Die
„Nassauische Kleinbahn AG (NK)“ betrieb einst ein 77 km langes meterspuriges Kleinbahnnetz im westlichen Teil des Taunus. Insgesamt drei Strecken verbanden den Betriebsmittelpunkt Nastätten und die umliegenden Ortschaften mit der weiten Welt. So konnte man von Nastätten in südwestlicher Richtung nach St. Goarshausen im Rheintal gelangen (16 km), wo Übergang zur Staatsbahn sowie Anschluss an den Rheinhafen bestand. Die in nordwestlicher Richtung verlaufende 30 km lange Linie nach Braubach hatte ebenfalls Anschluss an den dortigen Staatsbahnhof und Rheinhafen; bis 1917 ging sie sogar parallel zur Staatsbahn bis ins gut 3 km entfernte Oberlahnstein weiter. 28 km lang war schließlich die Bahnlinie, die von Nastätten in nordöstlicher Richtung über Katzenelnbogen zum Bahnhof Zollhaus an der Staatsbahnstrecke Wiesbaden - Bad Schwalbach - Diez (- Limburg) führte.
Anfangs wurde der Personenverkehr der Kleinbahn gut angenommen, die oft abseitige Lage der Bahnhöfe zu den Ortschaften beschleunigte jedoch die Abwanderung zu anderen Verkehrsmitteln. Im Güterverkehr wurden meistens zwischen 200.000 und 300.000 Tonnen gefahren, hauptsächlich Kalksteine und Erze aus diversen Gruben in der Region sowie Holz.
Der Personenverkehr auf der Braubacher Strecke endete schon 1929 endgültig und für den Güterverkehr blieben hier ab 1932 nur noch die Teilabschnitte Nastätten – Miehlen (rd. 4 km) und Brauchbach-Silberhütte – Braubach (rd. 2 km) übrig. Auf den anderen beiden Strecken wurde der Personenverkehr 1952 und 1953 eingestellt und danach auch der Güterverkehr immer weiter zurückgenommen, so dass der Kleinbahn ab 1962 nur noch das kurze Streckenstück von Braubach zur Silberhütte verblieb. Und dieser Restbetrieb hatte so seine Besonderheiten.
Noch bevor die meterspurige NK entstand, hatte die Braubacher Blei- und Silberhütte bereits eine 750 mm-Werksbahn mit Anschluss an den Staatsbahnhof, betrieben per Hand und mit Pferden. Der Anschluss zum Staatsbahnhof wurde dann Teil der Kleinbahnstrecke Nastätten - Braubach (- Oberlahnstein) und dreischienig ausgestattet. Die Kleinbahn übernahm fortan alle Transporte der Hütte von und zum Staatsbahnhof und Rheinhafen, nutzte dafür aber die werkseigenen 750 mm-Wagen. Zur Kupplung mit den bahneigenen Meterspurfahrzeugen waren besondere Zwischenwagen vorhanden.
Da die Strecke von Braubach zur Blei- und Silberhütte bereits seit 1932 vom übrigen Kleinbahnnetz abgetrennt war, entschloss man sich 1957 zur Beschaffung von zwei gebrauchten Gmeinder-Dieselloks in 750 mm-Spurweite, ehemalige Heeresfeldbahnloks des Typs HF 130 C. Die Maschinen erhielten die Bezeichnung V 17 und V 18 und wickelten den Braubach-Verkehr nun komplett auf 750 mm-Spur ab. Die dritte Schiene verschwand nach und nach im Rahmen von Gleis- und Straßenbaumaßnahmen bis in die 1960er Jahre hinein.
Der Braubacher Betrieb war durchaus lohnend mit um die 100.000 Beförderungstonnen in guten Jahren. Mein erster Besuch bei dieser Schmalspurbahn stand am 22.März 1977 auf dem Bereisungsprogramm. Die Kleinbahn hatte an diesem Tag viel zu tun. Die diensthabende V 18 pendelte mehrfach mit beladenen und leeren Lorenzügen zwischen Silberhütte und Rheinhafen. Leider spielt das Wetter nicht wie gewünscht mit; es regnete zeitweise kräftig. Besonders zu bedauern war der Bremser, der stets auf einer der Loren ohne weiteren Witterungsschutz seinen Platz einzunehmen hatte.
Direkt gegenüber dem DB-Bahnhof befand sich der Kleinbahnhof mit erhaltenem alten Bahnhofsgebäude und Lokschuppen sowie Umladegleis zur DB mit Portalkran – schon in den 1970er Jahren ein fast idyllisches Bild aus längst vergangenen geglaubten Kleinbahntagen. Die Strecke verließ den Bahnhof in südöstlicher Richtung, überquerte die Bundesstraße und verzweigte sich dann in einen Ast zum Hafen und zur Silberhütte. Der Anschluss zum eingezäunten Hafen führte durch eine Grünanlage entlang des Rheins, während in Richtung Silberhütte erneut die Bundesstraße gekreuzt und dann die DB-Strecke (rechts Rheinstrecke) unterfahren wurde. Ab hier besaß die Kleinbahn keinen eigenen Bahnkörper mehr, die Gleise lagen im Straßenplanum und die Kleinbahnzüge schlängelten sich in abenteuerlicher Weise bergwärts mitten durch das Städtchen Braubach. Markantester Punkt war die Fahrt durch den Turm der alten Stadtbefestigungsanlage „Obertor“. Das Tor in diesem Turm gab es ursprünglich nicht, es ist für den Bau der Kleinbahnstrecke hineingebrochen worden. Das geschah sehr behutsam und noch heute kommt man zu der Überzeugung, dass das schon immer so gewesen sein muss. Am Ortsausgang erreichte die ja ursprünglich bis Nastätten weiterführende Strecke das Werksgelände der Blei- und Silberhütte und endete dort. Innerhalb der Hütte gab es, auch für rein interne Transporte, ein größeres Gleisnetz, auf dem eigene Werksdieselloks verkehrten.
