Buna seară,
Rumänien war schon immer eines meiner Sehnsuchtsländer. Meine Mutter hatte eine Klassenkollegin aus Cernauți, dem alten Czernowitz in der Bukowina. Die erzählte mir von Transsylvanien, und ich wollte unbedingt die Bären sehen, die es «jenseits der Wälder» geben sollte. Und ich sah die Bären, viele Jahre später, vom Auto aus (und die Fototasche unerreichbar im Kofferraum...) – eine Bärin mit zwei oder drei Jungen! Das vergisst man nicht.
Zwischenzeitlich hatte ich Briefkontakte geknüpft und damit ein paar rumänische bzw. deutsch-rumänische Freunde – männlich und weiblich – gewonnen. So startete ich am Karfreitag, 28. März 1975, zu meiner ersten Tour in Draculas Reich, genauer gesagt ins rumänische Banat nach Timişoara/Temesvár. Familienanschluss garantiert...
Prolog
Auf meinen Reisen schrieb ich nie ein Reisetagebuch. Somit habe ich in diesem Bericht die Bilder mehrerer Fahrten zwischen 1975 und 1980 nach thematischen Gesichtspunkten und nicht in zeitlicher Folge geordnet. Bis 1978 fuhr ich meist dreimal jährlich runter, durch Jugoslawien im direkten Liegewagen München-Beograd oder durch Ungarn im Sitzwagen. Der kürzere direkte Weg über Wien, Budapest nach Arad (Orient-Express) war teuer, da die Ungarn einem 100 DM für das Doppeltransit-Visum abknüpften.
1978 heirateten wir – siehe oben unter «deutsch-rumänische Freunde weiblich» ;-)). Meine Frau, die zu ihrer rumänischen Zeit nie ins Ausland reisen durfte, wollte natürlich was Anderes erleben und nicht ständig das Drama ihrer alten Heimat sehen. Der Personenkult um Ceaușescu und die im Land herrschende Korruption wurden peinlich und lästig. Die Kommunisten haben das schöne Land in den 80er Jahren komplett heruntergewirtschaftet, so dass es auch zu Verpflegungsproblemen kam. Ich vergesse nie, als ich 1988 in einem Restaurant in Bukarest gebratene Küken vorgesetzt bekam. Bier soll damals mit Waschmittel aufgeschäumt worden sein!
Nachdem man den Conducator samt seiner Elena am Weihnachtstag 1989 in der Nähe von Târgovişte erschossen hatte, wurde es schnell besser mit der Versorgungslage, auch wenn die neue Politik undurchsichtig und die neuen Machthaber genauso korrupt und autoritär wie die Alten waren. Wir fuhren trotzdem immer wieder runter, zumal in den 90er Jahren die von Hans Hufnagel initiierten Waldbahntouren auf mich eine grosse Anziehungskraft ausübten.
Wir besuchen Rumänien auch heute noch sehr gerne, allerdings weniger wegen der Eisenbahn oder dem Tram, sondern eher wegen zahlreicher guten Freunde. Wenn wir nicht in Wien oder Budapest Besuche machen wollen, fliegen wir. Der Direktflug Memmingen-Temesvár dauert 1 3/4 Stunden, ist bequemer und kostet wesentlich weniger als eine fünfzehnstündige Bahnfahrt. Da geht einem die Flugscham sonst wo vorbei...
Ostern 1975 wählte ich eine Route, die es in dieser Art nicht mehr lange geben sollte: Früh ab München nach Zagreb, von hier am Abend bzw. die Nacht durch über Vinkovci, Borovo-Vukovar, Sombor, Subotica nach Kikinda, ab dort über die Grenze nach Jimbolia und dann das kurze Reststück nach Timișoara. Es war ein Schnellzug mit dem kuriosen Zuglauf Zagreb – Bukarest und eine Art Nachfolger des alten Simplon-Orient-Express. Die Rückfahrt führte mich dann zuerst über Stamora-Moravița und Vršac in die jugoslawische Hauptstadt Beograd, und von hier aus mit einem direkten Liegewagen nach München. Erst die folgende Fahrt im Sommer 1975 ging hin und zurück über Budapest, mit einem direkten CFR-Kurswagen Paris – Bukarest.
