Im Juli machte ich eine Bahn-Reise durch die Baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen. Begonnen hat die Reise jedoch in Finnland, das nur durch 80 Kilometer Meer von Estland getrennt ist. Der Reisebericht beginnt also in Finnland, genauer: in Helsinki. Nach der Landung ging es mit einem Bus in die Stadt zum Quartier, dann aber gleich einmal zum Hauptbahnhof, Finnisch: Rautatieasema – heißt eigentlich wörtlich etwa „Eisenbahnstation“: Rauta=Eisen, Tie=Weg, Asema=Bahnhof, Station. Der Bahnhof hat sich seit meinen zwei ersten Besuchen (1972 und 1974) natürlich sehr verändert. Nicht der Bau an sich, sondern das Drumherum. Es gibt nun eine teilweise Überdachung und ich habe auch den Eindruck, daß der Verkehr stark zugenommen hat. Fernzüge waren damals alle noch mit Dieselloks bespannt. 1974 waren nur ganz kurze Strecken in der Umgebung von Helsinki elektrifiziert, heute sind große Teile des Landes elektrifiziert, praktisch alle Hauptstrecken, außer jene im hohen Norden.
Von außen präsentiert sich der Bahnhof noch gleich (Blick von Mannerheimintie her):
Die Bahnhofsfront von vorne:
Die Figuren links und rechts des Portals …
…dienen sogar als Werbeträger für die VR: Hier zum Beispiel auf einem Comic an der Rückseite eines Sitzes im Oberstock eines IC2-Wagens (beim Kinderspielbereich).
Nahverkehr: S-Bahn Helsinki
Es gibt eine Art S-Bahn in Helsinki, betrieben mit zweiteiligen elektrischen Triebwagen. Sie dominieren das Geschehen auf den äußeren Bahnsteiggleisen. Stromsystem in Finnland ist 25kV und 50 Hz. Die Ausmaße des Bahnhofs sind bemerkenswert: 19 Bahnsteiggleise gibt es, davon sind die jeweils äußeren (etwas kürzer als die mittleren) dem Lokalverkehr vorbehalten.
Das sind die Bahnsteige am westlichen Rand des Hauptbahnhofs. Sie werden nur für die S-Bahn-Züge verwendet.
Anders als zum Beispiel in Deutschland oder Österreich tragen die S-Bahn-Linien Buchstabenbezeichnungen. Vom Kopfbahnhof Helsinki aus gibt es vier Linienäste. Einer auf der Hauptstrecke nach Westen Richtung Turku (grün) mit den Linien A, E, L, S, U, Y, die sich teilweise durch die Endbahnhöfe, aber vor allem durch die unterschiedlichen Haltebahnhöfe unterwegs unterscheiden. Karis (87 km) ist der am weitesten entfernte Bahnhof, der erreicht wird.
Die zweite lange Linie auf der Hauptstrecke Richtung Tampere wird blau dargestellt und besteht aus den Linien I, G, H, K, N, R, T. Auf dieser Strecke wird bis Riihimäki (71 km) gefahren.
Über die Neubaustrecke nach Lahti (103 km) verkehrt die rote Linie Z, die nur wenige Unterwegshalte aufweist. Hier fahren viele Züge auch mit Lok+Klassen. Die Strecke wurde zur Verkürzung der Hauptlinie Richtung Osten (Rußland oder Joensuu) am 13.10.2005 eröffnet. Die neue Trasse zwischen Kerava und Lahti beträgt 74 km, das meiste davon ist ein kompletter Neubau. Die Fahrzeit zu den Zielen Ostfinnlands verringert sich damit um 30 Minuten. Auf diesem Abschnitt verkehren die Pendolini mit einer v/max von 220 km/h. Bis 2005 mußte die Züge über Riihimäki fahren.
Eine neue Linie ausschließlich für den Nahverkehr wurde 1991 nach Vantaankoski (15 km) gebaut und von der Linie M bedient. Vantaankoski ist der Endbahnhof, doch ist geplant, die Strecke zu verlängern: über einen großen Bogen Richtung Osten soll der Flughafen unterfahren werden und östlich davon in die östliche Hauptstrecke einmünden, sodaß man von beiden Strecken den Flughafen erreichen kann. Der Baubeginn wurde kürzlich von 2007 auf 2008 verschoben.
