DREHSCHEIBE-Online 

Anzeige

HIER KLICKEN!

 04 - Historisches Forum 

  Neu bei Drehscheibe Online? Hier registrieren! Zum Ausprobieren und Üben bitte das Testforum aufsuchen!
Bilder, Dokumente, Berichte und Fragen zur Vergangenheit der Eisenbahn und des öffentlichen Nahverkehrs - Bilder vom aktuellen Betriebsgeschehen bitte nur im Zusammenhang mit historischen Entwicklungen veröffentlichen. Das Einstellen von Fotos ist jederzeit willkommen. Die Qualität der Bilder sollte jedoch in einem vernünftigen Verhältnis zur gezeigten Situation stehen.
Dies ist KEIN Museumsbahnforum! Bilder, Meldungen und Fragen zu aktuellen Sonderfahrten bitte in die entsprechenden Foren stellen.
Hallo,
weiter geht es mit Artikeln vom 1. Halbjahr 1920:

Bayerische Staatszeitung
Donnerstag, 1. Januar 1920
Nr. 1
*** Einstellung des Personenzugverkehrs auf der Staatsbahn. Wegen Kohlenmangels wird der Personenzugsverkehr in ganz Bayern am 1., 4., 6. und 11. Januar eingestellt. Der Nahverkehr bleibt bestehen. Der Schnellzugsverkehr wird, wie bereits bekanntgegeben, bestehen.

Bayerische Staatszeitung
Samstag, 3. Januar 1920
Nr. 2
*** Die Einstellung des Personenzugverkehrs. Durch die insbesondere auch im südlichen Bayern sich immer stärker verschärfende Kohlennot ist die Staatseisenbahnverwaltung um eine vollständige Verkehrssperre zu vermeiden, genötigt worden, sehr rasch den gesamten Personenzugverkehr an Sonn= und Feiertagen einzustellen. Die Staatseisenbahnverwaltung war während der seit Jahren dauernden Betriebsnot bestrebt, den Eisenbahnverkehr, wenn auch in noch so beschränktem Maß aufrecht zu erhalten und hat sich bekanntlich auch zur Verkehrssperre vom 5. bis 15. November sehr ungern entschlossen. Durch das starke Hochwasser, das den Transport der Kohlenschiffe auf der Rheinstraße in den letzten Tagen schließlich völlig unmöglich machte, ist im Zusammenhang mit der infolge der vielen Feiertage an sich schon verringerten Kohlenförderung in den Bergwerken plötzlich ein vollständiges Stocken der Kohlenzufuhr auch für Bayern eingetreten, das nach wenigen Tagen insbesonders den Bezirk der Eisenbahndirektion München fast vollständig von Kohle entblößt hat. Die Staatseisenbahnverwaltung war deshalb genötigt, um den Personenzugverkehr während der Werktage durchhalten zu können, diesen vorerst für die nächsten 4 Sonn= und Feiertage einzustellen und mußte diese Maßnahme, obwohl sie nur einen halben Tag vorher bekannt gegeben werden konnte, schon für den 1. Januar zur Durchführung bringen. So bedauerlich dieses rasche Vorgehen an sich ist, so mußten entgegenstehende Bedenken doch vor der wichtigen Forderung zurückstehen, den Personenverkehr auf den Staatseisenbahnen nicht vollständig zum Stillstand kommen zu lassen.

München - Augsburger Abendzeitung
Samstag, 3. Januar 1920
Nr. 2
Einzige Tagesausgabe
* Heimkehrer aus Rumänien. Der am 21. November 1919 von Dresden nach Bukarest abgegangene Lazarettzug Nr. 2 kam heute früh (2. Januar) 2.22 Uhr mit 550 deutschen Heimkehrern in München=Laim an, um 4.46 Uhr nach Lager=Lechfeld weitergeleitet zu werden. Wie immer hatte auch diesmal die Kriegsgefangenen=Heimkehr München, vertreten durch Dr. Borgeat für einen herzlichen Empfang mit Musik gesorgt. Es wurde Kaffee verabreicht und mit Käse belegtes Brot sowie Liebesgaben der Stadt München verteilt.

Augsburger Neueste Nachrichten
Donnerstag, 8. Januar 1920
Nr. 11
Morgenausgabe
* München, 8. Januar. - Beraubung eines Güterzuges. Nicht etwa im fernen Wildwest, sondern auf der Strecke München=Laim = Südbahnhof wurde am Montag nachts ein Güterzug während der Fahrt von sieben Räubern bestiegen, verschiedene Wagen wurden gewaltsam geöffnet, Güter hinausgeworfen, von an der Stelle wartenden Personen in Empfang genommen und schleunigst verschleppt. Die Räuber sprangen während der Fahrt wieder ab. Ein auf dem letzten Wagen postierter Bahnwärter mußte den Vorfall mit ansehen, ohne eingreifen zu können.

Bayerische Staatszeitung
München, 10. Januar 1920
Nr. 7
München, 9. Januar.
Einstellung des Bahnverkehrs.
*** Amtlich wird mitgeteilt: Wegen vollständiger Stockung der Kohlenzufuhr infolge Streiks und Hochwasser wird ab Dienstag den 13. Januar für mehrere Tage der gesamte Personenverkehr auf den bayerischen Staatseisenbahnen ausnehmlich des Nah= und Lebensmittelverkehrs eingestellt. Schon ab Samstag den 10. Januar, werden einzelne Personenzüge in Ausfall kommen.
Der Güterverkehr wird nur soweit als unbedingt notwendig aufrecht erhalten.

