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 04 - Historisches Forum 

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Hallo HiFo!

vor einigen Tagen hatte ich ja Geburtstag. Das hat den netten Nebeneffekt, dass einem dann des Öfteren nette Kleinigkeiten zulaufen, die einem das Hobby versüßen. Und mir lief der Geschäftsbericht der Bergisch-Märkischen Eisenbahn von 1873 zu und da habe ich eine Fußnote gelesen, die mich an ganz anderer Stelle weiter brachte. Aber ich fange mal vorne an. Es geht um dieses Bild:


https://abload.de/img/00_bme_o_bhfbredelar_v4pwi.jpg
Quelle: Architekturmuseum, TU Berlin, Inventarnummer: BZ-F 05,007, [architekturmuseum.ub.tu-berlin.de]

Das Bild zeigt den Bahnhof Bredelar "im Bau". - Bei der Gelegenheit eine kurze Anmerkung: Das Architekturmuseum hat einige alte Fotos von Bahnanlagen im Bestand. Sei es das Traject der Rheinischen Eisb. in Rheinhausen, die Bahnanlagen der Bergisch-Märkischen Eisenbahn oder anderes... und seit kurzem stehen ein Großteil der Bilder zur freien Nutzung zur Verfügung. Einzige Bedingung: Benennung der Quelle. Daher kann ich das Bild hier zeigen.

Aber zurück zum Bild. Wie gesagt, sehen wir den Bahnhof im Bau. Wir müssen uns daher spätestens 1873 befinden, da zu diesem Zeitpunkt die Strecke in Betrieb genommen wurde. Unten rechts findet sich der Eintrag 4/4 73, dabei könnte es sich um das Aufnahmedatum handeln.

Schauen wir uns die Szenerie mal etwas näher an:


https://abload.de/img/00_bme_o_bhfbredelar_f2q5q.jpg

(Ein "jüngeres" Vergleichsfoto gibt es übrigens hier [www.bergbauspuren-bredelar.de] => *rechts klick* auf das Bild und "Grafik anzeigen" auswählen.)


Noch näher:



https://abload.de/img/00_bme_o_bhfbredelar_e7olw.jpg


Uups, das ist ja mal eine Lok. Eine 1A1-Schlepptenderlok. Hmm, die Anordnung der Achsen ist ja mal spannend. Der Abstand von der führenden Laufachse zur Treibachse ist extrem kurz. Dafür ist der Abstand zur hinteren Laufachse um so weiter. Spannendes Gefährt...
Entweder ist es eine optische Täuschung oder der Kessel ist abgeflacht. Und wenn man genau hinschaut - bzw. die Lösung kennt - erkennt man auch einen kleinen Stehkessel, der weitestgehend im Führerhaus verschwindet.

Problematisch ist nur: So ein Geschoss kann ich in der Standardliteratur nicht finden: Menninghaus rauf, Menninghaus runter... Hütter/Pieper rauf, Hütter/Pieper runter - nix gefunden. Das einzige, was ansatzweise ähnlich ist, ist die "MÜNSTER" der Cöln-Mindener-Eisenbahn, gebaut 1848 unter der Fabrik-Nr. 101 bei Kessler. Aber die Unterschiede sind trotzdem deutlich... (Bilder dieser Lok finden sich z.B. im Preußen-Report Band 4, Bild 13 auf Seite 19. Oder im Hütter/Pieper Band 1, Seite 133).
Schade, das sind die beiden einzigen mir vorliegenden Bücher mit Bildern von Loks der BME...

Aber es muss ja nicht BME sein. Wer weiß, welches Bauunternehmen die Gleise baute. Ich habe gesucht... Und außerdem: Auch damals gab es bestimmt schon einen Gebraucht-Lok-Markt - wie kommen wir eigentlich zu der Annahme, dass eine Lok bis zur Verschrottung beim Erstbesitzer verblieben ist?

Das war lange Zeit mein Kenntnisstand - also eher ein "Unkenntnisstand"... aber so ist das manchmal... Und dann:


Jahre später...


Ich habe Geburtstag! Und es läuft mir der Jahresbericht der Bergisch-Märkischen Eisenbahn von 1873 zu. Ich blättere durch diesen Datenfundus und stöbere durch die Fußnoten.

Auf Seite 128 finde ich dann eine höchst spannende Bemerkung:
Die ausrangierten und der Bau-Abtheilung übergebenen Locomotiven Isar und Ocker haben in 400 Fahrtagen in Summa 39.156 Kilometer oder 5.220,8 Meilen zurückgelegt, 620 Stunden Rangierdienst und 606 Stunden Reservedienst geleistet.

Es gab also bei der BME eine Bauabtheilung mit eigenen Loks. Und - ich bin ja ein neugieriger Mensch... Was waren das für Loks? Der Menninghaus ist hier erstmal das Mittel der Wahl: Bei beiden Loks handelt es sich um 1A1-Maschinen von Kessler, Baujahr 1849, gebaut für die Aachen-Düsseldorf-Ruhrorter Eisenbahn. Bilder? Leider Fehlanzeige.

ABER: Vor einigen Wochen gab es doch hier im HiFo einen Hinweis auf das Bildarchiv an der ETH Zürich und hier gab es eine Übersicht der Dampfloks eben dieser frühen Privatbahn: [doi.org]

Und das passt! Es gibt - in der zweiten Reihe - zwei nahezu baugleiche Bautypen, nur, dass die rechte geringfügig leichter ist und der Stehkessel mehr im Führerhaus verschwindet. Ich vermute daher, dass es sich auf dem Bild um die vormalige "HOMBERG" bzw. spätere "ISAR" handelt. Menninghaus gibt für die Lok das Verschrottungsjahr 1874 an. (Die alternative Lok "OCKER" entspricht der anderen Bauart mit größerem Stehkessel und wurde bereits 1873 ausgemustert.)

