Liebe HiFo-Gemeinde,
schon wieder über ein Jahr her, dass ich einen Beitrag für's Historische Forum eingestellt habe. Es ist einfach zuviel los.
Im April 1998 feierten die Eisenbahnfreunde Zollernbahn ihr 25-jähriges Bestehen mit einer großen Veranstaltung in Tübingen. Als Nordlicht lockte mich damals die Ankündigung einer Fahrt mit der bayerischen S3/6 3673 mit einem Zubringer-Sonderzug von - tja da geht es los, woher auch immer - nach Tübingen. Wir, meine Ehefrau und ein Studienkollege, der beim Daimler schaffte, stiegen jedenfalls in Fellbach zu.
Das Wetter war zunächst aprilmäßig, die ersten Fotos entstanden bei einem längeren Halt in Plochingen, wenn ich mich nicht irre:
Bild 1: Die schöne Lok im Portrait
Nicht perfekt, aber mit Sonderfahrt-Atmosphäre. Unverkennbar: eine h4v-Maschine, vier Zylinder und vier Schieber. Es gab genügend Gelegenheit, die konstruktiven Besonderheiten dieser Lok näher in Augenschein zu nehmen.
Bild 2: Der Kreuzkopf, blank, nicht rot
Klar, die Maschine ist im Zustand wie bei der Königlich Bayerischen Staatsbahn restauriert. Auf die von weiland Theodor Düring so gelobten bayerischen Verschlüsse der Schmiergefäße sei hingewiesen.
Bild 3: Die Gegenkurbel
Die Befestigung der Gegenkurbel mit Schlitz und Vierkant scheint mir eine Bauartänderung zur Reichsbahnzeit zu sein. Die ersten S3/6 hatten eine andere Bauart. Im Buch von Steffen Lüdecke ist in der Beschreibung von 1913 zu lesen: "Die ...Niederdrucktriebstangen (erhalten) dagegen geschlossene Köpfe". Und weiter: "Die Kuppelzapfen & die Triebzapfen mit Gegenkurbeln werden ... eingesetzt". Im Foto, das im Buch abgedruckt ist, ist nicht erkennbar, ob Treibzapfen und Gegenkurbel ursprünglich ein Teil oder trennbar waren. Da sind Spezialisten gefragt.
Bild 4: Die Anlenkung der ND-Schieberstange mittels Pendel
Die Pendelaufhängung diente als Vorbild für die Vereinfachung der BR 50 zur BR 52, war aber auch im Ausland üblich. Die Pendelwelle übertrug zudem die Schieberbewegung zu den innenliegenden HD-Schiebern. Die Schieberstange ist oberhalb der Schieberschubstange angelenkt, da die ND-Schieber mit äußerer Einströmung arbeiten. Die innenliegenden HD-Schieber arbeiten mit innerer Einströmung und damit um 180 Grad versetzt. Die Antriebe rechts und links sind wiederum um 90 Grad versetzt.
Vom gegenüberliegendem Bahnsteig ergab sich erstmals eine Totale, wenngleich wegen des Wetters von recht mäßiger Qualität:
Bild 5: S 3/6 3673 in Plochingen, keine Frage
Bild 6: Ohne Tender sieht man mehr von der Lok
Die Bayern packten beide Pumpen auf die Heizerseite, so dass man eine schöne Schauseite hatte.
Bild 7: Wegen des Schwiemelwetters dasselbe nochmal in Schwarzweiß
Es wurde noch ein wenig debattiert, bevor es weiter ging.
Bild 8: Dienstbesprechung
Die Fahrt nach Tübingen habe ich als recht lahm in Erinnerung, so richtig Schnellzug war das nicht. Das mag auch an dem B3yg-Pärchen gelegen haben und an der Strecke mit ihren Bögen und Steigungen. Wenn jemand dazu heute noch etwas beitragen kann, wäre es schön. Auf dem WC war zudem die Heizung undicht, in der Kabine herrschte Saunaklima und Nebel.
Nach Ankunft in Tübingen wurde rangiert, und es gab Sonne:
Bild 9: Die S3/6 von der Schauseite, aber leider im Schatten
Die EFZ hatten allerlei aufgefahren, vor allem die 01 519, der unsere Grüne Vorspann leisten sollte:
Bild 10: S 3/6 und 01 519 als epochenübergreifender Vorspann
Bild 11: Die Starlok allein, Dampf machend
Mit Sonne sah das Triebwerk gleich viel besser aus :
Bild 12: Kreuzkopf und und Steuergestänge
Bild 13: Der Treibradsatz
Typisch für eine Vierzylinderlok sind die schlanken Treibstangen, dazu kam hochwertiger Siemens-Martin-Stahl. Leichtbau Anno 1908 bzw. in diesem Fall zehn Jahre später:
Bild 14: Die Geburtsurkunde
Faszinierend, mit welcher Sorgfalt und Liebe zum Detail die S 3/6 restauriert worden ist. Als jungendlicher Leser der Bücher von K.-E. Maedel und dem Hoecherl-Kronawitter-Tausche konnte ich mir nicht vorstellen jemals in einem Zug mit einer S 3/6 zu reisen. Und nun lebte die Legende wieder:
Bild 15: Nachschuß auf 01 519 und die 3673
Als Gastlok kam die Hallenser 03 1010 mit einem Sonderzug zum Jubiläum:
Bild 16: Im Gedränge ein Blick auf die Starlok der Reichsbahn
Eine weitere Gastlok war die 38 1182, eine alte P8 mit Hängeeisensteuerung.
Bild 17: Tender voraus hat 38 1182 einen Pendelzug gebracht ...
Bild 18: ... und rangiert ein wenig herum
Bild 19: P8-Standardaufnahme von der Sonnenseite
Die EFZ hatten auch ihre Stammlok unter Dampf:
Bild 20: Die 52 7596 am Bahnsteig
Bild 21: Etwas Umfeld für 52 7596
Die Kleine links wurde dicht umlagert:
Bild 22: Fachgespräche
Kann jemand sagen, welche Lok das war? Dazu noch eine Pendelzug-Fahrkarte:
Bild 23: Fahrkarte von Tübingen nach ? Edit: Rottenburg!
Die Planzüge fuhren natürlich auch, der pannengeplagte 611 fand aber wenig Beachtung:
Bild 24: Begegnung 3673 und 611 541
Gegensätze: Grün und Rot, Lokzug und Triebwagen, Königlich Bayerische Staatsbahn und DB AG. Unbeeindruckt davon: die in eher traditionellen Farben lackierten Regio-Shuttles der HzL:
Bild 25: HzL 216 und 218
Damit hatte der Alltag uns wieder. Ob wir mit dem Dampfzug zurück nach Fellbach gefahren sind, weiß ich nicht mehr. Wie immer sind Ergänzungen, Anregungen, Berichtigungen und Kommentare stets willkommen.
Herzliche Grüße - Helmut (ICE)
Edit: Nach Hinweis von Walter den Text zur Gegenkurbelbefestigung präzisiert. Steffen Lüdecke ein überflüssiges "d" geklaut und dafür Höcherl sein "l" zurückgegeben. Dank an alle Korrektoren!
10-mal bearbeitet. Zuletzt am 2020:05:30:20:14:02.