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Karl-Ernst Maedel zum Hundertsten

geschrieben von: Stefan Hinder

Datum: 01.09.19 20:49

Hallo zusammen,

eigentlich müsste dieser Text am 2. September - also morgen - erscheinen. Da ich aber morgen überhaupt keine Zeit dazu haben werde, möchte ich diese Zeilen, die mir sehr am Herzen liegen, schon heute Abend hier schreiben und abschicken. Vor hundert Jahren – am 2.September 1919 – wurde Karl-Ernst Maedel geboren. Ich weiß nun nicht, für wie viele Teilnehmer bei dso Maedel noch die Figur ist, die sie für meine Generation von Eisenbahnfreunden war. Irgendwo – entweder in einer Zeitschrift oder hier im Forum – habe ich mal den Begriff „Generation Geliebte Dampflok“ gelesen. Volltreffer, besser könnte man es nicht ausdrücken. Es sind diejenigen Eisenbahnfreunde, die etwa von den frühen 1960er- bis zu den frühen 1970er-Jahren – oft nicht älter als 13, 14, 15 Jahre - begannen, mit dem Fotoapparat den letzten Dampflokomotiven nachzuspüren. Und sehr oft waren Maedels Bücher Anstoß, Leitfaden, Informationsquelle und auch so etwas wie väterlicher Begleiter. Klingt vielleicht ein bisschen albern, aber viel Verständnis konnte man für dieses Hobby von Außenstehenden nie erwarten – heute nicht und damals schon gar nicht. Es fanden sich ja stets nur wenige Gleichgesinnte, und bei Mitschülern (erst recht später bei den Mädchen...) musste man sich angesichts der Dampflokliebhaberei schon ganz schön ins Zeug legen, um nicht als verschrobener Außenseiter angesehen zu werden. Mit Maedel hatte man immer einen stillen Verbündeten, der einem deutlich machte, dass alles in Ordnung ist und auch noch andere diesem Hobby frönen.

Maedels erstes Buch, „Deutschlands Dampflokomotiven gestern und heute“, war 1957 noch in der DDR erschienen. Es war aber „Geliebte Dampflok“, 1960 bei Franckh herausgegeben, das den Grundstein zu Maedels Legende legte. Mehr noch: Ich würde sogar behaupten, dass „Geliebte Dampflok“ im Prinzip der Beginn der für uns heute so selbstverständlichen Literatur für Eisenbahnfreunde war, auch wenn es zuvor schon einzelne Versuche in diese Richtung (z.B: Franz-Ludwig Nehers „F 21“ von 1954) und natürlich Fachliteratur für Experten gegeben hatte.

Vielleicht hatte Maedel mit „Geliebte Dampflok“ das Glück, genau den richtigen Zeitpunkt erwischt zu haben. Die „Wiederaufbau“ in der jungen BRD war im Großen und Ganzen überstanden, und mit dem „Wirtschaftswunder“ hatten breitere Bevölkerungskreise allmählich Muße und auch Geld, um ein Hobby auszuüben. Viele Männer erfüllten sich damals einen Jugendtraum und kauften sich eine „elektrische Eisenbahn“ (der korrekte Begriff „Modellbahn“ wurde eigentlich erst in den späten 1960er Jahren Allgemeingut). Und besaß man erst einmal so eine „elektrische Eisenbahn“, dann erwachte oft nach und nach auch das Interesse für das große Vorbild.

In diese Situation stieß „Geliebte Dampflok“. Das Buch enthält schon praktisch alle Elemente, die Maedels Bücher auszeichnen: anschaulich erzählte Technikentwicklung, ein amüsanter kurzweiliger Schreibstil mit Humor und auch etwas Sentimentalität, Erzählungen von Führerstandsmitfahrten, und zwar sowohl fiktiv („Wölfe vor Block Schwarzheide“) als auch real erlebt („Lok 17 1179 fährt Fernschnellzug“), und letztendlich sogar schon ein wenig Reflexion über das Eisenbahnfreundesein selber im Schlusskapitel, das bezeichnenderweise wiederum „Geliebte Dampflok“ heißt.

