Edit: 04.I.18 Link zu den mittlerweile wiedergefundenen fehlenden Aufnahmen gesetzt.
Eigentlich[TM] hatte ich ja vor, diese Folge schon nach meinem Urlaub Mitte September aus aktuellem Anlaß zu bringen, aber angesichts der erschreckenden Tatsache, daß durch eine mißglückte Tunnelbohrung im Süden Deutschlands fast der gesamte europäische Schienen-Güterverkehr für Wochen zum Erliegen gekommen ist, hat mich dann doch sehr erschreckt und letztendlich bewogen, davon Abstand zu nehmen. Das dort angewandte Gefrierverfahren hat sich nämlich schon seit Erfindung der Kältemaschine vor über 100 Jahren als sicheres Verfahren im Bergbau bewährt.
Mittlerweile ist ja schon fast Gras über die Sache gewachsen und so kann ich dann diese Folge doch zeigen - nur halt als kleines Dankeschön für die vielen, vielen Geburtagswünsche, die mich hier im Hifo erreichten.
Heute wenden wir uns mit mehreren Bildern dem konventionellen Streckenvortrieb unter Tage zu. Für die Erschließung der Lagerstätte bzw. dem Aufschluß neuer Vorräte müssen kontinuierlich neue Strecken unter Tage aufgefahren werden. Dies geschah vor Erfindung des Schwarzpulvers extrem mühselig von Hand - mit den beiden bekanntesten Werkzeugen (Gezähe) der Bergleute: Schlägel und Eisen; also Fäustel und Meißel. Beides immer noch gekreuzt als Symbol des Bergbaus verwendet. ( [
de.wikipedia.org] )
Viel Platz unter Tage ist ein verschwenderischer Luxus, weil die Erstellung der Grubenbaue so arbeitsintensiv ist. Deshalb fährt man stets den kleinstmöglichen Querschnitt auf - auch heute noch! Nach Einführung des Schwarzpulvers als Sprengstoff konnte die Löse-Arbeit etwas erleichtert werden: das Gebirge wurde weg gesprengt (oder weg geschossen, wie der Bergmann sagt). Das Herstellen der Bohrlöcher war aber trotzdem noch extrem mühsam und Schwerstarbeit. Erst um 1880 wurden entsprechende pneumatische Bohrhämmer verwendet, um die bis zu 2 m langen Bohrstangen ins Gebirge zu treiben. Nach Erstellen der Bohrlöcher zog sich die Mannschaft zurück und es kam der Schießmeister mit dem brisanten Sprengstoff, führte mit seinen Gehilfen die Patronen mit den Zündkabeln (Schießdrähten) in die Bohrlöcher ein (Besetzen) , verschloß die mit Sprengstoff besetzten Löcher mit Lehmnudeln, überprüfte sorgfältigst die Abwesenheit von Grubengas (Ableuchten) und verband bei "reinen Wettern" (also Abwesenheit von Grubengas) die Schießdrähte mit der Zündmaschine, lud selbige und tat nach lautem Warnruf "Es brennt! (die Lunte nämlich) die Schüsse ab. Es ist klar, daß sowohl die Vortriebsmannschaft als auch der Schießmeister in gebührendem Sicherheitsabstand dem Schießen beiwohnten und nach einer Wartezeit von 5 Minuten oder noch länger erst an die Ortsbrust zurückkehrten, um den Erfolg des Schießens zu beurteilen. Danach erfolgte das Wegräumen und Abtransportieren des weg geschossenen Gesteins, dem sog. Haufwerk sowie das Einbringen der Unterstützung des nackten Gebirges, dem Einbringen des sog. Ausbaus. Danach ging es mit Bohrlocherstellung wieder weiter wie oben. Diese Art und Weise des Vortriebes ist der sog. konventionelle Streckenvortrieb, also mit Bohren und Sprengen.
