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Guten Morgen allerseits! Es ist mal wieder Zeit für den alljährlichen Geburtstagsbeitrag. Coronabedingt in diesem Jahr "nur" ein von der Community lange erwartetes Remake der damals nur kurzlebigen Tidezug-Reihe. Leider sind viele der damals verwendeten Links nicht mehr aktiv, so dass ich diese entfernt habe. Voilà! - Ach ja: Auch ein Dank an unseren Geburtstagsminister im hohen Norden!





Mit Bahn und Schiff nach Wangerooge – Teil 1




Vorab: Da die Tidezüge in letzter Zeit desöfteren mal wieder Thema waren, habe ich mich zur Neuauflage meiner Beitragsserie von 2008 entschieden, zumal diese nur etwa ein Jahr bei DSO zu sehen war, da der Provider von einem Tag auf den anderen auf Nimmerwiedersehen verschwand. Zudem waren die Fotos noch alle im Kleinformat (711 px) eingestellt. Ursprünglich bestand die Serie aus acht Teilen, von denen die Teile 7 und 9 noch in a & b aufgesplittet waren. Die Teile 2, 3, 4 und 5 befaßten sich mit der Wangerooger Inselbahn, die Teil 7a und 7b mit dem Abschnitt Jever - Esens - Norden der Küstenbahn. Die Inselbahn Wangerooge werde ich zunächst außen vorlassen, die Küstenbahn dagegen wird vermutlich auch im Rahmen dieser Reihe Teil der Betrachtung sein. Die kurzen Tidezug-Passagen in den Folgen 4 und 5 werde ich der Folge 6 voranstellen, so dass die Reihenfolge zunächst Teil 1, 6(+), vmtl. 7a/b, 8, 9a/b und 10 bzw. letzter Teil lauten wird. Und nun viel Vergnügen!



Am 22. Juli 1983 finde ich mich frühmorgens auf dem Osnabrücker Hbf ein. Auf Gleis 13 im unteren Bahnhof steht ein aus einem mehrteiligen 624 bestehender Sonderzug der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (NOZ) bereit, um im Rahmen des „Leserdienst Bahntrips“ mehreren hundert Lesern der Zeitung einen vergnüglichen und abwechslungsreichen Tag auf Wangerooge, der östlichsten der ostfriesischen Inseln, zu bescheren.


https://abload.de/img/leserdienstbahntripnoc3kxj.jpg



Diese „Leserdienst Bahntrips“ begannen zu Beginn der siebziger Jahre zunächst mit Tagesfahrten, später dann auch mit mehrtägigen Pauschalreisen in Sonderwagen oder Regelzügen. Meine erste Teilnahme war um 1970/71 herum eine Tagesfahrt von Osnabrück nach Timmendorfer Strand im Vorkriegsabteilwagen, wobei wir von Hamburg bis Timmendorf eine 50er als Zuglok hatten. Doch das ist nicht unser Thema.

Es verspricht ein schöner sonniger Tag zu werden und ich hatte bis zum letzten Moment gewartet, bevor ich mir einen der letzten Plätze gesichert hatte. Mit Kamera bewaffnet und zwei AGFA CT 18 Filmen (konnte ich mir vom Haushaltsgeld leisten, da die Eltern im Urlaub waren) in der Tasche ging es los. Gleich nach der Abfahrt ging ein Mitarbeiter des Verlages durch den Zug und verteilte die druckfrische Ausgabe der NOZ. Auch die Begrüßung durch die Reiseleitung aus dem Gesellschaftswagen 924.2 darf natürlich nicht fehlen. Bei Halten in Bramsche und Bersenbrück wurden noch Leser der Regionalausgaben aufgenommen und über Cloppenburg, Oldenburg und Sande ging es weiter bis Jever. Hier verließ der Sonderzug die Küstenbahn und begab sich auf die Stichstrecke nach Harle. Leider habe ich von diesem Zug überhaupt keine Aufnahmen gemacht, mir waren die Filme wohl für Wangerooge zu wichtig. Außerdem behinderte mich zu diesem Zeitpunkt eine Augenverletzung, war mir doch zwei Tage vorher ein Rostfleck von der Hornhaut gefräst worden. Die verschriebenen Augentropfen erweiterten die Pupillen, was äußerst unangenehm war und mich zum ständigen Tragen einer Sonnenbrille zwang. Nur zum Fotografieren konnte ich sie kurz abnehmen.