Diese Mischung wirkte – fast zehn Jahre nach der Erstveröffentlichung - auch bei mir. Wie für viele andere, war „Geliebte Dampflok“ mein erstes Eisenbahnbuch. Ich bekam es im Alter von zehn Jahren 1969 zu Weihnachten. Und in der Nacht zum ersten Weihnachtstag las ich es komplett durch. Nun mag das Leseverhalten damaliger Zehnjähriger nicht mit dem der heutigen zu vergleichen sein. Dennoch sagt dies Bände über die Qualität des Buches aus.

Wer in den 1960er Jahren Eisenbahnliteratur las, kam um Maedel nicht herum, die Liste seiner Publikationen aus dieser Zeit ist lang: „Weite Welt des Schienenstrangs“, „Giganten der Schiene“, „Die Dampflokzeit“, „Liebe alte Bimmelbahn“ und wie sie alle hießen. Maedel war Herausgeber des „Lok-Magazin“ , und auch im „Märklin-Magazin“ fand man ab Ende der 1960er Jahre das Kürzel „KEM“ unter und Maedels unvergleichlichen Schreibstil in den Artikeln, in denen die großen Vorbilder von Märklin-Modellen beschrieben wurden, z.B. der Baureihen 03.10, 24, 50 oder 89.

Dazwischen die „Bekenntnisse eines Eisenbahnnarren“, ein weiterer Meilenstein für die Legende Maedels, obwohl das Buch bei seinem Erscheinen 1964 bei vielen Käufern möglicherweise Enttäuschung auslöste – enthielt es doch keine geschichtlichen oder technischen Angaben, keine Tabellen, noch nicht einmal Fotos! Es war ein reiner Erzählband darüber, wie es ist, Eisenbahnfreund zu sein und wie man dazu wird. Mehr als in anderen Büchern trat hier Maedels an Vorbildern wie Karl May oder Theodor Fontane geschultes Talent als Erzähler in den Vordergrund, und es finden sich hinreißende Episoden, die jeder Eisenbahnfreund so oder so ähnlich schon einmal erlebt hat; wenn zum Beispiel die württembergische C, wegen derer man extra nach Heilbronn gefahren ist, ausgerechnet dann auftaucht, wenn auf dem Weg an die Strecke ein hoher Lattenzaun die Sicht versperrt. Man kann das Buch Ehepartnern, Freunden oder Bekannten an die Hand geben, wenn diese wissen wollen, was im Kopf eines Eisenbahnfreundes vorgeht – ich glaube, auch heute noch; nur dass die Objekte der Begierde bei heutigen „Jungfans“ nicht mehr „württembergische C“ oder „Elna 6“ heißen würden, sondern vielleicht „Taurus“ oder „Blue Tiger“.

So waren es im Wesentlichen die Erzähltexte und die Art, das Wesen der Dampfeisenbahn darzustellen, die Maedel so unvergleichlich machten. Einen kleinen Haken hatte die Sache zeitweise, und mich würde interessieren, wie das hier im Forum gesehen wird: Schon immer hatte zu Maedels Publikationen ein wenig Zivilisationskritik gehört. In den frühen Büchern erschien diese eher augenzwinkernd und versteckt, wenn er zum Beispiel einen Schrankenwärter über den „verflixten Benzingestank“ der Autos schimpfen ließ. Aber ab Anfang der 1970er Jahre nahm sie mehr Raum ein und wirkte zuweilen ziemlich aggressiv. In „Dampf überm Schienenstrang“ , 1970 erschienen, schreibt Maedel schon auf der ersten Textseite: „Die Zeit der Gefühle ist längst vorüber, das Gemüt scheint abgeschafft.“ Wenn er an anderer Stelle im Buch dann über den „mit Urlauten gegrölten Beat, die zur Literatur erhobene Unzucht“ und „die aus dem Irrsinn geborene Malerei“ philosophierte, war das für einen Teenager damaliger Zeit schon starker Tobak. Maedels in dieser Hinsicht düsterstes Werk ist wohl „Das Eisenbahn-Jahrhundert“ aus dem Jahre 1973. Hier rückt er das Verschwinden nicht nur der Dampflokomotive, sondern der Eisenbahn an sich in den Bereich des Möglichen, die damals aufkommenden Widerstände und Proteste gegen Atomkraftwerke bezeichnet er als „töricht“. Eigenartig eigentlich, denn auf der anderen Seite vertrat Maedel mit seiner öfter auftauchenden Kritik an der Zerstörung der Landschaft oder dem „aus den USA importierten Fortschrittswahn“ Positionen, die man heute als „grün“ bezeichnen würde.