Als Fahrzeuge dienen je 50 Garnituren der zweiteiligen elektrischen Triebwagen (Trieb- und Steuerwagen) der Reihen Sm1 (Baujahre 1968-1973) und Sm2 (Baujahre 1975-1981), die äußerlich nicht zu unterscheiden sind. Ein Teil dieser Triebwagen wurden inzwischen modernisiert, der ursprünglich braune Anstrich wich einem weiß/roten Anstrich. Es verkehren alle Garnituren gemischt und ich konnte sehr häufig Mehrfachtraktionen beobachten.
1972 sahen die Sm1 noch so aus (die gelben Warnflächen waren sehr klein):
Sm1 6004 in Helsinki
Heute sehen die umgebauten Triebwagen mit Neulack so aus:
Er ist mit einem Triebwagen in alter Lackierung gekuppelt.
Ein Blick vom Bahnhof Richtung Norden. Zu sehen sind zwei S-Bahn-Garnituren mit unterschiedlicher Lackierung.
Das ist kein Zug der Linie K, sondern eine Zusammenstellung von mehreren Garnituren auf dem Weg zurück ins Depot. Blickrichtung von einer Brücke zum Bahnhof.
Eine neue Generation von 30 zweiteiligen S-Bahn-Triebwagen wurden von Alstom zwischen 1999 und 2005 als Reihe Sm4 geliefert. Im Einstiegsbereich sind die Züge niederflurig, über Stufen erreicht man die Bereiche über den Drehgestellen. Auch diese Triebwagen mit einem gefälligen weiß/roten Anstrich mit roten Türen verkehren auch in Vielfachtraktion und bestehen aus Trieb- und Steuerwagen.
Der Innenraum der Baureihe Sm4. Im Hintergrund ist der Info-Screen zu sehen. Das blaut Bild weist darauf hin, daß in diesem Wagen Fahrscheinverkauf und -kontrolle stattfindet.
Auf dem Infoscreen werden Uhrzeit, die nächsten Halte und auch die Geschwindigkeit angezeigt. Auf dem leider unscharfen Bild erkennt man aber auch die hier verborgene Überwachungskamera.
Interessant ist auch das Fahrscheinsystem. Es gibt zwei Arten von Entwertern: Einerseits Apparate ähnlich wie bei uns, bei denen die dafür vorgesehenen Fahrscheine gestempelt werden, andererseits neuartige elektronische Lesegeräte mit vier auffälligen Tasten (1, 2, 3 und L). Fast nicht zu entdecken ist ein Schlitz ganz unten, in den scheckkartenartige Fahrkarten (z.B. Tageskarten im Scheckkartenformat, die im Vorverkauf erworben wurden) gesteckt werden. Das Gültigkeitsende der Karte wird dabei auf den Chip in der Karte gespeichert. Bei jedem Einstecken in den Schlitz zeigt ein Display am Apparat an, wann die Gültigkeit endet. Wichtiger ist jedoch eine Funktion für Zeit- und Wertkarten. Man erhält für einen Preis von etwa 7 Euro eine aufladbare Karte, die man beim Einsteigen in den Zug (oder Straßenbahn oder Autobus oder Metro) vor dem Gerät vorbeibewegt. Ein Piepston zeigt an, daß entweder (je nach Art der Aufladung) ein Geldbetrag oder eine Zeiteinheit abgebucht wird. Ein Einstecken der Karte in den Leseschlitz bewirkt ein Anzeigen des Gültigkeitsendes der Karte (oder den noch vorhandenen Geldbetrag. Man kann diese Karte also entweder mit einem Geldbetrag aufladen oder mit einer gewissen Zeitgültigkeit. Etwas ungewohnt ist für den Besucher, daß Straßenbahnfahrscheine, die nur auf Straßenbahnen gelten, billiger sind als normale Fahrkarten, die auf allen Verkehrsmitteln im Stadtgebiet gelten. Es gibt darüber hinaus auch Fahrkarten aus Automaten an den Haltestellen, bei denen auf Wunsch der Gültigkeitsbeginn bereits ab Kauf beginnt. Auf all diesen Fahrscheinen ist stets das Ende der Gültigkeit deutlich lesbar aufgedruckt. Im Stadtverkehr gilt ein normaler Fahrschein üblicherweise 70 Minuten. Genauere Hinweise finden sich im Internet (Wikpedia).