Bild 1:
Der Kurswagen Paris-Bukarest im Orient-Express wurde von der CFR gestellt. Im August 1973 war es unter Anderem der blaue AB 51 53 39-40 002-7 mit einem recht charakteristischen Namenszug. D 263, Ulm Hbf.
Bild 2:
Ab 1975 kam ein neues Signet der CFR zur Anwendung, hier mit der gesamten Beschriftung des Wagens AB 51 53 39-40 005-0. D 263, Ulm Hbf, Juli 1977.
Bild 3:
Meine erste Bekanntschaft mit Lok der CFR machte ich anlässlich der Internationalen Ausstellung der Welteisenbahn-Industrie 1973 in Basel in den Hallen der Schweizer Mustermesse. Ausgestellt waren dort die Ellok (ASEA-Electroputere-Lizenzbau) 060-EA-145...
Bild 4:
... und eine dieselelektrische 060-DA/Reihe 60 (Sulzer-Electroputere-Lizenzbau) mit nicht notierter Nummer. Basel, 05.10.1973.
Bild 5 und 6:
Mein erster Anlaufpunkt war das Dorf Dudeștii-Noi an der Bahnlinie 218 Timisoara – Sânnicolau-Mare – Cenad. Am 29.10.1976 rangiert die 80-0154 dort einen Übergabe-Güterzug auseinander.
Bild 7:
Eine Sulzerlok 060-DA kommt Lz aus Richtung Sânnicolau-Mare. Dudeștii-Noi, 09.10.1977.
Bild 8:
Der frühabendliche Arbeiterzug C 2685 (C = Tren cursă) kam direkt vom Temesvárer Fabrikstadtbahnhof (Timișoara Est). Seine ansehnliche Garnitur war immer sehr gut besetzt. Dudeștii-Noi, 07.10.1977.
Bild 9 und 10:
Viele Züge auf den Nebenbahnen der Banater Heide waren Triebwagenzüge, gebildet meistens aus VT, mehrere Beiwagen und wieder ein VT. Jeder VT hatte übrigens einen separaten Tf! Hier kommt ein Triebwagenzug aus Sânnicolau-Mare mit dem Zweiachser 77-0967 (Astra Arad, Baujahr 1936) an der Spitze. Dudeștii-Noi, 09.10.1977.
Bild 11:
Ein Beiwagen (rumänisch Remorca = Anhänger) des oben gezeigten Zuges ist der 50 53 24-27 783-7 (Astra, Arad, Baujahr 1937). Dudeștii-Noi, 09.10.1977.
Bild 12:
Zwei Malaxa-Triebwagen der Reihe 78-0750 mit vier Beiwagen bringen an diesem schönen Sommertag die Fahrgäste in die Stadt zum Bahnhof Timișoara-Nord. Dudeștii-Noi, 24.08.1975.
Bild 13:
Der gleiche Zug passiert gerade das Einfahrsignal des Bf Dudeștii-Noi. 09.10.1977.
Bild 14:
Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben... Dampflokomotiven waren im Depoul Timișoara ab 1975 nur noch wenige beheimatet. Die Reihe 142 (österr. 214) verschwand Ende 1974 aus dem Banat mit der Elektrifizierung der Linien Craiova – Timișoara – Arad. Zu sehen waren noch die Reihe 230 (ex pr. P 8) und 50 (ex pr. G 10). Im August 1977 waren in einem der Rundschuppen des Depou Timișoara die 230.207 (Reșița 217/1933, P 8-Nachbau) und ein Malaxa-Triebwagen der Serie 750 vereint. Aufnahme: Antonio Bianco.
