Liebe HiFo-Leser,
schön, dass ihr mich weiter bei der Reise über die Insel mit den vielen Bergen begleitet. Hier zur besseren Übersicht nochmal unser Reiseplan:
0. Prolog
1. Geographie Taiwans
2. Geschichte Taiwans
3. Geschichte der Eisenbahn
3.1 Die erste Eisenbahn auf Taiwan (1877 – 1893)
3.2 Vollendung der Stammlinie (1895 – 1908)
3.3 Expansion und erste Rückschläge (1909 – 1937)
3.4 Die Eisenbahn im Krieg (1937 – 1945)
3.5 Der mühsame Wiederaufbau (1945 – 1958)
3.6 Ringschluss, Elektrifizierung sowie Niedergang der Nebenbahnen und des Güterverkehrs (1959 – 1991)
3.7 HGV, Pendlerverkehr und Metrolinien (1992 – heute)
3.8 Aktueller Zustand/Betrieb der TRA
3.9 Aktueller Zustand/Betrieb der THSCR
4. Eisenbahnstrecken auf Taiwan
4.1 Staatsbahn (TRA)
4.2 THSRC (Taiwan High Speed Rail Corporation)
4.3 Streckenportraits der Staatsbahnstrecken
4.4 Übersicht der Metrosysteme auf Taiwan
4.5 Geplante Strecken auf Taiwan
5. Rollendes Material
5.1 Dampflokomotiven
5.1.1 Tenderlokomotiven (1.067mm)
5.1.2 Schlepptenderlokomotiven (1.067mm)
5.1.3 Dampflokomotiven der Taitung-Linie (762mm)
5.2 Diesellokomotiven
5.2.1 Diesel-hydraulische Lokomotiven (1.067mm)
5.2.2 Diesel-elektrische (Strecken-)Lokomotiven (1.067mm)
5.2.3 Diesel-elektrische (Rangier-)Lokomotiven (1.067mm)
5.2.4 Kleinlokomotiven/Schienentraktoren (1.067mm)
5.2.5 Diesellokomotiven der Taitung Line (762mm)
5.3 Elektrolokomotiven
5.4 Triebwagen
5.4.1 Dampftriebwagen
5.4.2 Benzoltriebwagen
5.4.3 Dieseltriebwagen
5.4.4 Triebwagen der Taitung Line (762mm)
5.4.5 Elektrotriebwagen
6. Weitere Bahnen auf Taiwan
6.1 Waldbahnen auf Taiwan
6.2 Alishan Forest Railway
6.2.1 Geschichte
6.2.2 Strecken
6.2.3 Rollendes Material
6.3 Zuckerrohrbahnen auf Taiwan
6.3.1 Geschichte
6.3.2 Rollendes Material
6.4 Sonstige (Klein)Bahnen auf Taiwan
6.4.1 „Push cart lines“
6.4.2 Minenbahnen
6.4.3 Salzbahnen
Nach den Dampf- und Dieselloks in den letzten Beiträgen kommen jetzt logischerweise die Elektroloks. Hier ist die Vielfalt noch viel überschaubarer wie bei den Diesel- und Dampfloks. Die erste Streckenelektrifizierung erfolgte 1979 und bereits sehr frühzeitig setzte man anstatt auf Lokomotiven auf elektrische Triebwagen, da der Güterverkehr seit Jahren stark rückläufig ist. Daher wird es ein recht kurzer Beitrag, die elektrischen Triebwagen stelle ich dann im nächsten Beitrag vor.
5.3 Elektrolokomotiven
Die Elektrolokomotiven in Taiwan sind sehr „General Electric“-lastig. Mitte der 1970er-Jahre beschloss die TRA die Elektrifizierung ihrer Hauptlinien mit 25kV/60Hz. Für den elektrischen Betrieb erwarb sie E-Loks bei der britischen General Electric Company (GEC) und der US-amerikanischen General Electric (GE). Die beiden Hersteller sollten nicht miteinander verwechselt werden, sie standen nicht in Beziehung zueinander! Während sich die Baureihe E100 der GEC überhaupt nicht bewährte, lief der Betrieb mit der Baureihe E200 von GE recht erfolgreich, so dass weitere Exemplare bei GE (Baureihen E300 und E400) bestellt wurden. Der Stern der E-Loks ist aber stark im Sinken begriffen. Trotz der stark angestiegenen Elektrifizierung (die Ringlinie wurde bis 2020 komplett elektrifiziert) setzt die die TRA im Personenverkehr bei Neubestellungen ausschließlich auf Triebwagen, der Güterverkehr spielt auch kaum eine Rolle mehr. Nach über 40 Jahren Betriebszeit sind die E-Loks vermehrt von Ausfällen betroffen und Ersatzteile sind nicht mehr erhältlich. Daher versucht man, ausschließlich die Baureihe E200 mit Ersatzteilen aus abgestellten Loks der Baureihen E300 und E400 noch ein Weilchen am Leben zu erhalten, bis die Triebwagen komplett übernommen haben.