Erst im April des Jahres 1983 war ich mit einer Fototour zur KBS 218, Sande – Esens – Norden, erstmals in das Herz Ostfrieslands durchgedrungen. Bislang war ich bei meinen sechs TMT-Touren nicht über Lathen und Oldenburg hinaus gekommen. Dabei war die Wangerooger Inselbahn immer ein Thema gewesen, aber dieses hatte einen Haken. Wollte man daraus eine Tagestour machen, so musste man sich auf wenige Tage in der Saison beschränken, an denen man mit Bahn und Schiff sowohl auf, als auch von Wangerooge wieder herunter kam. Auf gut Glück in der Saison eine Bleibe zu finden, erschien mir zu riskant, andererseits wollte man aber auch flexibel sein, um das passende Wetter vorzufinden. Und auch dann waren die Verbindungen alles andere als gut, bzw. ohne Übernachtung - zumindest in Osnabrück - unerreichbar. Diese Sonderfahrt nun „umschiffte“ diese Problematik, denn es ging in einem Rutsch bis zum Bf Harle, wo auf das Schiff umgestiegen werden musste.

Nun wird sich der ein oder andere fragen, warum es nur an einzelnen Tagen möglich war, auf die Insel und auch wieder zurück zu gelangen. Ganz einfach: Die ostfriesischen Inseln liegen im Wattenmeer vor der ostfriesischen Nordseeküste. Bedingt durch die Anziehungskraft des Mondes verändert sich die Höhe des Wasserstandes, so dass es in einem etwa sechsstündigen Rhythmus zum Sinken und Steigen des Meeresspiegels kommt. Dabei steigt der Wasserstand zunächst gut 6 Stunden an (Flut = Hochwasser), um danach für dieselbe Dauer wieder zu sinken (Ebbe = Niedrigwasser) . Die Dauer zwischen zwei Niedrigwassern bezeichnet man als Tide. Die Dauer einer Tide ist abhängig von der Drehung der Erde und dem Umlauf des Mondes. Die Erddrehung beträgt ziemlich genau 24 Stunden. Um aber den Mond wieder an der Ausgangsposition vorzufinden, muss die Erde sich nochmals 50 Minuten weiter drehen. Und aus dieser Differenz resultiert die Tatsache, dass sich die Tiden täglich um 50 Minuten im Mittel verschieben. Hinzu kommen noch, je nach Position von Erde, Mond und Sonne zueinander, extreme Niedrigwasser (Nipptide) bzw. extreme Hochwasser (Springtide). Natürlich ist der ganze Vorgang wesentlich komplexer, aber für unsere Zwecke soll das hier reichen.


Da die Schiffe in der flachen Fahrrinne jedoch nur bei Flut ausreichend Wasser unter dem Kiel haben, sind daher die Fahrpläne zwischen Harle und Wangerooge tideabhängig. Für jeden neuen Tag besteht also ein vom Vortag abweichender Fahrplan.



Bild 01: Ich habe zunächst den Kopf der Kursbuchtabelle 10007, Bremen/Wilhelmshaven – Sande – Harle – Wangerooge, vom Sommer 1986 gescannt:

https://abload.de/img/kbs10007sande-jever-hpsj0t.jpg



Dazu kurz einige Anmerkungen: Unter der Kursbuchtabelle 218 sind entgegen der hiesigen Ankündigung keine weiteren Fahrten nach Harle vermerkt, dieser Passus stammt wohl noch aus älteren Kursbuchausgaben, wurde nur nicht entfernt. Die ebenfalls genannte Tabelle 2188 ist die Bahnbusverbindung Ceciliengroden – Sande – Jever – Carolinensiel – Neuharlingersiel. Und auch von Norden (gemeint ist natürlich die Stadt) kam man mit dem Bus (Tabelle 2187/II) nach Harle.


Überhaupt war die DB zu diesem Zeitpunkt bestrebt, den Tidezugverkehr zwischen Jever und Harle schnellstmöglich einzustellen. Davon zeugt auch die hier beworbene neue Schnellbuslinie (RE) 2153 von Oldenburg nach Harle.