Bild 15:
50.268 mit Tender 50.181 rangiert im Bahnhof Timișoara Nord. Lokdaten: Krupp 195/1921; Lebenslauf: 1921: DRB (ex Pr.St.B.) Han 5485; 1923 DRB vorläufiger Umzeichnungsplan 57 2430; 1925 DRB 57 2416; 1926 CFR 50.268; 25.03.1997 kassiert. Bild vom 25.10.1976.
Bild 16:
Bei einem Ausflug nach Oradea entdeckte ich die 50.390 mit Tender 50.397 bei Rangierarbeiten im Bahnhof. Lokdaten: Henschel 21653/1930; geliefert direkt an CFR; kassiert 25.11.1996. Bild vom 11.10.1977.
Bild 17:
In Zimandu Nou bei Arad begegnete uns der Schnellzug 353, gebildet aus zwei Doppeltriebwagen der Reihe 78-1000, auf dem Weg von Arad nach Vașcău im Bihor-Gebirge. Ab Spitze sind das die Wagen 1008 (Malaxa 1940), 1029 (Malaxa 1944), 1030 (Malaxa 1944) und 1007 (Malaxa 1940); Fabriknummern nicht bekannt. 26.04.1978.
Bild 18:
Auf einer kleinen Wanderung ins Nachbardorf Sânandrei entdeckte ich einen recht schönen Fotostandpunkt an der Linie 310 Timișoara – Arad. Nach der Elektrifizierung 1975 fuhren auf der eingleisigen Stecke die damals beiden einzigen Elloktypen der CFR, die sechsachsige 060-EA/Reihe 40 (ASEA-Lizenz/Electroputere) und die vierachsige 040-EC/Reihe 43 (ASEA-Lizenz/Rade Končar). Daneben waren Dieselzüge und -Triebwagen der abzweigenden Nebenbahn nach Periam zu sehen. Hier erwischte ich die 40-0223 mit Zug 2604 Arad - Timișoara bei der Einfahrt in den Bf Sânandrei am 12.10.1977.
Bild 19:
Ein Güterzug folgte mit der 43-0061. Sânandrei, 12.10.1977.
Bild 20:
Der vierachsige 78-0778 mit dem Zweiachser 77-0948 als Zug 2663 nach Periam - Nerau. Sânandrei, 12.10.1977.
Bild 21:
Die Stadt Timișoara besitzt ein recht umfangreiches normalspuriges Tramnetz. Zur Zeit meiner Besuche in der 2. Hälfte der 70er Jahre, waren die vierachsigen Timiș-2-Grossraumwagen, gebaut in der heimischen Strassenbahnfabrik Electrotimiș, gerade in Auslieferung. Im April 1975 befährt Wagen 237 den «Corso», die sehr gepflegte Anlage zwischen der Catedrala Mitropolitană Ortodoxă (Kathedrale der Heiligen drei Hierarchen) und der Nationaloper. Diese Streckenführung wurde vor 1990 aufgegeben, die neue Strecke führt seitdem über den Pța. 700 (täglicher Markt), und der Corso war tramfrei. Schade, wie ich finde...
Bild 22:
Auch die Vierachser des Typs «EP», gebaut ab 1955 bei Electroputere Craiova, waren noch im Einsatz Hier erreicht der Wagen 223 mit zweiachsigem Beiwagen Typ V10 gerade den Podul (bzw. die Brücke) Traian.
Bild 23:
Charakteristisch für Trambetriebe des ehemaligen Ungarn waren Tramzüge aus zwei gekuppelten zweiachsigen Triebwagen, bei denen einer keinen Pantograf hatte. Das vereinfachte den Betrieb an Endstellen, wenn keine Schleife oder Umsetzmöglichkeit vorhanden war. Der Tramzug wurde «Gemenii» (Zwillinge) genannt. Am 23.08.1979, dem Nationalfeiertag, fotografierte ich die Zwillinge 126+127 auf der Linie 5.
