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 04 - Historisches Forum 

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23. August 1973:

Nach einem Päuschen im Bw Emden geht es - mit meiner Lieblings-012, 012 077 - kurz nach 10 Uhr 00, ein paar Minuten vor Plan, Lz nach Emden Außenhafen, wo wir D 1338 bespannen sollen. Diesen werden wir dann mit der Lok rückwärts nach Emden Hbf bringen, wo wir "umfahren" und um 11 Uhr 22 in Richtung Rheine starten müssen. Mein Lokführer: Hauptlokführer Heinz Badziong, dessen Schweigsamkeit zunächst etwas darüber hinwegtäuscht, dass er ein ungemein freundlicher Mensch ist.

Im Bahnhof Außenhafen, den wir nach nerviger Bimmelbahnfahrt mit 40 km/h (zwar ohne Bimmel, aber wegen der ungesicherten Überwege mit ständigem Gepfeife) gegen 10 Uhr 30 erreichen, steht unsere Zuggarnitur schon am Bahnsteig bereit. Wir werden auf das Gleis rechts daneben geleitet und dürfen, hinter dem Sperrsignal, zunächst warten. Abfahrt unseres D-Zuges ist ja auch erst um 11 Uhr 07.

Heinz hat wohl seine Gründe gehabt, schon etwas früher im Bw aufzubrechen. Jedenfalls steigt er, kaum dass wir zum Halten gekommen sind, ab und meint, er müsse mal kurz was einkaufen, sei aber gleich wieder da. Er hält Wort, ist auch gleich wieder da, und zwar mit zwei prall gefüllten Tüten mit Nordseekrabben, die er bei einem nahe gelegenen Fischhändler namens Klein erstanden hat. Eine Tüte ist für ihn, die andere für mich.

Er macht sich sofort über die Krabben her und erwartet von mir natürlich das Gleiche, wobei er mich in die Kunst des Krabbenverzehrs (man muss da durch eine Drehbewegung den Kopf vom Rumpf trennen) ersteinmal einweist. Ich versuche, meine Abneigung gegen den mir angesonnenen kulinarischen Hochgenuss so gut es geht zu überwinden, aber irgendwann, mir ist kurz vor dem Schlechtwerden, kann ich nicht mehr. Aber ich kann die Tüte auch nicht einfach in meinem Tenderfach verschwinden lassen, das würde ja auffallen und unangenehme Fragen heraufbeschwören. Notgedrungen wähle ich einen anderen Weg: Immer dann, wenn Heinz nicht zu mir rüberguckt, schmeiße ich eine Handvoll Krabben in den Schotter auf meiner Heizerseite. Dabei habe ich panische Angst, dass Heinz, aus welchen Gründen auch immer, vielleicht noch einmal von der Lok absteigt und das zu allem Überfluss auch noch auf der Heizerseite. Nicht auszudenken, was er sagen würde, wenn er dann die Bescherung da unten sähe.

Mir fällt eine Zentnerlast von der Seele, als endlich das Sperrsignal auf Sh 1 geht, ein vom Fahrdienstleiter gegebenes Hornsignal an unsere Ohren dringt und wir per Rangiersignal zum Vorrücken aufgefordert werden.

Wir ziehen also (in Rückwärtsfahrt) vor, setzen an den Zug und bereits auf dem kurzen Stück bis Emden Hbf fragt mich Heinz, wie mir denn die Krabben gemundet hätten. Ohne rot zu werden, gerate ich ins Schwärmen.

Und als wir dann mit 012 077 ab Emden Hbf nach Süden jagen, bin ich ehrlich froh, mal wieder eine schwierige Klippe meines Heizerdaseins erfolgreich umschifft zu haben.

Fritz

Wie aus dem Leben gegriffen... ;-)

geschrieben von: rolf koestner

Datum: 30.06.20 10:05

Ich liebe diese Geschichten, Fritz. Erst recht, nachhdem ich jetzt fast ein halbes Jahr mit wenigen Ausnahmen "offline" war.