Bild 02: Am 28. August 1986 fotografierte ich den DB 22-510 (Setra S 215 UL) vor dem Oldenburger Hbf (ZOB). Allerdings
waren die Reisenden an diesem Tag wohl nicht eher auf der Insel, als wenn sie den nachmittäglichen Tidezug benutzt hätten:


https://abload.de/img/db22-510oldenburgzob0xqjvp.jpg


Bild 03: Doch zunächst ein Ausschnitt der Streckenkarte, damit die werte Leserschaft diese Region besser eingrenzen kann:

https://abload.de/img/kursbuchwinter987-88ky3ke1.jpg



Wir befinden uns im landschaftlichen Sinne im tiefsten Ostfriesland, wo die Kühe bekanntlich schöner sind als die Mädchen. Politisch gehörte das Wangerland seit jeher jedoch zum Großherzogtum Oldenburg, wird heute aber auch als Ostfriesland vermarktet. Ziemlich genau in der Mitte oben erkennen wir die im Bf Jever von der KBS 218 abzweigende KBS 10007 nach Harle. Wie die fünfstellige Nummer zeigt, läuft diese unter der Rubrik „Schiffahrtslinien“ und wird auf dem Wasserweg fortgeführt, um auf Wangerooge schließlich die Inselbahn zu bezeichnen. Letztere hat keinen festen Fahrplan, sondern fährt vom Inselbahnhof zu den eintreffenden bzw. ablegenden Schiffen am Anleger, aber auch zusätzlich bei Bedarf. Auf der Insel existiert noch eine Stichstrecke nach Westen, die aber nur sporadisch befahren wird, wenn z.B. Schülergruppen zu den dortigen Schullandheimen gebracht werden müssen, oder aber Güter für das Wasser- und Schifffahrtsamt am neuen Leuchtturm anfallen.


Hier nun zunächst ein kurzer geschichtlicher Abriss der Festlandstrecke: Um den Fremdenverkehr auf der einzigen Insel des Großherzogtums Oldenburg, der Insel Wangerooge, zu fördern, kamen um 1880 herum Forderungen auf, den Fährhafen Harle an das Netz der Großherzoglich Oldenburgischen Eisenbahn (GOE) anzuschließen. Das Großherzogtum sah sich dazu allerdings finanziell nicht in der Lage, so dass das Bankhaus Erlanger & Söhne eine Aktiengesellschaft, die „Jever – Carolinensieler Eisenbahn“, gründete, welche die Bahn von Jever nach Carolinensiel schließlich am 01. September 1888 in Betrieb nahm. Da die Strecke recht einfach trassiert werden konnte, betrugen die Baukosten gerade einmal 600.000 Mark. Die Fahrzeuge stellte die GOE, die auch die Betriebsführung übernahm. Am 01. Juli 1890 erfolgte schließlich die Verlängerung über den Deich hinweg zum Fährhafen Harle. Bis dahin musste der Weg zu Fuß oder per Pferdewagen zurückgelegt werden. Da in Harle keine Umsetzmöglichkeit bestand, wurden die Bäderzüge zunächst von Carolinensiel bis Harle geschoben.

1897 wurde die bis dahin stets defizitär arbeitende „Jever – Carolinensieler Eisenbahn“ von der GOE übernommen. Zeitgleich wurde der Fährdampfer „Nordfriesland“ und noch im selben Jahr die Inselbahn Wangerooge in Dienst gestellt. Mit Gründung der deutschen Reichsbahn gingen alle drei, sowohl Festlandstrecke, als auch Fährverbindung und Inselbahn, in die Zuständigkeit der Reichsbahndirektion (RBD) Oldenburg über. In den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts wurde die Strecke Jever – Harle dann für höhere Achslasten ertüchtigt, indem die Sandbettung durch Schotter ersetzt wurde. Als 1935 die RBD Oldenburg aufgelöst wurde, gingen die hier besprochenen Strecken an die RBD Münster über.

Erst Anfang der sechziger Jahre verkehrten auch die regulären Personenzüge der Strecke über Carolinensiel hinaus nach Harle, aber schon 1968 wurde der Nahverkehr zwischen Jever und Harle wieder eingestellt und es verblieben, neben dem Güterverkehr, nur noch die Tidezüge von und zu den Fährschiffen nach Wangerooge. Mit der Neuordnung der Bundesbahndirektionen und der damit verbundenen Auflösung der BD Münster, übernahm 1974 die BD Hannover die Verbindung zur und auf der Insel.