Unter uns jungen Eisenbahnfreunden war dieser Charakterzug Maedels durchaus Thema, und wir neigten damals zu der Ansicht, dass sich womöglich schon so etwas wie Altersstarrsinn bei ihm zeigte. Das kann nicht sein, denn Maedel war damals ja erst Anfang 50 (was wir zu der Zeit nicht wussten). Heute neige ich zu der Ansicht, dass Maedel – offenbar durch und durch ein Kind traditioneller humanistischer Kultur- und Bildungsideale – die „68er“ mit ihren oft sehr rüde und provokant vorgetragenen Positionen zutiefst erschrecken mussten und ihn zu entsprechend heftigen Gegenreaktionen geführt haben dürften. Und in vielen Punkten hat Maedel durchaus Weitblick gezeigt. In den „Erinnerungen an die Dampfeisenbahn“ - 1982 als eines seiner letzten Bücher erschienen – stellt er die Mentalität der Eisenbahnfahrgäste einst und jetzt gegenüber:

Bei der Kleinbahn – und nicht nur dort – bildeten die Fahrgäste im Abteil eine kleine Gemeinschaft. War der Zug voll und musste ein Reisender deshalb stehen, hieß es alsbald: Kommen Sie, Herr Nachbar, wir rücken noch ein Stückchen zusammen, dann gibt es auch für Sie noch einen Platz! - Wie völlig anders die Situation heute. Jeder Fahrgast möchte am liebsten zwei Plätze belegen, seine feindseligen Gesichtszüge weisen von vornherein alle Zusteiger ab; nur unwillig wird Platz gemacht. Diese erbarmungslose Feindschaft der Menschen untereinander, diese Rücksichtslosigkeit überall, diese Finsternis in den Gesichtern, diese Anti-Gemeinschaft, diese Freudlosigkeit in einer eigentlich herrlichen Welt!“

Immerhin, diese Zeilen erschienen 1982, das war aus heutiger Sicht fast noch die „gute alte Zeit“. Man kann diese Kette fortsetzen und auch ein bisschen relativieren: Vor einigen Tagen las ich in der Zeitung, dass es inzwischen auf 92 Prozent der Bahnhöfe in Deutschland keinerlei Servicepersonal mehr gibt. Kein Fahrkartenschalter, keine Information, kein Aufsichtsbeamter, keinerlei Ansprechpartner , vermutlich auch keine Toiletten und beheizten Warteräume – nichts! Ist es dann ein Wunder, dass die Leute mit einer gewissen „Grundaggressivität“ in den Zug steigen, vorausgesetzt, sie haben überhaupt mit List und Tücke (vorzugsweise „online“ oder am Automaten) irgendwie eine Fahrkarte ergattert….

...und schon bin ich selber in eine Art Maedelsches Philosophieren geraten. Lassen wir das, ich wollte doch eigentlich nur meine Verehrung für den Mann deutlich machen, der mich bis heute – und ich wiederhole es hier: ein bisschen wie eine Vaterfigur - durch das Eisenbahnfreunde-Dasein begleitet und weiterhin begleiten wird. Gern hätte ich ihn einmal persönlich kennengelernt (ein Wunsch, den sicherlich viele andere der „Generation Geliebte Dampflok“ teilen!). Jedoch mied er wohl eher die Öffentlichkeit, Einladungen zu Vorträgen oder dergleichen lehnte er in der Regel ab. Mehr, als dass er irgendwo im Raum Frankfurt leben musste, habe ich zu seinen Lebzeiten nie gewusst. Daher gab es auch nicht die Chance, ihm so etwas wie „Fanpost“ zukommen zu lassen. Ob ihn das erfreut hätte?

Wie dem auch sei, meine und wahrscheinlich unsere Verehrung für ihn ist ungebrochen – um es in Anlehnung eines seiner Bücher zu sagen: Unvergessener Karl-Ernst Maedel!

Grüße
Stefan

Re: Karl-Ernst Maedel zum Hundertsten

geschrieben von: ehemaliger Nutzer

Datum: 01.09.19 21:02

Hallo Stefan,

danke, dass Du an Maedel erinnerst , der viele von uns so geprägt hat. Ich denke, ich werde heute Abend mal wieder in "Geliebte Dampflok" schmökern und mich vielleicht in seinen fiktiven Bw-Rundgang vertiefen, in dem er so viele bemerkenswerte Baureihen und ihre Charakteristika vorstellt. 1962 lag das Buch in Bebra unter unserem Weihnachtsbaum, da war ich gerade mal 5 Jahre alt.

