Hallo zusammen,
ein kleiner Sonntagspaziergang mit meinen Eltern durch den völlig neu gestalteten Mainzer Zollhafen haben mich motiviert, mal wieder in die Mottenkiste zu greifen, um zu sehen, wie es hier früher aussah. Früher heißt für mich Anfang der neunziger Jahre des letzten Jahrtausends.
Zwar bin ich auch schon ab Ende der Siebziger Jahre häufig die Rheinallee entlang gekommen und habe gesehen, dass dort das ein oder andere Eisenbahnfahrzeug herumstand. Auf die Idee, die väterliche Kamera zu benutzen, bin ich mit ca. 10 Jahren genauso wenig gekommen, wie Bilder der brüllenden Industriebahn anzufertigen, die am Reiterhof in Budenheim vorbeifuhr, auf dem meine Schwester ihrer Pferdeleidenschaft frönte. Zum Glück waren da andere vorausschauernder
Wolfgang Feuerhelm, Bild 6.
Doch zurück zum Mainzer Hafen. Aus der Neustadt kommend kam erst rechts hinter dem heute noch enthaltenen gründerzeitlichen Zaun der Hafenbahnhof. Für den habe ich mich leider erst ab 1994 interessiert. Durch den Darmstädter 212 Umlauf wurde unsere Aufmerksamkeit auf eine Leistung RF-H gelenkt, die zwischen 14:00 und 15:50 vom Mainzer Hbf ausging. Eine V100 fuhr Lz zum Hafenbahnhof, um dort einen Wagenpark zum Mainzer Güterbahnhof zu bringen. Als unsere 212 023 eingeteilt war, warteten wir an der Kreuzung Rheinallee/Gassnerallee auf die Lz. Damals fuhr auch noch die Straßenbahn zur Ingelheimer Aue – auch ein vernachlässigtes Thema.
Bild 1: 212 023 Lz vom Mainzer Gbf zum Mainzer Hafenbahnhof begegnet der Straßenbahn 223 der Stadtwerke Mainz als Linie 8 Ingelheimer Aue – Bretzenheim auf der Kreuzung Rheinallee/Gassnerallee. Im Hintergrund stehen leere Ucs 908 und Ucs 909-Wagen auf dem Ausziehgleis des Hafenbahnhofs (06.06.1994, 14:20).
Die Lz stoppte unfotogen hinter Büro Wahlich und es gab eine Arbeitsbesprechung mit dem örtlichen Personal. Die 365 569, die ganztags im Hafengebiet unterwegs war, zog die Ucs-Wagen aus dem Ausziehgleis in den Hafenbahnhof und tauchte dann bis zu unserer Abfahrt auf dieser Seite nicht mehr auf.
Bild 2: 364 569 auf dem Weg ins Ziehgleis, um die zwischenabgestellten Ucs Wagen in den Hafenbahnhof zu ziehen (06.06.1994, 14:25).
Die 212 023 setzte sich an die Wagen und setzte die Ucs und einen Haus zu Haus Behälter-Tragwagen Lbs 584 an bereitstehende Containerwagen.
Bild 3: 212 023 zieht die Ucs und den Behältertragwagen ins Ausziehgleis und setzt sie vor bereitstehende Container- und Schiebewandwagen am 06.06.1994
Bild 4: 212 023 steht im Hafenbahnhof bereit für die Bedienfahrt H-8 zum Mainzer Gbf 06.06.1994
Bild 5: 212 023 steht im Hafenbahnhof bereit für die Bedienfahrt H-8 zum Mainzer Gbf 06.06.1994
Während die Rangierer die Wagen aufschrieben, bewegten wir uns in Richtung Kreuzung Rheinallee/Gassnerallee, um dort die Ausfahrt aufzunehmen.
Bild 6: 212 023 fährt mit Bedienfahrt H-8 vom Hafenbahnhof zum Mainzer Gbf über die Rheinallee (06.06.1994, 15:25).
Knapp ein Jahr früher passten wir die Bedienung H-8 auf der Hattenbergstrasse auf dem Weg zum Güterbahnhof ab.
Bild 7: 212 023 mit der Hafenbedienung H-8 um 15:40 auf der Hattenbergstrasse in Mainz (18.06.1993, Bild: Thomas Gottschall)
Thomas hatte sich besser postiert, da der erste Wagen ein leerer Containertragwagen war.
Bild 8: 212 023 mit der Hafenbedienung H-8 um 15:40 auf der Hattenbergstrasse in Mainz (18.06.1993)
Am 06.06.1994 fuhren wir zum Hbf und hielten unsere Teleobjektive trotz des schlechten Lichts in den Gbf, um die stattliche Wagenschlange zu erfassen.