Doch auch die Tidezüge standen spätestens seit Mitte der siebziger Jahre zur Disposition, und so erteilte das Bundesverkehrsministerium im Frühjahr 1980 die Genehmigung, den Tideverkehr einzustellen. Seit dem 31. März 1980 verkehrten die Züge somit nur noch im Auslaufbetrieb. Doch ganz so schnell ging die Einstellung dann doch nicht über die Bühne. Sommer für Sommer verkehrten die Tidezüge nach wie vor zu den Fährschiffen nach und von Wangerooge. Aber erst sechs Jahre später, im Sommer 1986, hieß es dann „auf zur letzten Saison“ und am 10. September 1986 verkehrte ein festlich geschmückter „letzter“ Tidezug. Mit Ende des Sommerfahrplans 1986 verkehrten neben der regulären Bahnbuslinie 2188, Ceciliengroden – Sande – Jever – Harle, noch die Schnellbusse zwischen Oldenburg und Harle. Allerdings verkehrten diese nur an mo-fr und nur bis zum 20. Oktober 1986 und dann erst wieder ab dem 31. März 1987. Aber es sollte zunächst anders kommen. Nach heftigen Protesten des Landkreises Friesland und der Gemeinde Wangerooge, verkehrten im Sommer 1987 plötzlich die Tidezüge erneut, nun in Form einer vierteiligen Schienenbusgarnitur und ohne die noch im Vorjahr verkehrenden Kurswagen. Zudem beschränkte sich der Zuglauf auf den Abschnitt Sande - Harle. Gleichzeitig verdoppelte die DB die Schnellbusfahrten Oldenburg – Harle. Nachdem die DB im Sommer 1987 Fahrgastzählungen durchgeführt hatte, die aber nach ihren Angaben keinen wirtschaftlichen Weiterbetrieb zuließen, wurde am 27. September 1987 der allerletzte planmäßige Tidezug gefahren. Neben den geringen Fahrgastzahlen sollten dafür auch Mängel am Oberbau verantwortlich sein. Zudem war die Brücke über das Tettenser Tief zuletzt nur noch mit 5 km/h befahrbar.

Ohne großes Aufhebens verging 1988 das hundertjährige Jubiläum der Strecke Jever – Carolinensiel. Es kamen aber im Sommer dieses Jahres noch zahlreiche Sonderzüge auf die Strecke, so z.B. Warstein – Harle – Lübeck (mit V 200 007), oder drei Sonderzüge Helmstedt – Harle u.z.. Und sogar der Gläserne Zug 491 001 machte Harle seine Aufwartung im Rahmen einer Rundfahrt, wobei er allerdings von einer 216 des Bw Oldenburg gezogen, bzw. - wie in alten Zeiten - ab Carolinensiel geschoben wurde.

1989 wurden dann keine Reisezüge mehr genehmigt. Einzige Ausnahme war eine endgültige Abschiedsfahrt am 30. Juli des Jahres. Am 11. September 1989 fuhr die letzte Übergabe und am 24. September erfolgte die offizielle Gesamtstillegung der Strecke. In der Zeit von November 1989 bis Januar 1990 wurde die Strecke abgebaut und teilweise als Radwanderweg hergerichtet.

Betrieblich beschränke ich mich hier auf den Zeitraum ab 1980, wobei 1980 mit 177 Tidezügen in Vor- und Hauptsaison der Höhepunkt erreicht wurde. Neben Kurswagen aus Bremen an einigen Tagen während der Saison, wurde am 19. Juni 1980 sogar ein kompletter Zug ab Bremen, und am 20. Juli 1980 ein Zug ab Oldenburg gefahren. Im nächsten Jahr kam der Einbruch und es fuhren nur noch etwas mehr als ein Drittel der Züge ausschließlich in der Hauptsaison. Auch im Sommer 1982 waren es nur unwesentlich Züge mehr. Allerdings fuhr man jetzt verstärkt Kurswagen nach Harle, so aus Bremen, Hildesheim und sogar Köln.

