Moin,
Dieses Jahr möchte ich gerne meine vor zwei Jahren zu Ostern begonnene Serie fortsetzen und Euch Bahnstrecken vorstellen, die von den Toten wieder auferstanden sind. Und weil es dieses Mal ein Mehrteiler werden wird, beginne ich bereits am Palmensonntag.
Wir bleiben in Schleswig-Holstein und schauen auf die Bahnstrecke Neumünster – Bad Segeberg (– Bad Oldesloe). Genau wie die zuletzt vorgestellte Bahnstrecke Niebüll – Tondern handelt es sich um eine ehemals zweigleisige Hauptstrecke, die nach Bedeutungsverlust und Stilllegung doch wieder in Betrieb genommen wurde und jetzt im Taktverkehr den ganzen Tag über bedient wird.
Damit alle wissen, wo in Deutschland wir uns befinden, fangen wir mit einer Karte von 1937 an:
Die Strecke zwischen Neumünster, Segeberg und Oldesloe (damals noch ohne die Bäder) wurde am 10.12.1875 von der Altona – Kieler Eisenbahngesellschaft (AKE) eröffnet, in Oldesloe bestand Anschluss an die LBE-Strecke von Lübeck nach Hamburg. Die Kilometrierung erfolgte von Neumünster aus (km 74,7) mit dem Nullpunkt in Altona – es ist einer der seltenen Fälle, wo die Kilometrierung ihre Fahrtrichtung ändert. Zum 01.03.1884 wurde die AKE verstaatlicht und gelangte zur Preußischen Staatseisenbahn. Diese baute von Oldesloe aus Strecken nach Schwarzenbek (1886) und über Ratzeburg nach Hagenow Land (1897) – beide Stationen sind an der Strecke Berlin – Hamburg gelegen. Die Strecke Neumünster – Oldesloe wurde damit Teil einer Verbindung Berlin – Kiel und gewann damit wesentlich an Bedeutung. 1907 wurde die Strecke zwischen Neumünster und Oldesloe zweigleisig ausgebaut.
Der Bedeutungsverlust kam nach dem Zweiten Weltkrieg mit der deutschen Teilung: Die Strecke nach Hagenow Land wurde 1945 unterbrochen, und der Verkehr zwischen Kiel und Berlin über Neumünster – Bad Oldesloe kam praktisch zum Erliegen. Die Strecke hatte zwar immer noch eine Bedeutung als Umleitungsstrecke, wenn die Strecke Neumünster – Elmshorn – Hamburg gesperrt war, allerdings ging der Verkehr so stark zurück, dass man Ende der fünfziger Jahre die Strecke eingleisig betrieb, bis 1962 wurde das zweite Gleis entfernt.
In den achtziger Jahren kam der Tiefpunkt: Zum 29.09.1984 stellte die Bundesbahn den Personenverkehr zwischen Neumünster und Bad Segeberg ein, gleichzeitig wurde auch der Güterverkehr zwischen Rickling und Fahrenkrug aufgegeben. Zum 25. September 1988 endete der Güterverkehr auch zwischen Kleinkummerfeld und Rickling und am 30. Mai 1990 zwischen Neumünster und Kleinkummerfeld. Die Strecke wurde aber weiterhin als Umleiterstrecke vorgehalten, im Juni 1995 war dieses z.B. der Fall gewesen: [
www.drehscheibe-online.de]. Auf dem Abschnitt Bad Segeberg – Fahrenkrug hielt sich der planmäßige Güterverkehr, um die in Fahrenkrug abzweigende Strecke nach Wahlstedt zu bedienen.
Die Wende zum Guten kam nach der Jahrtausendwende im Rahmen der Initiative des Landes Schleswig-Holstein, den Schienenverkehr zu fördern. Am 15.12.2002 wurde der Personenverkehr zwischen Neumünster und Bad Segeberg wieder aufgenommen und ein durchgehender Stundentakt zwischen Neumünster, Bad Segeberg und Bad Oldesloe eingeführt. Die Betriebsführung obliegt seitdem der Nordbahn. Zuvor war die Strecke zwischen Neumünster und Bad Segeberg grundlegend saniert und auf 120 km/h ausgebaut worden (zwischen Bad Segeberg und Bad Oldesloe beträgt die Höchstgeschwindigkeit nach wie vor 100 km/h). Es wurden neue Bahnsteige errichtet, um die Stationen in Rickling und Fahrenkrug wieder zu eröffnen, gleichzeitig wurden zwei neue Halte in Neumünster Süd und in Wahlstedt eingerichtet. Der Bahnhof Kleinkummerfeld und die Haltestelle Rickling Ölweiche wurden demgegenüber nicht wieder in Betrieb genommen. Seit nunmehr fast achtzehn Jahren ist die Strecke Neumünster – Bad Segeberg wieder integraler Bestandteil des Schleswig-Holsteinischen Eisenbahnnetzes – mit einem Angebot, das besser ist als je zuvor.