Moderner, schneller, aber nicht minder gefährlich ist der maschinelle Streckenvortrieb, der entweder mit einer Teilschnittmaschine (TSM) oder einer Vollschnittmaschine (VSM), nach Rastatt auch gemeinhin als Tunnelbohrmaschine bekannt, durchgeführt wird. Hier wird das Gebirge quasi weggefräst und kontinuierlich mittels Gummigurtbändern abtransportiert. Der Vortrieb wird bei der TSM nur kurz unterbrochen, um den Ausbau zu setzen. Dann geht es wieder weiter. Im Gegensatz dazu wird der Ausbau bei der VSM direkt hinter der Maschine eingebracht, so daß quasi kein Meter Gebirge unausgebaut bleibt.
Kommen wir nun zu den Bildern. Wir sehen die Dokumentation eines Querschlagvortriebes auf dem Bergwerk Bergmanssglück in Gelsenkirchen Buer. Es wurde der 7. westliche Abteilungsquerschlag nach Süden auf der 4. Sohle aufgefahren. Die Bilder entstanden aller Wahrscheinlichkeit nach im Sommer 1962. Dieser Querschlag wurde mittels eines Bohrwagens PW05E und einem Salzgitter Überkopflader HL 400 aufgefahren - eine seinerzeit hochmoderne maschinelle Ausrüstung! Weitere Daten: Ausbruchsquerschnitt 15, 5 m², Ausbauquerschnitt 12,5 m². Der Ausbau bestand aus Gerlach-Bögen B12,5 mit einem Bauabstand von 80 cm.
Bild 1: Da haben wir sie, die Profis ;).
Zum Schichtwechsel entstand ein schönes Gruppenfoto von zwei Schichtbelegungen, den Schießmännern (erkennbar an den alten Sicherheitslampen vor sich) und einigen Aufsichten (rechts, deutlich zu sehen die hellere Lampe vor der Brust am Lampenriemen - dem sog. Blitzer). Der Steiger ganz rechts war wohl der Obersteiger - man achte auf den Steiger-Häckel in seiner linken Hand und die herrische Haltung! Ein Teil der Belegscahft ist schon mit den moderne Kopflampen ausgerüstet, das Groß jedoch hat wohl die schwere Pottlampe tragen müssen.
Wir blicken in die fertiggestellte Strecke (also nach Norden), die Ortsbrust muß direkt hinter dem Fotografen sein; erkennbar an dem vielen kleinen Haufwerk, welches noch zwischen den Gleisen liegt. Auf halber Höhe erkennen wir an den Stößen Druckluft- und Wasserleitungen, Elektrokabel etc. Links oben hängt die die dicke Wetterlutte an der Firste, durch die mittels eines Ventilators frische Luft (Wetter) nach vor Ort gebracht wurde; eine sog. blasende Bewetterung.
Durch den Vergleich mit der Gruppe werden die o.g. technischen Daten (Querschnitt und Bauabstand ja sehr plastisch verdeutlich!
Bild 2: Die Aufsicht, die hier vor Schichtbeginn mit den 4 Mann Belegung einer Schicht ein Instruktionsgespräch vor Beginn der Arbeit führt, ist uns ja schon in Bild 1 aufgefallen (zweiter von rechts). Die Gruppe steht in einem Streckenabzweig, der durch die gemauerten Stöße auffällt. Auch hier springen wieder die dicken Luttentouren ins Auge; jede Undichtigkeit ist akribisch mit Fettband abgedichtet worden, um Verlsute weitesgehd zu vermeiden. Auf diesem Bild erkennen wir die schweren elektrischen Pottlampen, die in Bildmitte auf der Sohle stehen. Die Blechbüchsen, die die beiden Kumpel rechts tragen, sind die sog. Filterselbstretter, die heute jeder unter Tage verpflichtend mit sich zu führen hat. Die Selbstretter sind Katalysatoren, die bei einem etwaigen Grubenbrand das extrem giftige Kohlenmonoxyd in ungiftiges Kohlendioxyd umsetzt.