Bis neulich - natürlich im HiFo

Rolf Köstner

Man hat nicht richtig gelebt, wenn man nie in einem ICE gesessen hat, der in Hamm geteilt worden ist.


Ich bin ein Boomer!
MOin ins Forum,


als Liebhaber des Granats (wie die ungepulten korrekt heißen) blutet mir das Herz angesichts der Kostbarkeiten auf dem Schotter....
Hier in Oldenburg bekommen wir ja heute nur selten mit viel Glück ganz früh auf dem Wochenmarkt was ab....
Bis zur Räucherei Klein (an der Rückseite des Luftschutzbunkers an der Nesserlander Straße
, leider schon lange weg) hatte dein Meister ja ganz schön einen Weg zu wetzen, aber was tut man nicht alles für Delikatessen....

Gruß Reisekultur
Du magst zwar keine Krabben und auch mir ist so'n Zeugs abhold, obwohl es vielen als Delikatesse gilt. Nee, da bin ich manchmal lieber eben kein Gourmet. Aber so'ne richtig gute Thüringer Bratwurst hat doch auch was...

Mein Lokführer Lothar J. war auch so ein Organisationstalent. Und er konnte auch alles gebrauchen.
Einmal bremste er bei einer Rangierfahrt auf dem Güterbahnhof Magdeburg-Buckau sehr abrupt ab und forderte mich auf, mit ihm von der Lok zu steigen. "Habe da was gefunden. Sticht mir schon seit 4 Wochen ins Auge...", sagte er.
Ein rundes Etwas aus Pappe, etwa doppelt so dick wie ein herkömmlicher Marmeladen-Pappeimer, oben und unten mit Deckel, lag da im hohen Gras.
Bei näherer Untersuchung des festen, bernsteinfarbenen, durchsichtigen Inhalts war mir sofort klar: Kolophonium, etwa 30kg.
Für uns Bastler, die auch gerne mit dem Lötkolben hantierten, absolut ideal!
Wir hievten den Fund auf die Lok und ich konnte mir soviele Brocken nehmen, wie ich wollte.
Zum Feierabend war meine Heizertasche um etwa 5 Kilo schwerer als zu Diensbeginn.
Obwohl ich 10 Jahre später noch einen befreundeten Fernsehmechaniker reichlich mit Kolophonium versorgte, reichte das Zeug bei mir gut und gerne noch weitere 20 Jahre, um meinen Lötstellen die nötige Qualität zu verleihen.

Also lieber 'ne Tasche voll Kolophonium kostenlos, als eine Tüte Krabben beim Händler gekauft...



2-mal bearbeitet. Zuletzt am 2020:06:30:12:02:04.
Fritz Wolff schrieb:
Wir ziehen also (in Rückwärtsfahrt) vor, setzen an den Zug und bereits auf dem kurzen Stück bis Emden Hbf fragt mich Heinz, wie mir denn die Krabben gemundet hätten. Ohne rot zu werden, gerate ich ins Schwärmen.
Lieber Fritz,

Deine Begeisterung für Feinkost-Genuss während der Dienstzeit hätte durchaus dazu führen können, dass der Hauptlokführer sich ermuntert gesehen hätte, einem solchen Kenner wie Dir demnächst weitere Kostproben solcher Art zuteilwerden zu lassen!

Nun bin ich doch froh, nicht selbst auf derartige Erinnerungen zurückblicken zu können.

Herzlichen Dank :)

....ach, lieber Fritz, die Küste ist doch mehr was für Hartgesottene .....das fängt schon beim Jever an, smile.
LG.
Horst

Rührei mit Krabben

geschrieben von: 012 055-0

Datum: 30.06.20 13:53

Moin!

Das o. G. gilt bei vielen auch als Delikatesse, aber das kann mich nicht reizen, auch ein Schwarzbrot mit Krabben nicht.
Sollte es bei der Premierenfahrt von 012 104 als MUSS Krabben geben, würde ich vmtl. absagen müssen!

