Verehrte HiFo-Gemeinde,
betreten meine "Kunden" erstmals einen Gerichtssaal, bemerke ich gelegentlich "lange Gesichter", denn die Suche nach der Jury endet ergebnislos. Vorne sitzt eine "schwarze Gestalt", welche lediglich ein Diktiergerät und nicht den Holzhammer in der Hand hält. Später wird die Gestalt in das Gerät murmeln, dass ich den Antrag aus Blatt 4 der Akte stelle. Niemand brüllt dauernd Einspruch und die Scheidungskandidatinnen - jedenfalls bei der ersten Veranstaltung - sind oft über das schnelle Ende erstaunt. Manchmal wartet der Neue vor dem Saal, wirft dann seinem wortlos zum Ausgang eilenden Vorgänger einen verächtlichen Blick hinterher und zeigt sein Erstaunen darüber, wie schnell die Dame seines Herzens befreit wurde. In der Regel wird das Auto zeitnah mit Blechdosen und der just-married-Beschriftung versehen und nach 3 oder vier Jahren erscheint die Dame erneut im Büro.
Für mich ist das grauer Alltag. Unlängst wurde diese Routine durchbrochen, denn es gab etwas zum Schmunzeln. Bei einem meiner "Kunden" dürfen die Angestellten ausschließlich spielen. Diese Tätigkeit wird irgendwo übertragen -fragt mich nicht wie das abläuft -und kann von einem sehr jungen Publikum gegen Bezahlung konsumiert werden. Der als Zeuge geladene Angestellte, befragt nach seinem Beruf, zögerte lange, murmelte etwas vor sich hin, blickte auf seinen neben mir sitzenden Chef und bezeichnete sich als Influencer. Nun war das hohe Gericht ratlos und ich erklärte, dass es neben den klassischen Berufen (Spielerfrau, Model, Moderatorin, Schmuckdesignerin u.a.) auch zahlreiche neue Berufe ( DJane, Influencerin u.a.) gäbe. Hierbei, so das Gericht zutreffend, handele es sich nicht um Lehrberufe und jede(r) könne sich als Sängerin oder DJane bezeichnen. Unlängst las ich, dass die Verflossene eines Tennishelden als Schauspielerin, Sängerin und Designerin arbeite und Gina-Lisa L. den Beruf der Sängerin und Entertainerin ausübe. Wie auch immer, so findet sich im Gerichtsprotokoll folgender Absatz:
Ich heiße.....,
bin .....Jahre alt, von Beruf Influenza,
wohnhaft in......,
mit den Parteien nicht verwandt und nicht verschwägert.
Abends auf dem Heimweg fuhr ich noch bei einem "Kunden" vorbei. Dieser deutete auf die Halle und erklärte, dass dort der "Kollege Kompjuta" sämtliche Abläufe steuere. Er hingegen habe während seiner vor knapp 60 Jahren begonnenen Ausbildung noch "richtig" lernen müssen und könne daher heute seine Kettensäge selbst warten und diverse Arbeiten an seinen LKW-Anhängern ausführen. Ja, so ist das, auch Berufe kommen und gehen. Niemand produziert heute Kanonenkugeln. Ähnlich verhält es sich mit Dampflokführern und Heizern, welche in Erzählungen eines hier aktiven Studentenheizers Bedeutung erlangen. Im Alltag gibt es sie in stets abnehmender Anzahl bei einigen Bahnen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR - den habe ich jetzt für einen in der Nachbarschaft tätigen Verleger rausgehauen - und in exotischen Ländern.
Vor 31 Jahren begaben wir uns von unserem Wohnsitz hinter dem Bw zum Bahnhof in Glatz und machten einen großen Bogen um die SP 45, die den Zug nach Breslau beförderte. Das Lokpersonal sollte nicht auf die absurde Idee kommen, uns eine Führerstandsmitfahrt anzubieten. In Kamenz bestiegen wir dann den Führertand der Ty2-1392, die uns nach Neisse brachte. Das Personal hatte bereits am Vorabend seinen Dienst begonnen und eilte erwartungsfroh dem Feierabend entgegen. Nachfolgend zeige ich Bilder der Lokmannschaft.
Am Mittag beförderten wir mit der Ty2-1169 den Zug nach Kattowitz. Am späten Abend begaben wir uns auf der Ty2-1392 auf die Fahrt nach Kamenz. Nach dem Ausfall des Generators wurde es eine Fahrt durch die Dunkelheit. Obwohl wir an diesem Tage 3 Personale auf dem Führerstand erlebten, handelte es sich nur noch um "Restexemplare". Die große Mehrheit hatte längst auf die moderne Technik "umgeschult".
Euch wünsche ich eine gute Fahrt durch die zweite Wochenhälfte.
Viele Grüße
Martin