Eine schöne Bilderserie aus der Zeit, in der ich bei der OEG angefangen habe.
Du hast mich sogar einmal fotografiert, danke dafür.
Aber ein paar Aussagen kann ich so nicht stehen lassen, weil sie schlicht und einfach falsch sind.
Zunächst einmal vermischst Du fröhlich rnv und VRN:
Der
Verkehrsverbund, der für den Tarif und die Einnahmeaufteilung zuständig ist, und der auch überregional Vergaberichtlinien ausarbeitet, ist
der Verkehrsverbund Rhein-Neckar (VRN). Im Verbund sind mittlerweile ca. fünfzig Verkehrsunternehmen mit einem einheitlichen Beförderungstarif zusammengeschlossen, die größten darunter sind die DB und die rnv. Der Verkehrsverbund wurde 1989 gegründet und seitdem gibt's in der Region einen einigermaßen einheitlichen Tarif für alle. Vorher hatte jedes Unternehmen seinen eigenen Tarif.
Die fünf Verkehrsbetriebe, die sich das meterspurige Schienennetz im Rhein-Neckar-Dreieck teilen (RHB, VBL, MVV, OEG, HSB), haben sich 2005 zum
neuen Verkehrsbetrieb namens Rhein-Neckar-Verkehr GmbH zusammengeschlossen, es heißt also
DIE rnv. Das gilt es zu unterscheiden,
die rnv ist kein Verkehrsverbund. (Ein Zwischenschritt war die Eingliederung der OEG in die Mannheimer Verkehrs-AG (MVV) ab 2000). Zweck der Gründung der rnv war es, den Betrieb rentabler zu machen und das gelegentliche "Gegeneinander" der alten Unternehmen zu beenden, von "Einverleibung" zu sprechen ist im Falle rnv völlig daneben. Tatsache ist auch, dass die seit 2005 eingestellten Neubeschäftigten zu einem niedrigeren Lohntarif eingestellt werden, als dies bei den Altunternehmen der Fall war (die übrigens alle fünf nach gänzlich unterschiedlichen Lohntarifen gezahlt haben). Den "Altbeschäftigten" wurde im Großen und Ganzen aber der bisherige Verdienst gesichert, und wer neu anfängt weiß ja, was er bekommt.
Bei aller Kritik am als "Salonwagen" erhaltenen Halbzug 45/46: Er wurde 1990 durch die OEG wieder betriebsfähig gemacht und mit den notwendigen Sicherheitseinrichtungen ausgestattet, die ihn auch im Straßenbahnnetz wieder einsatzfähig machten (nicht ohne Grund durfte der Ganzzug 1986 und 1987 nur die Eisenbahnstrecken befahren, obwohl eine Verbindung zum Hauptbahnhof Mannheim als Zubringer zu den Jubiläumsfeierlichkeiten viel attraktiver gewesen wäre). Der Umbau hat ein Heidengeld gekostet und war damals wohl die einzige Möglichkeit, wenigstens einen Halbzug am Leben zu halten. Glücklicherweise hat man das damals getan, unter den heutigen Voraussetzungen gäbe es wohl fast unüberwindbare Probleme mit den Behörden bei einer Neuzulassung.
Und wenn dann mal was kaputtgeht dauert eine Einzelanfertigung immer lange und ist sehr teuer. Beispielsweise einen fertig gewickelten Motor vorrätig zu haben und bei Bedarf nur tauschen zu müssen reduziert die Ausfallzeiten erheblich. Die "Umnutzung" des 47/48 ist daher nicht nur vorstellbar, sondern eigentlich logisch, wenn ich auch gerne noch einen Halbzug in "original" hätte. Die dunkelgrüne Lackierung ist nicht "original", eher den Dampfbahnzügen nachempfunden. Aber man gewöhnt sich dran. Im Übrigen verdient der Salonwagen auch ein bisschen Geld, er wird in einem Coronafreien Jahr etwa 90 bis 110 Mal für Sonderfahrten gebucht.
Die von Dir abgebildete Inneneinrichtung des Halbzugs ist übrigens auch nicht original. Ursprünglich gabs dort Holzlattensitze mit den Rückenlehnen in Fenstermitte und Blick auf den Fensterholm, wie es die DB im ICE so gerne macht. Die Sitzmöbel wurden in der Nachkriegszeit umgebaut, teilweise mit Kunstlederpolstern. Die "vornehme" rot/goldene Stoffpolsterbezug ist völlig un-original und kam in den beiden Halbzügen fürs Jubiläum 1986 extra drauf.
