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Waggon mit "Insassen" - Photographie von 1896

geschrieben von: westbahn

Datum: 02.09.18 12:43

Hallo!

Für die Wagenfreunde habe ich ein "Bild zum Sonntag" aus einem meiner Karteikästen gezaubert, belichtet auf sehr dünnem Papier und nach Art eines Kabinettfotos auf Karton gezogen (Größe des eigentlichen Fotos etwa 11,6x15,5 cm). Der Zeitpunkt der Aufnahme steht ja fest (19. August 1896), die "Fahrgäste" haben ihre Namen auch noch vermerkt, aber mehr kann ich dazu aber leider nicht sagen. Der beiden Herren links und die beiden rechts bleiben namenlos.

2018-09-02.jpg

Die verschnörkelten Ligaturen waren früher u. a. bei Studentenverbindungen beliebt. Vielleicht kann jemand diese auflösen?
Eine Wagennummer ist leider nicht zu sehen, nur die Anschriften am Längsträger, links: "GEW. D. W. 6080 kg / Ks. 19.VIII.96." und rechts "Unt. / Ks. 19.VIII.96."

Schönen Sonntag wünscht

Thomas

[Edit fand noch einen weiteren Herrn und ein fehlendes Wort.]

"Die ostfriesische Landschaft wird gekennzeichnet durch die Herrschaft der horizontalen Linie." (Reichsbahnrat Schenkelberg, 1926)
--- westbahn.de - Die Eisenbahn in Ostfriesland (und umzu) ---
--- meine HiFo-Beiträge ---




3-mal bearbeitet. Zuletzt am 2018:09:02:12:46:20.
Ich kann zwar nichts zur Aufhellung beitragen, aber lustig finde ich es schon!!!
Interessant vielleicht noch, dass die eine Achse Scheiben, die andere Speichenräder hat.

Re: Waggon mit "Insassen" - Photographie von 1896

geschrieben von: Christian Kehr

Datum: 02.09.18 15:09

Klasse Foto. Den Zirkeln neben der Schiebetüre links nach zu urteilen - unterstellt die Spassvögel auf dem Foto haben sie angeschrieben - handelt es sich um Mitglieder einer Studentenverbindung. Vielleicht aus einer Uni-Stadt mit landwirtschftlicher Fakultät der Hochschule? Münster, Gießen, Weihenstephan ... ?

Re: Waggon mit "Insassen" - Photographie von 1896

geschrieben von: Dampffrosch

Datum: 02.09.18 15:41

Ja diese jungen Männer könnten Studenten sein. Das Bierglas passt auch, weil die ja für ihren großen Durst bekannt waren.

Re: Waggon mit "Insassen" - Photographie von 1896

geschrieben von: peter76

Datum: 02.09.18 17:27

westbahn schrieb:
Die verschnörkelten Ligaturen waren früher u. a. bei Studentenverbindungen beliebt.
Jemand mit viel Geduld kann sich ja mal auf die Suche machen ;-)
[de.wikipedia.org]
Hallo!

Könnte das ein Gleisbautrupp sein?
Es sieht aus, als wäre eine Lücke in der Schiene unter dem Wagen.

Gruß aus Thüringen.

Re: Waggon mit "Insassen" - Photographie von 1896

geschrieben von: Howaldtswerke

Datum: 02.09.18 18:45

Zwei Dinge fallen mir auf: das Untersuchungsdatum des Waggons und das handgeschriebene Datum neben der Tür sind identisch. Und rechts neben dem Wort "Inhalt" ist schwach der Preussenadler zu erkennen. Offensichtlich leicht übermalt. Ist vielleicht auch die Wagennummer etc. übertüncht und dann der ganze neue Text aufgemalt worden? Ein Studentenulk vielleicht? Oder die Männer, wenn sie denn Studenten sind, waren zur Arbeit bei der Bahn verpflichtet?

