gesehene Schweineverkauf war aber noch recht harmlos.

Im Osten Chinas gab es um 1994 mal ein "Patchwork-Schwein" auf dem Markt zu sehen,
wo einzelne Stücke je nach Wunsch des Käufers herausgetrennt wurden.

Und das bei Temperaturen deutlich über 25 Grad ...


MM

Danke

geschrieben von: ehemaliger Nutzer

Datum: 26.04.11 21:10

Aufnahmen mitten aus dem Leben etwas abseits des üblichen schillernden touristischen 0815-mainstream. Und wer hier über die lokalen Märkte und deren Fleischverkauf den Kopf schüttelt, der kennt wohl nichts abseits des mainstream-Massen-Tourismus. Solche Handelspraktiken gibt es noch immer in fast ganz Süd-Ost-Asien. Und es hat riesengroße Vorteile: das was man mittags oder abends als Essen vor sich hat, das hat in 90% aller Fälle am ganz frühen Morgen des Tages noch gelebt - und alles Lebensmittel ohne jegliche Konservierungsstoffe, Haltbarkeitsmacher, Geschmacksverstärker und Co. Die Zubereitungsart sorgt dann für den Rest. Und was die handwerklichen Darstellungen und Tätigkeiten betrifft: ist es Euch wirklich unbekannt, wie es noch bis 1970 in so mancher deutschen Dorfschmiede aussah? Und habt Ihr wirklich schon vergessen, wie mühselig nach dem 8. Mai 1945 das Überleben in Deutschland war? Wie oftmals sehr primitiv der Wiederaufbau begann? Und bitte nicht vergessen: in China gibt es Regionen und Minderheiten, die hatten bis 1949 keine Schrift und die kannten bis 1949 auch keine Schulen, jegliche Art von Arbeitsdisziplin einer industriellen Gesellschaft war dort auch völlig unbekannt. Urlaub, wie ich ihn mag. Leider nur selten machbar.

Nochmals Danke, mfG verbleibt
Fritz Dieter B.