...es grüßt im 3/4 Takt
https://abload.de/img/012055-0fyug0.jpg
.
Fototaschenbilder bitte an diesen Beitrag anhängen:[www.drehscheibe-foren.de]


...kaum gibt man den Meeresassoziationen Raum, schon melden sich die versteckten Dateien in der Brainbox.
Mir kam ein Erlebnis in Erinnerung, es muss sich 1967 oder 68 zugetragen haben (ich war damals im 1.oder 2. Lehrjahr), da war unweit von Emden eine 44 auf einen Heringszug gefahren. Der letzte Wagen war wohl unter der Wucht irgenwie geborsten auf bei seinem Weg mit der Pufferbohle in Richtung obere Rauchkammertür. Zum räuchern reichte es nicht, aber ein nicht geringer Teil der armen Meeresbewohner kam dabei auf den vorderen Heißteilen des Jumbos zu Fall. Die Lok ist dann in's BW gezogen worden...fortan machte sich Bratfischbudengestank breit.



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2020:06:30:14:05:42.

Hin- und her gerissen...

geschrieben von: Wolfgang Sorger

Datum: 30.06.20 14:31

... bin ich, lieber Fritz,

von Deiner Geschichte. Denn ich mag Krabben und all so'n Meeresgetier einerseits.
Und ich habe dennoch Verständnis für Deinen Ausweg...
Gut, dass der Lokführer Dich nicht nach dem "Hochgenuss" erneut mit einer Tüte voll Granat beglückte ;-)
Beste Grüße

Wolfgang

Mich interessiert vieles - und alles rund um das Bw Bestwig!

Hallo Fritz,
eine nette Geschichte!
Ich sollte die Dinger bei englischen Freunden an der Küste ebenfalls essen, es wäre eine besondere Delikatesse. Bestimmt, aber nicht meine!
Da war mir "breakfast on the shovel" schon sehr viel lieber. Wir hatten Lok S15 506 der Mid Hants Railway präpariert, sie stand mit unserem Zug am Bahnsteig, alles war zur Fahrt parat, aber wir hatten noch viel Zeit. Da griff mein Lokführer in seine große Tasche und zauberte Würstchen, Eier, Tomaten, Pilze, Butter, Gewürze und Toastbrot hervor. Zu mir gewandt: "Nimm den Kohlenspritzschlauch und reinige die Schaufel blitzblank! Du wirst schon sehen, warum." Er nahm die Schaufel, wärmte sie in der Feuerkiste an, zog sie wieder heraus, verteilte rasch sich verflüssigende Butter und dann die anderen Utensilien auf dem Schaufelblech. Ein himmlischer Geruch erfüllte den Führerstand. Immer wieder hielt er die Schaufel ins Feuer, nicht ohne die Warnung an mich: "Stell ja nicht den Bläser an!" Dann wären die kulinarischen Köstlichkeiten im Nu im lodernden Feuer verschwunden... Sie sollten ja einen anderen Weg nehmen.
Auf dem Bahnsteig gab es etliche neugierige, vom Duft angelockte Fahrgäste, die sich erkundigten, was wir denn da wohl machten und woher dieser wunderbare Geruch käme. "Crew only", war die lächelnd vorgebrachte knappe Entgegnung. Rechtzeitig vor der Abfahrt hatten wir unser herrliches Frühstück von der Schaufel vertilgt. Dann bekam die Maschine wieder ihre Kohlemahlzeit von der Schaufel.
Aber auch Fahrgäste bekamen zu essen:
Wer stilvoll zum Essen ausgehen wollte - „Dining out in Style“ -, ohne auf die Eisenbahn zu verzichten, konnte "The Watercress Belle" buchen. An Samstagabenden wurde im Speisewagen-Dampfzug ein 5-Gänge-Dinner serviert. Die Gäste erschienen dazu meist in feinem Evening Dress. Ich hatte das Vergnügen als Heizer bei einem solchen Wine-and-Dine-Sonderzug (unter Eisenbahnern manchmal „Feed your faces“ genannt...) auf der Pacific-Lok 34016 „Bodmin“ mit rußgeschwärzten Händen vom Goldrandteller zu speisen. Die Abendgesellschaft wollte bei dem Zwischenhalt gerne den Führerstand entern, selbst Damen in weißem langem Kleid ließen es sich nicht nehmen, eine Schaufel Kohlen auf den Rost zu befördern: „Oh, don’t worry about the dress, it’s ever so exciting to be on such a lovely big engine!“