Augsburger Neueste Nachrichten
Montag, 12. Januar 1920
Nr. 18
Abendausgabe
* München, 12. Januar. - Entlassung weiblicher Eisenbahnangestellten. Bei den bayerischen Staatseisenbahnen sind noch etwa 800 weibliche Angestellte beschäftigt, die, soweit nicht ausgesprochen soziale Härten dadurch entstehen, in den nächsten Wochen entlassen werden. An ihre Stelle treten Kriegsbeschädigte, von denen bis jetzt bei der Eisenbahn 1200 eingestellt wurden. Insgesamt sind bei der Post 17 1/2 Prozent des Personals Kriegsbeschädigte.

München - Augsburger Abendzeitung
Donnerstag, 15. Januar 1920
Nr. 17
Die Verkehrssperre in Bayern.
Der Personen= und Güterverkehr ist, wie bereits bekanntgegeben, in Bayern infolge Kohlenmangels eingestellt. Folgende Verkehrsmöglichkeiten werden nur aufrechterhalten: Der Nahverkehr bleibt zunächst noch bestehen, aber auch er wird stark eingeschränkt werden. Auf jeder Strecke soll nur ein Entlastungszugpaar gefahren werden und zwar zur Beförderung von Arbeitern, von Brennstoffen, Beleuchtungsstoffen, von Kohlen und Lebensmitteln. Reisende können nur zugelassen werden, wenn die Fahrt von außerordentlichen Umständen gerechtfertigt wird. Aufrecht erhalten bleibt für den Fernverkehr lediglich der Schnellzug München=Berlin über Nürnberg, weil er von Nürnberg bedeutend langsamer wie sonst fahren, einmal um Kohlen zu sparen, dann um mehr Personen befördern zu können. Weiter bleibt aufrecht erhalten der Schnellzug München=Stuttgart.

München - Augsburger Abendzeitung
Sonntag, 18. Januar 1920
Nr. 22
Eisenbahnmaterialzählung in ganz Deutschland. Die bayerische Verkehrsverwaltung veröffentlicht einen Erlaß, in dem für den 1. Februar vormittags 10 Uhr in ganz Bayern eine genaue Zählung des gesamten Eisenbahnmaterials in Ruhe, im Verkehr und Werkstättenbetrieb aufgenommen werden soll. Diese Zählung ist auf eine Berliner Weisung zurückzuführen. Berlin will bis zum 10. Februar im Besitze der gesamten Nachweise des deutschen Eisenbahnmaterials sein. Man geht kaum fehl in der Annahme, wenn man diese Zählung auf die bevorstehende Verreichlichung zurückführt.

Bayerische Staatszeitung
Dienstag, 20. Januar 1920
Nr. 15
Teilweise Wiederaufnahme des Personenverkehrs.
ch. Die Gesamteisenbahnverwaltung wird ab Dienstag, den 20. Januar, auf jeder Hauptbahnstrecke ein Personenzugspaar in Verkehr setzen und hiermit den Personenzugsverkehr in beschränktem Umfange wieder aufnehmen. Da jedoch die Rheinstraße durch neuerliche Hochwassergefahr für die Kohlenbeförderung in der laufenden Woche nicht benützt werden kann, so ist mit der Möglichkeit zu rechnen, daß auch dieser vorläufige Verkehr bald wieder eingestellt werden muß. Die Staatseisenbahnverwaltung glaubte jedoch mit Rücksicht auf die schwere Not, in der das gesamte bayerische Wirtschaftsleben zurzeit sich befindet, mit der Wiederaufnahme des Personenverkehrs auch nicht einen Tag länger zuwarten zu sollen, sobald die Möglichkeit, mehr Züge zu fahren, gegeben war.
Die Schnellzüge D 21 ab München und D 26 ab Berlin verkehren erstmals ab Dienstag den 20. ds. Es verkehren weiterhin erstmals D 53 München - Pfalz ab Mittwoch, den 22. ds., D 157/158 Nürnberg - Frankfurt, D 82/73 München - Lindau ab Donnerstag, den 22. ds., die Schnellzüge 13/14 München - Salzburg ab Freitag, den 23. ds. Mts.

München - Augsburger Abendzeitung
Dienstag, 20. Januar 1920
Nr. 24
Morgenausgabe
* Verkehrssperre in Oesterreich. Die Eisenbahndirektion München teilt mit: Auf allen österreichischen Eisenbahnen ist der öffentliche Personen= und Gepäckverkehr bis einschließlich Samstag, den 24. ds. Mts. eingestellt. Auf den elektrisch betriebenen Strecken Innsbruck = Mittenwald = Garmisch=Partenkirchen bleibt der Verkehr fahrplanmäßig.

Münchner Neueste Nachrichten
Montag, 2. Februar 1920
Nr. 46
Einzge Ausgabe
München, 2. Februar. - * Ankunft von Kriegsgefangenen. Um 12.20 Uhr nachts am Samstag kamen 48 Mann aus französischer Gefangenschaft aus den Durchgangslagern Cuxhaven, Friedrichsfeld und Bremen, außerdem zwei Oesterreicher aus italienischer Gefangenschaft. Ein Heimkehrer erhob sich, dankte im Namen aller für die liebevolle Aufnahme und Bewirtung, die sie in der Empfangsstelle der Kriegsgefangenen=Heimkehr, München, Hauptbahnhof, erhalten haben und brachte ein Hoch auf die Stadt München aus.
Täglich kommen nun kleinere oder größere Trupps unserer Gefangenen zurück. Montag morgen kamen über Augsburg ebenfalls etwas hundert. Sie wurden im Münchner Hauptbahnhof mit Musik empfangen, begrüßt und in der üblichen Weise verpflegt. Die Leute kamen aus Lagern in Amiens und Meschede in Nordfrankreich, waren in sehr guter Stimmung und glücklich, endlich nach vielen Leiden und Entbehrungen in der Heimat zu sein. Ueber Mangel an Verpflegung klagten alle gleichermaßen, ein Teil auch über sehr schlechte Behandlung, die sie erdulden mußten.Daneben muß man aber auch feststellen, daß verschiedene humane Vorgesetzte ihnen ihr schweres Los nach Möglichkeit erleichterten. Die Rückkehrer, unter den sich nur einige Münchner befanden, setzten am Montag die Reise in ihre Heimatorte in Ober= und Niederbayern fort.