Bild 9: 212 023 hat mit Bedienfahrt H-8 vom Hafenbahnhof zum Mainzer Gbf den Mainzer Gbf erreicht (06.06.1994, 15:25).
Und die Rangierer springen ab - Feierabend.
Bild 10: 212 023 hat mit Bedienfahrt H-8 vom Hafenbahnhof zum Mainzer Gbf den Mainzer Gbf erreicht (06.06.1994, 15:25).
Am nächsten Tag schien die Sonne und wir waren wieder gegen 15:00 vor Ort. Diesmal war nur eine normale V100, die 212 058, da und die 364 779 stellte Containerwagen für die Bedienfahrt H-8 bereit.
Bild 11: 364 779 rangiert mit Wagen für die Bedienfahrt H-8. 212 058 wartet auf die Fertigstellung des Zuges (07.06.1994, 14:40).
Das letzte Bild vom Hafenbahnhof habe ich am 06.09.1996 mal vormittags gemacht. Die 364 720 rangiert und 365 710 wartet hinter Büro Wahlich auf ihren Einsatz und war wohl gerade vom Hbf gekommen.
Bild 12: 364 720 rangiert und 365 710 wartet um 09:30 hinter Büro Wahlich auf ihren Einsatz (06.09.1996).
Doch nun soll es mal zu den Anschlüssen gehen.
Bild 13: Übersicht des Mainzer Hafens (zusammengestellt aus Google Earth).
Bild 14: Übersicht Übersicht der Gleisanlagen im Mainzer Hafen (Dank an Martin Pächer).
Nach der Überquerung der Kreuzung Rheinallee/Gassnerallee, der Straßenbahnlinie 8 und diverser Hafenbahngleise ging es dann durch das Industriegebiet entlang der Rheinallee.
Bild 15: 364 779 kehrt vom Anschluss Schott zum Hafenbahnhof zurück (07.06.1994, Bild: Thomas Gottschall).
Zuerst kam die Firma Käuffer. Dort hatte Yannick Steinle das Glück des Tüchtigen
Yannick Steinle 1 . Links lagen die Schott Glaswerke und rechts die Gießerei Römheld und Moelle, in der ich 1990 mein Gießereipraktikum machte. Während des Praktikums stand immer mal wieder ein Haus zu Haus Behälter-Tragwagen Lbs 584 mit Koks für die Gießerei zwischen Gieß- und Modellbauhalle abgestellt. Gegenüber bei Schott wurden lange Schlangen mit Zwiebelwagen (Ucs 908 und Ucs 909) quer über die Rheinallee in den engen Gleisanschluss gedrückt. Leider habe ich damals nicht daran gedacht, mal meine Kamera mitzunehmen. Oder war mir die schmutzige Umgebung zu gefährlich für meine Kamera?
Direkt nach der Gießerei Römheld und Moelle kam eine Ebene höher der Haltepunkt Mainz Nord, den die Hafenbahn fotogen unterquerte. Das lässt sich auch heute noch attraktiv umsetzen wie
Yannick Steinle 2 in der Galerie zeigt. Zu meiner Zeit verirrte sich keine 290 nach Mainz. Im gesamten Knoten Mainz herrschte die V60 und gab nur dann einige Leistungen an 212 oder 218 ab, wenn es sich nicht vermeiden ließ.
Bild 16: 364 779 kommt leer vom Anschluss Valentin zurück und unterquert den Haltepunkt Mainz Nord (08.06.1994, 09:30).
Nach der Querung der Gleisanlage des Mainzer Nordbahnhofes kam links ein Lager des Baustoffhändlers Köbig, in dem immer mal wieder beim Vorbeifahren G-Wagen zu sehen waren. Auch für diese Bedienung wurde die stark befahrene Rheinallee gequert, da das straßenparallele Gleis nördlich der Rheinallee lag. Als nächstes gab es auf Höhe des Gashändlers Valentin eine Umsetzmöglichkeit. Der zweigleisige Anschluss, der heute unter ROTH firmiert, ist der letzte aktive Anschluss im Rangierbezirk „Rheinallee“.
Bild 17: 364 779 umfährt am Anschluss Valentin einen Schiebewandwagen (08.06.1994, 08:20).
Wohin dieser Wagen ging, habe ich nicht mitbekommen, denn ich wechselte in den Rangierbezirk Ingelheimer Aue.