Bild 24:
Dieses Bild zeugt von gelungener Zusammenarbeit: Die Zwillinge 124 und 125, am 23.08.1979 auf Linie 5 in die Ronaț, hat Antonio Bianco fotografiert, während ich die Gänse vorsichtig Richtung Tram trieb. Anschliessend mussten wir flüchten, da uns sonst die laut schimpfende Gänsebesitzerin verprügelt hätte. Es ist aber keine Gans zu Schaden gekommen.
Bild 25:
Die Nachbarstadt Arad, 57 km von Temesvár entfernt, hat ein meterspuriges Tramnetz. Zur Zeit meiner ersten Besuche dort fuhren ältere Fahrzeuge ähnlich der in Temesvár. Der gezeigte Triebwagen mit der Nummer 59 wurde vom Verkehrsbetrieb Bukarest mit der Typenbezeichnung V58 hergestellt. Auch der Beiwagen Typ V10 stammt aus der rumänischen Hauptstadt. Das Bild entstand am 20.05.1977 in der Nähe des Bahnhofs.
Bild 26:
Ein ungarischer Ikarus-Gelenkbus mit der Wagen-Nummer 190 fährt über die Pța. Arenai. Arad, 26. April 1978.
Bild 27:
Ab 1974 bekam der Trambetrieb Arad tschechische Tatrawagen des Typs T4R. Hier befährt der nagelneue Wagen 135, Baujahr 1978, die Pța. Arenai. Arad, 26. April 1978.
Bild 28:
Das Wetter meinte es nicht immer gut mit mir, wenn ich auf Fototour war. Im Regen begegnet mir der sauber gewaschene Tatra T4R Nr. 85 (Baujahr 1974) an der Pța. Româna. Arad, 20.05.1977.
Bilder 29 - 33:
Der erste Ausflug «mit Dame» führte nach Reșița in das Dampflokmuseum, das in Erinnerung an die 1839 in Wien gegründete Lokomotivfabrik der priv. Österreichisch-ungarischen Staatseisenbahngesellschaft (StEG) und dessen Zweigwerk in Reșița eingerichtet wurde. Die Exponate wirkten nicht ungepflegt, waren aber wenig sorgfältig zusammengestellt. Es gab z.B. Lok mit verschiedenen Loknummernschilder auf beiden Seiten. Ein paar Beispiele dieser Ausstellung zeige ich mit den folgenden Bildern, datierend vom 10.04.1975:
Bild 29:
CFR 50.025, StEG 4482/1921
Bild 30:
CFR 131.003, Reșița 554/1940
Bild 31:
CFR 142.072, Reșița 482/1939
Bild 32:
CFR 230.163, Reșița 190/1933
Bild 33:
CFF 764-493, 760 mm, ex CFI (Căile Ferate Industriale = Industriebahn) «Victoria Socialista», Turda; Dt-n2; Reșița 3057/1959 (letzte in Reșița gebaute Standard-764)
Bild 34:
Damit will ich es bewenden lassen mit meinen Bildern aus dem rumänischen Banat zwischen 1975 bis 1980. Ich könnte schon noch einiges zeigen, werde dies aber in weiteren Folgen machen. Das wirklich letzte Bild dieses Beitrags zeigt den Verfasser dieser Zeilen auf der Rückfahrt von Rumänien am 26.08.1979, schon zwischen München und Ulm, im Speisewagen bei einem gepflegten Frühschoppen. So und nicht anders endeten alle unsere Ferien...
Danke dafür, dass Ihr es bis hierhin durchgehalten habt!
Viele Grüsse,
Hubert.
«Wer grosse Töne spuckt, sollte an den Gegenwind denken».
Amtsbote Hannes (Albin Braig) in «Hannes und der Bürgermeister»
Im Gedenken an den
«Bürgermeister» Karlheinz Hartmann, gestorben am 29. August 2023.