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 04 - Historisches Forum 

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Augsburger Abendzeitung
Donnerstag, 24. Dezember 1885
Nr. 354
// München, 23. Dez. Die Häberlein'sche Bremse bei Eisenbahnzügen ist bekanntlich nicht allein eine einheimische Erfindung, sondern war bei ihrer verhältnismäßigen Billigkeit eine für ihre Zeit höchst werthvolle. Derartige Erfindungen schreiten aber auch fort und schon seit vielen Jahren macht auf diesem Gebiete die Westinghouse'sche automatische Bremse nicht geringes Aufsehen. Sie ist, wie uns mitgetheilt wird, in England, Frankreich, Belgien, Baden, Würtemberg, Oesterreich=Ungarn, Rußland, Holland, Italien, Spanien und vor allem in Amerika an 15,778 Lokomotiven und 90,774 Personen= und Güterwagen angebracht. Derartigen großartigen Erfolgen gegenüber konnte sich die bayerische Generaldirektion der Verkehrs=Anstalten um so weniger passiv verhalten, als ja die Orient=Expreßzüge tagtäglich mit derartigen Bremsvorrichtungen versehen, die bayerische Linie Ulm = Simbach passiren. Man ließ deshalb einmal versuchsweise einen Personenzug mit dieser Luftdruck=Bremse einrichten und nachdem derselbe vor einigen Tagen auf der Strecke München = Schleißheim probirt ward, ging man heute zu einem größeren Versuche über. Derselbe wurde auf der Linie zwischen hier und Augsburg ausgeführt und wohnten demselben eine größere Anzahl höhere Beamte der Generaldirekton bei, an deren Spitze der Generaldirektor von Hocheder mit den beiden Direktoren v. Schamberger und Schnorr v. Carolsfeld sich befanden. Es war für die Fahrt hinüber sowohl als herüber ein ganz bestimmtes Programm ausgearbeitet und waren für die je 1 1/2 stündige Fahrt je 10 Unterbrechungen bezw. Anhalte vorgesehen, darunter eine, die bei einer Geschwindigkeit von 86 Kilometer pro Stunde stattfinden sollte und - setzen wir es nur gleich hierher - zur Zufriedenheit der Kommission brillant durchgeführt wurde. Wieder andere Unterbrechungen fanden bei 60 Kilometer Geschwindigkeit pro Stunde (unsere Eilzugsgeschwindigkeit) statt, wobei die Bremse in 20 Sekunden wirkte und zirka 150 Meter (also der Zwischenraum von etwa 4 Telegraphenstangen) vom Anhaltspunkte der Zug zum Stehen kam. Bei allen diesen Versuchen kam der neue Geschwindigkeitsapparat des bayersichen Generaldirektionsrath Petri zur glänzenden Verwendung. Der Lokomotivführer gab der Kommission mittelst elektrischem Läutwerkes stets das Zeichen und konnte diese selbst mit Hilfe des Petri'schen Apparates die Beobachtungen machen. Auf der Rückfahrt wurde der Station Mering ein kurzer Besuch behufs Besichtigung der dort vorzunehmenden Bauveränderungen gemacht. Auch in Augsburg nahm die Kommission eingehende Besichtigung mancher Bauten des dortigen Bahnhofes vor. Die Kommission, welche heute Morgens 8 3/4 Uhr wegfuhr, gelangte 1/4 nach 4 Uhr Nachmittags wieder zurück. Es ist beabsichtigt, von Neujahr ab auf mehrere Wochen den Zug mit der Westinghouse'schen Bremse auf der Linie München = Weilheim laufen zu lassen und dann erst zu den offiziellen Proben dieses Apparates überzugehen, von welchen Erfolgen dann die Einführung zunächst bei sämmtlichen Schnell=, Eilzug= und Postzügen in Bayern abhängen wird. Komprimirte Luft ist die für den Bremsbetrieb angewendete Kraft. Die Bremse kann entweder vom Führer odrr von irgend einem Kondukteur in Wirkung gesetzt werden und im Falle Abreißens des Zuges oder beim Zerbrechen irgend eines wesentlichen Bestandtheiles tritt sie von selbst in Thätigkeit. Die Luft, durch eine auf der Lokomotive befindliche Luftpumpe in ein Hauptreservoir gedrückt, tritt durch das Lokomotivführer=Bremsventil in das über den ganzen Zug sich ausdehende Hauptbremsrohr ein und füllt bei jedem Fahrzeuge ein kleines Reservoir vermittelst des Funktionsventils, welches damit verbunden ist. Jedes Funktionsventil steht ebenfalls mit einem Bremszylinder in Verbindung. Sobald als der Druck in dem Bremsrohr sinkt, wird der Kolben des Funktionsventils bei jedem Fahrzeuge, durch die sich darüber befindliche, im kleinen Reservoir angesammelte Luft nach unten gedrückt und wird hiedurch der komprimirten Luft des kleinen Reservoirs gestattet, sofort in den Bremszylinder einzutreten; sie treibt dadurch den Kolben und die Kolbenstange vorwärts und bewirkt so, daß die Bremsklötze sich gegen die Räder pressen. Die Bremsen werden gelöst durch eine Steigerung des Druckes im Hauptrohre; dieselbe wird dadurch hervorgebracht, daß komprimirte Luft aus dem Hauptreservoir ins Hauptrohr eintritt. Die Folge davon ist, daß die Funktionsventile wieder nach oben gehen, daß die kleinen Reservoire aufs Neue gefüllt werden, und daß zur gleichen Zeit die Luft, durch welche die Kolben der Bremszylinder bewegt wurden, ins Freie entweicht.

Walter
Eine bemerkenswert verständliche Beschreibung der Funktion dieser Bremse. Am Prinzip hat sich ja nichts Wesentliches geändert.

Gruß

Helmut