Werte Gemeinde.
Der Literatur entnehmend, wurde heute vor 50 Jahren erstmals die Baureihe 420 im regulären Vorortverkehr zwischen Geltendorf und München Hbf (sehr wahrscheinlich dem Starnberger Flügelbahnhof) eingesetzt.
Ein halbes Jahrhundert ist das also her. Ich nehme das mit Ehrfurcht zur Kenntnis.
Auch heute noch sind Fahrzeuge der Baureihe 420 auf diesem Streckenabschnitt im Fahrgastbetrieb unterwegs. Heute Morgen dürften die beiden HVZ-Verstärker S 8469 und S 8435 höchstwahrscheinlich ebenfalls aus 420er gebildet worden sein. Beide Leistungen enden planmäßig im Starnberger Flügelbahnhof des Münchner Hauptbahnhofs. Regelmäßige 420er-Einsätze finden im Grunde täglich auf dieser Strecke statt.
Nachgeprüft habe ich die Einsätze aber heute Morgen nicht. So wie ich ebenfalls die Angaben zur Inbetriebnahme 1971 nicht zu 100% verifizieren konnte. Zu Beginn des Jahres 1971 kündigte die Deutsche Bundesbahn die Betriebsaufnahme für den 15. April an. Möglicherweise stimmen sogar beide Termine, wollte man einen vorauslaufenden Testbetrieb ohne Fahrgäste unterstellen. Beide Termine vereint das Merkmal das sie als Wochentag beinahe willkürlich ausgesucht erscheinen: Der 15. April war ein Donnerstag, der 19. Mai ein Mittwoch – wie übrigens heute auch.
Der Sommerfahrplan 1971 begann dann am Sonntag, den 23. Mai.
19. Mai 1971 - Der 420 beginnt seinen Einsatz
Wenn ich das richtig durchgezählt habe, dann standen zum Starttermin 19. Mai 1971 genau 8 Einheiten ET420 zur Verfügung: Die drei Vorserien-Triebzüge 420 001 (orange), 420 002 (blau) und 420 003 (karminrot). Dazu die ersten fünf werksfrischen „Serienfahrzeuge“ im Münchner Gewand, in kieselgrau („silbergrau“) und blau: 420 004, 420 005 , 420 030, 420 047 und 420 048.
420 030, am 18. Mai 1971 erst einen Tag zuvor zugelassen, war damit neben 420 001 eine der längst-gedienten Einheiten im Einsatz für die Münchner S-Bahn. Im Jahre 2002 noch frisch in verkehrsrot lackiert, schied das Fahrzeug am 3. Dezember 2004 zusammen mit den letzten ET420-Regelzügen Münchens aus dem Dienst.
420 047 war zum gleichen Zeitpunkt da bereits weit in den hohen Norden Europas abgewandert. Er legte als X420 im Dienste des S-Bahnsystems Stockholm (Pendeltåg) bis Dezember 2005 noch ein paar tausend Kilometer zusätzlich oben drauf. Die Lackierung, fast vollständig im dunklen „SL-Blau“, kam dem Ozeanblau dabei recht nahe.
Zur Vorserie muss hier nicht viel gesagt werden, eher stellt sich die Frage, inwieweit sie bereits zu Beginn des Regelbetriebs schon mit den anderen Fahrzeugen mitschwammen. Als „Prototypen“ waren sie bereits seit Anfang 1970 auf Achse, stets zu Test-, Prüf- und auch Präsentationszwecken. Die Bundesbahn sprach bei ihrer Ankündigung zur Betriebsaufnahme von den „ersten serienmäßig gelieferten Nahverkehrstriebzügen“.
Gut möglich, das man sich mit den drei Prototypen zu Beginn noch zurückhielt und deren Testprogramm weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit weiterlief. Vom „blau-weißen“ 420 002 ist z.B. überliefert, dass dieser im Winter 1971 in der Schweiz zu Testfahrten an der Lötschbergstrecke weilte. So bleibt offen, wie sehr die drei Vorserienfahrzeuge zu Beginn des S-Bahn-Vorlaufbetriebs schon in den Regelbetrieb mit eingeschwenkt wurden.
Der zur Betriebsaufnahme vor 50 Jahren noch recht übersichtliche Gesamtbestand an 420ern, war zu diesem Zeitpunkt im Bw München 1 beheimatet. Die Stammstrecke war noch im Bau, auch wenn zum Richtfest am 25. Februar 1971 bereits ein 420er-Sonderzug (auch hier war 420 002 dabei) den Stammstreckentunnel befuhr. So fehlte noch die Durchbindung der Nahverkehrszüge aus West und Ost und der Vorlaufbetrieb konzentrierte sich zunächst auf die westlichen Vorortzüge nach Geltendorf.