1983 verdoppelte sich in etwa die Zahl der Züge, auch fuhr man wieder in der Vorsaison. Als Kurswagenverbindung kam jetzt auch Hannover hinzu. Dabei muss man aber klar sagen, dass sich diese Kurswagen teilweise auf wenige Tage in der Saison beschränkten. Auch findet man keine Rückleistungen der Kurswagen. Zurück musste man also umsteigen. 1983 bot man aber den Rückreisenden - zumindest nach Oldenburg/Bremen/Hannover/Hildesheim - an einzelnen Tagen die Möglichkeit, am Bf Jever vom Bus auf den Kurswagen Esens – Hildesheim im E 3145 umzusteigen. Ansonsten hatte man dort vom Tidebus der Linie 2188 von Jever ZOB bis zum Zug am Bf Jever einen etwa zwanzigminütigen Fußmarsch zu absolvieren. Und das mit Kind, Kegel und Gepäck! Das galt natürlich auch für die Gegenrichtung. Umgehen konnte man das ganze Procedere nur, indem man bereits in Sande zum, bzw. vom Tidebus umstieg, oder aber den Weg über die Emslandstrecke nach Norden nahm und von dort mit dem Bahnbus nach Harle gelangte. Alles in allem war das aber eine abenteuerliche Geschichte und sicherlich auch nicht wirklich kundenfreundlich. Immerhin verkehrten 1983 an 103 Verkehrstagen 128 Tidezüge. Diese Umstrukturierung bedeutete im Schnitt immerhin durchschnittlich über 100 Reisende je Tidezug.

Ab 1984 ging es zumindest von den Zugzahlen her wieder rapide bergab. In diesem Jahr sank die Zugzahl um etwa 1/3 der Züge und 1985 war sie auf etwa die Hälfte von 1983 gesunken. In diesem Jahr war als Kurswagen lediglich der aus dem Rheinland verblieben, jetzt allerdings aus Koblenz und das an insgesamt 10 Tagen zwischen dem 21. Juni und 09. August 1985. Die Zuführung erfolgte mit dem N/D 2735 (N 2735 mo-sa Koblenz –) D 2735 Köln – Osnabrück – Wilhelmshaven, wobei der Kurswagen in Sande auf den Tidezug überging.

Im letzten Sommer mit lokbespannter Garnitur waren es sogar elf Kurswagenläufe ab Koblenz zwischen dem 14. Juni und dem 06. September 1986. Zusätzlich verkehrte an 4 Tagen ein Kurswagen ab Hannover. Im „Wiederaufnahmejahr mit Schom“ 1987 entfielen die Kurswagen, ebenso die Fahrten in der Vorsaison. An 47 Verkehrstagen verkehrte der Schienenbus 74 Mal zwischen Sande und Harle, wobei er häufig zwischen Sande und Jever an den Zug nach Esens gehängt wurde. Mit dem 27. September 1987 endete der Tidezugverkehr.

Zu Beginn bis Mitte der achtziger Jahre wurden die Tidezüge mit Osnabrücker 211/212 bespannt, nachdem Oldenburg 1977 seine 212 nach Osnabrück abgegeben hatte. Bis 1983 wurden fallweise auch noch mal Oldenburger 220, vor allem vor den Oldenburger und Bremer Zügen, eingesetzt. Die 216 des Bw Oldenburg kamen erst gegen Ende der Saison 1986 zum Einsatz, als nach Rückbau der Gleisanlagen in Harle die Umfahrungsmöglichkeit entfallen war, und die Tidezüge fortan an beiden Enden mit einer Lokomotive bespannt werden mussten.1987 erhielt Oldenburg dann noch einmal drei Schienenbustriebwagen (798 516, 747, 767) und zwei Beiwagen (998 122, 276) für die letzte Saison, von denen der 998 276 seiner Sitzplätze beraubt, als Gepäck- und Fahrradtransportwagen mitlief. Einer der drei 798 war jeweils als Reservetriebwagen in Oldenburg hinterstellt. Soviel zum geschichtlichen Hintergrund der Bahnstrecke Jever – Carolinensiel – Harle (- Wangerooge).



