siehe auch
[F] Auf Umwegen zum "train jaune": Maurienne und Sardana (21B und Musik-L) [
www.drehscheibe-online.de]
[F] "train jaune" 1974, Teil 1: Triebwagen und Personenwagen (14B) [
www.drehscheibe-online.de]
[F] "train jaune" 1974/95, Teil 2: Fahrzeuge für die Schneeräumung (8B) [
www.drehscheibe-online.de]
[F] "train jaune" 1974/90, Teil 3: Güter- und Dienstwagen (24B) [
www.drehscheibe-online.de]
Zitat aus dem Prolog: Fast 63 km lang, seit Betriebsaufnahme 1910 mit Gleichstrom 850 V ab 3. Schiene elektrifiziert, Anstieg mit bis zu 60 Promille von 427 m auf 1592 m, 80 m minimaler Kurvenradius auf freier Strecke, spektakuläre Schrägseil-Hängebrücke, Betrieb ausschliesslich mit Triebwagen aus der Eröffnungszeit, Verhältnis Einnahmen zu Ausgaben 1:10. Das waren 1974 mehr als genug Gründe, die einzigartige SNCF-Meterspurbahn Villefranche - La Tour-de-Carol im östlichen Teil der französischen Pyrenäen zu besuchen. Im Juli 1974 hatte ich mich mit meinem ersten Interrail auf die lange Fahrt zu den Dampflokomotiven in Portugal aufgemacht. Ein Abstecher zur „ligne de Cerdagne“ mit dem train jaune erschien mir damals, mit noch nicht ganz 18 Jahren, absolut vordringlich. Nie hätte ich es mir verzeihen können, diese 1974 extrem einstellungsgefährdete Bahn verpasst zu haben.
Farben und Spitznamen: 1974 war die von der grossen Bahngesellschaft Midi gebaute
ligne de Cerdagne unter Eisenbahnfreunden eher als
Métro des Pyrenées bekannt, denn der vollständig gelbe Aussenanstrich des einstigen
train jaune war anlässlich der generellen Wagenkastenerneuerung in den Sechzigern den kräftigen katalanischen Nationalfarben Blutrot und Goldgelb gewichen, und nun trat in Fachkreisen eben wieder die technische Besonderheit der Bahn in den Vordergrund, die Stromversorgung mit dritter Schiene über Gleitschuhe
(frotteurs) und die mit der Pariser Metro, Generation
motrices à grande loge, identische elektrische Ausrüstung von Sprague. Seit einem weiteren Neuaufbau aller Fahrzeuge des Personenverkehrs um 1990 ist der Rot-Anteil auf einige Zierlinien geschrumpft, aus der
Pyrenäenmetro ist wieder der
train jaune geworden, von den Einheimischen haben die Züge auch den Spitznamen
canari (Kanarienvogel) erhalten.
Ohne Fahrdraht elektrisch durch eine grandiose Landschaft zu fahren, das kannte ich vorher nur von der Zahnradbahn Martigny - Châtelard in der Schweiz…
…und von der Fortsetzung über Chamonix nach Le Fayet in Frankreich.
Während aber die französische „Alpenmetro“ um Chamonix mit minimalen Kurvenradien von 300 m auskommt, sind zwischen Villefranche und La Tour de-Carol in der Cerdagne regelmässig Kurven bis hinunter auf 80 m Radius üblich, der Minimalradius wird auf freier Strecke nicht weniger als 135 Mal erreicht! Die Zwischengeraden sind nur ausnahmsweise länger als 500 m. Die höchste zulässige Streckengeschwindigkeit von 50 km/h kann nur auf einem relativ geringen Teil der offiziell genau 62,561 km langen Bahnlinie ausgefahren werden.
Am 24. Juli 1974 sitze ich nun zum ersten Mal im
train jaune - nein, ich stehe fast immer, mit klopfendem Herzen, um auch ja nichts zu verpassen.
Ab Olette (km 9,8; 607 m Meereshöhe) steigt die Strecke mit kontinuierlich 60 Promille an, bis Mont-Louis - La Cabanasse (km 27,9; 1510 m). In Thuès-les-Bains (km 13,9; 720 m) ist das zweite Gleis 1974 nicht mehr in Betrieb.
Mitten im Anstieg liegt der Kreuzungsbahnhof Fontpédrouse (km 19,7; 1051 m).
Obwohl die Strecke aus Sparsamkeit so gut als möglich der Landschaft angepasst wurde, waren 17 Tunnel und drei Schutzgalerien notwendig,
Die Liste der gemauerten, teilweise mit Stahlträgern im Mittelteil versehenen Brücken umfasst gegen 30 Bauwerke.
Die beiden legendären Brückenbauwerke
Pont Séjourné und
Pont Gisclard haben es zu Weltruhm gebracht. Der 217 m lange
Pont Séjourné führt bei km 17,9 in 65 m Höhe über den Fluss Tet. Der verantwortliche Ingenieur Paul Séjourné überbrückte den Fluss in 35 m Höhe mit einem gotisch anmutenden Spitzbogen, eine lange Reihe klassischer Rundbögen führt die Bahn in zweiter Etage über das Tal.
Es ist kaum möglich, das grandiose Bauwerk vom Zug aus aufzunehmen.
(Edit dank huerz: Beide Fotos korrekt ausgerichtet)
Gerne verweise ich deshalb an dieser Stelle auf die Fotos im Online-Lexikon: [
de.wikipedia.org]
Edit: Und natürlich auf die Fotos von huerz.
Absolut atemberaubend finde ich die Schrägseil-Hängebrücke Pont de Cassagne, besser bekannt nach ihrem Erbauer als
Pont Gisclard. Fotos von verschiedenen Fahrten 1974 bis 1980:
Ein Widerlager.
Wo sich die Schrägseile kreuzen.
Ich beschliesse, diesem Bauwerk einen eigenen Tagesausflug zu widmen. Die Fotos davon zeige ich in einem eigenen HiFo-Beitrag.
Am 6. August 1974 fahre ich nach dem Besuch des
Pont Gisclard noch bis Bolquère-Eyne, bevor ich nach Perpignan zurückkehre. Einfahrt meines Zuges im einsamen Haltepunkt Planès, (km 25,2; 1373 m), nur einige hundert Meter oberhalb der Hängebrücke.
Zugskreuzung in Mont-Louis - La Cabanasse (km 27,9, 1511 m), 24. Juli 1974:
In Mont-Louis - La Cabanasse warten ich am 6. August 1974 auf einen Gegenzug.
Der Zug aus La Tour-de-Carol erscheint, leider habe ich einen Zacken zu spät abgedrückt. Das Bild dokumentiert immerhin den engen 80-Meter-Bogen in der Einfahrt.
Bolquère-Eyne (km 30,2) hat die Ehre, als höchstgelegener SNCF-Bahnhof bezeichnet zu werden. Am 14. Juli 1974 macht die Station auf mich einen eher desolaten Eindruck.
Am 6. August steige ich in Bolquère-Eyne aus, weil ich weiss, dass im nahen Font-Romeu bereits eine Zugskreuzung stattfindet und sich die Wartezeit in Grenzen hält.
Da fährt er hin, mein Zug. Gleis 2 ist weg, das noch vorhandene Gleis 1 im Grünzeug kaum zu erkennen, aber die Stromschiene verrät seine Lage.
Ein Gewitter bahnt sich an. Ausblick vom Scheitelpunkt der Bahnlinie auf die kleine Siedlung am Col de la Perche.
Der Zug wird mich trocken ins Tal bringen.
Fortsetzung folgt.
Gruss, Werner
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