Grüße

Martin



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2019:09:01:21:41:24.

Geliebte Dampflok!

geschrieben von: Walsum5

Datum: 01.09.19 21:09

Hallo,

vielen Dank füe Deinen Beitrag. Geliebte Dampflok war auch für mich der Einstieg ins Hobby Eisenbahn!

Beste Grüße

Stefan

http://www.dampflokomotivarchiv.de/imgs/header.jpg


Re: Karl-Ernst Maedel zum Hundertsten

geschrieben von: G.P.O.

Datum: 01.09.19 22:01

"17 1179 fährt Fernschnellzug" - für mich der absolute Klassiker! "Wanderungen am Schienenstrang" hat mich zu Dampfzeiten zu einem Erwandern der Emslandstrecke animiert. Danke für die Erinnerung an den großen Autor meiner ersten Eisenbahnbücher!



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2019:09:02:17:24:40.

Re: Karl-Ernst Maedel zum Hundertsten

geschrieben von: S&B

Datum: 01.09.19 22:07

Den ersten Teil Deines Beitrages kann ich, auch Generation Geliebte Dampflok, voll unterschreiben.
Den zweiten Teil habe ich nicht mehr mitbekommen. Irgendwie war ich aus den (alten) Geschichten Maedels 'rausgewachsen'.
Ich trieb mich lieber auf Bahnhöfen und Stellwerken rum; Maedel wirkte inzwischen auf mich altbacken und angestaubt.
Dennoch hatte er Einfluß auf das Entstehen meines damaligen Hobbys, unbestritten.
Grüße
Ulrich

Vielen Dank!

geschrieben von: 01 220

Datum: 01.09.19 22:11

Hallo Stefan,

Deine Gedanken zu diesem Mann habe ich fasziniert gelesen!

Die meisten seiner Bücher stehen bei mir noch irgendwo oben im Regal, in Ehren verstaubt. Sie haben damals durchaus auch zu Geschichts- und Geographie-Kenntnissen beigetragen, abgesehen vom Bezug zur Technik. Sogar meine Kinder haben sich seinerzeit noch gelegentlich Kapitel aus den Klassikern "Giganten der Schiene" und "Geliebte Dampflok" zum Vorlesen gewünscht. Die hatten gerade die richtige Länge, einfach gut geschrieben. Darin war er ein Meister. Mir selber hat auch die Narrenromanze aus den Bekenntnissen gefallen, mal ein anderer Maedel.....

Danke dafür, dass Du an Karl-Ernst Maedel erinnert hast!

Bernhard

Re: Karl-Ernst Maedel zum Hundertsten

geschrieben von: 86_018

Datum: 01.09.19 22:27

Hallo Stefan,

schön dieses Thema hier zu besprechen. Für mich war die 2. Auflage der Deutschen Dampflokomotiven gestern und heute Weihnachten 1963 der Renner.
Damit hatte ich die Grundlage die historische Entwicklung der Dampflokomotiven bis heute zu verfolgen. Da ich in der DDR keine weiteren Bücher von ihm zu sehen bekam ist dieses Buch heute noch in der ersten Reihe meines Bücherregals zu finden. Ich brauche es immer noch um manche Entwicklung in der Vergangenheit zu verstehen. Danke für die Erinnerung.

MfG
Helmut

Re: Karl-Ernst Maedel zum Hundertsten

geschrieben von: m38902687-1

Datum: 01.09.19 22:43

Noch eine kleine persönliche Bemerkung dazu: Dieses Buch war 1961 mein 2. Eisenbahnbuch, welches ich meiner sonst sehr lieben Omi als damaliger 8-Klässler abbettelte, (abtrotzte) während ihre Argumentation sich darin erschöpfte, dass ich ja schon den Hanns Günther von Frankh habe und es in 25 Jahren sowieso keine Eisenbahn mehr gäbe und ich einen vernünftigen zukunftsträchtigen Beruf, am besten mit weißem, höchstens grauem Kittel, ergreifen sollte, was mir gottlob, erspart blieb. Gruß Fritzle


2020 (1024x1016).jpg



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2019:09:02:09:08:43.

