Die Trambahn Luzern ist ein weiterer Betrieb, an den ich mich aus meinen Jugendjahren lebhaft erinnere. Besuche mit meinen Eltern in dieser Stadt galten zwar meistens den bekannten Sehenswürdigkeiten, doch faszinierte mich die Strassenbahn bereits in recht früher Jugend wesentlich mehr als Löwendenkmal, Bourbaki Panorama oder Gletschergarten. Selbst wenn wir nur mit dem Auto durch die Stadt Richtung Brünigpass fuhren, konnte ich jeweils kaum erwarten, bis bei der Endstation Maihof die ersten Tramschienen auftauchten. Da es zu diesem Zeitpunkt noch keine Umfahrungsstrassen gab, folgten wir darauf der Linie 1 bis zu deren Abzweigung Richtung Kriens.
Mit eigenen Aufnahmen kann ich logischerweise nicht aufwarten, doch möchte ich diesem interessanten Betrieb wenigstens mit einigen Fotos aus meiner Sammlung ein Andenken setzen.
Die Trambahn Luzern (TrL), wie sie bis 1942 hiess, wurde ganz kurz vor der Jahrhundertwende am 8. Dezember 1899 eröffnet. Bis 1913 wurden noch weitere Ergänzungen gebaut, wonach das Netz aus zwei Linien bestand und mit rund 11 km die grösste Ausdehnung erreichte. In den zwanziger Jahren wurden die meisten Strecken auf Doppelspur ausgebaut, jedoch bereits 1930 der Abschnitt in der Haldenstrasse zur heute nicht mehr existenten Dietschiberg-Drahtseilbahn stillgelegt. Fortan betrieben wurden die Linien 1 vom Maihof an der Ausfallstrasse nach Ebikon über Hauptbahnhof nach Kriens und 2 vom Bahnhof nach Emmenbrücke, wobei die Liniennummern offiziell erst später Verwendung fanden. Von Kupferhammer nach Kriens teilte übrigens die Linie 1 eines der beiden Gleise als Dreischienengleis mit der zur Güterbahn degradierten normalspurigen Kriens - Luzern Bahn. Dieses bestand noch Jahrzehnte nach der Trameinstellung, wobei die nur dem Strassenbahnverkehr dienende Schiene überteert, aber immer noch sichtbar war.
Nach dem Krieg wurde noch in die Beschaffung von 10 Grossraumwagen, die Erstellung von Wendeschleifen in Kriens und Maihof, sowie ein neues Depot investiert. Trotzdem fiel auch das Tramnetz Luzern dem damals grassierenden Trolleybusfieber zum Opfer. 1959 wurde die Linie 2 nach Emmenbrücke umgestellt und am 11. November 1961 fuhr das letzte Tram auf der Linie 1 nach Kriens.
Die älteste Aufnahme in meiner Sammlung ist eine Postkarte, welche die neue Seebrücke im Jahr 1936 zeigt. Allerdings war die Brücke nicht wirklich neu, sondern lediglich erneuert und verbreitert worden. Trotzdem handelte es sich für diese Zeit mit dem dahinter liegenden Bahnhof, welcher leider 1971 komplett abbrannte, um ein beachtliches Bauwerk, welches der Stadt Luzern zu einem grosstädtischen Ansehen verhalf. Natürlich ist die Fotografie enorm retuschiert, sind die sichtbaren Berge doch bei weitem nie so zum Greifen nah. Das gleiche gilt für die drei Tramwagen, welche ausschliesslich der Erstlieferung von 1899 entstammen und auf einen intensiven Betrieb schliessen lassen. Anhängewagen waren zu dieser Zeit erst vier Stück vorhanden.
Dem bekannten Eisenbahnfotografen Peter Willen verdanken wir diese wunderschöne Farbaufnahme, welche den Triebwagen Be 2/2 5 im Jahr 1959, d.h. im letzten Betriebsjahr der Linie 2 in der Endstation Emmenbrücke zeigt. Der Wagen gehört zur Erstlieferung von 22 Ce 2/2 Nr. 1 - 22, denen im Jahr 1903 noch vier weitere gleichartige Exemplare mit den Nummern 23 - 26 folgten. Die Ce 2/2 1 und 5 wurden Mitte der zwanziger Jahre zu den Anhängewagen C 52-53 und der letztgelieferte Ce 2/2 26 1949 zum Dienstmotorwagen Xe 2/2 82 umgebaut. Ein grosser Teil dieser Fahrzeuge blieb jedoch während rund 60 Jahren nahezu unverändert in Betrieb!