München - Augsburger Abendzeitung
Mittwoch, 18. Februar 1920
Nr. 71
Abendausgabe
= Die vierte Eisenbahnklasse bleibt. In weiten Kreisen besteht die Ansicht, daß mit der Uebernahme der Eisenbahnen durch das Reich am 1. April das Vierklassen=System beseitigt und das Zweiklassen=System eingeführt wird. Diese Annahme ist falsch. Zunächst bleibt das bisherige System, da vor allem in Norddeutschland die Wagen 4. Klasse sehr primitiv sind und erst entsprechend umgebaut werden müssen, um später in einer höheren Klasse Verwendung zu finden. Daß nach dem Zweiklassen=System hingearbeitet wird, ist richtig, aber bis zur Einführung hat es noch gute Wege.

Münchner Neueste Nachrichten
Mittwoch, 3. März 1920
Nr. 94
Abend=Ausgabe
Der Uebergang der Eisenbahnen auf das Reich
München, 3. März
* Dem bayerischen Landtag ist der zwischen der Reichsregierung und den Ländern mit Staatsbahnbesitz abgeschlossene Staatsvertrag zur Genehmigung zugegangen. Der Staatsvertrag besteht aus 43 Paragraphen und einem Schlußprotokoll. Wir entnehmen dem Vertrag in Ergänzung unserer früheren Mitteilungen folgende wichtige Bestimmungen:
Die Staatseisenbahnen gehen am 1. April 1920 in das Eigentum des Reiches über, das die einzelnen Eisenbahnunternehmungen als Ganzes mit allem Zubehör und allen Rechten und Pflichen übernimmt. Dazu gehören auch die Nebenbetriebe, wie Bodenseeschiffahrt, die Fähren, Häfen usw., wobei die Länder einzelne Nebenbetriebe vom Uebergang ausschließen können. Außer den Grundstücken, die den Eisenbahnzwecken dienen, erhält das Reich auch alle dinglichen Rechte an Grundstücken, die den einzelstaatlichen Eisenbahnverwaltungen zustehen. Grundstücke, die von der Eisenbahnverwaltung und anderen Staatsverwaltungen gemeinsam benützt werden, kann das Reich dann gegen Entschädigung beanspruchen, wenn sie überwiegend Eisenbahnzwecken dienen. Andere Grundstücke müssen dem Reich gegen eine jährliche Vergütung zu den bisherigen Bedingungen zur Verfügung gestellt werden. Der Beobachtung der für den Uebergang des Eigentumes oder Rechtes vorgeschriebenen Form soll es nicht bedürfen, auch Steuern und Kosten für die Uebertragung sollen nicht erhoben werden.
Als Abfindung
gewährt das Reich den Ländern nach Wahl entweder:
a) den Betrag des Anlagekapitals nach dem Stand vom 31. März 1920, oder
b) aufßer diesem Anlagewert die Hälfte des Ertragswertes aus den Jahren 1909/13
c) in beiden Fällen die Fehlbeträge von 1914 bis zur Ueberführung. In Anrechnung auf die Abfindung übernimmt das Reich die schwebenden Schulden der Länder zum Nennwert nach dem Stand vom 31. März 1920. Den Gläubigern gegenüber kann dabei entweder das Reich als alleiniger Schuldner oder unter Bürgschaft der Länder haften, wobei die Schuldentilgung nach den bisherigen Bestimmungen der Länder zu erfolgen hat. Der Rest der Abfindung wird gestundet und vom Reich verzinst. Ueber die Tilgung dieser Restschuld bleiben nähere Vereinbarungen vorbehalten. Die Verwaltung der auf das Reich übergehenden Schulden wird von den Ländern auf Kosten des Reiches geführt. …

Münchner Neueste Nachrichten
Samstag/Sonntag, 6./7. März 1920
Nr. 100
Einzige Ausgabe
* Auflauf im Hauptbahnhof. Am Freitag gegen 10 1/2 Uhr abends kam es am Hauptbahnhof zu peinlichen Auftritten. In der Fahrkartenhalle war ein Kriegsbeschädigter, der auf Krücken ging, diese plötzlich weg, sprang auf einem Bein herum und schrie und tobte. In seiner Begleitung befand sich ein zweiter Kriegsbeschädigter, der auch auf Krücken ging. Beamte der staatlichen Polizeiwache nahmen sich des tobenden Mannes an und versuchten, ihn zur Sanitätswache zu bringen. Der Wütende setzte sich heftig zur Wehr, so daß weitere Beamte eingreifen mußten. In der Sanitätswache gebärdete er sich wie wahnsinnig. Auf dem Bahnhofplatz vor dem Polizeikommissariat hatte sich eine 200 bis 300 Köpfe starke Menge angesammelt, der, aufgehetzt von dem Begleiter des Tobenden, in das Kommissariat einzudringen versuchte. Dadurch wurde verhindert, daß der Kriegsbeschädigte in das Garnisonslazarett eingeliefert werden konnte. Die beiden wurden schließlich in ihr Fürsorgelazarett gebracht. Schon am Abend des 2. März hatten zwei Kriegsbeschädigte mit Krücken einen ähnlichen Vorfall am Hauptbahnhof veranlaßt.