Bild 3: So, und hier sind wir jetzt "vor Ort"! Wir sehen die Ortsbrust des Streckenvortriebes. Dies - und nur dies - wird bergmännisch korrekt als "vor Ort" bezeichnet. Wir erkennen, daß die Ausbaubögen bis nahezu an die Ortsbrust gestellt sind. Das bedeutet, daß die Bohrarbeit erst vor Kurzem aufgenommen wurde. Links im Bild ragt die Bohrlaftte des Borwagens ins Bild; die Bohrstange ist schon etwa hälftig in der Ortsbrust verscwunden. Man sieht: Wasser zur Staubbindung spielt eine extrem wichtige Rolle - der Kumpel rechts spült ein schon gebohrtes Loch mit einer Lanze aus, um die letzten Reste Bohrklein aus dem Loch herauszuspülen. Die gesamte Ortsbrust glänzt speckig, da sie kräftig abgebraust wurde. Die Pfützen links auf der Sohle zeigen deutlich, daß hier keinesfalls am Wasser gespart wurde. Dies ist aber auch bitter nötig, um den allfälligen Gesteinsstaub weitestgehend zu binden und niederzuschlagen - die Silikose ( [de.wikipedia.org] ) ist eine furchtbare und gefürchtete Berufskrankheit der Bergleute - gerade derjenigen, die hauptsächlich im Streckenvortrieb tätig waren (so wie mein Opa :()!
Links sieht man schön, wie der Ausbau aufgebaut ist. Die 3 stählernen Bögen werden gegen Umfallen durch die Verbolzung gestützt. Diese Verbolzung sind die waagerechten Holzstempel in mehr oder weniger gerader Linie, die man oberhalb und unterhalb der Bedruckung der Bögen erkennen kann. Hinter den Stahlbögen sieht man den sog. Verzug aus Handsteinen, die hier von Verzugshölzern aus Abschwarten am Herabfallen gehindert werden. Durch diesen Verzug wird quasi ein komprimierbarer Puffer erstellt, welcher den auflaufenden Gebirgsdruck zunächst aufnimmt, bevor nach Kompression des Verzuges dieser dann vollends auf die stählernen Bögen geleitet wird. Ganz oben sieht man noch zwei sehr kräftige Doppel-T-Träger an der Firste. Dies sind die sog., Vorpfändschienen, deren Funktion wir gelich noch kennelernen werden.
Bild 4: Der Bohrwagen wird hier auf dem linken Gleis umgesetzt, damit dann mit der Lafette das nächste Loch gebohrt werden kann. Für solche Querschnitte waren durchaus 50 bis 60 Bohrlöcher vonnöten! Falls sich manche die Frage stellen, warum die Kumpels da doch so leicht bekleidet malochen - die Antwort ist einfach. Es war buff-warm vor Ort! Da ja noch keine durchgehende Bewetterung möglich war, konnte die Gebirgswärme ja nur durch die blasende Sonderbewetterung abgeführt werden. Die Ortsbrust hatte ja noch die vorherrschende Gebirgstemperatur, die mit Sicherheit um die 30° lag. Zusammen mit dem vielen Wasser herrschte vor Ort gerne tropisches Klima - und dann muß man ja auch noch kräftig anpacken! Auf diesem Bild sieht amn die Vorpfändkappen noch etwas besser, zugleich erkennt man die eöektrsiche Lampe zwischen den beiden Vorpfändkappen. Dies war - neben den Mannschaftlampen - die einzige Beeluchtung. Diese Lampe war mit einem preßluftgetriebennen Generator ausgerüstet und gab im Betrien ein ohrenbetäubenden Pfeifen von sich. Ebenso die gesamte Maschinerei, die ebenfalls pneumatisch betrieben wurde!
Bild 5: Eine weitere Totale der Szenerie, links der gesamte Bohrwagen mit dem gerade noch erkennbaren dicken Druckluftschlauch. Hier erkennt man schön die elektrische Leuchte unter der Firste, die an einem Druckluftschlauch hängt, der in dem rechts angeflanschten Generator mündet.
Bild 6: Hier sehen wir den Bohrwagen einmal von der anderen Seite. Der Kumpel rechts bedient die Lafette mittels der vielen Hebel. Nach hinten verschwindet der dicke Druckluftschlauch.
