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Hallo Zusammen,

lange vorgehabt, ein paar Versuche gestartet, immer was dazwischengekommen; doch nun ist es dank dem schlechtem Wetter der letzten Woche endlich soweit – mein erster eigener Beitrag bei DS-Online … ;-)

O.k., eigentlich hätte ich noch ein paar Monate warten sollen, bis ein neuer Scanner auf dem Schreibtisch steht – aber wer weiß was bis dahin ist. Ich bitte also die unterirdische Qualität des Flachbettscanners zu entschuldigen; die Digitalisierung bei schlechten Lichtverhältnissen entstandener Dias ist nicht seine Stärke (und die Farbkorrektur auch noch nicht meine) ….

Die georgische Schmalspurbahn Borjomi – Bakuriani steht schon länger auf meiner „Reisewunschliste“. Tolle Landschaft, interessante Streckenführung und ein für die ehemalige Sowjetunion einzigartiger Fahrzeugpark machen sie einfach zu einem „Muß“ für Schmalspurfans.

Ein erster Anlauf vor ein paar Jahren scheiterte aus Termingründen. Mein langjähriger Reisebegleiter Steven konnte zwischenzeitlich Bahn und Land im Rahmen einer touristischen Gruppenreise schon mal in Augenschein nehmen – und kam mit gemischten Gefühlen zurück. Nicht aufgrund des Landes an sich – die Bahn sei toll, aber praktisch komplett im Wald oder zugewachsen, mehr als Bahnhofsaufnahmen wären nicht drin. Schade …

Aber irgendwie lässt es nicht los. In Google-Earth lassen sich ein paar möglicherweise offene Stellen finden, Peter schwärmt nach einer winterlichen Georgienreise von Land, Leuten und der Schmalspurbahn, und im LOK Report tauchen mehrere Georgien-Berichte auf (mitsamt interessanten Breitspurzielen „für den Rest der Woche“).

So ging es dann Ende April diesen Jahres doch noch los. Ukraine International bietet akzeptable Preise ab Frankfurt (allerdings mit 4 Stunden Wartezeit in Kiev…) und am späten Abend des 27. April landen wir in Tiflis.

Die ersten drei Tage gehören der Breitspur – Bahnreise nach Kutaisi und zurück, und den dortigen WL22. Die hatte ich die auf den ersten Bildern im LOK Report port, beim Einsatz auf der Apatitbahn jetzt nicht soo toll gefunden. Aber „in Echt“ haben die Teile was!

Zur Einstimmung erstmal ein Bild dieser Oldies, entstanden bei der Mitfahrt nach Tkibuli (rauspringen, knipsen und wieder zurückrennen funktionierte prima, wie vor 25 Jahren im DB-Schienenbus). Danach kommt erstmal die für mich wichtigere Schmalspurbahn dran, um die WL22 kümmere ich mich dann in einem zweiten Beitrag.


http://www.pictureupload.de/originals/57996/190510234236_sonstige_gr____en__nderung_wl22m-1664.jpg


Die Bahn nach Tkibuli ist wirklich toll; schöne Landschaft verbunden mit großen Steigungen und engen Kurvenradien. Auch die kompakten Bahnhöfe sind sehenswert. Der folgende Eindruck, fotografiert aus dem Führerstand der Lok (bzw. der Bühne davor) gibt das ein wenig wieder.

http://www.pictureupload.de/originals/57996/220510092251_sonstige_gr____en__nderung_f__hrerstand.jpg