Re: Karl-Ernst Maedel zum Hundertsten

geschrieben von: Jörn

Datum: 01.09.19 23:19

Heute Abend ist es wohl zu spät - aber morgen werde ich ganz sicher einmal wieder zu einem meiner Maedel-Bücher greifen. Aus heutiger Sicht ist bestimmt manches etwas angestaubt, was er schreibt. Aber auch bei mir gehörten seine Bücher zu den ersten "einschlägigen". Von so manchem späteren Buch habe ich mich wieder getrennt - die Maedel-Bücher bleiben!

Vielen Dank, dass du ihn mit deinem Beitrag ehrst
Jörn.

Hey, Farmer,
tu das Gift weg.
Gib mir Flecken auf Äpfeln,
aber lass mir die Vögel und die Bienen.
(Joni Mitchell, aus „Big Yellow Taxi“, 1970)


Meine Gedanken zu: Karl-Ernst Maedel zum Hundertsten

geschrieben von: HLeo

Datum: 01.09.19 23:25

Ja, auch ich habe einige seiner Bücher noch im Regal. Natürlich in Ehren verstaubt.

Nun ist aber dieses Forum wohl nicht gerade der Tummelplatz der Eisenbahn-Jugend.

Mich würde interessieren, was die jungen Eisenbahnfreunde zu seinen Büchern sagen. Insbesondere zu "Bekenntnisse eines Eisenbahnnarren"(*)

Bleibt da etwa nichts anderes übrig als "Opa erzählt vom Krieg"?



(*)Franckh'sche Verlagshandlung Stuttgart 1964


Nachtrag: Unhöflich wie immer vergaß ich, dir für diesen Denkanstoß zu danken. Habe ich hiermit nachgeholt.



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2019:09:01:23:27:21.

Re: Meine Gedanken zu: Karl-Ernst Maedel zum Hundertsten

geschrieben von: EP 5

Datum: 01.09.19 23:35

Hallo Stefan,

auch von mir ein Dankeschön für Deine umfassend geschilderten und tiefgehenden Erinnerungen an Karl-Ernst Maedel zu seinem 100. Geburtstag, den ich ebenfalls in Ehren halte.

Ich bin erst vor ca. zehn Jahren in Berlin auf diesen, für uns Eisenbahnfreunde wichtigen Autor richtig aufmerksam geworden. Eigentlich hätte das schon 1981 passieren müssen, als ich von meiner Tante das schöne Buch „Züge auf der Moselstrecke“ von Jean-Michel Hartmann geschenkt bekam, dessen Text von dem oben genannten Autor stammte.

Dass ich in Berlin diesen Autor schätzen lernte, verdanke ich einzig und alleine einer kleinen „Antiquariat-Höhle“ in Charlottenburg, die ältere Eisenbahnbücher zum Verkauf anbietet, und die ich in den zurückliegenden Jahren oftmals aufgesucht habe.

Maedel gab mir zur Eisenbahngeschichte noch einmal einen ganz anderen Zugang, eben nicht nur diesen „technisch-spröden“, wie man ihn etwa von den bekannten Baureihenbüchern diverser Verlage her kennt. Nein, Maedel bringt mit seinen Geschichten – ein echter Lesegenuss! - die Vergangenheit irgendwie ganzheitlicher und lebensechter rüber. Ich zitiere aus dem Buch „Geliebte Dampflok“ (Stuttgart 1963): Oberlokführer Lemcke fuhr mit vollem Schieberkastendruck und voller Füllung alle vier Zylinder an. (…). Hei, wie die 17 1179 losdonnerte! Wie Kanonenschüsse krachten unsere Auspuffstöße aus dem Schornstein. War das eine Lust.(…) Kowalski riß abermals die Feuertür auf, zehn, zwölf Schaufeln Kohle verschwanden! Zu dieser Geschichte „Lok 17 1179 fährt Fernschnellzug“ werden darüber hinaus die wunderschönen Grafiken von Walter Zeeden gezeigt, die die Leseeindrücke verstärkten. Es ist meiner Ansicht nach nur wenigen Autoren gelungen, die frühere Eisenbahn so lebensnah, spannend und anschaulich zu beschreiben.