Zirkel

geschrieben von: westbahn

Datum: 02.09.18 18:49

Danke für den Link an peter76, ich fand die Dinger schon immer interessant. Aber nach kurzem Überfliegen der doch reichlich umfangreichen Liste der Wikipedia habe ich mich entschlossen, diese Spur nicht weiterzuverfolgen ... :-)

@ Howaldtswerke: Die Wagenanschriften halte ich für authentisch. Aber trotzdem ein guter Gedanke: Das Foto könnte etwas jünger sein und die Herren haben sich mithilfe dieses Schätzchens (das vielleicht als Bahnhofswagen oder Lager diente, weswegen die Nummer fehlt) etwas in der Zeit zurückversetzt.

Thomas

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3-mal bearbeitet. Zuletzt am 2018:09:02:18:59:40.

Frisch untersuchter Wagen in Kassel?

geschrieben von: Vognmand

Datum: 04.09.18 20:54

Danke, Westbahn, für das Zeigen des interessanten Bildes.

Die Gewichts- und Revisionsangaben am Langträger des preußischen Güterwagens sind frisch. Sie sind in normierter Schrift und auf Felder angebracht die eine Erneuerung der schwarzen Farbe erhalten haben. Daher ist sowohl eine Rückdatierung - die alten Angaben wären dann nicht mehr so gut lesbar - als eine Anpassung der offiziellen Anschriften an das Datum am Wagenkasten unwahrscheinlich.

Könnte es sich hier etwa um einen gerade technisch ausgebesserten Wagen handeln dem noch ein Neuanstrich oder zumindest eine Erneuerung der Farbe und der Anschriften am Wagenkasten bevorsteht? Der Ort wäre dann Kassel. Der Umstand daß im Hintergrund ein offener Güterwagen der KED Altona zu sehen ist, braucht dem nicht entgegen zu sprechen. Eigentlich kann kaum angenommen werden daß es den Herren erlaubt worden wäre den Wagen derart mit Kreide zu verschmieren wenn nicht ohnehin ein Neuanstrich oder zumindest eine Auffrischung des Anstrichs bevorstand.

Allerdings wäre eine Wiegung des Wagens vor einem Neuanstrich unlogisch, weil das Gewicht sich mit dem Farbauftrag leicht erhöhen wird, jedoch kaum so viel daß die möglicherweise abgerundete Gewichtsangabe dadurch wesentlich beeinflußt worden wäre. Da nach einem Neuanstrich und selbst nach einer Auffrischung der Farbe noch mit einer Trockenzeit zu rechnen wäre, würde das Revisionsdatum dann auch "falsch" sein oder zumindest nicht mit dem Datum der erneuten Betriebsübergabe übereinstimmen. Welche Regeln dafür zu beachten waren, weiß ich nicht.

Ich halte es für unwahrscheinlich, aber es könnte auch so sein daß der Farbanstrich noch gut genug war und die Anschriften am Wagenkasten nur deshalb auf dem Bild nicht sichtbar sind, weil sie nicht erneuert wurden und noch in einer Farbe ausgeführt waren die auf Bildern nicht genug mit der des Wagenkastens kontrastiert. Gelbe Anschriften auf braunem oder grünem Wagenkasten sind zum Beispiel auf Bildern oft sehr schlecht lesbar, auch gelb auf grau ist oft problematisch. Folgende KED benutzten 1896 noch (teilweise) gelbe Anschriften mit schwarzen Schatten: Altona, Berlin, Erfurt, Essen, Halle, Magdeburg, Saarbrücken; ohne Schatten: Breslau, Elberfeld, Frankfurt, Kattowitz, Köln. Bei den KED Elberfeld kamen noch graue, bei der KED Erfurt noch grüne Güterwagen vor.

Der Wagen selbst ist natürlich von vor den ersten preußischen Normalien und entstammt vermutlich dem Wagenpark einer ehemaligen Privatbahn. Vielleicht könnte eine Aufschrift auf einem der beiden Achslagergehäuse einen Hinweis auf den ursprünglichen Besitzer geben. Zumindest auf dem Linken scheint etwas zu stehen, vermutlich zwei Buchstaben von denen der zweite ein E (für Eisenbahn?) sein könnte. Der Buchstabe davor wäre interessant. Die für gedeckte Wagen außerordentlich große Breite der Verschalungsbretter könnte vielleicht auch helfen bei der Bestimmung der Herkunft des Wagens.