Münchner Neueste Nachrichten
Montag, 22. März 1920
Nr. 114
Abendausgabe
München, 22. März
Die Einschränkung des Bahnverkehrs
* Mit dem heutigen Montag, 22. März, ist eine Einschränkung, nicht, wie vielfach angenommen wird, eine Einstellung des Bahnverkehrs eingetreten. Zunächst hat die Kohlennot wieder zu dieser Maßnahme gezwungen. Am Sonntag entfielen auch die Schnellzüge, es waren nur die Vorortszüge aufrecht erhalten. An den Werktagen gehen nun zwei Schnellzüge, der eine um 7.50 Uhr früh über Probstzella nach Berlin, der von Nürnberg auch einen Anschluß nach Frankfurt hat, das aber besser und schneller noch mit dem anderen um 12 Uhr mittags über Stuttgart geleiteten Schnellzug erreicht wird.
In der Richtung Augsburg - Ulm verkehren weiter noch Personenzüge um 4.45 Uhr und 9.10 Uhr nachmittags, in der Richtung Ingolstadt - Treuchtlingen um 1.30 Uhr und 7.12 Uhr nachmittags, Richtung Landshut 11.24 Uhr vormittags und 8.35 abends, Richtung Rosenheim - Salzburg - Kufstein 4.15 nachm., Mühldorf - Simbach 3.40 Uhr nachmittags, Kempten - Lindau 5.30 vormittags und 1 Uhr nachm. Nach Starnberg ist Fahrgelegenheit um 1.10, 3.25 und 7.30 nachmittags, nach Garmisch - Kochel um 6.20 Uhr früh, nach Holzkirchen - Bad Tölz - Schliersee um 7.05 Uhr vormittags und 6 Uhr abends und nach Herrsching um 3.12 Uhr nachmittags. Die sämtlichen Fahrzeiten gelten für den Hauptbahnhof; die Züge nehmen Reisende nur nach Maßgabe der vorhandenen Plätze auf.
Im Nahverkehr bleiben sämtliche auf den Wandfahrplänen verzeichneten Züge im Betrieb. Die Züge sind namentlich auch nach den Bedürfnissen der Post= und Eilgutbeförderung eingerichtet. Wie lange die Einschränkungen andauern, läßt sich im Augenblick noch nicht feststellen.

Münchner Neueste Nachrichten
Dienstag, 23. März 1920
Nr. 115
Morgenausgabe
An der Bahnüberfahrt Lohhof bei Schleißheim fuhr am Samstag abend ein Automobil an die geschlossene Bahnschranke. Der Kraftwagenlenker Alois Heck aus München wurde aus dem Wagen geschleudert und war sofort tot; der Insasse, der Holzhändler Otto Ettl aus München wurde schwer verletzt; der Verunglückte wurde durch die Sanitätskolonne nach München ins Krankenhaus gebracht.

München - Augsburger Abendzeitung
Mittwoch, 31. März 1920
Nr. 127
Abendausgabe
* Die Beförderung von Leichen wurde seither mit den dem Personenverkehr dienenden Zügen (Personen= und Schnellzügen) vorgenommen. Mit Rücksicht auf die außerordentlich großen Schwierigkeiten, die in der Betriebslage durch Kohlennot und Mangel an Betriebsmitteln verursacht worden sind, hat die Reichsregierung nunmehr bestimmt, daß Leichen nach dem Ermessen der Eisenbahnen mit dem Personenverkehr oder dem Güterverkehr befördert werden. Es wird also künftig, wenn die Beförderung einer Leiche mit einem voll ausgelasteten Personenzug nicht mehr möglich ist, der Transport mit einem Güterzug erfolgen. Die dadurch eintretende Verlangsamung der Beförderung muß mit Rücksicht auf die großen Schwierigkeiten, mit denen die Eisenbahnen zurzeit zu kämpfen haben, in Kauf genommen werden. Für die Beförderung mit Personen= oder Güterzügen wird die gleiche Gebühr (2.40 Mk. für jede Leiche und den Tarifkilometer) erhoben; die Beförderung in Schnellzügen kostet um 50 Prozent mehr.

Münchner Neueste Nachrichten
Samstag/Sonntag, 3./4. April 1920
Nr. 135
Der Osterverkehr gestaltete sich trotz der empfindlich verteuerten Fahrpreise schon vom Gründonnerstag früh ab außerordentlich lebhaft, so daß an diesem Tage wie auch am Karfreitag Vorläufer nach Landshut, Ingolstadt, Rosenheim, Holzkirchen, Mühldorf, Garmisch, Augsburg abgelassen werden mußten. Während am Karfreitag nachmittags wohl infolge des kühlen und regnerischen Wetters der Andrang etwas geringer wurde, hatte das am Samstag früh eingetretene schöne Wetter die Reiselust wieder mächtig gefördert, so daß die beiden Züge in der Richtung Regensburg wie auch der Zug in der Richtung nach Ulm sehr stark besetzt waren.