Nach Valentin überquerte das Anschlussgleis die Zu- und Abfahrt zu einem großen Supermarkt, der Esbella, auf dem mein Vater gerne den billigsten Sprit in Mainz tankte. Dahinter kam das meistens geschlossene Rolltor des Anschlussgleises der Firma Hupfeld. Hinter Hupfeld blieb mir das Nestlé-Werk in prägender Erinnerung. Dort standen Schiebewandwagen herum
bahn-express . Nestlé und das Werk sonderte einen unangenehmen Röstgeruch ab, den wir bei Nordwind sogar noch im Gymnasium an der Christuskirche ertragen mussten. Zwischen Hupfeld und Nestlé gab es noch einen Anschluss, Schmidt und Söhne, der heute unter Cargill läuft. Den habe ich aber wohl nicht bewusst wahrgenommen. Hinter Nestlé endete das Anschlussgleis.
Nun geht es zurück zum Hafenbahnhof und wir wenden uns dem eigentlichen Hafengebiet zu. Zwischen Hafenbahnhof und Becken des Zollhafens meanderte die Straße zwischen abgestellten Containern in Richtung Südosten und umrundete das östliche Hafenbecken. Dort steht heute die Reichsbahn
Kö 310 201-9 als Denkmal. Dort wo jetzt an der Nordostecke des Hafenbeckens eine Wagendrehscheibe im Pflaster nachgebildet ist, nutzte die Hafenbahn ein Zieh- und Umsetzgleis parallel zur Taunusstraße, um auf die Nordseite des Hafenbeckens zur Firma G. L. Kayser zu kommen. Von diesem Hafenbereich habe ich keinerlei eisenbahntechnische Nutzung mehr mitbekommen und auch an die Waggondrehscheibe habe ich keine Erinnerung. Dieser Bereich wirkte schon Anfang der Neunziger sehr verlassen.
Am nordwestlichen Hafenbecken war noch mehr los. Direkt am Beckenrand machte ich auch 1993 meine erste Aufnahme im Hafen. Die Ladeanlage des Bw Worms wartete dort beim Schrotthändler auf ihr Ende.
Bild 18: ETA-Ladestation Ffm 69168 im Mainzer Hafen am nördlichen Becken (28.09.1993)
Dieser Bereich war nur indirekt an den Hafenbahnhof angebunden und musste über eine Sägefahrt in Richtung Zuführgleis und zurück über die Rhein- und Gassnerallee angefahren werden.
Nun geht es entlang der Gassnerallee in Richtung Ingelheimer Aue.
Bild 19: 365 200 mit einer Rangierabteilung in Richtung Ingelheimer Aue (14.11.1996, Bild: Thomas Gottschall)
Die andere Blickrichtung in Richtung Hafenbahnhof hat Thomas auch fotografiert. Da hatte er auch besseres Wetter.
Bild 20: 365 151 mit einer Rangierabteilung in Richtung Ingelheimer Aue (25.10.1996, Bild: Thomas Gottschall)
Der Bereich zwischen Hafenbecken und Rhein wurde zunehmend von der Firma Frankenbach übernommen, die dort ein Containerterminal betrieb. Das Anschlussgleis Frankenbach wurde von der Gassnerallee aus Richtung Kaiserbrücke angeschlossen. Dort machte ich 1996 meine letzten Aufnahmen im Hafengelände.
Bild 21: 365 444 schiebt die leeren Containertragwagen vom Containerterminal Frankenbach am Heizölhändler vorbei in Richtung Hafenbahnhof (30.12.1994).
Bild 22: 365 444 hat um 13:10 leere Containertragwagen im Containerterminal Frankenbach abgezogen und fährt in Richtung Ingelheimer Aue (30.12.1994).
Die von Thomas verfolgte 365 151 kam später von Hakle zurück und setze an der Kaiserbrücke um, vermutlich um die Rangierabteilung in den Hafenbahnhof drücken zu können.
Bild 23: 365 151 mit einer Rangierabteilung in Richtung Hafenbahnhof (25.10.1996, Bild: Thomas Gottschall)
Das Containerterminal ist beim Hafenumbau verlegt worden, liegt nun westlich der Kaiserbrücke und ist heute der größte Verlader im Mainzer Hafen.
Unter der Kaiserbrücke mussten Gassnerallee, Straßenbahn und Hafenbahn sich einen Brückenbogen teilen. Die Straßenbahn wurde daher kurzzeitig eingleisig.
Bild 24: 365 043 mit Rangiereinheit und Schiebewandwagen vom Haklewerk zum Hafenbahnhof. Woher das Gaskesselwagen kam, ist mir nicht bekannt.