Bild 04: Hier jetzt ein Scan der Kursbuchtabelle 10007 vom Sommer 1986, die in Wirklichkeit mehrere Sei-
ten umfasst, aber von der ich hier nur die für den von mir dargestellten Zeitraum relevante Seite abbilde:


https://abload.de/img/kbs10007sande-jever-hgmj0c.jpg




Ende August 1986 war ich mit einer Tourenkarte im nordwestdeutschen Raum unterwegs. Mit dem Fahrrad war ich am Morgen des 28. August 1986 in Bad Iburg losgefahren und in Osnabrück in einen Zug nach Oldenburg gestiegen. Hier hatte ich schon den oben gezeigten Bahnbus abgelichtet. Das Wetter war während dieser Woche alles andere als fotofreundlich und so durfte ich dann im Laufe des Vormittags mit dem Rad gegen eine steife Brise aus Nordwest ankämpfen und mich in Richtung Carolinensiel vorarbeiten, nicht ohne ein ums andere Mal auf freiem Feld von einem Schauer überrascht zu werden.


Bild 05: So war ich froh, endlich Neugarmsiel erreicht zu haben, kurz bevor der Tidezug N 7582, Sande – Harle, mit 211 239 und 216 156 den ehemaligen Haltepunkt passierte:

https://abload.de/img/211239...216156neugar3tjuz.jpg


Bild 06: Der Zug besteht aus einem Behelfspackwagen der Bauart MDyg 986, drei 4-achser Umbauwagen und - an diesem Tag, wie oben in der
Tabelle ersichtlich - dem Kurswagen Koblenz – Harle in Form eines Silberlings, der hier auf dem Nachschuss hinter der 216 156 zu erkennen ist:


https://abload.de/img/216156...211239neugarp6ket.jpg


Bild 07: Sofort machte ich mich auf den Rückweg, denn ich musste ja auch noch von Jever aus die Rückfahrt mit dem Zug nach Osnabrück antreten. Kurz vor Erreichen der B 210
von Jever nach Wittmund, kam der Zug als N 7583, Harle – Sande – Wilhelmshaven, zurück. Logischerweise führte jetzt die 216 156, während die 211 239 am Zugende lief:


https://abload.de/img/216156...211239jever09skmz.jpg


Bild 08:

https://abload.de/img/211239...216156jever0fpj6b.jpg


Bild 09: Schließlich konnte ich den hier nur mit etwas schnellerer Schrittgeschwindigkeit fahrenden Zug
mit einem Sprint noch einmal überholen, um ihn beim Überqueren der Bundesstraße erneut abzulichten:


https://abload.de/img/216156...211239jeveria5jy9.jpg



Das war meine erste Begegnung mit den Tidezügen. In den nächsten zehn Tagen sollte ich unerwarteter Weise noch zweimal Gelegenheit haben, sie genauer zu begutachten und auch zu „testen“. Davon dann demnächst mehr.


Bis neulich – natürlich im HiFo

Rolf Köstner


Man hat nicht richtig gelebt, wenn man nie in einem ICE gesessen hat, der in Hamm geteilt worden ist.


Ich bin ein Boomer!
Hallo Rolf,
herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag und Dank, daß Du Dir die Mühe gemacht hast, den alten Beitrag zu reaktivieren.
Anmerkung und "Frage" zum Beitrag: Die Tidezüge verkehrten ja im Jeverland, was Teil der ehemaligen "Herrschaft Jever" war, welche eben nicht von jeh her zum Herzogtum Oldenburg gehörte, wie Du sagtest, sondern ursprünglich unabhängig war. Das "Großherzogtum" Oldenburg gab es auch erst seit 1815. Im Zusammenhang mit der Eisenbahn ist es natürlich korrekt, da die Strecke ja erst 1888 gebaut wurde.
Ich frage mich jedoch, wo das Gerücht herkommt, daß in Friesland die Kühe schöner seien als die Mädchen? Wie auch immer, die Tidezüge der DB waren und sind jedenfalls viel schöner als das moderne "Gelumpe". Vielen Dank nochmal fürs Zeigen.

MfG
Lieber Rolf,

das ist schon ungewöhnlich, dass Du uns ein Geburtstagsgeschenk anlässlich Deines Geburtstages machst.
Vielen lieben Dank für diesen Beitrag.