Hier fehlen jetzt leider einige Bilder. Nachdem alle Löcher gebohrt sind, kommt der spannendste Moment - das Besetzen der Bohrlöcher mit Sprengstoff und dem Abtun der Schüsse.
Deshalb muß jetzt ein YouTube Video herhalten:
[www.youtube.com]
Ab Minute 2:20 sieht man die Bohrlafette in Aktion
ab Minute 3:12 kommt der Schießmeister und tut die Schüsse ab
ab Minute 5:00 sieht man einen Überkopflader in Aktion
Die fehlenden Bilder sind einenm neuen Beitrag hier ( [
www.drehscheibe-online.de] ) zu finden.
Bild 7: Unmittelbar nach Abtun der Schüsse sieht es jetzt ein wenig unordentlich aus. Man begutachtet den Erfolg des Schusses und - viel wichtiger - die Schäden am schon gesetzten Ausbau, die durch die Explosionen entstanden sind - diesen werden gerade oberhalb der Leuchte sehr offensichtlich.
Direkt nach der vorgeschrieben Wartezeit wird als allererstes die freigelegte Firste (Decke) mit den beiden Vorpfändschienen gesichert, d.h. die beiden kräftigen Doppel-T-Träger werden bis ganz an die Ortsbrust herangeschoben und stellen so eine erste grobe Sicherung dar.
Die Aufgabe der Mannschaft ist es nun, zunöächst die Kappbögen aufzulegen und dann das ganze Haufwerk wegzuräumen, der Sandschiefer ist größtenteil sehr plattig gefallen, aber man achte einmal auf die ganz dicken Brocken links!
Bild 8: Die Ausbauarbeit beginnt. Heute wird es noch genauso gemacht: 3 Mann, Vier Ecken und mit viel Hauruck und Muskelkraft werden die Kappbögen auf die Vorpfändschienen gelegt (wobei die Vorpfändung heute maschinell geschieht - das habe ich heuer fotografiert und zeige ich dann im HiFo 2027 ;)). Auf diesem Bild erkannt sehr schön die Ausmaße der dicken Brocken. Weiterhin erkennt man die beiden Bohrungen im Kapp-Bogen und am linken Bildrand sher schön die 4-fach verschraubte Lasche, die den vorderen Kappbogen mit dem Stoßbogen verbindet. Wegen der Bohrungen haben wir hier einen starren Ausbau vor uns. Die drei Bögenteile formen so quasi ein festes Portal, welches keine Nachgiebigkeit hat; diese kommt nur durch den Verzug!
Bild 9: Alle drei Kapp-Bögen leigen auf und werden jetzt verteilt. Da wir ja 80 cm Bauabstand haben, ist der abgeschossene Abschlag gut 2,5 m lang! Auf diesem Bild erkennt man auch gut, woher die 3 m² Differenz zwischen Ausbruchs- und Ausbauquerschnitt herrühren!
Bild 10: Sogar eine Leistungsübersicht zu diesem Vortrieb hat überlebt. Beachtenswert finde ich, daß im August 1962 bei einer 4/4 Belegung ein monatlicher Fortschritt von fast 123 m erzielt wurde:
Ganz rechts sind Lohnangaben - man kann sich dann mal ausrechnen, wie viel Geld die Jung für diese Plackerei bekommen haben. Dafür würde heute keiner mehr das Bett verlassen!
Dies wird mit ziemlicher Sicherheit der letzte Beitrag für 2017 sein. Ein (für mich) sehr durchwachsenes Jahr, mit zum Teil unschönen gesundheitlichen Problenem, aber natürlich auch mit einigen schönen Hochlichtern, an die ich geren zurückdenke.
Ich wünsche hiermit allen HiForisti ein besinnliches Weihnachtsfest und eine gutes und vor allen gesundes und erfolgreiches neues Jahr 2018.
Glück Auf!
RUHRKOHLE - Sichere Energie
seit dem 24.II.2022 bittere Wahrheit in Europa
4-mal bearbeitet. Zuletzt am 2018:01:04:13:20:45.