Alle E-Lok-Baureihen beginnen mit „E“ gefolgt von einer runden Zahl (analog den Diesel- und Dampfloks). Die Baureihe E1000 ist eigentlich eher als elektrischer Triebwagen zu sehen, dennoch wird er auch als E-Lok (E1000) und nicht als E-Triebwagen (EMU1000) klassifiziert.
Klasse | Achsfolge | Beschreibung/ Auflistung Fahrzeuge | Bild (Klick zum Vergrößern) |
|
|
|
|
E100 | Bo'Bo' | Als erste elektrische Lokbaureihe wurden 20 Exemplare einer vierachsigen, 72t schweren und 2.750PS starken E-Lok von einem Konsortium aus General Electric Company (die britische GEC, nicht zu verwechseln mit der US-amerikanischen General Electric) und Union Carriage & Wagon 1976 nach Taiwan geliefert. Mangels vorhandener Teststrecken in den Produktionsstätten mussten sämtliche Testfahrten in Taiwan stattfinden, die anfangs alles andere als erfolgreich waren. Auch im späteren Regelbetrieb waren Ausfälle, insbesondere an der Elektromechanik, an der Tagesordnung, zudem verfügten die Loks nicht über einen geeigneten Stromanschluss, um die Klimaanlagen in angehängten Personenwaggons betreiben zu können. Stattdessen waren zusätzliche Generatorwagen notwendig. So verschwanden sie recht schnell wieder von den Schienen, bereits 2005 waren alle Exemplare bis auf E101, die als Museumslok erhalten blieb, verschrottet. | Encino / CC BY-SA (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0) from Wikimedia Commons |
20 | E101 - E120 | 2750HP | 1976 | GEC & UCW | | 1976 | E101 on display at Changhua, all others scrapped | |
|
|
|
|
E200 | Co'Co' | GE lieferte 1978 die ersten 35 Exemplare dieser sechsachsigen 96t schweren und rund 2.800kW starken E-Loks (E201 – E235). Sie verfügen alle über einen separaten Stromanschluss, um die Klimaanlage in den angehängten Personenwaggons betreiben zu können. 1992 wurden nochmals fünf Exemplare geliefert (E236 – E240). E221 wurde 1990 nach einem Unfall verschrottet, E225 wurde 2020 abgestellt, alle anderen Loks sind noch in Betrieb. | Rsa / CC BY-SA (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/) |
35 | E201 - E235 | 3758HP | 1978 | GE | | 1978 | E221 scrapped after accident, all others in operations | 5 | E236 - E240 | 3758HP | 1992 | GE | | 1992 | all in operations | |
|
|
|
|
E300 | Co'Co' | Zusammen mit den 35 Exemplaren der Baureihe E200 lieferte GE 1978 auch 39 Loks der Baureihe E300 nach Taiwan. Die Loks sind praktisch identisch mit der Baureihe E200, lediglich der separate Stromanschluss für die Klimaanlagen der angehängten Personenwagen fehlt. In den 1990er-Jahren wurden E301 und E302 noch entsprechend nachgerüstet. Da der Bedarf an E-Loks konstant sinkt und die Loks wegen dem fehlenden Stromanschluss praktisch nicht für Personenzüge genutzt werden können, werden sie nach und nach abgestellt und verschrottet. Noch verwendbare Teile kommen in den Loks der Baureihe E200 als Ersatzteile zum Einsatz. 2008/2009 wurden fünf Loks verschrottet, fünf weitere folgten 2015, eine weitere Lok ist abgestellt, so dass sich aktuell nur noch 28 Loks im Betrieb befinden. | billy1125 from Hualien, Taiwan / CC BY (https://creativecommons.org/licenses/by/2.0) |
39 | E301 - E339 | 3758HP | 1978 | GE | | 1978 | E301 & E302 later equipped with electric supply for carriages; E310, E313, E314, E319, E320, E321, E324, E325, E330, E332 scrapped; all others in operations | |
|
|
|
|
E400 | Co'Co' | Zwischen 1980 und 1982 wurden nochmals 18 leicht veränderte E-Loks von GE geliefert. Sie sind praktisch baugleich mit der Reihe E200, haben jedoch ein anderes Getriebe. Dadurch steigt die Höchstgeschwindigkeit von 110km/h auf 130km/h, Zugkraft und Beschleunigung sind aber entsprechend geringer. Da auf Strecken mit zulässiger Höchstgeschwindigkeit größer als 110km/ inzwischen weitgehend Triebwagen eingesetzt werden, wurden die Getriebe der Loks nach und nach mit baugleichen Getrieben der Baureihen E200 und E300 ersetzt. Dadurch verringert sich die Geschwindigkeit wieder auf 110km/h, die Wartung wird allerdings einfacher. E413 wurde 2020 abgestellt, alle anderen Loks sind noch im Einsatz. | billy1125 from Taiwan / CC BY (https://creativecommons.org/licenses/by/2.0) |