Zum 1. Juli 1971 kündigte die DB einen zusätzlichen 420er-Vorlaufbetrieb mit Vollzügen zwischen München und Erding an. Die Serienfertigung von 117 Einheiten für den Betriebsstart der Münchner S-Bahn ab 1972 begann im ersten Halbjahr 1971 allmählich hochzulaufen, was zu einer weiteren Erhöhung des Bestands im Laufe des Junis führte. Spätestens mit der zweiten Jahreshälfte 1971 kam durchschnittlich alle 5 Tage ein neuer 420er auf die Strecke.
Die Bundesbahn plante die Ausweitung des Vorlaufbetriebs auf die Strecken nach Dachau, Gauting und Deisenhofen. Im Winter 71/72 sollte dieser dann auch auf Tutzing und Petershausen ausgedehnt werden. Teilweise war das vom verfügbaren Fahrzeugbestand abhängig, teilweise vom voranschreitenden Ausbau der künftigen S-Bahnstrecken. Hier kam es insbesondere auf die bauliche Erhöhung der Bahnsteige auf zumeist 76 cm an.
Schaffnerbetrieb
Die 420er als Vorortzüge wurden noch mit Schaffner begleitet. Dies zog sich auch noch eine Weile bis in das S-Bahnzeitalter hinein. Es gibt einen Schnappschuss, die eine Einheit mit einer seitlich angebrachten Aufnahme für Zuglaufschilder zeigt. Dieser Rahmen wurde am ersten Fahrgastfenster hinter dem Führerstand innenseitig befestigt. Historische Aufnahmen mit entsprechender Beschilderung sind mir persönlich bislang nicht untergekommen. Schaffnerbetrieb und den Einsatz der 420 als fast gewöhnliche Vorortzüge gab es später auch z.B. in Frankfurt so etwa ab dem Jahr 1975. Auch Stuttgart lies die ersten 420 ihres Bestands bereits 1977 im Vorlaufbetrieb auf die Strecke. Ob dies noch mit Schaffnerbegleitung geschah, ist mir nicht bekannt.
Dafür gab es zumindest bei der S-Bahn Rhein-Ruhr in den Anfangsjahren den sog. „Nachlösewagen“.
Wie genau das betrieblich behandelt wurde, entzieht sich jedoch meiner Kenntnis. Aus historischen Aufnahmen des Jahres 1974 (auch in diesem Forum, dafür ein großes „Dankeschön“ von dieser Stelle!) sind an den 421er-Mittelwagen der Düsseldorfer Einheiten blaue Beschilderungen, gleich neben dem beginnenden 1. Klasse-Abschnitt, oberhalb des ersten Fahrgasttür der 2. Klasse angebracht. Was der Wortlaut dieser Anschrift war, konnte ich aus den bisherigen Dokumenten nicht ermitteln. Die Vermutung auf den sog. Nachlösewagen liegt jedoch nahe. Diese großen Anschriften (Aufkleber?) verschwanden bereits nach kurzer Zeit wieder. Erst gegen Ende der 1970er tauchten blaue Schilder mit Anschriften wieder bei den 420ern auf: Bekanntermaßen mit dem Hinweis den Zug nur mit gültigem Fahrschein zu betreten. Dieser Hinweis wäre auch bei der Münchner S-Bahn inhaltlich korrekt gewesen, doch war man in Steinhausen eifrig darauf bedacht, diese Anschriften so bald wie möglich zu entfernen, wenn man mal ein Fahrzeug von einem anderen Betrieb übernahm. Die Düsseldorfer waren sich im Gegenzug nicht zu fies, blaue Leihfahrzeuge aus München ebenfalls mit diesen blauen Hinweisschildern zu beglücken. Man ahnt was der Münchner tat, sobald das Fahrzeug wieder bei ihm auf dem Hof stand.
Jetzt bin ich thematisch schon ein Stück weit vom Jahrestag abgeschweift.
Für mich persönlich ist es eine große Freude auch heute noch diese Baureihe auf ihrer ersten Einsatzstrecke erleben zu dürfen. Es sind nicht mehr die Fahrzeuge von damals. Diese sind noch nicht einmal halb so alt wie das Jubiläum, das heute ansteht. Dennoch sind sie 420er, auch wenn sie nicht in „blau-weiß“ daherkommen wie einst. Die Türen sind größer geworden, der Sound etwas gedämpfter. Die Inneneinrichtung hat sich verändert, auch wenn die grundsätzliche Konfiguration gleichgeblieben ist.