Aber jetzt möchte ich Dir herzlich gratulieren. Alles, alles Gute und bleib gesund!
Und heute gibt es mal ein Bild ohne Bezug zur Bahn (oder nur am Rande mit der Hohenzollernbrücke)


Geburtstag Köln.jpg

Liebe Grüße aus Köln
Guido

http://www.guidorademacher.de/Banner.jpg
Hallo erst mal Glückwünsche zum 63. Geburtstag. Damit spielts du ja jetzt in meiner Alterklasse . Ich verfolge deine Beiträge seit Jahren hier im Forum und freue mich jedesmal über deine fundierten Recherchen. Vielleicht sieht man sich nach 40 Jahren mal. wieder.Zuletzt waren wir ja gemeinsam Ende der Siebzi
https://live.staticflickr.com/65535/51437219003_367e0f0453_b.jpg
FVE VE 0151 ( ex DE 1500 ) Bremen Farge 1973 Jahre bei der FVE und TWE unterwegs .Grúß aus dem Ruhrpott (Oberhausen) Udo


Meine Fotos 2012 - 2017 [www.flickr.com]

Meine Fotos 2018 - 2023 [www.flickr.com]




2-mal bearbeitet. Zuletzt am 2021:09:08:19:31:54.

Re: Mit Bahn und Schiff nach Wangerooge – Teil 1 (m6B + 3Scans + viel Text)

geschrieben von: ehemaliger Nutzer

Datum: 09.09.21 12:11

rolf koestner schrieb:
Bild 04: Hier jetzt ein Scan der Kursbuchtabelle 10007 vom Sommer 1986, die in Wirklichkeit mehrere Sei-
ten umfasst, aber von der ich hier nur die für den von mir dargestellten Zeitraum relevante Seite abbilde:

https://abload.de/img/kbs10007sande-jever-hgmj0c.jpg


Tja, der Nachmittagszug 7583 (vgl. 28. August) fuhr am Morgen den 29. August in der Fahrplanlage des 7563
(vom 30. August).

Re: Mit Bahn und Schiff nach Wangerooge – Teil 1 (m6B + 3Scans + viel Text)

geschrieben von: ehemaliger Nutzer

Datum: 09.09.21 13:39

Hallo Rolf,

nachträglich alles Gute zum Geburtstag und im Voraus vielen Dank für die Wiederbelebung Deiner wunderbaren Wangerooge-Reihe, auf deren weitere Folgen ich mich schon riesig freue!

Beste Grüße aus HH
Helmut U.
Hallo Rolf,

zum Geburtstag habe ich schon auf anderem Weg gratuliert. Ich bin froh, dass Du den Beitrag reanimiert hast. Neben den Bildern, die mir sehr gefallen, habe ich aus dem Text viel gelernt. So musste ich feststellen, dass ich bei meinem Besuch am 25.07.86 bei neblig trübem Wetter, wohl einen der letzten lokbespannten Züge benutzt habe. Im Gegensatz zu Deinen Bildern, bei denen ein Umfahren der Zuglok in Harle offensichtlich nicht mehr möglich war, hat bei mir die 211 252-2 ihren Wagenpark umfahren.



211 252-2 Bw Osnabrück am 25.07.86 im Bahnhof Harle.jpg


Seit vielen Jahren ist Ostfriesland meine "Zweitheimat" und ich muss zu meiner Schande gestehen, es in dieser Zeit noch nicht einmal wieder nach Harle geschafft zu haben.


Danke und viele Grüße
Bruno

Film dazu

geschrieben von: Gärtner

Datum: 11.09.21 19:04

Wer das mal in „bewegten Bildern“ sehen möchte: Es gab in der ARD in den 1980er Jahren den Fernsehfilm „Britta“. Darin sind sehr viele Filmaufnahmen von der Strecke, denn Britta arbeitet im Bahnhof Harle…..
Mit Zweitheimat Ostfriesland kann ich nur zustimmen.
Nur noch ein paar Tage bis ich wieder oben bin.

Zuletzt war ich im Mai in Harle, irgendwie zwar schön aber die Bahn fehlt.

Bigboy4015 - Ulrich Wolf - Betreiber von US-Modellbahn.net

Re: Mit Bahn und Schiff nach Wangerooge

geschrieben von: 0nkel_wom

Datum: 17.09.21 10:34

Hallo Rolf

Danke für die Bilder aus dem Norden und den vielen Text dazu.
Ich erinnere mich gerne an meine zwei Besuche, einmal lokbespannt, einmal mit dem Tideschienenbus.

Die Aussicht auf die Bus-Gurkerei nach Harle lässt mich von einem Wangerooge-Besuch eher Abstand nehmen,
obwohl die Insel(bahn) schon einen Besuch wert wäre.

Gruß aus Frankfurt
Wolfgang