18 | E401 - E418 | 3758HP | 1980/82 | GE | | 1980/82 | E413 deactivated, all others in operations | |
|
|
|
|
E1000 | Bo'Bo' | Vom Aussehen her handelt es sich bei der Baureihe E1000 eigentlich um Triebköpfe eines Triebwagenzuges ähnlich dem ICE1. Die Triebköpfe (60t, 2.336kW Leistung) werden allerdings als E-Loks klassifiziert, sie können aber nur mit den passend zu den Triebköpfen gelieferten Waggons als kompletter Triebzug mit je einem Triebkopf am Anfang und am Ende sowie mit 12 – 15 Waggons im Verbund betrieben werden. Die Waggons wurden von Hyundai Seiko aus Südkorea geliefert, die Triebköpfe stammen von Union Carriage aus Südafrika, die Motoreinrichtung von einem Konsortium aus GEC und Alsthom. Trotz ihres schnittigen Aussehens liegt die Höchstgeschwindigkeit bei gerade mal 130km/h, mehr lassen die meist kurvigen Strecken in Kapspur auch nicht zu. Bei ihrer Lieferung 1996 waren die Züge sehr beliebt, brachten sie doch endlich modernes Flair auf die Gleise. Schlechte Lieferqualität und Wartung führten aber schnell zu großen Problemen. Von den Waggons blätterte nach kurzer Zeit die Farbe ab und die Triebköpfe waren zu schwach, so dass eine zusätzliche Schubunterstützung durch E-Loks erforderlich wurde. Erst nach erheblichen Nacharbeiten wurden die Züge zuverlässiger. Mit fortschreitender Elektrifizierung wanderten die Triebzüge nach und nach von der Westküste zu den neu elektrifizierten Abschnitten auf der Ostküste. Sie sollen aber demnächst abgestellt werden und durch moderne Triebwagenzüge ersetzt werden. | Encino / Public domain |
64 | E1001 - E1064 | 2.336kW | 1996/97 | GEC & UCW & ALSTOM | | 1996/97 | | |
Bild 1: E103 (GEC & UCW, 1976) war 2003 noch im Einsatz, zwei Jahre später war sie wie alle anderen Loks der Baureihe E100 mit Ausnahme der museal erhaltenen E101 verschrottet (Photo by Encino / CC BY-SA (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0) from Wikimedia Commons).
Bild 2: E215 (GE, 1978) im Bahnhof von Xizhi. Die Lok ist noch immer wie alle anderen Loks der Baureihe E200 noch im Einsatz, lediglich E221 wurde nach einem Unfall verschrottet (Photo by Rsa / CC BY-SA (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/) from Wikimedia Commons).
Bild 3: E326 (GE, 1978) im Bahnhof von Yuanli. Sie wird im Güterverkehr eingesetzt, da sie wie fast alle anderen Exemplare der Baureihe E300 über keinen Stromanschluss für angehängte Personenwagen verfügt. Die Lok ist im Gegensatz zu zehn anderen Exemplaren der Baureihe E300 noch in Betrieb (Photo by billy1125 from Hualien, Taiwan / CC BY (https://creativecommons.org/licenses/by/2.0) from Wikimedia Commons).
Bild 4: E408 (GE, 1980) im Bahnhof von Hsinchu. Sie ist nach dem Getriebwechsel praktisch baugleich zur Baureihe E200 und kann daher auch für Personenzüge verwendet werden. Die Lok ist wie alle anderen Exemplare der Baureihe E400 noch in Betrieb (Photo by billy1125 from Taiwan / CC BY (https://creativecommons.org/licenses/by/2.0) from Wikimedia Commons).
Bild 5: Der Triebkopf E1004 (Photo by Encino / Public domain from Wikimedia Commons) wurde 1996 von einem Konsortium aus GEC, UCW und ALSTOM geliefert. Vom Aussehen her eigentlich eher ein Triebwagenzug, ist der Triebkopf offiziell als Lokomotive klassifiziert.
Das war es auch schon mit den Elektroloks, mehr Baureihen gibt es auf Taiwan leider nicht. Im nächsten Bericht wird es dann wieder etwas abwechslungsreicher, denn dann schauen wir uns die Triebwagen aller Traktionsarten (Dampf, Diesel, Elektro) etwas näher an. Ich würde mich freuen, wenn ihr dann wieder dabei seid.