Die Fotoausbeute bei diesem Besuch war dank des umfangreichen Zugbetriebs und der kurzen Strecke enorm. Ärgerlich nur, dass Regen sowie „undiszipliniert“ kreuzende Autos und Fußgänger doch so manches Bild „vermasselten“. Ein erneuter Besuch war dadurch quasi schon beschlossen Sache, und der kam dann viel schneller als gedacht. Die Kleinbahn wurde in Braubach seit Jahren als ein Verkehrshindernis empfunden und die Gleise im Bereich des Kleinbahnhofs ver- bzw. behinderten den Ausbau der Bundesstraße. Schnell bestätigten sich die aufkommenden Gerüchte, dass die NK den Betrieb im Spätsommer 1977 tatsächlich einstellt. Also ging es am 19.08.1977 nochmals zur persönlichen Abschiedstour nach Braubach. Dort herrschte schon eine Art Endzeitstimmung und der Verkehr auf der Strecke, wieder mit V 18, war nur mäßig. Erfreulich aber, dass diesmal Metallbarren zur Weiterbeförderung in DB-Güterwagen zu transportieren waren und so auch das Umladegeschäft Schmalspur/Normalspur ausgiebig beobachtet und abgelichtet werden konnte. Pech, weil erneut regnerisches Wetter herrschte und ich die Nassauische Kleinbahn seither unweigerlich mit Nässe in Verbindung bringe. Zum frühen Betriebsschluss war der Lokführer noch so nett, die bisher nicht fotografierte Reservelok V 17 aus dem Lokschuppen zu ziehen.
Ab Ende August 1977 erfolgte die Bedienung der Blei- und Silberhütte prinzipiell nur noch per Lkw. Der Kleinbahnbetrieb endete offiziell am 30.09.1977 mit Abschiedsfahrten für die Bevölkerung. Der werksinterne Schmalspurbetrieb der Blei- und Silberhütte blieb noch bis Oktober 1978 bestehen. Das Werk besteht heute noch als Recyclingbetrieb zur Aufbereitung von Akkuschrott und als Sekundärbleihütte.
Die beiden NK-Dieselloks fanden Käufer in Österreich und traten kurz nach der Betriebseinstellung ihre Reise dorthin an. V 17 (Gmeinder 1940/2822) gelangte als V 2 zur Lokalbahn Payerbach-Hirschwang. Sie wurde dann 1982 von der Österreichischen Gesellschaft für Eisenbahngeschichte (Betriebsnummer „D 2“) erworben, kehrten aber bald darauf nach Deutschland zurück. Der private Käufer veräußerte sie jedoch 1994 erneut, und zwar an einen Privatmann in Emmerich, der sie wohl auf 600 mm-Spur für seine nichtöffentliche Feldbahnanlage umspurte. Die V 18 (Gmeinder 1940/3143) tat nach Umspurung auf 760 mm, Verbreiterung des Führerhauses und Einbau einer Druckluftbremse bis 1994 als VL 7 Dienst bei der Steiermärkischen Landesbahn (StLB). 1998 erwarb sie schließlich Markus Strässle als bei der StLB eingestellte Privatlok.
Die Bahngesellschaft „Nassauische Kleinbahn“, zuletzt eine GmbH, wurde nach Aufgabe des Braubacher Restbetriebes aufgelöst und die Konzessionen für den Straßengüter- und Omnibusverkehr verkauft. Die Kleinbahngleisanlagen waren bis zum Frühjahr 1978 abgebaut (aber rund 200 m Gleisreste fanden sich dann 1997 im Rahmen von Straßenbauarbeiten doch noch). Bahnhofsgebäude und Lokschuppen Braubach blieben zunächst ungenutzt stehen, der Abbruch erfolgte erst 1987. Etwa zu diesem Zeitpunkt entfernte man auch die Unterfahrung der DB-Strecke. Das Gelände des Kleinbahnhofs ist heute, soweit es nicht von Straßenbaumaßnahmen in Anspruch genommen wurde, Grünanlage. Mittlerweile erinnert nichts mehr an das geschäftige Treiben, das hier einst auf Schmalspurgleisen zu sehen war.
Hier im Teil 1 einige im Bereich des Braubacher Kleinbahnhofs und des dortigen Lokschuppens entstandene Aufnahmen.
Link zum Teil 2: [
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Link zum Teil 3: [
www.drehscheibe-online.de]
Link zum Teil 4: [
www.drehscheibe-online.de]
Viele Grüße
Dieter
Diesellok V 17 im Braubacher Kleinbahnhof, 19.08.1977
Das Gebäude des Kleinbahnhofs Braubach dürfte sich am 22.03.1977 noch weitgehend im Originalzustand befunden haben, als die V 18 mit einem Güterzug auf den nächsten Einsatz wartete. Hinter dem Schmalspurzug die Staatbahnanlagen
Blick auf die Anlagen des Braubacher Kleinbahnhofs am 19.08.1977. Im Hintergrund links das Empfangsgebäude, vorne der Lokschuppen mit V 18 und rechts davon der Umladekran mit zur Beladung bereit stehenden Regelspurwagen. Ganz rechts sind Teile der Bahnsteigüberdachung des Staatsbahnhofs zu sehen
Vor dem Braubacher Lokschuppen präsentierten sich am 19.08.1977 die beiden NK-Dieselloks V 18 und V 17
Ein beladener Güterzug zum Rheinhafen, gezogen von Lok V 18, verließ am 22.03.1977 den Braubacher Kleinbahnhof. Auf der ersten Lore der Bremser
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