Über das S-Bahn-System: [
de.wikipedia.org]
Über das Tarifsystem und die Straßenbahn: [
de.wikipedia.org]
Fernverkehr
Bevor wir uns dem heuten Zugsverkehr zuwenden, möchte ich einen kleinen Rückblick auf 1972 machen. Damals war ich zum ersten Mal (kurz) in Helsinki. Es gab noch diese schönen Dieseltriebwagen für den Fernverkehr. Ich weiß leider nicht, wohin diese Züge gefahren sind. Hier eine Dm8-Doppelgarnitur:
Und hier eine ziemlich ähnliche Dm9-Einheit:
Diesleloks der Reihe Hr12 gibt es heute nicht mehr. Hier die Nummer 2228, ebenfalls 1972:
Die blau/grauen Wagen gibt es auch heute noch. Ich erinnere mich noch gut, daß die Loks mit einer Glocke gebimmelt haben bei der Einfahrt in den Bahnhof. Es gab aber auch noch Holzwagen, hier zum Beispiel hinter einer Hr13, diese Type gibt es auch nicht mehr. Lok 2324:
Die Dv12 schaut so neu aus. Mag sein, daß sie damals kurz zuvor geliefert worden ist (Baujahre 1963-1984). Auch diese Aufnahme stammt von 1972:
Die Baureihe Sr1 war damals die einzige E-Lok-Baureihe. In dieser Lackierung gibt es allerdings keine mehr. Und natürlich sind auch die Holzwagen Verangenheit
Heute sieht es etwas moderner in Helsinki aus. Die Loks der Reihe Sr1 haben ein neues, rot/weißes Kleid bekommen. Der abgebildete Zug ist ein Regionalzug. Einige Züge werden noch mit Lok+Klassen geführt. Die Regionalzugwagen der Reihe Eil sind rot/grau lackiert:
Es gibt auch Wagen mit Fahrkartenverkauf. Diese sind außen durch einen blauen Streifen kenntlich gemacht. Hier werden die Fahrkarten auch kontrolliert!
Neu sind für mich natürlich die Pendolino-Züge der Reihe Sm3. Die 18 Garnituren werden hauptsächlich in schnellen Tagesrandverbindungen eingesetzt und erreichen sogar Oulu. Auf der Neubaustrecke zwischen Helsinki und Lahti erreichen sie 220 km/h, sonst 200 oder weniger, je nach Strecke. Zwei Sm3-Pendolini stehen zur Abfahrt auf den Gleisen 9 und 10 bereit:
Die Pendolini sind sechsteilig. Bei diesem Zug fehlt das VR-Symbol auf dem Kupplungsdeckel:
Sie können auch als Doppelgarnitur eingesetzt werden:
Und so schaut das Anschriftenfeld aus, mit dem Hinweise auf die v/max:
Der Innenraum sieht einladend aus, die niedrigen Fenster kennt man von Italien, die Sitze sind jedoch nicht besonders bequem, auch wenn sie schön aussehen:
An dieser Stelle ist es vielleicht interessant, die Fernzüge ab Helsinki näher anzusehen. Grundsätzlich gibt es drei Zugkategorien im Fernverkehr:
Die höchste Zugklasse sind die soeben vorgestellten Pendolino-Züge (im Kursbuch als S oder auch als S220 bezeichnet). Sie halten nicht immer seltener als IC-Züge, haben Business-Abteile mit PC-Anschluß, die Neigeeinrichtung dient nur dem Komfort und ist kaum merkbar. Auf einigen Streckenabschnitten werden Geschwindigkeiten bis 200 und 220 km/h erreicht. Viel Unterschied zum IC besteht aber nicht. Wohl aber im Fahrpreis. Die Fahrkarten sind je nach Zugkategorie verschieden, die Sitzplatzreservierung ist im Preis inbegriffen, das heißt, man bekommt eine Ticket mit integrierter Platzkarte.