München - Augsburger Abendzeitung
Mittwoch, 7. April 1920
Nr. 136
Neue Verkehrssperre.
* Wie wir bereits in der Morgenausgabe kurz mitgeteilt haben, sieht sich die Eisenbahnverwaltung in die bedauerliche Lage versetzt, erneut eine Verkehrsbeschränkung einführen zu müssen. Wie wir auf Erkundigung an zuständiger Stelle erfahren, wird die Verkehrsbeschränkung darin bestehen, daß voraussichtlich ab nächsten Samstag der vor dem jetzigen Fahrplan gültige Sperrfahrplan wieder eingeführt wird, mit der Ausnahme, daß zunächst die Schnellzüge noch geführt werden sollen. Am Sonntag wird der Schnellzugsverkehr nicht stattfinden. Die bayerische Verkehrsverwaltung muß den Sperrfahrplan wieder einführen, weil die Kohlenzufuhr ins Stocken geraten ist. Die bayerische Eisenbahn bedarf täglich 3000 - 3200 Tonnen Kohlen bei einem außerordentlich beschränkten Verkehr. Von diesen Kohlenmengen kommen täglich aus Böhmen höchstens 600 Tonnen, also ein Fünftel, während die übrigen vier Fünftel aus dem Ruhrgebiet nach Bayern zugeführt werden müssen. Auf dem Landwege aber ist es nur möglich, täglich höchstens 1200 - 1400 Tonnen nach Bayern zu schaffen. Die übrigen Kohlenmengen kommen auf dem Wasserwege. Der Wasserweg ist vorläufig vollkommen gesperrt. Ob die Franzosen auch den Landweg für die Kohlenbeförderung schließen werden, muß abgewartet werden.
Bayern befindet sich also bezüglich des Verkehrs in der nächsten Zeit in einer außerordentlich schwierigen Lage. Dieser Rückschlag im Verkehr Bayerns ist lediglich auf die Unruhen im Ruhrgebiet zurückzuführen. Wenn auch von sozialistischer Seite dies abgeleugnet wird, so entspricht es doch den Tatsachen, daß lediglich der rote Terror und seine Begleiterscheinungen im Ruhrgebiet Bayern vor neue Verkehrsschwierigkeiten stellen. Dies muß mit allem Nachdruck gegenüber anderen Verlautbarungen betont werden, die versuchen die Zustände im Ruhrgebiet und ihre Wirkungen für Bayern abzuschwächen. Wenn es nicht möglich wird, den Wasserweg für die Kohlenbeförderung aus dem Ruhrgebiet freizubekommen, wenn weiter die Franzosen den Landweg sperren sollten, so würde Bayern in der allernächsten Zeit vor den größten Verkehrsschwierigkeiten stehen. Dies ist um so beauerlicher, als gerade in den letzten Tagen die Bayer. Verkehrsverwaltung durch sparsame Haushaltung in die Lage versetzt worden war, den Verkehr wenigstens wieder notdürftig in Gang zu bringen. Wären die unverantwortlichen Zustände im Ruhrgebiet nicht gekommen, so hätte Bayern in den allernächsten Wochen einen einigermaßen zufriedenstellenden Verkehr einrichten können.

München - Augsburger Abendzeitung
Mittwoch, 7. April 1920
Nr. 135
Morgenausgabe
* Kohlennot und Eisenbahnverkehr. Das Verkehrsministerium teilt mit: Infolge der andauernden Unruhen und des damit verbundenen vollsltändigen Streiks ist der Eisenbahnbetrieb im Ruhrgebiet eingestellt und die Kohlenzufuhr aus dem Ruhrgebiet für Bayern zum vollständigen Stillstand gekommen. Die bayerische Eisenbahnverwaltung ist daher genötigt, schon für die allernächste Zeit erhebliche Zugseinschränkungen vorzusehen, um die vorhandenen Kohlenvorräte zu strecken. Der Beginn der Einschränkungen wird noch bekannt gegeben.

München - Augsburger Abendzeitung
Freitag, 9. April 1920
Nr. 140
Abendausgabe
* Keine Einschränkung des Personenverkehrs. Nachdem die Kohlenzufuhr sich einigermaßen gebessert hat, sieht die Staatseisenbahn von einer Einschränkung des Personenverkehrs, die ursprünglich ab Samstag, 10. April in Aussicht genommen war, vorerst vollständig ab. Es verkehren demnach alle Personen= und Schnellzüge des derzeit gültigen Fahrplaness weiter, wie sie im wesentlichen im Dezemberkursbuch und im Aushängefahrplan der bayerischen Staatseisenbahnverwaltung enthalten sind. Die Schnellzüge D 39/40 München = Berlin, D 57/58 München = Frankfurt, D 147/148 Nürnberg = Stuttgart fahren an Sonntagen nicht. Der ab Ostersonntag eingeführte Sonntagsverkehr bleibt aufrecht erhalten.

Münchner Neueste Nachrichten
Mittwoch, 5. Mai 1920
Nr. 181
Morgenausgabe
* Starnberger und Holzkirchner Bahnhof, die in ihren Neubauten einen zweckmäßigen Ausbau unseres Hauptbahnhofes und einen weiteren Schritt auf dem Weg zur Trennung des Nah= bezw. Ausflugsverkehrs vom Fern= und Reiseverkehr darstellen, gehen mehr und mehr ihrer äußerlichen Vollendung entgegen. Der Flügelbahnhof an der Arnulfstraße hat in dieser Hinsicht den Flügelbahnhof für die Holzkirchner Linie an der Bayerstraße reichlich eingeholt, da dort auch der Vorplatz mit Anfahrt durch die Kleinsteinpflasterung fertiggestellt ist. Anderseits sind die Bahnsteigüberdachungen hier nicht so weit wie beim Holzkirchner Bahnhof fertig. Sie sind in Holz ausgeführt, wie das beim ältesten Münchner Hauptbahnhof, der heutigen Schalterhalle des Mittelbaues, der Fall war, und man sieht heute schon, daß diese Hallen die Vorzüge des Holzbaues, eine gemütliche, warme Raumwirkung aufzuweisen haben, wenn sie auch eisenkonstruierten Bauten an Helligkeit nachstehen mögen. Der Innenausbau beider Betriebsgebäude ist teilweise in der Ausführung begriffen (Schalterwände usw.), teils vergeben. Es wäre wohl möglich, die beiden Bahnhöfe im Sommer in Betrieb zu nehmen, wenn nicht einige in den Zeitschwierigkeiten begründete Hindernisse vorlägen. Beim Holzkirchner Bahnhof ist es z. Z. nicht möglich, die für die Weichenzentralisierung nötigen Werkteile von der Industrie hereinzubekommen. Dazu kommt, daß bei der Vollendung des Vorplatzes infolge der Höhenlagenh auch Aenderungen an der Pflasterlage der Bayerstraße und somit bauliche Maßnahmen der Stadt notwendig werden. Beim Starnberger Bahnhof ist das Haupthindernis die anderweitige Unterbringung der Wirtschaftsstelle der Eisenbahner, der die Wartesäle eingeräumt sind und die ganz Südbayern zu versorgen hat. Außerdem erfordert hier die Einführung der Geleise noch erhebliche Arbeiten, weil die Längsbahnsteige erhöht angelegt und samt ihren Ueberdachungen ohne Verkehrsunterbrechung ausgeführt werden. Im Ganzen ist also noch wesentlich mehr Arbeit bis zur Betriebsfertigkeit zu leisten, als es äußerlich den Anschein hat.