Maedel hat übrigens nicht nur hervorragend geschrieben, sondern obendrein auch die Eisenbahn gekonnt fotografiert.


Ich bin mal echt gespannt, ob eines unserer großen, namhaften Eisenbahnmuseen (Nürnberg, Bochum, Berlin) diesem großartigen Autor zum 100. Geburtstag eine Sonderausstellung widmen wird? Verdient hätte er es.


Schöne Grüße,
Marc

"Mancher hinterlässt eine Lücke, die ihn (vollständig) ersetzt."

Pearl S. Buck


Re: Karl-Ernst Maedel zum Hundertsten

geschrieben von: didi1

Datum: 02.09.19 00:17

Hallo Stefan Hinder,

ganz herzlichen Dank für die Erinnerung an Karl-Ernst Maedel! Ich gehöre auch zu denen, die durch sein Buch "Geliebte Dampflok" eisenbahntechnisch sozialisiert wurden - und habe es bis heute nicht bereut. Ich habe ihn sogar einmal angeschrieben, sozusagen eine "Fanpost" geschickt, nachdem mir meine Buchhändlerin den Tipp gegeben hatte, es über den Verlag zu versuchen. Leider bekam ich nie eine Antwort. Seinem Ansehen bei mir geschadet hat das nicht.

Vielen Dank für Deine Gedanken und Ausführungen zum 100. Geburtstag und die Mühe, die Du Dir gemacht hast!

Viele Grüße,
Dieter.

Re: Karl-Ernst Maedel zum Hundertsten

geschrieben von: Btf. Krohnskamp

Datum: 02.09.19 00:49

Tolle Worte über diesen hervorragenden Autor der Eisenbahnfanszene. Danke dafür!

Tatsächlich habe ich indirekt persönlichen Bezug zu dem schon lange toten Karl Ernst Maedel. Der Vorbesitzer meines alten VW Käfers ist sein Sohn Wolfgang Maedel der mit seinem Vater in früheren Zeiten auch mit auf Fototour war und ebenfalls ein eigenes umfangreiches Fotoarchiv besitzt. Leider hab ich mich seit dem Kauf des Autos nicht mehr bei den W. Maedel und seiner Frau gemeldet, habe aber Kontakt zum Enkel von K. E. Maedel und werde ihm die Worte zu Ehren seines Großvaters zukommen lassen.

In meinem Bücherregal findet man ebenfalls Werke von Maedel und es werden in Zukunft definitiv mehr. Maedel ist also auch bei heutigen 25-Jährigen wie mir ein Thema. :-) Legenden sterben eben nie.

Grüße aus Karlsruhe
Mark

Mein flickr-Fotostream: [www.flickr.com]

Für eine Straßenbahn in Hamburg!!!

Vielen Dank für diesen schönen Beitrag

geschrieben von: hdk

Datum: 02.09.19 06:59

Moin Stefan,

Eisenbahnfreunde dieser Generation werden ihre Faszination von der Bahn schon vor der Lektüre gehabt haben. Aber Maedel verstand es wie kein anderer, eine fesselnde Lektüre mit Fotos so zu koppeln, dass ein Interesse auch dafür geweckt wurde. Wie auch, es gab kaum andere Autoren dieser Art, vielleicht später Jean-Michel Hartmann mit einer anderen Qualität der Fotografie. Zumindest fiele mir aktuell kein Autor ein, der Maedel ähnelt.

Viele Grüße

Hans

Re: Karl-Ernst Maedel zum Hundertsten

geschrieben von: Palatino

Datum: 02.09.19 07:03

Hallo Stefan,

vielen Dank für die Erinnerung an Karl-Ernst Maedels 100. Geburtstag.

Du hast sein Schaffen treffend analysiert. Insbesondere muss ich Deiner Sichtweise zustimmen, dass Geliebte Dampflok auch Außenstehenden einen Einblick in die Denkweise von Eisenbahnfreunden verschaffen kann. Während einer Bettlägerigkeit hatte meine Mutter seinerzeit mehrere Kapitel des Buches, das sie mir kurz zuvor zum Geburtstag geschenkt hatte, durchgelesen und anschließend länger mit mir darüber diskutiert. Danach war es für mich als 14jährigem Schüler um einiges leichter, das OK der Eltern für Ausflüge zu Dampflok-Bws zu bekommen.