Vermutlich kurz vor der Betriebseinstellung im Jahr 1961 lichtete V. Longo den 1899 von SIG und MFO erbauten Be 2/2 18 vor der neuen Wagenhalle ab, während das ursprüngliche Depot auf der rechten Seite zu sehen ist. Bis am Schluss verfügten diese Fahrzeuge über keine Linientafeln und waren lediglich mit dem Fahrziel angeschrieben. Interessant ist ebenfalls der aus dem ursprünglichen Stangenstromabnehmer entstandene Lyrabügel (Schleppbügel).
Meinem Freund Max Kurz gelang die folgende Aufnahme mit dem Original-Triebwagen Be 2/2 10 und dem Beiwagen B2 57. Der letztere entstammt einer Serie von 7 Anhängewagen (Nr. 54-60), welche 1942 aus Basel übernommen wurden. Mit Baujahr 1897 waren sie sogar noch älter als die Luzerner Motorwagen. Dies ist das einzige Bild, welches ich vom Anhängerbetrieb in Luzern besitze. Meiner Erinnerung nach beschränkte sich dieser auf die Linie 2 wo meist nur zweiachsiges Rollmaterial zum Einsatz gelangte. Das Bild ist leider undatiert, dürfte aber gegen Ende des Trambetriebes nach Emmenbrücke entstanden sein.
1908 wurden von SWS und MFO nochmals vier Triebwagen Ce 2/2 27-30 mit geringfügig grösseren Ausmassen und stärkerer elektrischer Ausrüstung geliefert. 1921 ergab sich die Gelegenheit zwei neuwertige, eigentlich für die Strassenbahn Brandenburg von Lindner/AEG gebaute Triebwagen Ce 2/2 zu übernehmen, welche mit den Nummern 31-32 in den Luzerner Wagenpark eingestellt wurden. Das Aussehen dieser Fahrzeuge war von den Wagen schweizerischer Herkunft sicher recht unterschiedlich, doch besitze ich leider keine Fotografien. Falls hier jemand aushelfen könnte, wäre das super!
Die letzten neu beschafften Zweiachser für Luzern wurden 1926 von SIG mit elektrischer Ausrüstung von BBC gebaut und als Ce 2/2 33-36 eingereiht. Einmal mehr waren diese Wagen etwas grösser und vor allem auch stärker motorisiert. Max Kurz fotografierte den Wagen Nr. 33 bei der Bahnhofbrücke. Auch dieses Bild ist undatiert, doch lassen die Trollebusfahrleitungen darauf schliessen, dass es der Linie 2 bald “an den Kragen geht”.
Wagen von anderen Betrieben
Während des zweiten Weltkrieges bestand ein Fahrzeugmangel, welcher durch weitere Occasionskäufe, aber auch durch die Miete von fremden Wagen gelindert wurde.
In der schweizerischen Stadt Winterthur wurde bereits in den Jahren 1938-1941 die dortige Strassenbahnlinie 2 in zwei Etappen auf Trolleybusbetrieb umgestellt, so dass der bestehende Fahrzeugpark für die bis 1951 in Betrieb bleibende Hauptlinie 1 mehr als ausreichte. Die recht gefälligen und mit Baujahr 1921 noch sehr brauchbaren Winterthurer Wagen Ce 2/2 31-33 wurden daher 1942 nach Luzern verkauft, wo sie die fortlaufenden Nummern 37-39 erhielten. Der britische Tramfreund John H. Meredith fotografierte den Wagen Ce 2/2 38 im neuen Luzerner Anstrich am 13. Mai 1951 beim Bahnhof Luzern. Wenn mich nicht alles täuscht steht der Wagen vor dem Stadttheater an der Bahnhofstrasse, wo ursprünglich die eingleisige Strecke Richtung Emmenbrücke durchführte. Diese wurde 1927 durch eine zweigleisige Neubaustrecke via Pilatusstrasse und Hirschengraben ersetzt, wobei ein Teil des ursprünglichen Gleises noch bis Anfang der 50er Jahre für Extrafahrten nach Theatervorführungen erhalten blieb.
Der ehemalige Winterthurer Be 2/2 37 war bis zum Schluss in Betrieb und überlebte deshalb die Strassenbahn seiner Heimatstadt um ziemlich genau 10 Jahre. S.E. Harrison fotografierte ihn am 11. August 1961 in der Kehrschleife Kriens.
Die folgenden zwei Bilder von ausgewanderten Winterthurer Trams wurden uns von V. Longo überliefert. Sie zeigen den mittlerweile zum Be 2/2 37 mutierten Triebwagen auf der Linie 1 beim Bahnhof...
...und den Be 2/2 38 vor dem recht modernen Depot. Auch hier belegen Trolleybusfahrleitungen, dass der Trambetrieb vermutlich kurz vor der totalen Einstellung im Jahr 1961 steht.