Während der Zugfahrt von Tbisili nach Kutaisi hatten wir übrigens eine unerwartete Begegnung mit einer Gr – einen Bahnhof vor Zestafoni (hier rangieren noch WL8), wo die Nebenbahn nach Sakhere in ein Seitental abschwenkt, stand ein nummern- und tenderloses Exemplar auf dem Denkmalssockel. In Georgien gab es mindestens 5 Gr, zwei beim Imprägnierwerk Gori, drei bei der geplanten Kindereisenbahn Chashuri.
Der Standort des Denkmals hat übrigens auch Schmalspurbezug; denn die Strecke nach Sachhere war ursprünglich eine 900 mm (ev auch 914 mm) Schmalspurbahn, bis sie 1956/57 durch eine neue Breitspurstrecke ersetzt wurden. Nach einem georgischen Eisenbahnfreund, den wir auf der Rückfahrt im Zug trafen, muß die ziemlich toll sein, mit vielen Brücken und Tunnels. Da hätten wir wie ursprünglich vorgesehen doch mitfahren sollen …

http://www.pictureupload.de/originals/57996/220510093119_sonstige_gr____en__nderung_gr.jpg



Nun aber zum Hauptdarsteller dieses Berichts.
Ein Wort zuvor; aufgrund des Umfangs ist der Bericht über diese Bahn geteilt. Der erste Teil behandelt Geschichte, Verkehrsaufkommen und Fahrzeuge. Wen das nicht so interessiert, der sollte gleich zu Teil 2 wechseln, wo die Streckenaufnahmen kommen.


Borjomi – Bakuriani

Nach dreieinhalb Jahren Bauzeit wurde die Bahn im Januar 1902 offiziell eröffnet. Neben dem Holztransport stand von Anfang an der Personenverkehr im Mittelpunkt. Borjomi war von der Zarenfamilie entdeckt worden, und Bakuriani entwickelte sich im Laufe der Zeit zu einem beliebten Kur- und Wintersportort. Die Spurweite wird immer mit 900 mm angegeben, im LOK Report war auch von 914 mm (drei Fuß) die Rede. Der georgische Eisenbahnfreund meinte, 914 mm wäre die georgische Schmalspur an sich – wer weiß, denn ein Nachmessen vor Ort brachte nicht viel ….
Jedenfalls ist die Strecke 37 km lang, während die beiden Endpunkte Luftlinie nur 15 km voneinander entfernt sind – was schon deutlich zeigt, wie sehr sich die Strecke durch die Berge windet. Der Höhenunterschied beträgt immehin etwa 870 m. Über die Straße sind es übrigens nur etwa 28 Kilometer zwischen den beiden Endpunkten.
Es gibt auch eine in den bisher erschienen Berichten nicht erwähnte knapp 5 km lange Nebenstrecke von Sakochavi nach Bakuriani Andesit, die wohl nie Personenverkehr hatte und schon länger nicht mehr befahren wurde.

Eine Karte findet sich hier:

[narrow.parovoz.com]

Eine Umspurung auf Breitspur, wie bei vielen anderen Schmalspurstrecken der Sowjetunion, unterblieb aufgrund der schwierigen topographischen Verhältnissee; es wäre ein sehr aufwändiger Neubau erforderlich gewesen. Auch die Umspurung auf die sowjetische Standardspur von 750 mm unterblieb wohl aus ähnlichem Grund – leistungsfähige Berglokomotiven für 750 mm waren kaum vorhanden, wie auch die Probleme auf anderen anspruchsvollen Bahnen wie Beloretzk oder Proletarsk zeigen.

Heute verkehren zwei tägliche Zugpaare auf der Strecke (Fahtzeit 2,5 – 3 Stunden), gegen Ende der Sowjetunion waren es noch drei (Fahrzeit zwei Stunden). Hinzu kamen früher Sonderzüge, wenn auf der Breitspur die Urlauberzüge ankamen und Massen von Touristen auf die Hotels und Erholungsheime entlang der Strecke zu verteilen waren. Zwei Hotels hatten sogar eigene Haltepunkte.
Da die heutigen Marschrutkas auf der Strasse wesentlich schneller sind als die Züge, fahren neben ein paar Touristen oder Schülergruppen Leute mit, denen die gesparten 50 Eurocent im Vergleich zum Marschrutka eine längere Reise rechtfertigen. Daneben liegen die Orte Tsemi, Oba und Libani nicht an der direkten Strasse, so dass hier der Hauptquell des Reisendenaufkommens liegt. Wirklich gut besetzt sind die Züge dennoch nicht (auf Teilstrecken so 10 – 15 Leute maximal Anfang Mai 2010). Am Sonntag waren übrigens deutlich weniger Leute in den Zügen als an Werktagen.