Auch bei mir stehen einige seiner Bücher im Regal, aber verstaubt sind sie gewiss noch nicht. Dampf überm Schienenstrang hatte ich erst kürzlich in einer ruhigen Minute wieder in der Hand und habe mich an der Zusammenstellung der Fotos erfreut.

Jedes Hobby hat seine herausragenden Persönlichkeiten. Bei unserem Hobby zählt Karl-Ernst Madel mit Sicherheit dazu.

Grüße aus der Pfalz
Hubert

Re: Karl-Ernst Maedel zum Hundertsten

geschrieben von: Frank St.

Datum: 02.09.19 08:29

Guten Morgen,

ich freue mich über diese Laudatio auf KEM, denn über das Angebot seiner Bücher in der örtlichen Stadtbücherei bin auch ich maßgeblich mit diesem Hobby infiziert worden, wenn auch schon die obligatorische "elektrische Eisenbahn" vorhanden war. Aber so wurde die Brücke zum Maßstab 1:1 geschlagen.

Alles andere ist bereits trefflich von allen Schreibern beschrieben worden, so dass ich gar nicht mehr Worte machen will.

Grüße
Frank

Zu meinen Beiträgen:
- Eisenbahnen [www.drehscheibe-foren.de]
- Historisches Forum [www.drehscheibe-foren.de]
- Straßenbahnen [www.drehscheibe-foren.de]

Re: Karl-Ernst Maedel zum Hundertsten

geschrieben von: 55 4630

Datum: 02.09.19 08:29

Hallo Stefan

Vielen Dank für Deine ausführliche Würdigung von Karl-Ernst Maedel. Auch mich hat er durch seine Bücher sehr geprägt, beschloss ich deswegen doch im Jahre 1962, ich müsse auch Loks fotografieren. Hinsichtlich seiner Erzählungen ging es mir wie Klaus, dass die Schilderung der Fahrt mit 17 1179 vor Fernschnellzug zu meinen Lieblingsgeschichten gehörte. Die Aussagen wie die von August Lemke zu seinem Heizer "Kowalski, kannst Du von Hämerten Einfahrt was sehen?", konnte ich fast runterbeten. Da hätte ich nie gedacht, jemals mal am Einfahrsignal von Hämerten östlich von Stendal stehen zu können. Als ich 1991 dann doch da stand, war ich fast gerührt und musste natürlich an Karl-Ernst Maedel denken.

Viele Grüße

Wolf-Dietmar



2-mal bearbeitet. Zuletzt am 2019:09:02:08:32:26.

Danke Re: Karl-Ernst Maedel zum Hundertsten

geschrieben von: ehemaliger Nutzer

Datum: 02.09.19 13:33

Stefan Hinder schrieb:
„Bei der Kleinbahn – und nicht nur dort – bildeten die Fahrgäste im Abteil eine kleine Gemeinschaft. War der Zug voll und musste ein Reisender deshalb stehen, hieß es alsbald: Kommen Sie, Herr Nachbar, wir rücken noch ein Stückchen zusammen, dann gibt es auch für Sie noch einen Platz! - Wie völlig anders die Situation heute. Jeder Fahrgast möchte am liebsten zwei Plätze belegen, seine feindseligen Gesichtszüge weisen von vornherein alle Zusteiger ab; nur unwillig wird Platz gemacht. Diese erbarmungslose Feindschaft der Menschen untereinander, diese Rücksichtslosigkeit überall, diese Finsternis in den Gesichtern, diese Anti-Gemeinschaft, diese Freudlosigkeit in einer eigentlich herrlichen Welt!“

Immerhin, diese Zeilen erschienen 1982, das war aus heutiger Sicht fast noch die „gute alte Zeit“. Man kann diese Kette fortsetzen und auch ein bisschen relativieren: Vor einigen Tagen las ich in der Zeitung, dass es inzwischen auf 92 Prozent der Bahnhöfe in Deutschland keinerlei Servicepersonal mehr gibt. Kein Fahrkartenschalter, keine Information, kein Aufsichtsbeamter, keinerlei Ansprechpartner , vermutlich auch keine Toiletten und beheizten Warteräume – nichts! Ist es dann ein Wunder, dass die Leute mit einer gewissen „Grundaggressivität“ in den Zug steigen, vorausgesetzt, sie haben überhaupt mit List und Tücke (vorzugsweise „online“ oder am Automaten) irgendwie eine Fahrkarte ergattert….