1944 wurden von der Städtischen Strassenbahn Zürich vier Längssitzmotorwagen Ce 2/2 123-126 (Baujahr 1901) gemietet und vom Frühling bis Herbst in Luzern eingesetzt. Diese Wagen wurden anschliessend durch die etwas moderneren Zürcher Ce 2/2 172-175 ersetzt, welche schliesslich 1949 käuflich übernommen wurden und die Luzerner Nummern Ce 2/2 42-45 erhielten. Die beiden Fotos des Wagens Nr. 42 stammen von V. Longo und sind vermutlich 1961 vor dem Depot entstanden.
Da der Rollmaterialbestand immer noch knapp war und andernorts Wagen entbehrlich waren, wurden von der Schaffhauser Strassenbahn deren Triebwagen Ce 2/2 16 und 17 von 1945 bis 1951 für den Einsatz während Spitzenzeiten gemietet. Der Anstrich wurde zulasten der SchSt geändert und die beiden Fahrzeuge mit den Nummern 40 und 41 in den Luzerner Wagenpark eingereiht.
Späte Modernisierung
Nachdem die Kriegsjahre doch auch die Vorteile einer leistungsfähigen Strassenbahn aufgezeigt hatten und Gummimangel eine Umstellung auf Trolleybus nicht ratsam erscheinen liess, wurde doch endlich eine Modernisierung ins Auge gefasst, da uralte Wagen und gemietete zweiachsige Oldtimer auf lange Sicht nicht zu befriedigen vermochten. Vom 25. September bis 13. November 1945 fanden deshalb in Luzern Versuchsfahrten mit dem Zürcher Pedal-Motorwagen Ce 4/4 409 statt, was nach Erstellung einer Wendeschleife in Emmenbrücke möglich wurde. Das “Wunderding aus Zürich”, wie es in der Presse beschrieben wurde, war zwischen Bahnhof und Emmenbrücke im öffentlichen Einsatz und fand viel Gefallen in der Bevölkerung. Die Volksabstimmung vom 24./25. November 1945 über die Anschaffung von 10 entsprechenden Strassenbahnen erhielt denn auch eine grosse Zustimmung. Zu diesem Zeitpunkt erstellt wurden auch Wendeschleifen in Kriens und beim Maihof, sowie die Doppelspur in der Maihofstrasse.
Die bestellten zehn neuen Motorwagen wurden etwas verspätet 1947/48 abgeliefert, wobei 1948 auch die neue Wagenhalle an der Eschenstrasse in Betrieb genommen wurde. Diese befand sich neben dem ursprünglichen Depot an der Birreggstrasse und wurde ab dem Paulusplatz über eine einspurige Stichstrecke erschlossen. Leider sollten dies die letzten Ausbauten des Luzerner Tramnetzes sein.
Interessanterweise wurde nicht die gesamte Serie bei der gleichen Wagenbaufirma bestellt. Die Wagen 101 - 106 stammten von der Schindler Wagonfabrik in Pratteln (SWP) und verfügten über einen geschweissten Wagenkasten, während die Nummern 107 - 110 von der Firma Hess, Bellach erbaut wurden und mit verschraubten Seitenblechen eher dem Zürcher Vorbild entsprachen. Die elektrische Ausrüstung samt Drehgestellen stammte von BBC und war identisch mit den Zürcher Wagen Ce 4/4 415 - 418.
Ein Wagen der Teilserie 101 - 106 wurde von V. Longo bei der Ausfahrt aus der modernen Wagenhalle an der Eschenstrasse fotografiert. Die neuen Vierachser fuhren immer solo und waren vor allem auf der Linie 1 zwischen Maihof und Kriens im Einsatz.
S.E. Harrison, ein britischer Tramfreund von dem ich bereits früher einige Aufnahmen der
Spiezer Verbindungsbahn zeigte, besuchte im letzten Betriebsjahr auch die Strassenbahn Luzern und fotografierte diese am 11. August 1961 ausgiebig. Hier steht der inzwischen zum Be 4/4 101 mutierte Leichtmotorwagen abfahrbereit in der Schleife Maihof. Dies war jeweils mein erster Eindruck von Luzern, wenn meine Eltern mit dem Auto durch die Stadt fuhren.
Am anderen Ende der Linie in Kriens lichtete der gleiche Fotograf den Be 4/4 104 ab. Die Dachreklame für ein alkoholisches Getränk ist für die damalige Zeit relativ typisch. Auch Zigarren und Zigaretten fanden sich früher oft auf Dachreklamen, etwas das heute nicht mehr vorstellbar ist.