Güterverkehr wird nicht mehr durchgeführt. Bilder davon habe ich bisher auch noch nicht gesehen.
Transportiert wurden vermutlich in erster Linie folgende Güter:

- Die erwähnte Güterstrecke nach Bakuriani Andesit endet in Google-Earth recht unmotiviert „auf der grünen Wiese“ Aber kurz hinter dem Endpunkt kann man so etwas wie ein Bergwerk ausmachen. Und es gibt tatsächlich ein Gestein vulkanischen Ursprungs namens Andesit. Meist mit Eigenschaften wie Basalt, bei bestimmten Zusammensetzungen wird Andesit aber auch für andere Produkte verwendet – bei Amazon wird z.B. ein Waschbecken aus Andesit angeboten. Das Internet liefert für Bakuriani Andesit eine Firma, die Split und „feuerfestes Andesitpulver“ verkauft. Was auch immer früher mit der Bahn abgefahren wurde, heute ist die Strecke zugewachsen.

- An der Umladerampe steht ein mit Zementsäcken gefüllter G-Wagen. Die Säcke sehen aus, als ob sie schon sehr lange in dem Wagen liegen. Ich vermute mal, dass Zement und Kies für verschiedene Bauprojekte (Hotels) nach Bakuriani gefahren wurden. Die Säcke in dem G-Wagen waren wohl für ein nach der Wende gestopptes Bauprojekt bestimmt, nach Zwischenlager sieht der Wagen nämlich nicht aus.

- Kohlen, insbesondere für die Hotels und Erholungsheime, wurden sicher auch mit der Bahn angefahren – heute heizen viele Georgier in primitiven Blechöfen mit Holz, welches nicht immer legal aus dem Wald besorgt wird.

- Wie schon geschrieben, wurde die Bahn auch für den Holztransport gebaut. Inwieweit das zum Ende der Sowjetunion noch galt, ist schwer zu sagen. Die vorhandenen O-Wagen, mit den niedrigen Bordwänden und den fehlenden Ösen für provisorische Holzrungen (wie bei den 750 mm – Niederbordwagen), scheinen dafür aber recht ungeeignet zu sein. Noch vorhandene Seitenrampen in Zwischenbahnhöfen wie Sakochavi sehen aber wie Holzrampen aus.

Der Güterwagenpark ist recht groß, was sicher nicht nur daran lag, dass die Planwirtschaft gerne große Stückzahlen produzierte. Einige O-Wagen wurden laut den Fabrikschildern übrigens noch 1991/92 von Demichovo gebaut.

Beginnen wir nach der Einleitung mit den Bildern, und der Vorstellung der Fahrzeuge.

Zumindest in der letzten Zeit des Dampfbetriebes waren die Tenderloks des Typs Bp eingesetzt. Die Bp-48 steht als Denkmal an der Ausfahrt des Güterbahnhofs Borjomi:

http://www.pictureupload.de/originals/57996/190510231514_sonstige_gr____en__nderung_denkmal_mf.jpg


Nach der Elektrifizierung der Bahn 1966/67 wurden einige Exemplare aber offensichtlich als fahrdrahtunabhängige Reserve bzw. Bauzuglok betriebsfähig erhalten. In einem Kinofilm von 1969 ist z.B. die deutliche Betriebsspuren aufweisende Bp-5 vor einem Personenzug zu sehen.
In den 70er Jahren übernahmen dann Tu7 diese Aufgabe (TU7-0186, 1063, 1565).