München - Augsburger Abendzeitung
Mittwoch, 5. April 1920
Nr. 179
Abendausgabe
* Expreßzüge Paris und Ostende-Warschau über Straßburg - Nürnberg sowie über Paris und Ostende-Wien über Straßburg-München. Auf Verlangen der Ententeregierung werden die Expreßzüge L 65/64 zwischen Paris und Ostende - Warschau einerseits und L 63/62 zwischen Paris und Ostende-Wien andererseits über Straßburg - Nürnberg bzw. Straßburg - München ab 4. Mai ab Paris in Lauf gesetzt. Die Expreßzüge sind aus Schlaf= und Speisewagen der Internationalen Schlafwagengesellschaft gebildet. Sie können in diesen Wagen nur gegen Lösung von besonderen Expreßzugfahrkarten 1. Klasse und einer Zuschlagkarte benützt werden. Der Paris- und Ostende - Wien=Expreß L 63/62 führt außerdem auf der Strecke Kehl - Wien und zurück durchlaufende Schnellzugwagen 1. und 2. Klasse. Zu diesen Wagen werden auf der deutschen Strecke Reisende gegen Bezahlung der deutschen Schnellzugsfahrpreise zugelassen; auf der österreichischen Strecke wird voraussichtlich die 1 1/2 fache Expreßzugtaxe erhoben werden. Gleichzeitig mit den Expreßzügen Paris und Ostende - Warschau werden auch gewöhnliche Schnellzüge Paris - Nürnberg - Prag - Warschau mit durchlaufenden Wagen 1. und 2. Klasse Paris - Warschau und 3. Klasse Paris - Prag in Verkehr gesetzt. Die Expreßzüge verkehren in jeder Richtung dreimal in der Woche, und zar auf der deutschen Strecke a) von Paris und Ostende nach Warschau und Wien jeden Montag, Mittwoch und Freitag, erstmals am 5. Mai, b) in der Gegenrichtung jeden Dienstag, Donnerstag und Samstag, erstmals am 8. Mai. Die Schnellzüge Paris - Warschau und zurück (bayer. Nr. 117 und 118) verkehren ebenfalls wöchentlich dreimal, und zwar auf der deutschen Strecke a) von Paris nach Warschau jeden Dienstag, Donnerstag und Samstag, erstmals am 6. Mai (an diesem Tag jedoch nur mit durchlaufenden Wagen von Stuttgart bis Prag). b) in der Gegenrichtung jedne Montag, Mittwoch und Freitag, erstmals am 7. Mai. Zwischen Stuttgart und Nürnberg verkehren diese Schnellzüge an jedem Wochentage.

Münchner Neueste Nachrichten
Mittwoch/Donnerstag, 12./13. Mai 1920
Nr. 193
Einzige Ausgabe
* Eisenbahnunfall. Am Mittwoch früh ereignete sich bei der Station Trudering ein Eisenbahnunfall. Der Vorortszug 5698 fuhr bei der Ausfahrt in Trudering - die Weiche war nicht auf Ausfahrt gestellt - auf ein sogenanntes Stutzengleis. Die Maschine und der erste Wagen rollten über das Ende des Gleises hinaus und die Maschine grub sich in das Erdreich ein. Der zweite Wagen stieß heftig auf den ersten auf, der Stoß ging durch den ganzen Zug. Der auf der Plattform des zweiten Wagens stehende Elektromonteur Michelki wurde eingeklemmt und erlitt einen Oberschenkelbruch und innere Verletzungen. Die Sanitätskolonne schaffte den Verunglückten ins Krankenhaus r.d.J. In der Station Ostbahnhof meldete sich noch ein Mädchen, das einen Nervenschock erlitten hatte. Weitere Verletzte sind nicht festgestellt. Der Verkehr erlitt durch den Unfall keine Störung, da Ein= und Ausfahrt frei geblieben sind.