Auf der Rückfahrt von Kriens auf der Alpenstrasse begegnete S.E. Harrison dem Be 4/4 105. Leider befindet sich in seinen Aufnahmen kein Vertreter der von Hess gebauten Unterserie 107 - 110. Interessant auf die Fotografie ist jedoch das Dreischienengleis, welches von der normalspurigen Kriens - Luzern Bahn in beiden Richtungen zwischen Kuperhammer und Kriens mitbenutzt wurde. Ob dieser Teilabschnitt signalgesichert war, entzieht sich meiner Kenntnis.
Anlässlich des 100-jährigen Bestehens fuhr die Kriens-Luzern Bahn am 25. Oktober 1986 mit einem Dampfzug auf dem damals immer noch bestehenden Strassentrassee. Die dritte Schiene für die Meterspur des Trams ist zwar zugeteert, aber immer noch deutlich zu sehen.
Das endgültige Ende
Nachdem aufgrund einer Volksabstimmung bereits 1959 die Linie 2 nach Emmenbrücke dem Trolleybus geopfert wurde, läuteten auch für die Linie 1 am 11. November 1961 die Totenglocken. V. Longo hat einige stimmige Aufnahmen von diesem Anlass gemacht. Die am Schlusskorso eingesetzten Wagen wurden wenigstens würdig bekränzt. Im Depot an der Eschenstrasse steht der aus dem Jahr 1903 stammende Be 2/2 25 bereit.
Nochmals dieselbe Szene mit erwartungsvollen Schulkindern, welche sich heute natürlich alle im sehr fortgeschrittenen Alter befinden. Im Gegensatz zu heutigen modischen Kleidungsstücken fallen die vermutlich von den Müttern handgestrickten Pullover sowie die Knicker-Boxer Hosen (im Volksmund Kegelfänger genannt) auf.
Der Abschied von der Strassenbahn führte zu einem eigentlichen Volksauflauf.
Die Wagen 24 und 25 verkehren dicht hintereinander und werden von der Jugend auf Fahrrädern begleitet. Im Be 2/2 24 ist auch der Wagenführer mit der damals bei den meisten schweizerischen Strassenbahnbetrieben üblichen Uniform zu sehen. Aufgrund des Galons (Bändel) an seinem Hut handelt es sich möglicherweise um einen chargierten Beamten. Es wäre interessant, seine Gedanken lesen zu können. Freut er sich auf einen bequemeren sitzenden Job oder ist aufgrund von jahrzehntelanger Arbeit an der Kurbel etwas Wehmut vorhanden?
Verbleib der Fahrzeuge
Die einzigen verkäuflichen weil immer noch recht modernen Wagen waren die Be 4/4 101 - 110, welche umgehend bei der Strassenbahn Genf ein neues Einsatzgebiet fanden. Dank dem Einsatz auf der Ringlinie 1 konnte das Nummernschild in Genf gleich weiterverwendet werden. Im neuen Genfer Anstrich macht sich der Be 4/4 740 (vermutlich die Luzerner Nummer 110) nicht schlecht. Damit sehen wir auch erstmals einen Wagen der Luzerner Teilserie 107 - 110 mit verschraubten Seitenblechen. Die 1967 gemachte Aufnahme stammt von der AGMT (Association Genevoise du Musée des Tramways) und entstand beim Bahnhof Cornavin.
Der ehemalige Luzerner Be 4/4 106 ist 1969 als Be 4/4 736 der CGTE (Compagnie genevoise des tramways électriques) auf der Mont Blanc Brücke unterwegs. Leider war zu dieser Zeit auch das Genfer Tramnetz auf dem absteigenden Ast und mit Einstellung der Ringlinie 1 im Jahr 1969 wurden die “Luzerner” einmal mehr arbeitslos.
Trotzdem war dies noch nicht das wirkliche Ende ihrer Karriere. Bei Hess, Bellach wurden die bisherigen Triebwagen in die Anhängewagen B 321 - 330 umgebaut und hinter den Genfer Standard-Motorwagen auf der einzigen verbliebenen Genfer Tramlinie 12 bis 1988 weiterverwendet. Während damit die Luzerner Strassenbahngeschichte endgültig zu Ende ging, wandelte sich die Situation in Genf glücklicherweise grundlegend und nach verschiedenen Ausbaustufen sind heute wieder 5 Linien, teilweise sogar über die Landesgrenzen hinaus, im Einsatz.
Am Ende seiner Laufbahn fotografierte ich den ehemaligen Luzerner Motorwagen als Anhänger B 327 hinter dem Genfer Be 4/4 722 in der Abstellanlage Carouge.
Ich hoffe, der Bilderbogen über die ehemalige Luzerner Trambahn hat gefallen!
Viele Grüsse, Hans
Mein HiFo-Verzeichnis: [
www.drehscheibe-online.de]
1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2021:03:29:10:55:04.