Abgelöst wurden die Bp durch tschechoslowakische Elloks der Reihe ChS 11 (01-12), die offensichtlich aus den Standard-Tagebauloks entwickelt. Äußerlicher Hauptunterschied ist der „normalhohe“ Mittelführerstand.

http://www.pictureupload.de/originals/57996/190510231513_sonstige_gr____en__nderung_alter_bi_mf.jpg


Neben der Lok ist hier ein alter Personenwagen zu sehen. Da ihre Nachfolger erst ab 1973 geliefert wurden, kamen sie vermutlich für einige Jahre auch hinter den Elloks zum Einsatz. In dem erwähnten Kinofilm sind zwei rotbraun gestrichene Exemplare zu sehen – ob das rein filmische Zwecke hatte, vermag ich nicht zu sagen. Interessant an jenem Film ist auch, dass er einen vierachsigen Sommerwagen im Zugverband zeigt.

Abgelöst wurden die alten Wagen von 1973 – 75 gelieferten Neubauten aus der Waggonfabrik Demichovo. Diese haben mit den Standard-Pv51 äußerlich wenig gemein. Nicht nur haben sie offene Plattformen, sondern auch vergleichsweise große Fenster.
Ab 2007 wurden einige Wagen für mögliche Touristen „rekonstruiert“, der Wagenkasten hat nun geschlossene Plattformen, höhere Fenster – und innen Hartplastiksitze, immerhin mit ein wenig Stoffpolsterung. So wirklich schlecht finde ich allerdings Reise und Aussicht in den alten Wagen nicht.

http://www.pictureupload.de/originals/57996/220510092250_sonstige_gr____en__nderung_wageninneres.jpg



http://www.pictureupload.de/originals/57996/190510231514_sonstige_gr____en__nderung_bakuriani_aussteigen_mf.jpg


Interessant ist auch die Nennung der beiden Endpunkte über den Fenstern. Bei den alten Wagen ist dies in kyrillisch und georgisch angeschrieben, bei den Rekowagen in georgisch und lateinisch (wie auch im ganzen Land heute Straßenschilder und Wegweiser neben der georgischen eher die lateinische Schrift als die kyrillische tragen).

Packwagen waren auch einmal im Einsatz:

http://www.pictureupload.de/originals/57996/190510231741_sonstige_gr____en__nderung_pw_mf.jpg


Einen der G-Wagen hat man auf der Aufnahme mit dem alten Bi schon gesehen. Auch er entspricht einer Type, die ich auf 750 mm noch nie gesehen habe. Ebenso haben die O-Wagen keine mir bekannte Entsprechung auf 750 mm. Dort gibt es eher Niederbordwagen, und die wenigen O-Wagen wie in Proletarsk haben Seitenklappen, während die Wagen in Georgien Bodenklappen besitzen wie die Breitspurwagen:

http://www.pictureupload.de/originals/57996/190510231741_sonstige_gr____en__nderung_oow_mf.jpg


Ein zweiter alter Wagen hat als Turmwagen auf einem Abstellgleis der Fahrleitungsmeisterei Tsagveri überlebt; ob es sich um einen ehemaligen GG, Pw oder gar einen Neuaufbau handelt, kann ich nicht sagen (auffällig sind aber die doppelten, isolierten Seitenwände).

http://www.pictureupload.de/originals/57996/220510083607_sonstige_gr____en__nderung_alter_turmwg_mf_s.jpg


Einen dritten alten Wagen gibt es dann auch noch; am Ende des Ladegleises in Sakochavi steht das Wrack eines Flachwagens, den ich aber nicht fotografiert habe.

Als Einstimmung auf den zweiten Teil kommt hier ein erstes Streckenfoto, bis nachher also.

Michael

http://www.pictureupload.de/originals/57996/190510231742_sonstige_gr____en__nderung_talanfang_mf.jpg




1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2010:05:24:15:21:30.
Hmmm, habe gedacht, ich könnte auch mal einen Beitrag bringen, aber wenn das hier "unterirdisch" ist, verzichte ich lieber :-)
oder war das eher "fishing for compliments"? Falls ja, gebe ich dir die Komplimente gerne :-)

Habe den compliments noch ein "l" spendiert, sieht besser aus.



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2010:05:25:01:47:35.
... nee, Komplimente fischen wollte ich nicht - in den beiden folgende Teilen finde ich die Qualität mancher Scans aber schon deutlichst schlechter als die Orginale ... aber danke für die Blumen :-)