Die nächste Kategorie sind die Intercity-Züge (IC), die mit modernen Wagen gebildet werden und immer auch einige Doppelstockwagen mitführen. Auch hier gibt es Business-Abteile mit PC-Anschlußmöglichkeit und fast immer eine Kinderspielecke oder auch ein Kleinkinderabteil. Einige IC-Züge bestehen nur aus Doppelstockwagen und werden als IC2 bezeichnet. Die Fahrkarten für diese Züge werden ebenfalls mit Platzreservierung verkauft. Fahrgäste mit Netzkarten müssen sich also eine zusätzliche Platzkarte besorgen (so wurde mir am Schalter gesagt), außer sie steigen irgendwo zu, wo man keine Fahrkarten kaufen kann. Dann muß man jedoch damit rechnen, öfter seinen Sitzplatz verlassen zu müssen um sich einen neuen zu suchen.
Hier ist ein typischer IC-Zug mit einer Lokomotive der Baureihe Sr2 (ähnlich der Lok2000 der SBB, Reihe 460): hinter der Lok zunächst einige normale IC-Wagen, dahinter ein paar Doppelstock-Wagen:
Die Doppelstockwagen scheinen immer in Richtung Helsinki zu laufen. Die Ähnlichkeit mit den ÖBB-Kamelbuckelzügen ist groß. Hier ein einfahrender IC-Zug:
Die IC-Wagen sind optisch sehr ansprechend eingerichtet, allein die Sitze fand ich ziemlich unbequem. Es dürften die gleichen Sitze wie in den Pendolino-Zügen sein. Hier der Blick in den unteren Teil eines Doppelstockwagens:
Im Oberstock ist viel mehr Platz als vergleichsweise bei uns. Vermutlich ein größeres Lichtraumprofil:
Es gibt im Oberstock auch eine Kinderspielecke mit Rutsche und Bausteinen und derlei Unterhaltung für die Kinder. Die Eltern können in der Nähe sitzen und die Kinder gut beobachten. Aber es gibt auch eine Art Abteil für Mütter mit Kleinkindern. Das Abteil hat eine runde Sitzgruppe, einen Tisch und einige Spielsachen für Kleinkinder sah ich dort auch. Ich vermute, hier können sich Mütter mit ihren Kleinstkindern zurückziehen, wenn sie wollen. Reserviert dürften solche Sitze scheinbar nicht werden.
Das Fahrgastinformationssystem ist sehr angenehm. Man wird über den nächsten Bahnhof ausführlich informiert. Die Information beginnt mit so einem Bild:
Die unterste Kategorie sind die normale Schnellzüge (P). Das P steht für pikajuna (pika=schnell). Die P-Züge werden mit älterem Wagenmaterial geführt, hier ist Platzreservierung möglich, aber nicht erforderlich. Die Preise variieren je nach Zuggattung, am billigsten sind natürlich die P-Züge, am teuersten die Pendolini. Die Nachtzüge fallen auch in die Kategorie P, sind aber meist mit hochmodernen Doppelstockschlafwagen ausgestattet. Im Kursbuch Sommer 2007 finden sich folgende fünf Schlafwagenzüge:
Helsinki-Kolari (995 km) 5x wöchentlich (an Do, Fr, Sa) P263, P269
Helsinki-Rovaniemi (900 km) 2x täglich, an Fr drei Züge P265, P267, P273
Die Schlafwagen führen auch Autotransportwagen mit. Dabei sah ich zwei verschiedene Arten: ältere, teilweise offene Wagen (Gattung Gfot):
…und diese neueren, völlig geschlossenen Wagen Gattung Hccmqqr, die anscheinend aus zwei kurzgekuppelten, durch Faltenbalg verbundenen Zweiachs-Wagen bestehen:
Damit der erste Teilbericht nicht zu lang wird, beende ich hier einmal meinen Bericht von Helsinki. Es folgen im nächsten Teil die drei internationalen Züge „Tolstoj“, „Repin“ und „Sibelius“ sowie ein Besuch im Bahnhof Pasila, einem Bahnhof 3 km vor Helsinki.
Hier geht’s zum zweiten Teil: [
drehscheibe-online.ist-im-web.de]
1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2007:10:10:18:45:43.