Wie sich der Personenverkehr über die Jahrzehnte entwickelt hat, lässt sich am besten aus den Kurbüchern ablesen:
Winter 1937/38
1946
Sommer 1957
Sommer 1970 (erster Fahrplan mit neuer Kurbuchnummer KBS 142)
Sommer 1984 (letzter Fahrplan vor der Stilllegung)
Jahresfahrplan 2002/03 (erster Fahrplan nach der Wiedereröffnung)
Jahresfahrplan 2019/20 (aktueller Fahrplan)
Die Präsentation der Strecke geht der Kilometrierung folgend von Neumünster aus. Den dortigen Bahnhof habe ich Euch bereits im Wandel der Zeit vorgestellt: [
www.drehscheibe-online.de]. Die erste Station ist der Bahnhof Neumünster Süd.
km 76,7 Bahnhof Neumünster Süd
Der Bahnhof Neumünster Süd wurde von der AKN als Endpunkt ihrer Strecke aus Kaltenkirchen errichtet. Er war direkt an der Strecke Neumünster - Bad Oldesloe gelegen, ca 2 Kilometer vom Staatsbahnhof entfernt. Die Züge der AKN endeten bis 1953 hier, seitdem werden die AKN-Züge über eine Weichenverbindung auf die Staatsbahngleise und dort bis zum Bahnhof Neumünster geführt, der Halt in Neumünster Süd blieb für die AKN-Züge bestehen, wohingegend die Züge nach Bad Oldesloe nicht in Neumünster Süd hielten. Erst mit der Wiederaufnahme des Personenverkehrs zwischen Neumünster und Bad Segeberg wurde auch für diese Züge ein Halt in Neumünster Süd eingerichtet mit einem gemeinsamen Mittelbahnsteig, der ein direktes Umsteigen zwischen beiden Strecken ermöglicht.
Entsprechend der Bedeutung als Endbahnhof der AKN in Neumünster erhielt der Bahnhof Neumünster Süd ein repräsentatives Empfangsgebäude und es fanden sich umfangreiche Gleisanlagen. Auch heute gibt es noch eine Werkstatt der AKN beim Bahnhof Neumünster Süd.
Der bebilderte Rundgang über den Bahnhof startet am 04.05.1988.
Zu diesem Zeitpunkt war Neumünster Süd ein Halt nur für die AKN.
1. Straßenseite des AKN-Empfangsgebäudes
2. Blick aus Richtung Neumünster.
Links das Gleis der DB in Richtung Bad Segeberg, zum Aufnahmezeitpunkt nur im Güterverkehr bedient. Links der Anschluss zum BW-Depot.
Rechts mit dem Mittelbahnsteig die Gleise der AKN mit der Strecke in Richtung Kaltenkirchen.
3. Blick in Richtung Neumünster
Die beiden linken Gleise gehören der AKN, das rechte Gleis der DB. Im Hintergrund sieht man die Weichenverbindung, über die die AKN-Züge zum Neumünsteraner Bahnhof gelangen.
4. Das linke Gleis gehört zur DB-Strecke nach Bad Oldesloe, die übrigen Gleise zur AKN.
Formsignale sichern die Ausfahrt in Richtung Kaltenkirchen.
Der nächste Besuch in Neumünster Süd war am 10.04.2005.
Zu diesem Zeitpunkt war die Strecke nach Bad Segeberg wieder reaktiviert und es war ein neuer Mittelbahnsteig zwischen den Streckengleisen nach Bad Segeberg und nach Kaltenkirchen gebaut worden.
5. als erstes wieder ein Bild von der Straßenseite des AKN-Empfangsgebäudes. Im Bahnhof ist jetzt ein Biergarten.
6. Blick aus Richtung Kaltenkirchen (Gleis im Vordergrund). Hinter dem Empfangsgebäude das Freigelände des Biergartens.
7. Blick aus Richtung Neumünster. Vom Streckengleis nach Bad Segeberg zweigt der immer noch bediente Anschluss zum BW-Depot ab.
8. Blick in Richtung Neumünster, im Vordergrund das Gleis aus Bad Segeberg, rechts der Anschluss vom BW-Depot.
Das linke Gleis, das im Hintergrund auf das Segeberger Streckengleis mündet, ist das AKN-Gleis aus Kaltenkirchen.
9. Blick in Richtung Kaltenkirchen.
Vom Streckengleis nach Kaltenkirchen zweigt ein Gleis zur AKN-Werkstatt ab.
10. Blick in Richtung Bad Segeberg / Bad Oldesloe (linkes Gleis) bzw. Kaltenkirchen (rechtes Gleis). Im Hintergrund die Ausfahr-Lichtsignale.