Nördlich der Kaiserbrücke verlief das Anschlussgleis in Westlage entlang der Gassnerallee (und der Straßenbahnlinie 8). Gleich hinter der Kaiserbrücke gab es einen Abzweig, der zwischen Werner und Mertz (Erdal) und den Mogatwerken in Richtung Flosshafen führte. Diesen Abzweig links von den abgestellten Wagen habe ich leider nie erkundet.
Bild 25: Straßenbahn 224 der Stadtwerke Mainz passiert zwischenabgestellte Wagen der Rangiereinheit vom Haklewerk zum Hafenbahnhof auf Höhe des Abzweigs zum Flosshafen
Thomas wartete hier auf die Rückkehr der Rangierabteilung vom Anschluss Hakle.
Bild 26: 365 151 mit einer Rangierabteilung in Richtung Hafenbahnhof (25.10.1996, Bild: Thomas Gottschall)
Von diesem Abzweig gab es ein weiteres Gleis, dass wieder zurück durch die Erdalwerke, unter der Bahnstrecke Mainz Wiesbaden hindurch zur Straße „Am Flosshafen“ führte. Dort auf der Nordseite von Käuffer oder Römheld stand häufiger ein E-Wagen, in den Schrott verladen wurde. Da hätte ich gerne mal eine Bedienfahrt begleitet. Und genau aus diesem Bereich kam die V60 mit ihrem Gaskesselwagen aus dem Anschluss Erdal zurück. Danke an Martin Pächer für die Identifizierung der Ladestelle über die Gefahrgutcodierung. Hätte ich das damals gewusst…
Doch auch an der Gassnerallee macht die Rangierabteilung sich ganz nett.
Bild 27: 365 mit Rangiereinheit vom Haklewerk zum Hafenbahnhof auf Höhe des Abzweigs zum Flosshafen
Zurück an der Gassnerallee führte das Anschlussgleis am Kraftwerk Mainz Wiesbaden und der Wendeschleife der Straßenbahnlinie 8 vorbei zum Hakle-Werk. Dort wurden Schiebewandwagen gestellt. An der Wendeschleife der Straßenbahn gab es sogar ein vierschieniges Gleis, das zum Auf- und Abladen von Straßenbahnen diente, wie
Vierzehn Null Eins, Bild 6 bis 8 berichtet. Ich habe davon nur ein Bild ohne Eisenbahnfahrzeuge.
Bild 28: Vierschienengleis an der Wendeschleife der Straßenbahnlinie 8 am Endpunkt Ingelheimer Aue.
In Ermangelung eigener Aufnahmen möchte ich hier am Streckenende gerne auf ein weiteres fremdes Bild verweisen:
Peter Bäuchle, Bild 1.
Damals reichte der Rangierbezirk Ingelheimer Aue noch bis hierher. Heute endet er auf Höhe des Containerterminals Frankenbach.
Dennoch ist der Mainzer Hafen noch in Nutzung. Auch schon vor dem Umbau wurden wohl Containerzüge unter Umgehung des Hafenbahnhofs zum Hafen geführt. Zumindest hat Thomas eine entsprechende Aufnahme von 2003 beigesteuert.
Bild 29: ERS PB11 mit einem Containerleerzuges überquert die Rheinallee auf direktem Weg zum Mainzer Güterbahnhof (23.06.2003, Bild: Thomas Gottschall)
Und im Mainzer Hbf wartet schon der nächste Zug für Frankenbach. Aber den mag jemand anderes verfolgen, er gehört ja noch gar nicht ins HiFo.
Bild 30: ER 20 013 der HGB mit einem Containerzuges für Frankenbach im Mainzer Hauptbahnhof (16.04.2020, Bild: Thomas Gottschall)
Ich hoffe, Euch hat der kleine Überblick zum Eisenbahnverkehr im alten Mainzer Hafen gefallen. Über Ergänzungen und Korrekturen, gerne auch mit Bildern, freue ich mich.
Ein großes Danke geht an Thomas Gottschall und Martin Pächer, die diesen Beitrag toll unterstützt haben. Dessen Buch Straßenbahn & Hafenbahn, herausgegeben von den Straßenbahnfreunden Mainz e.V. ist sehr empfehlenswert, nicht nur für den Lokalpatrioten.
Gruß
Jochen
PS
Wer jetzt noch nicht genug hat, kann sich den Link von Krause ansehen: [
youtu.be]. Dort gibt es eine Dreiviertelstunde Mainzer Hafenbahn für Hartgesottene.
1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2021:05:01:22:02:08.