Ein herzliches Grüß Gott aus Oberbayern!
Der Wetterbericht kündigt für heute in Oberbayern recht durchwachsenes Wetter an. Vor 30 Jahren war dort hingegen am 24. Oktober ein fantastischer Herbsttag mit strahlendem Sonnenschein. Und ich fuhr dort durch die Gegend und schaute mir die Nebenstrecken an, die es dort in noch ungewöhnlicher großer Zahl gab. Einige von ihnen muteten mir wie Anachronismen ihrer Zeit an und ich ging davon aus, dass dort bald der letzte Zug abgefahren sein würde. Zu ihnen zählte die Strecke von Traunstein nach Waging am See.
Die Übersichtskarte des damals gültigen Kursbuches Winter 1990/91 zeigt, von welcher Gegend wir reden:
Der Ausgangsbahnhof der Züge ist der Eisenbahnknoten Traunstein, aber die am 01.12.1902 eröffnete Strecke beginnt eigentlich erst zwei Kilometer weiter östlich am Abzweig Hufschlag, wo sie aus der Hauptstrecke München - Rosenheim - Salzburg ausfädelt. Von dort schlängelt sie sich auf 10 Kilometern Länge durch die hügelige Landschaft Oberbayerns hinein in den Rupertiwinkel, um den dort gelegenen Markt Waging am See an das Schienennetz anzuschließen. 1990 fanden sich neben dem Endbahnhof in Waging fünf Unterwegshaltepunkte an der Strecke, der Zug brauchte durchschnittlich 22 Minuten für die Fahrt von Traunstein nach Waging am See. Für eine Nebenstrecke bestand damals aber ein durchaus respektables, wenn auch nicht vertaktetes Zugangebot, hier ein Auszug aus dem damals gültigen Kursbuch Winter 1990/91:
Ich war am Nachmittag an der Strecke und ich hatte mir den N 5584 ausgeguckt, den ich abpassen wollte.
Meine Tour begann aber von Traunstrein kommend zunächst in Hufschlag, alle Bilder entstanden am 24.10.1990.
km 0,0 Abzweig und Haltestelle Hufschlag
Hufschlag ist ein Teil der Gemeinde Surberg, bekannt ist Hufschlag dafür, dass das Elternhaus von Papst Benendikt XVI dort steht.
Und bei Eisenbahnfreunden natürlich für den Abzweig der Eisenbahnstrecke nach Waging am See. Bis hierhin fahren die Züge übrigens auf dem Gegengleis der Hauptstrecke, um kurz nach dem Abzweig an der Haltestelle Hufschlag zu stoppen. Der Haltepunkt selber besteht aus einer Bahnsteigkante und einem kleinen Holzhäuschen.
1. Blick aus Richtung Traunstein. Die Bundesbahn hatte gerade ein paar Arbeiter vor Ort.
2. Blick aus Richtung Waging am See. Im HIntergrund erkennt man die Hauptstrecke, aus der die Bahn hier ausfädelt.
Nach rechts die Weiche zu einem Schutzgleis gegen Flankenfahrten.
km 3,4 Haltepunkt Weibhausen
Weibhausen gehört - wie auch der folgende Haltepunkt - zur Gemeinde Wonneberg.
Früher soll es hier ein Empfangsgebäude gegeben haben, das jedoch bereits in den Fünfziger Jahren abgerissen wurde.
1990 stand ein seiner Stelle ein Oberleitungsmast, der eine Lampe und das Ortsschild trug.
Das Bahnhofsgelände sieht so aus, als ob hier früher einmal mehr Gleise lagen - auf jeden Fall ein Ladegleis, oder gab es eventuell sogar ein Ausweichgleis?
3. Blick aus Richtung Traunstein mit dem Bahnsteig
4. Blick aus Richtung Traunstein von etwas weiter weg mit dem Güterschuppen
km 4,7 Haltepunkt Kirchhalling
Auch Kirchhalling gehört zur Gemeinde Wonneberg. Die Bahnstrecke führt in einem Bogen um den kleinen Ort herum, der Haltepunkt ist nur zu Fuß zu erreichen gewesen.
Zum Fahrplanwechsel am 09.12.2012 endete die Bedienung von Kirchhalling, nachdem auch früher schon viele Züge hier (planmäßig oder unplanmäßig) durchfuhren.
Die Holzhütte wurde daraufhin abgebrochen.
5. Blick in Richtung Waging am See.
Hier kommt der N 5584, er sollte planmäßig um 15.07 Uhr in Kirchhalling halten - und zwar nicht nur bei Bedarf.
Deswegen hatte ich mir auch ausgerechnet, dass ich den Zug dreimal - bei der Einfahrt, beim Halt und bei der Ausfahrt fotografieren könnte.
