Hallo HiFo!
Was ein Titel... - es ist faszinierend, was das Hirn so alles ausspuckt, wenn man nicht drüber nachdenkt... ich sage Euch jetzt nicht, wann mir dieser Titel eingefallen ist.
Bei der heutigen Karte muss man jedenfalls zweimal hingucken und "nein" es ist keine frühe Version des Spiels "Suchen Sie die 5 Fehler im rechten Bild".
(So, das musste raus... Aber jetzt ist Schluss mit den schlechten Witzen und jetzt sind wir wieder "ganz seriös"...)
Zum 5. Türchen: Eine Stereoskopie vom Bhf Baden-Baden
Stereofotos waren in den 1860er-1880er Jahren groß in Mode. Es gibt unzählige Aufnahmen - manche auch mit Eisenbahnbezug. - Und ich erzähle jetzt nicht die Geschichte, dass ich im letzten Sommer zwei Stereobilder vom Köln Centralbahnhof gekauft habe, die dann in einem Paketzentrum in OWL "verloren" gegangen sind. (Mit "Hier-befindet-sich-ihr-Paket" war das wunderbar nachvollziehbar. Naja, die Post hat die Kosten erstattet, war ja versichert.. Aber die Bilder sind futsch... Da es aber Bilder waren, die damals "in Serie" gedruckt worden sind, habe ich die Hoffnung, dass sie mir noch einmal begegnen... Bilder einer CME-Lok auf der Hohenzollernbrücke... man, man, man...)
Aber zurück nach Baden-Baden:
Die vorliegende Karte wurde von "H.J." aus Paris als Nr. 322 verkauft. Sie trägt den Titel "Baden-Baden (Großherzogtum Baden): Panoramablick auf die Badische Bahn". - Leider ohne Jahreszahl...
Der Bahnhof Baden-Baden war der Endpunkt einer Stichstrecke, die zur Rheintalbahn führte. Der Ort Baden-Baden selber konnte aufgrund der topografischen Lage leider nicht direkt angebunden werden, da er abseits der oberrheinischen Tiefebene im Tal der Oos lag. Da Baden-Baden aber ein Hauptreiseziel war, wurde bereits 1845 kurz nach der Inbetriebnahme der Hauptlinie im Rheintal die Stichstrecke nach Baden-Baden eröffnet.
Die Strecke war 4,2 km lang und hatte eine maximale Steigung von 1:125.
Wie gesagt war der Bahnhof der Endpunkt der Strecke. Auf der Nordseite befand sich das von Friedrich Eisenlohr entworfene und in Holzfachwerkbauweise errichtete Empfangsgebäude. Davor lag der rund 80 Meter lange Hausbahnsteig, an dem hier der Personenzug steht. Das Empfangsgebäude wurde kurz vor der Jahrhundertwende durch einen Neubau ersetzt (Inbetriebnahme 1894), der heute noch als Festspielhaus dient. => Damit dürfte das Foto vor 1890 aufgenommen worden sein, denn von einer Baustelle am Empfangsgebäude ist hier nichts zu erkennen.
Links neben dem EG ist das westliche Abortgebäude gut zu erkennen - ein weiteres gab es auf der östlichen Seite. Noch weiter links ist der Anfang der Bahnsteighalle zu sehen.
Dem EG gegenüber liegt der Güterschuppen - das Gebäude mit der Freitreppe an der Stirnseite.
(Im Buch "Historische Bahnhofsbauten III" von Manfred Berger findet sich auf Seite 122 eine kurze Beschreibung des Bahnhofs mitsamt einem Lageplan von 1845)
Wenden wir uns nun mal der Lokomotive zu:
Wir sehen:
- einen recht langen Schlot, direkt über der Rauchkammer. - Klingt für uns heute selbstverständlich, allerdings gab es in Baden auch Loks mit Schlot auf dem zweiten oder dritten Kesselschuss (insb. bei Crampton-Loks)
- einen recht dicken Dom direkt hinter dem Schlot
- ein sehr großes Treibrad kurz vor Beginn des Stehkessels
- eine leichte Überhöhung des Stehkessels vor dem Führerstand mit Sicherheitsventil
- einen recht schmalen Regenschutz für den Führerstand
- einen recht kurzen Lagerraum für die Kohle (ich schreibe jetzt bewusst nicht "Tender", da es nicht sicher ist, ob es sich tatsächlich um einen gekuppelten Tender handelt.)
- die Lok wirkt insgesamt recht kurz und die Kessellage recht niedrig
Blättert man mal im Buch "Die historischen Lokomotiven der Badischen Staats-Eisenbahnen" von Richard von Helmholtz dann findet man auf Seite 86 auch eine recht gut passende Skizze.
Demnach handelt es sich um eine von vier Maschinen, die aus ursprünglichen 1A1-Breitspur-Schlepptenderlokomotiven zu 1A1-Normalspur-Tenderloks umgebaut worden waren.
Bei diesen Lokomotiven handelte es sich um die Fahrzeuge:
"3" - "Heidelberg" - Sharp 110/1841 - Gattung 1a Reihe 2
"5" - "Roberts" - Sharp 212/1843 - Gattung 1a Reihe 3
"6" - "Freiburg" - Sharp 213/1843 - Gattung 1a Reihe 3
"15" - "Expansion" - Kessler 9/1843 - Gattung 1b Reihe 3
Der Umbau der Loks erfolgte ca. 1855.
Bei Helmholtz findet sich auf Seite 85 auch der Satz "Die Tendermaschinen kamen alle 4 für den Rest ihres Daseins nach Oos - Baden, wo sie bis 1865 bzw. 1867 aushielten."
Sollte das Bild also vor 1867 aufgenommen worden sein?
Das scheint zu passen. Wenn man der unendlichen Weisheit des Internets glaubt, steht die Abkürzung "H.J." für "Hippolyte Jouvin" (1825-1889), einem französischen Fotographen, der insbesondere auch in den 1860er Jahren aktiv war.
Beim französischen Ebay wird eine weitere Stereoskopie von Baden-Baden mit der Nummer 321 angeboten, das auch auf 1865 datiert wird.
*Augenbraue hoch" - Faszinierend!
Fazit:
Nun ja, ich hatte mir vorgenommen, an den Adventssonntagen ein paar wirklich "alte" Bilder zu bringen, aber dass es so alt wird, hätte ich vor zwei Stunden, als ich mit diesem Beitrag angefangen habe, auch nicht gedacht. O.k. 1880er Jahre hätte ich geschätzt, aber 1865? - Schlappe 150 Jahre? - Das hätte ich auch nicht erwartet. Es könnte das älteste Photo in meiner Sammlung sein...
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Viel Freude am fünften Türchen!
Christian
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