Wie dem auch sei, meine und wahrscheinlich unsere Verehrung für ihn ist ungebrochen – um es in Anlehnung eines seiner Bücher zu sagen: Unvergessener Karl-Ernst Maedel!

Grüße
Stefan
Ich danke für Deinen wunderbaren Beitrag und auch für den Bezug auf die aktuelle Entwicklung der Gesellschaft in Maedels Heimatland.

Das Buch über die Entwicklungsgeschichte der Dampflok in Deutschland hat mir damals einer der Gebrüder Preuß besorgt - anders war das hier kaum zu bekommen. Und mir ist "Liebe alte Bimmelbahn" in diversen unterschiedlichen Ausgaben lieber, als das von Dir genannte Buch. Aber auch "Heizer wider Willen" steht bei mir ganz vorn und griffbereit im Bücherschrank. Er war halt (auch) beim Schreiben ein Genie …. Nur damals wurden die Eisenbahnbücher auch in ganz anderen Auflagengrößen vertrieben und zu anderen Preisen.

Dieter

Re: Karl-Ernst Maedel zum Hundertsten

geschrieben von: lokdoc

Datum: 02.09.19 13:35

Lieber Herr Hinder,

herzlichen Dank für Ihre sehr treffende Würdigung von Karl- Ernst Maedel, dessen Bücher letztlich auch mich zu einem leidenschaftlichen Eisenbahnfreund gemacht haben.
Es war die bildliche Aufzählung der Dampflok- Baureihen am Ende der "Geliebten Dampflok", die mich immer wieder zu diesem Buch greifen ließ, hatte man damals doch nichts Vergleichbares. Der wahre Bilderschatz dieses Autors ist erst vor kurzer Zeit durch den Doppelband der Reihe `Alte Meister der Eisenbahnfotographie`gehoben worden, in dem z.B. nie gesehene Szenen aus dem Dampfalltag im Ruhrgebiet der 60er Jahre präsentiert werden.
Vielen Dank Karl- Ernst Mäedel!

Re: Karl-Ernst Maedel zum Hundertsten

geschrieben von: Rolf Schulze

Datum: 02.09.19 13:51

Hallo Stefan,

es freut mich, dass Du hier Karl-Ernst-Maedel gedenkst. Auch mich haben seine Bücher begeistert und geprägt, und auch bei mir stehen sie im Bücherschrank, angestaubt, aber auch mit vielen Spuren des Lesens. Du hast sehr gut beschrieben, was den Charme seine Bücher ausmachte, und auch wenn er mit seinen Formulierengen den Leser mit distanziertem Respekt und ein mitunter auch ein wenig altmodisch ansprach, so hat er mich - uns - doch in seinen Bann gezogen, oder vielleicht gerade so in seinen Bann gezogen. Eine Anekdote am Rande: Als ich "Bekenntnisse eines Eisenbahnnarren" bekam, zeitgleich mit einem neuen Lok Magazin, und mich zuerst in letzteres vertiefte, begann meine Mutter in der "Bekenntnissen" zu schmökern, mit dem Ergebnis, dass ich das Buch erst bekam, nachdem sie es komplett gelesen hatte. Ein wenig mehr Verständnis für mein Hobby meinte ich danach bei ihr zu spüren...

Es ist ihm eigentlich hoch anzurechnen, dass er mit seiner Meinung über die Trends der Zeit und zweifellos auch indirekt über die seienzeit junge -also auch meine - Generation nicht hinter dem Berg hielt, auch wenn er sich - bei den zitierten Stelllen - dadurch nicht wesentlich von der gängigen Meinung der meisten älterer Familienmitglieder unterschied. Aber im Gegensatz zu diesen war er in der Lage, darzustellen, was "seine Zeit" ausmachte, dazu gehörte auch und gerade die von Dir erwähnte andere Mentalität in Alltagsdingen. Das habe ich stückweit auch erst durch ihn verstanden. Zu erwarten, dass jemand seiner Generation die "68er" irgendwie gutheißen könnte, ist abwegig - seine Generation war ja Ziel der Protestbewegung. Das hat meiner Verehrung für ihn keinen Abbruch getan.

Gruß
Rolf

Seiten: 1 2 All Angemeldet: -