Der Langträger ist anscheinend bereits als U-Profil ausgebildet und dürfte somit aus Eisen (Stahl) sein. Damit wäre der Wagen nicht so alt und unmodern daß er bereits 1896 zum Bahnhofswagen degradiert worden wäre, es sei denn er zeige ernste Schäden. Die Revisionsdaten sprechen dafür daß es durchaus noch beabsichtigt ist den Wagen für eine Weile als normalen Güterwagen in Betrieb zu halten.

Die jungen Männer im Wagen kontrastieren mit den etwas älteren Arbeitern links und rechts, tragen jedoch ebenfalls eher Arbeitskleidung. Wie schon bemerkt wurde, ist unter dem Wagen ein Schaden am Gleis. Christian Kehr hat, auch welchen Grund auch immer, eine "Uni-Stadt mit landwirstchaftlicher Fakultät der Hochschule" ins Gespräch gebracht. Liegt es nicht eher auf der Hand daß es sich bei den Studenten um solche handelt die einen technischen Beruf nachstrebten und - für einen Tag oder einige Tage - in der Gelegenheit gestellt wurden bei der Bahn etwas Erfahrung zu sammeln, bei der Wagenunterhaltung und der Aufgleisung eines Wagens, vielleicht sogar beim Farbanstrich?

Kurze Praktiken oder nur Besuche bei verschiedenen Betrieben wären für technische Studenten eigentlich bereits damals nicht unlogisch. Aus Bildern meines Vaters die er fünfzig Jahre später während seiner Ausbildung gemacht hat, weiß ich daß die technischen Studenten damals häufig zu Baustellen, Werkstätten und Betriebe fuhren, wobei sie allerdings nur Führungen bekamen und nicht selbst Hand anlegten, aber schon auf Lokomotiven usw. herumkletterten.

Vielleicht wäre es ein brauchbarer Ansatz in Archiven des ehemaligen Polytechnikum in Kassel oder in alten Mitgliedsverzeichnissen von Vereinen wie der VDI nach den Namen zu suchen die am Wagen angeschrieben sind. Einige Namen stimmen, Zufall oder nicht, überein mit denen bekannter Ingenieure, darunter auch einige Eisenbahner. Eine schnelle Internet-Suche ergibt bei Kutzbach z.B. Professor Dr.-Ing. K. Kutzbach, verstorben 1931, bei Iltgen z.B. Reichsbahn Direktor Georg Iltgen und bei Zillgen z.B. Joseph Zillgen der 1908 zu Dr.-Ing. promovierte mit seiner Dissertation Die Verkürzung der Fahrzeit im Schnellzugbetriebe und die Mittel zu ihrer Durchführung und 1907 ein Patent erhielt auf eine Starteinrichtung für Verbunddampflokomotiven. Vielleicht hat jemand Lust die Biographien dieser Ingenieure zu recherchieren.

Ich hoffe auch jemand wird näheres über die Herkunft des Wagens sagen können. Vielleicht sollte man im Nachbarforum über Wagen auf diesen Thread aufmerksam machen. Nicht alle Wagenfreunde schauen auch regelmäßig ins Hifo.

Mit freundlichen Grüßen,
Erik

Detail eines Achslagers

geschrieben von: westbahn

Datum: 04.09.18 21:18

2018-09-02.jpg

Hallo Erik,

danke für Deine Ausführungen. Die beiden Achslager zeigen die gleichen Buchstaben, das rechte ist besser zu erkennen und ich habe es daher mal vergrößert.
Bei der "Macke" in der Schiene unter dem Wagen bin ich mir gar nicht so sicher, ob die überhaupt echt ist. Das Foto ist hier zwar einwandfrei, aber es könnte sich um einen Fleck auf dem Negativ gehandelt haben - ich finde die Ränder irgendwie zu diffus für eine Bruchstelle.
(An einen Link im Wagenforum hatte ich gedacht, aber trotzdem Dank für den Hinweis.)

Vielleicht passen die Zirkel zu den Studienorten der genannten Herren, das wäre 'was!