Münchner Neueste Nachrichten
Dienstag, 25. Mai 1920
Nr. 208
Einzige Ausgabe
* Der Reiseverkehr im Hauptbahnhof war wie immer während der Pfingstfeiertage sehr stark. Es setzte schon am Freitag sehr lebhaft ein, steigerte sich noch am Samstag und hielt die beiden Feiertage an. Es muß allerdings berücksichtigt werden, daß gerade die Pfingstfeiertage Anlaß geben zu Besuchen auswärts und umgekehrt zu Ausflügen in die Stadt. Daraus erklärt sich die für die jetzigen Verhältnisse und die sehr hohen Fahrpreise außergewöhnliche Zahl von 148,000 Personen, die während der vier Tage im Hauptbahnhof Karten lösten. Die Einnahmen aus diesem Verkehr betrugen über eine Million.
Rein technisch stellt die Bewältigung dieses Verkehrs eine große Leistung dar. Schon die ganze Woche über war alles verfügbare Material bereitgestellt worden. Trotz der außergewöhnlichen Anforderungen an das Bahnpersonal vollzog sich dank einem geschickt angelegten Plan alles glatt und reibungslos und ohne Unfälle. Es war das dem dienstfreudigen Zusammengreifen des Bahnpersonals und der verständigen Haltung des Publikums zu danken, wenn gleich einzelne Fahrgäste sich immer wieder verleiten lassen, die Dächer der Wagen zu besteigen. Davor kann nicht eindringlich genug gewarnt werden; die Betreffenden stellen nicht nur die eigene Sicherheit in Frage, sie laden auch den Beamten eine große Verantwortung auf.
Die Vorortsausflügler waren angenehm überrascht, vielfach auch in Schnellzugsgarnituren mit zweiter und dritter Klasse=Wagen heimbefördert zu werden. In den vier Tagen waren vom und zum Hauptbahnhof 1167 Züge hauptsächlich Richtung Regensburg, Ingolstadt, Holzkirchen, Garmisch unterwegs. Zahlreiche Züge wurden doppelt und dreifach gefahren. Am Montag abend allein wurden nach München 110,000 Personen zurückbefördert. Die Isartalbahn konnte mit diesen Ziffern allerdings nicht konkurrieren. Sie hat, da auch der Pfingstsamstag schon lebhaften Verkehr gebracht hatte, an den beiden Feiertagen fast 44,000 Personen befördert.

München - Augsburger Abendzeitung
Donnerstag, 27. Mai 1920
Nr. 208
Morgenausgabe
= Die ersten Expreßzüge durch Bayern. Seit Monaten fanden Verhandlungen statt, die die Führung von Expreßzügen von dem Westen nach dem Osten und umgekehrt durch Bayern zum Gegenstand hatten. Die Beratungen wurden in diesen Tagen, wie wir zuverlässig hören, in Paris zum Abschluß gebracht: Das Resultat: In Zukunft werden wöchentlich dreimal Expreßzüge auf folgenden zwei Strecken gefahren: 1. Paris über München nach Wien, 2. Paris über Nürnberg und Prag nach Warschau. Die Beratungen, die anfangs in Kehl und zum Schluß in Paris geführt wurden, waren außerordentlich schwierig. Es nahmen an den Besprechungen Vertreter von Frankreich, Bayern, Deutsch=Oesterreich, Polen und von der Tschecho=Slowakei teil. Außer den Expreßzügen, die 1. und 2. Klasse führen und durchweg geschlossene Wagen haben werden, werden auf den gleichen zwei Strecken an den übrigen Tagen der Woche Schnellzüge in paralleler Fahrt abgelassen. Durch diese neuen Expreß= und Schnellzüge, deren Führung über München und Nürnberg der bayerischen Verkehrsverwaltung zu danken ist, ist eine regelmäßige und schnelle Verbindung des Westens mit dem Osten hergestellt.

Münchner Neueste Nachrichten
Samstag, 12. Juni 1920
Nr. 235
Morgen=Ausgabe
München, 11. Juni. - * Kleine Chronik. Bei der Hauptwerkstätte wurde am Freitag der 30 Jahre alte Maschinenhausgehilfe Ludwig Eichner beim Ueberschreiten der Geleise von einem einfahrenden Zuge überfahren und so schwer verletzt, daß er verschied.

München - Augsburger Abendzeitung
Dienstag, 22. Juni 1920
Nr. 246
Morgenausgabe
* Die ersten Expreßzüge. Heute sind die ersten Expreßzüge von Paris durch Deutschland teils nach Wien, teils nach Warschau in Verkehr gesetzt worden. Es sind dies die ersten Expreßzüge seit dem Frieden. Der Expreßzug Paris-München-Wien verließ Paris gestern abend 7 Uhr 20 und traf um 6 Uhr früh un Straßburg ein, wo ein Teil desselben als Expreß über Nürnberg nach Prag-Warschau abgezweigt wurde. Die Besetzung des letzteren Expreßzuges soll mit Rücksicht darauf, daß in den nächsten Tagen in Prag das sogenannte Sokolfest stattfindet, sehr stark gewesen sein. Der Paris=Wien=Expreß setzte um 8 Uhr früh in Straßburg die Fahrt durch Süddeutschland weiter und nahm in Deutschland nur in Kehl, wo die Zollrevision begann, dann ind Baden=Oos, Karlsruhe, Pforzheim, Mühlacker, Stuttgart, Ulm, Augsburg, München und Salzburg Aufenthalt. Von Paris aus reisten 22 Fahrgäste, Franzosen und Belgier nach Wien. Die Besetzung darf mit Rücksicht auf die erste Fahrt als gut bezeichnet werden. Innerhalb Deutschlands schloß sich nur in Stuttgart ein Reisender dem Zuge an, der in München den Expreßzug wieder verließ. In München kam kein Reisender dazu. Der Expreßzug bestand aus drei Schlafwagen, einem Speisewaggen und zwei Beiwagen. In München wurde mit Rücksicht auf die Nachtfahrt nach Wien ein weiterer Schlafwagen angefügt. Um 6 Uhr 10 abends setzte der Expreßzug die Fahrt fahrplanmäßig nach Wien fort.

Münchner Neueste Nachrichten
Dienstag, 29. Juni 1920
Nr. 260
Abend=Ausgabe
München, 29. Juni. - * Kleine Chronik. Am Dienstag um 6 Uhr früh wurde am Bahnkörper zwischen Moosach und Bahnstation Fasanerie ein Mann bewußtlos aufgefunden. Der herbeigerufene Arzt stellte einen schweren Schädelbruch und innere Verletzungen fest. Aus den Papieren wurde festgestellt, daß der Verunglückte der 38 Jahre alte Kaufmann Ludwig Fackler ist. Man nimmt an, daß er aus dem um Mitternacht von Freising nach München fahrenden Personenzug abgestürzt ist. Der Schwerverletzte wurde durch die Sanitätskolonne in die Chrirurische Klinik gebracht.