Wenn ich schon keine historischen Aufnahmen beisteuern kann, da ich mit der fotografischen Dokumentation erst so vor Rund 20 Jahren begann, so zeige ich hier zumindest zwei halb-historische Bilder und ein aktuelles Bild zur Feier des Tages:
[1] 420 537-3 am Abend des 28.01.2001 bei Kottgeisering
[2] Als "Erkönig" im November 2001, ebenfalls bei Kottgeisering (Fahrzeugnummer blieb im Nebel ein Geheimnis)
[3] Und der Sprung in die Gegenwart: 420 967 mit 420 461 am 9. Mai 2021 am BÜ nahe der Eichenauer Straße, bei München-Aubing
Zur Strecke München - Geltendorf
Als erste Einsatzstrecke wurde die elektrifizierte Hauptbahn zwischen München und Geltendorf gewählt. Elektrifiziert war die Strecke aber nicht wegen ihrer Eigenschaft als Hauptbahn, sondern für den Vorortverkehr und die geplante Umstellung auf den S-Bahnbetrieb ab Sommer 1972. Darüber hinaus erzielte man einen betrieblichen Mehrwert durch die Elektrifizierung des nördlichen Abschnitts der Ammerseebahn zwischen Geltendorf und Mering. Als Ausweichstrecke für Züge der Relation Augsburg - München wird diese Verbindung seitdem regelmäßig genutzt. Die Hauptbahn München – Buchloe selbst ist erst seit Ende vergangenen Jahres elektrisch vollständig befahrbar. Der Mischbetrieb aus Regional- und Fernzügen in Dieseltraktion und dem elektrischen S-Bahnverkehr, zeichneten den Streckenabschnitt München – Geltendorf über die 50 Jahre aus. Im Vergleich zu anderen Außenästen der Münchner S-Bahn und stadtnaher Strecken im Mischbetrieb, wurde hier seitdem nur wenig erweitert und ausgebaut. Der Gesamtverkehr wird heute noch auf einer rein zweigleisigen Strecke abgewickelt, bei dessen Ausfädelung zur S- und Fernbahn vor Pasing im Grunde sogar ein eingleisiges Nadelöhr liegt. Ausbaumaßnahmen fanden hauptsächlich in Puchheim und Buchenau statt. Mindestens drei Gleise bieten ebenfalls Fürstenfeldbruck und Grafrath, wobei nur letzterer dabei auch drei Bahnsteigkanten bietet. In Buchenau wurde im Zuge der Taktverdichtung im Jahr 1987 der Bahnhof ausgebaut und erhielt dazu noch ein Abstell-/Wendegleis.
Mit dem Start des S-Bahnbetriebs wurde die Strecke als West-Ast der S4 über die Stammstrecke mit dem Ost-Ast bis Ebersberg verknüpft. Die Baureihe 420 blieb gut 30 Jahre lang das prägende Fahrzeug des elektrischen Zugbetriebs auf diesem Abschnitt. 1989 tauchten kurzzeitig so komische, gelbe Doppelstockwagen im Sandwichbetrieb auf. Bespannt mit damals neuwertigen Universallokomotiven der Baureihe 120. Es war der berühmte Testbetrieb mit Doppelstockwagen, ausgeliehen von der Niederländischen Staatsbahn.
Die 120er sind mittlerweile Geschichte und Doppelstockzüge kaum noch eine Besonderheit. Auf der nunmehr bis Lindau durchgehend elektrifizierten Hauptbahn, verkehren seit Fahrplanwechsel klassische 111er mit roten Doppelstockwagen bis Memmingen. Der Schein trügt etwas: Die 111er und auch das Konzept des Doppelstockwagens sind derzeit leider – dem Zeitgeist geschuldet – insgesamt auf dem Rückzug.
In diesem Sommer wird es übrigens mit dem Zugpaar ICE 1209 / ICE 1208 einen samstäglichen „Urlaubs-ICE“ geben, der zwischen Mering und Geltendorf die Ammerseebahn befährt. In Geltendorf wird dabei ein Betriebshalt zur Wende nach/von Lindau eingelegt. Neue Wege, dank schweizerischer Finanzierungshilfe zur Elektrifizierung der Strecke durch das Allgäu.
Zurück zur S-Bahn: Ein mehrgleisiger Ausbau der S4-West wird zumindest seit Jahrzehnten diskutiert. Einer wesentlichen Erweiterung des Angebots steht derzeit die recht dichte Trassenbelegung entgegen. Durch den elektrischen Lückenschluss zwischen Geltendorf und Lindau erhöht sich perspektivisch der Bedarf nochmals. Derzeit steht ein dreigleisiger Ausbau zwischen München und Puchheim zur Diskussion. Ob das wirklich reicht? Jedenfalls sieht das so aus, als würde das mit dem Ausbau doch noch eine Weile dauern.
Viele Grüße,
Dirk
Wo S-Bahn draufsteht, sollte auch ET420 drin sein_______________________________

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