Gruß,

Thomas

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Re: Frisch untersuchter Wagen in Kassel?

geschrieben von: teq

Datum: 04.09.18 23:03

Vognmand schrieb:
Professor Dr.-Ing. K. Kutzbach, verstorben 1931,
Ein Franz Karl Kutzbach, verstorben 1942, war Mitglied der K.St.V. Burgundia, deren -neudeutsch- Logo man links auf dem Wagen sieht, oder rechts unter auf dieser Homepage, aber nicht auf Wikipedia: [www.ask-bg.de]

[de.wikipedia.org]

1896 studierte er Maschinenbau in Berlin.

Re: Frisch untersuchter Wagen in Kassel?

geschrieben von: Vognmand

Datum: 05.09.18 09:12

Das ist ja phantastisch, teq, das paßt so gut zusammen daß der erste Student identifiziert scheint.

Vielen dank für die Vergrößerung, Westbahn. Der Achslagerdeckel hilft leider doch nicht unbedingt weiter. Ich lese da 3E. Dann wäre das eine Typenbezeichnung und nicht die ursprüngliche Eigentumsbahn.

Mit freundlichen Grüßen,
Erik

Achshalter

geschrieben von: hagen

Datum: 06.09.18 17:15

Stützen sich die Achshalterdiagonalen gegen den Federlaschenbock ab, sehe ich das richtig? Das ist doch ziemlich ungewöhnlich.

Gruß aus der Pfalz,

Hagen

Wagen in Kassel? Polytechnikum Kassel?

geschrieben von: 400mm

Datum: 07.09.18 11:00

Danke an alle, die sich an diesem interessanten Faden beteiligen.
Vognmand schrieb: "Der Ort wäre dann Kassel."
Falls das "Ks" zu dieser Meinung beiträgt, möchte ich darauf hinweisen, dass die amtliche Schreibweise bis 1926 "Cassel" lautete.
Vognmand schrieb: "Polytechnikum in Kassel"
Nach meiner Erinnerung wurde das Kasseler Polytechnikum bereits 1888 (also vor dem Aufnahmedatum) aufgelöst.
Randbemerkung: Bei der Auflösung des Polytechnikums waren die Zeigertelegraphen bereits technisch überholt, weshalb sie von der Schule in das Kasseler Museum (jetzt mhk) überwiesen wurden. Der Morsetelegraph als aktuelle Technik wurde dagegen an die TH Aachen abgegeben. Ob er sich noch dort befindet?
Grüße aus Nordhessen
Peter

Kassel und Cassel

geschrieben von: westbahn

Datum: 07.09.18 13:53

Mit der Schreibweise ist das so eine Sache. Ich hatte im Hinterkopf, Kassel hätte sich ursprünglich ohnehin mit K geschrieben und das C sei nur ein Intermezzo gewesen, und lag damit gar nicht so falsch: Laut verschiedener Quellen im Internet (u. a. kassel.de) hatte der Bürgermeister von Cassel bereits 1873 die Schreibweise Kassel angeordnet.

Thomas

[Edit - wie eigentlich immer: Typo]

"Die ostfriesische Landschaft wird gekennzeichnet durch die Herrschaft der horizontalen Linie." (Reichsbahnrat Schenkelberg, 1926)
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1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2018:09:07:13:53:58.

Re: Frisch untersuchter Wagen in Kassel?

geschrieben von: Wasndas

Datum: 08.09.18 00:34

Hier noch ein Link mit Lebenslauf, Bildern, Wirken und Veröffentlichungen von Karl Kutzbach -->

[www.dmg-lib.org]

Frisch untersuchter Wagen in Kassel? Nein: Karthaus

geschrieben von: Vognmand

Datum: 08.09.18 11:26

Guten Tag alle die weiter zu diesem Thema forschen.

User 400mm hat recht. Ks steht nicht für Kassel.

Ich habe soeben einen Hinweis erhalten auf eine handschriftlich auf 1928 datierte Übersbersicht über Werkstättenzeichen, die in Dipl.-Ing. Sigurd Werner: 100 Jahre Bundesbahnausbesserungswerk Hannover-Leinhausen, Hannover 1978, auf S. XII-XVI abgebildet ist.

Ks steht für Karthaus. Wir wären dann nicht in Kassel, sondern bei Trier.

Es tut mir leid daß ich die Forschung in dieser Hinsicht zunächst in eine falsche Richtung gesteuert habe.

Mit freundlichen Grüßen,
Erik