Das fiel mir wieder ein beim Lesen der "Selbstüberwindung". Besten Dank für die schönen Episoden aus dem Betriebsleben!
Daniel

Eisenbahnmuseum "Alter Bahnhof Lette (Kr Coesfeld"
[www.bahnhof-lette.de]
Moin,

das war mal wieder ein echter Wolff - danke, Fritz!

https://i.servimg.com/u/f42/11/91/33/05/20191011.jpg
Hier der Beweis, dass Deine Krabben-Aktion nicht zu nachhaltigen Umweltschäden geführt hat :D

Grüße

Jörn
>die Küste ist doch mehr was für Hartgesottene .....das fängt schon beim Jever an, smile.

Hallo,

wahre Worte ;) ;) ;)


Gruss
Michael

Horst Foege schrieb:
...kaum gibt man den Meeresassoziationen Raum, schon melden sich die versteckten Dateien in der Brainbox.
Mir kam ein Erlebnis in Erinnerung, es muss sich 1967 oder 68 zugetragen haben (ich war damals im 1.oder 2. Lehrjahr), da war unweit von Emden eine 44 auf einen Heringszug gefahren. Der letzte Wagen war wohl unter der Wucht irgenwie geborsten auf bei seinem Weg mit der Pufferbohle in Richtung obere Rauchkammertür. Zum räuchern reichte es nicht, aber ein nicht geringer Teil der armen Meeresbewohner kam dabei auf den vorderen Heißteilen des Jumbos zu Fall. Die Lok ist dann in's BW gezogen worden...fortan machte sich Bratfischbudengestank breit.
Gib es zu: Der Unfall war Absicht! ;-)
Grüße
Ulrich
Heizer Jupp schrieb:
...... Aber so'ne richtig gute Thüringer Bratwurst hat doch auch was...

Hoffentlich wird dies jetzt nicht mit einem Thüringer Rostbrätl verwechselt.:-)))

Gruß
Martin
Hallo Fritz,

Du warst aber mutig, Dich als Krabbenverächter nach Ostfriesland zu wagen! Aber: schön erzählt!

Gruß
Klaus
Fdl Uwf schrieb:
Heizer Jupp schrieb:
...... Aber so'ne richtig gute Thüringer Bratwurst hat doch auch was...

Hoffentlich wird dies jetzt nicht mit einem Thüringer Rostbrätl verwechselt.:-)))

Egal, ob Brätel oder Bratwurst - es kostet auch mich bei beidem die allergrößte Überwindung (um zum Thema zurückzukommen).
Bei den thüringer Köstlichkeiten wäre es allerdings das Ausschlagen, was mich Überwindung kosten würde - und nicht wie bei Fritz das Essen von Krabben und so'm Gedöns...
Hallo Fritz und Daniel,

Krabben, Pilze und Tomaten, das ist doch Kleinkram, fürchterlich. Beim Buren gab es richtig was auf den Teller bzw. auf die Schaufel.

[www.youtube.com]

Das funktionierte allerdings nur auf einer "richtigen" Lok mit Kohlefeuerung. Gerne erinnere ich mich an die Teezubereitung auf der 25NC. Da musste die Aussenseite des Behältnisses eingeschmiert werden, da andernfalls der am Schürhaken befestigte Pott "abgefackelt" wäre.

Nach einem Scheidungstermin bei diesem urigen Gericht

[www.amtsgericht-varel.niedersachsen.de]

wollte ich dort 1 Kilo Krabben kaufen, erschrak aber rechtzeitig beim Blick auf das Preisschild.

Viele Grüße

Martin
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