Doch das Zugpersonal machte auf ICE-Halt Wolfsburg - ein freundlicher Gruß...
... und weiter ging es in Richtung Traunstein. Ziemlich verdutzt gelang mir dieser Nachschuss, wo ich die Sonnenstrahlen jedoch nicht ganz abschirmen konnte.
6. Blick aus Richtung Waging
7. Blick aus Richtung Traunstein. Eigentlich hätte dies das Hauptmotiv mit dem Zug sein sollen. Eigentlich.
km 6,8 Haltepunkt Unteraschau
In Unteraschau befinden wir uns bereits im Gebiet des Marktes Waging am See.
Bei dem Dorf handelt sich eigentlich nur um ein paar Höfe, die sich auf beiden Seiten der Bahnstrecke befinden.
Der Haltepunkt hatte 1990 ein im Verhältnis zu den anderen Stationen sehr modernes Wartehäuschen.
Die veränderten Lichtverhältnisse (nunmehr lag der Blick aus Richtung Waging im besten Licht) zeugen von der kurvenreichen Trassierung der Strecke.
8. Blick aus Richtung Waging
9. Blick aus Richtung Traunstein
km 8,2 Haltepunkt Otting
Der Bahnhof Otting ist sicherlich das bekannteste Motiv der gesamten Strecke. Er liegt 1,4 Streckenkilometer, die in Form einer 180°-Kurve geführt werden, vom Haltepunkt Unteraschau entfernt, auf der Straße sind es 1,2 Kilometer. Genausoweit ist es auch vom Bahnhof Otting zum namengebenden Ort, allerdings in die entgegengesetzte Richtung.
Weiß jemand, ob es in Otting früher auch einmal Nebengleise gegeben hat?
10. Straßenseite, sicherlich die unbekannteste Perspektive vom Bahnhof Otting
11. Blick aus Richtung Traunstein - dieses Motiv gibt es auch mit Zug massenweise im Internet, es ist der Klassiker der Strecke.
12. Blick aus Richtung Waging. Auch dieses Motiv ist oft mit Zug umgesetzt im Internet zu finden.
km 10,5 Bahnhof Waging
Der Markt Waging am See ist ein Touristenort im Rupertiwinkel. Und es muss auch der Tourismus sein, der der Strecke bisher das Überleben gesichert hat, denn mit seinen 7000 Einwohnern ist Waging kleiner als viele andere Orte, deren Bahnhöfe stillgelegt wurden, obwohl deren Bahnstrecke selbst noch in Betrieb ist.
Wie dem auch sei: 1990 gab es auch noch regelmäßigen - und wie man auf den Bildern sehen kann - recht umfangreichen Güterverkehr nach Waging.
Der Bahnhof hatte zu diesem Zweck nicht nur ein Umfahrgleis, sondern auch ein aus Richtung Traunstein angebundenes Ladegleis.
Das ist inzwischen verschwunden, heutzutage endet nur noch das Streckengleis direkt am Bahnsteig vor dem Prellbock.
13. Straßenseite - der kleine Bub vor dem Bahnhof ist mitlwerweile vermutlich selbst Familienvater...
14. Blick zum Gleisende
15. Blick in Richtung Traunstein - was war das eigentlich für ein Tanklager, das mit den Kesselwagen bedient wurde?
16. Blick aus Richtung Traunstein mit einer Gesamtübersicht über den Bahnhof
Das war mein Ausflug an die Strecke Traunstein - Waging am See heute vor 30 Jahren. Ich hätte damals nichts auf diese Strecke mehr gewettet, doch heute wird die Strecke besser denn je mit Zügen bedient. Ein Stundentakt von früh morgens bis spät abends bei einer Fahrzeit von 19 Minuten ist durchaus eine Alternative zum Auto, mit dem man auch nicht schneller von Waging nach Traunstein käme. Nachfolgend die Tabelle aus dem aktuellen Kursbuch:
Seit 1990 bin ich nicht wieder an der Strecke gewesen. Schaut man bei Google earth, so sieht es so aus, als ob die Stationen immer noch ihre alten Bahnsteig behalten haben, aber das kann bei der Auflösung natürlich auch täuschen. Ich würde mich deswegen über weitere Ergänzungen - sowohl aktuelle Bilder als auch historische Aufnahmen freuen.
Ein paar historische Aufnahmen von Georg / Djosh möchte ich gerne für Euch verlinken. Auch er hat die Strecke Traunstein - Waging besucht und auf seiner Homepage vorgestellt:
[
doku-des-alltags.de] (Hinfahrt)
[
doku-des-alltags.de] (Rückfahrt)
Bei Interesse werde ich auch noch weitere Strecken vorstellen, die ich in diesem Oktober vor 30 Jahren in der Gegend besucht habe.
Viele Grüße
Christoph