Mein bislang letzter Besuch beim Bahnhof Neumünster Süd war am 21.05.2018
Der Halt der Züge von beiden Strecken ist bereits seit 16 Jahren Alltag.
11. Ich fange wieder mit einem Straßenseitenbild des AKN-Empfangsgebäudes an. Außer der Werbetafel für den Roller-Markt wenig Änderungen.
12. Blick aus Richtung Kaltenkirchen.
Die Außenanlage des Biergartens ist inzwischen gut eingewachsen.
13. Blick aus Richtung Neumünster
Gut eingewachsen - das gilt auch für den Gleisanschluss zum BW-Depot, der schon lange nicht mehr bedient wird.
Weiß jemand, wann die Bedienung eingestellt wurde?
14. Blick in Richtung Neumünster.
Links das Gleis aus Kaltenkirchen, rechts das Gleis aus Bad Segeberg / Bad Oldesloe, ganz rechts der zugewachsene BW-Depot-Anschluss.
15. Blick in Richtung Kaltenkirchen.
Die AKN hat nach wie vor eine Werkstatt in Neumünster.
16. Blick in Richtung Bad Segeberg / Bad Oldesloe (linkes Gleis) bzw. Kaltenkirchen (rechtes Gleis).
Das BW-Depot verschwindet hinter hohen Bäumen.
Bahnhof Kleinkummerfeld (km 83,2)
Kleinkummerfeld erhielt bereits bei der Streckeneröffnung 1875 einen Bahnhof, dieser Bahnhof liegt jedoch weit außerhalb des kleinen Ortes und wurde deswegen bei der Wiedereröffnung der Strecke im Jahre 2002 auch nicht mit reaktiviert. Bis 1990 wurde hier noch Güterverkehr abgewickelt, 1986 startete im Bahnhof ein kleines Museum der Eisenbahnfreunde Mittelholstein, die inzwischen etliche Wagen und Bahnsteigausstattung der Achtziger Jahre zeigen. Das Gleis mit den ausgestellten Wagen wurde neu verlegt und ist nicht an das Streckengleis angeschlossen [
de.wikipedia.org] und [
www.efm-ev.de].
Mein erster Besuch in Kleinkummerfeld war am 04.05.1988
Zu diesem Zeitpunkt bestand noch Güterverkehr in Kleinkummerfeld. Der Mittelbahnsteig und Gleis 1 waren kurze Zeit zuvor entfernt worden.
17. Blick aus Richtung Neumünster.
18. Blick aus Richtung Bad Oldesloe
19. Blick aus Richtung Neumünster
20. Blick aus Richtung Bad Oldesloe.
Rechts der noch bediente Raiffeisenanschluss. Kilometer 83,4 von Altona über Neumünster.
Mein nächster Besuch in Kleinkummerfeld war am 21.05.2018
Die Personenzüge fahren im Bahnhof durch, im Bahnhof residiert das Eisenbahnmuseum der Mittelholsteinischen Eisenbahnfreunde.
21. Straßenseite
22. Bahnsteigszene im Museum mit dem Flair der Achtziger Jahre.
Ich kann mich noch gut an die blauen Metallgitterstühle erinnern, die auf den Bahnsteigen der DB Ende der Achtziger Jahren erstmals auftauchten.
23. Blick aus Richtung Neumünster
24. Blick aus Richtung Bad Oldesloe
25. Blick aus Richtung Neumünster. Hinter den Museumswagen fahren die Nordbahnzüge...
26. ... da kommt schon einer. Blick aus Richtung Bad Oldesloe
Gleis 1 wurde für das Museum neu verlegt und ist nicht an das Streckengleis angeschlossen.
27. Blick in Richtung Bad Oldesloe
28. Blick aus Richtung Bad Oldesloe. Das Gleis zum Raiffeisenanschluss liegt noch im Gras, ist aber nicht mehr angeschlossen.
Soweit der erste Teil zur Strecke Neumünster - Bad Segeberg. Heute gab es viel Text, Papier und zwei eher unspektakuläre Stationen.
In ein paar Tagen kommt Teil 2, dann sehen wir uns die Stationen Rickling Ölweiche und Rickling an.
Wenn jemand noch Bilder von früher hat - insbesondere aus Zeiten, wo der Bahnhof Kleinkummerfeld noch regulär von Personenzügen bedient wurde - würde es mich sehr freuen!
Und wenn jemand weitere Fakten ergänzen kann, wäre das toll.
Viele Grüße
Christoph
Anhang mit Links zur Strecke und zum Eisenbahnmuseum:
[
www.kaiserbahn.de]
[
de.wikipedia.org]
[
www.efm-ev.de]
[
web.archive.org]