Die Stromabnehmer waren nicht für irgendwelche Signalsteuerungen doppelt vorhanden. Wie hätte man in einem Mischbetrieb mit Dampf- und Dieselloks Signalsteuerungen mit Oberleitungskontakten sicher schalten wollen, wenn ein Teil der Triebfahrzeuge gar keine Stromabnehmer besitzt? Die Stromabnehmer waren doppelt vorhanden, um Weichen auf den Straßenbahnstrecken per Fahrleitungskontakt elektrisch umstellen zu können. Weil diese Kontakte recht dicht vor den Weichen angebracht waren,
sollte in der Regel mit dem vorderen Stromabnehmer gefahren werden. Es war und ist aber durchaus möglich, mit dem zweiten Stromabnehmer des führenden Halbzugs zu fahren - heute ist es gänzlich unproblematisch, da die Weichensteuerung per Fahrleitungskontakt sowieso verboten und nicht mehr möglich ist. Im Ganzzugbetrieb mit dem dritten oder vierten Stromabnehmer zu fahren ging jedoch nicht.
Zum zehnten Bild schreibst Du etwas von "Fahrgastfluss" und dass die "technisch überzeugende Bauart" der Halbzüge "erstmal aufs Abstellgleis" geriet. Das mag für Straßenbahnen zutreffen. Bei der OEG hat es nie Wagen mit Fahrgastfluss gegeben und daher ist diese Anmerkung hier völlig Fehl am Platz. Der Grund für die Beschaffung "normaler" Trieb- und Beiwagen nach dem zweiten Weltkrieg war lediglich der deutlich geringere Beschaffungspreis.
Zu Bild 21: Die Schlussleuchten der Halbzüge wurden über die Beleuchtungsschalter eingeschaltet. Damit hätte im Zug auch die Spitzen- und Innenbeleuchtung geleuchtet. Braucht man nicht, also wurde eine Zs2-Scheibe angehängt. Das wäre laut ESO heute so nicht mehr zulässig.
Die Jubiläumsaufkleber waren damals übrigens auf fast allen OEG-Linienfahrzeugen drauf. Du hast natürlich geraden den frisch lackierten Wagen 100 erwischt, der sie ausnahmsweise nicht hatte. Die Bielefelder Züge haben sie bis zur Abstellung 1993 getragen.
Ganzreklame gab es ab den 1970er-Jahren auf den Düwag, mehr oder weniger schöne. Mir fallen da mindestens OEG 83, 85, 91, 92, 95, 98, 99, 100, 103 und 106 ein. Interessanterweise war es genau umgekehrt wie Du behauptest: Die Ganzreklamen wurden genau mit der von Dir scharf kritisierten Umlackierung der Gt8 ins "konzeptlose" weiß/rot zunächst mal für ca. 10 Jahre komplett entfernt, weil man sich mit der neuen "Hausfarbgebung" nach außen hin darstellen wollte. Es gab übrigens sehr wohl ein Konzept hinter der rot/weißen Farbgebung, die die Abschlussarbeit eines Designstudenten war - heute würde man das "Barrierefreiheit für Sehbehinderte durch Kontrast" nennen, denn die breiten roten Schrägstreifen erstreckten sich im Wesentlichen auf die Türbereiche.
Erst im rnv-Zeitalter hat man einige wenige Wagen wieder mit Ganzreklame versehen; im OEG-Bereich ist das aber nur eine geringe Anzahl und oft - bis auf wenige Ausnahmen - mit eher kurzen Laufzeiten.
Zu Bild 19: Der letzte elektrifizierte Streckenabschnitt war Weinheim - Schriesheim, nicht Seckenheim. Dort wurde schon 1928 elektrisch gefahren.
Zu Bild 37: Der Anstrich des 71 war keineswegs der "Ursprungsanstrich", denn das Grün war ursprünglich Flaschengrün wie auf den beiden Halbzügen gezeigt. Das Hellgrün kam erst mit der Beschaffung der Düwags ab 1966 auf, und ursprünglich hatten die Rastatter Fahrzeuge außerdem umlaufende Zierleisten aus Aluminium.
Zu Bild 42: Auch der Anstrich der Diesellok in Rot mit schwarzem Fahrwerk war nicht der originale Anstrich (ok, Du schreibst "historisch", das lasse ich gelten). Die Dieselloks wurden mit hellrotem Fahrwerk und grauen Aufbauten geliefert und haben wenige Monate nach Ablieferung dazu noch einen flaschengrünen Zierstreifen erhalten. Das Rot kam erst irgendwann in den 1960ern.
Aus Deinen Texten schwingt der Unterton mit, dass früher alles besser und schöner war.
War es aber nicht. Es war anders als heute.
Weder war damals alles gut, noch läuft heute alles in die richtige Richtung.
Aber dem Wandel der Zeit kann man sich nicht verschließen.
Deshalb, nach so viel Kritik nochmal - schöne Bilder!
Mit freundlichen Grüßen
Ralph Dißinger
"Wenn das 'gesunde Volksempfinden' an die Macht kommt, endet das oft im Weltkrieg.
Geist addiert sich nicht. Dummheit schon." Dieter Nuhr
1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2020:07:27:15:47:34.