Walter
Hallo Walter,

vielen Dank für diesen dramatischen Bericht...

Zitat
* Auflauf im Hauptbahnhof. Am Freitag gegen 10 1/2 Uhr abends kam es am Hauptbahnhof zu peinlichen Auftritten. In der Fahrkartenhalle war ein Kriegsbeschädigter, der auf Krücken ging, diese plötzlich weg, sprang auf einem Bein herum und schrie und tobte. In seiner Begleitung befand sich ein zweiter Kriegsbeschädigter, der auch auf Krücken ging. Beamte der staatlichen Polizeiwache nahmen sich des tobenden Mannes an und versuchten, ihn zur Sanitätswache zu bringen. Der Wütende setzte sich heftig zur Wehr, so daß weitere Beamte eingreifen mußten. In der Sanitätswache gebärdete er sich wie wahnsinnig. Auf dem Bahnhofplatz vor dem Polizeikommissariat hatte sich eine 200 bis 300 Köpfe starke Menge angesammelt, der, aufgehetzt von dem Begleiter des Tobenden, in das Kommissariat einzudringen versuchte. Dadurch wurde verhindert, daß der Kriegsbeschädigte in das Garnisonslazarett eingeliefert werden konnte. Die beiden wurden schließlich in ihr Fürsorgelazarett gebracht. Schon am Abend des 2. März hatten zwei Kriegsbeschädigte mit Krücken einen ähnlichen Vorfall am Hauptbahnhof veranlaßt.
Posttraumatische Belastungsstörung... Wieviele Kriegsveteranen mögen so etwas damals gehabt haben?

Was mag wohl bis zu 300 Leute bewegt haben, seinetwegen das Kommissariat zu stürmen? Wurden sie durch linke oder rechte Verschwörungsaufrufe in Unruhe versetzt? Dachte man vielleicht, der Kriegsversehrte müsse wegen seiner politischen Sprüche in den Knast?


Zitat

Die bayerische Eisenbahn bedarf täglich 3000 - 3200 Tonnen Kohlen bei einem außerordentlich beschränkten Verkehr. Von diesen Kohlenmengen kommen täglich aus Böhmen höchstens 600 Tonnen, also ein Fünftel, während die übrigen vier Fünftel aus dem Ruhrgebiet nach Bayern zugeführt werden müssen. Auf dem Landwege aber ist es nur möglich, täglich höchstens 1200 - 1400 Tonnen nach Bayern zu schaffen. Die übrigen Kohlenmengen kommen auf dem Wasserwege. Der Wasserweg ist vorläufig vollkommen gesperrt. Ob die Franzosen auch den Landweg für die Kohlenbeförderung schließen werden, muß abgewartet werden.
Bayern befindet sich also bezüglich des Verkehrs in der nächsten Zeit in einer außerordentlich schwierigen Lage. Dieser Rückschlag im Verkehr Bayerns ist lediglich auf die Unruhen im Ruhrgebiet zurückzuführen. Wenn auch von sozialistischer Seite dies abgeleugnet wird, so entspricht es doch den Tatsachen, daß lediglich der rote Terror und seine Begleiterscheinungen im Ruhrgebiet Bayern vor neue Verkehrsschwierigkeiten stellen.
Der "Ruhraufstand".... Nach dem Kapp-Putsch am 17.3.20 wurden die Freikorps von der "Roten Ruhrarmee" bekämpft, um dann durch die Reichswehr zurückgedrängt zu werden. Das dauerte fast einen Monat.
Also die Kohleförderung war beeinträchtigt und der Rhein ("Rheinstraße") führte Hochwasser...

Gab es denn 1920 eine französische Besetzung? Die hatte ich erst ab 1923 ("Ruhrbesetzung") in Erinnerung.

Zitat
Auf dem Landwege aber ist es nur möglich, täglich höchstens 1200 - 1400 Tonnen nach Bayern zu schaffen
Das ist praktisch ein schwerer Ganzzug, oder bei damaligen Verhältnissen vielleicht zwei leichtere Ganzzüge.


Mit freundlichem Gruß, Ulrich
Hallo,

nur eine Frage: Was habe ich mir unter "Liebesgaben der Stadt München" vorzustellen?

Viele Grüße Murakel
"Liebesgaben"
-Wikipedia mal mit dem Begriff füttern...
- ein WDR-Beitrag zum 1. Weltkrieg: Liebesgaben für die Front

Beste Grüße

Otto Bahn

Danke

geschrieben von: Gleis MA 11-12

Datum: 13.01.20 18:24

Moin Walter,

danke für Deine Fleissarbeit. Sehr interessante Einblicke in die Nachkriegszeit des 1. WK.

Gruß aus Mannheim
Rolf
TransLog schrieb:

Posttraumatische Belastungsstörung... Wieviele Kriegsveteranen mögen so etwas damals gehabt haben?


Ohne Einschränkungen ALLE.

TransLog schrieb:
Gab es denn 1920 eine französische Besetzung? Die hatte ich erst ab 1923 ("Ruhrbesetzung") in Erinnerung.


Moin Ulrich,

ja, die gab es: im Zuge der Kämpfe im Ruhrgebiet rückte die Reichswehr auch in Gebiete der entmilitarisierten Zone des Rheinlands ein. Daraufhin besetzte die französiche Armee ab dem 06.04.1920 das Maingau einschließlich der Stadt Frankfurt am Main. Am 17.05.1920 zogen sich die Franzosen wieder zurück, weil die militärische Exekution im Ruhrgebiet beendet war.

Quelle: Heinrich August Winkler, Weimar 1918 - 1933, Beck Paperback 2018, S. 134

Die Ruhrbesetzung 1923 hatte einen anderen Hintergrund (Reparationsfrage).