Hier nun noch mal der Lebenslauf der Lok in Gänze:
Kessler 139 / 1849, 1A1n2, 1435 mm
neu an Ruhrort-Crefeld "HOMBERG 22"
1850 Umfimierung der Bahngesellschaft zur "Aachen-Düsseldorf-Ruhrorter Eisenbahn"
1866 Übernahme der Bahn durch die Bergisch-Märkische Eisenbahn, Umzeichnung in "ISAR 254"
1871 + => an Bauabteilung
1874 ++


Damit ist das Foto die einzige mir bekannte Abbildung einer Lok der vormaligen Aachen-Düsseldorf-Ruhrorter Eisenbahn!

Ich hoffe, Ihr habt nur ein bischen so viel Freude daran, wie ich...
(Das ist aber auch altes Zeug...)

Besten Gruß

Christian




PS.: An alle später Lesenden: Erfahrungsgemäß antworten die meisten Leser innerhalb der ersten 24 Stunden auf einen Forumsbeitrag. Gelesen wird er aber auch noch Wochen später. Ich freue mich natürlich auch noch nach Tagen, Wochen, Monaten über jede Rückmeldung, Anregung und Kritik!

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Moin Christian,

Deine Freude kann ich zwar nicht in Gänze teilen, weil dieser Zeitraum mich nicht sooo sehr interessiert, aber spannend finde ich es trotzdem. Vor allem finde ich es Wahnsinn, welche Akribie Du an den Tag legst, hier zu einem Ergebnis zu kommen - meine größten Respekt dafür!!!

Die Osterfelder Ostereier grüßen freundlichst
Phantastische Bildqualität von 1873 - der Photograph verstand sein Handwerk!

Damals wurde noch fotografiert und nicht nur geknipst ,-)

Große Klasse, Glückwunsch zur erfolgreichen Recherche. Und ja, ich kann deine Begeisterung für scheinbare Nebensächlichkeiten teilen. So alte Fotos sind voll davon.
Ja, Christian, ich kann dieses Glücksgefühl, wenn man wieder zufällig einen Puzzlestein gefunden hat, absolut nachvollziehen ;)

Die Lok ist aber auch - uhm - "gewöhnungsbedürftig".... Aber so war das damsls halt.

RUHRKOHLE - Sichere Energie

seit dem 24.II.2022 bittere Wahrheit in Europa




1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2017:09:22:20:59:42.
Die Bauart der Lok dürfte recht einfach zu erklären sein- in Preußen waren ja die "Long- Boiler"- Loks mit ihren großen Überhängen seit 1851 verboten, seit es bei dem Unglück bei Isselhorst- Avenwedde den Kronprinzen Friedrich in die westfälische Botanik gesteckt hatte (an der Unfallstelle bin ich noch vor ein paar Tagen vorbeigekommen). Da dürfte man dann einfach mal in den 1850er Jahren die hintere Laufachse hinter den Stehkessel versetzt haben, um der neuen "Bahn- Polizei- Verordnung" (unter Bahnpolizei verstand man damals die staatliche Aufsicht über die Privatbahnen im Rahmen der "Gewerbe- Polizei").
Nicht ganz uninteressant ist auch der Name "Ocker": Diese Schreibweise scheint im 19. Jh. durchaus häufig für den Ort und den Fluß Oker im Harz verwendet worden zu sein- in dr damaligen hüttentechnischen Fachliteratur werden öfters die "Staatlichen Hüttenwerke zu Ocker im Harz" erwähnt.
Zitat:
Es gab also bei der BME eine Bauabtheilung mit eigenen Loks. Und - ich bin ja ein neugieriger Mensch... Was waren das für Loks? Der Menninghaus ist hier erstmal das Mittel der Wahl: Bei beiden Loks handelt es sich um 1A1-Maschinen von Kessler, Baujahr 1849, gebaut für die Aachen-Düsseldorf-Ruhrorter Eisenbahn. Bilder? Leider Fehlanzeige.

Gibt es vielleicht irgendwo anders weitere Hinweise auf diese Bauabteilung und (für mich eher interessant) auf deren Schmalspur-Bauloks? Die Jahresberichte, soweit ich sie überflogen habe, geben da nichts her.

Ansonsten, wie so oft bei Dir, ein spannender Beitrag.

Gruß, Walter

Die Riedbahn von Darmstadt nach Goddelau-Erfelden, und mehr, auf https://www.walter-kuhl.de/riedbahn/.
Neueste Seite: Bahnwärterhäuser in Darmstadt und der näheren Umgebung. *** Mein DSO-Inhaltsverzeichnis.
Hallo Christian,

ein wirklich sehr interessantes Foto! Die Arbeiter stehen stramm für den Fotografen, genau in Reihe und mit passendem Abstand – bei diesem Bild ist nichts dem Zufall überlassen worden. Auch die Baustelle wurde sicher vorher fotogerecht aufgeräumt.

Nicht übersehen sollte man das Kloster im Hintergrund, das zu dieser Zeit als Hüttenwerk genutzt wurde – mit einem Hochofen in der ehemaligen Kirche! Heute noch eine sehenswerte Anlage, auch wenn nicht mehr alle hier noch zu sehenden Gebäude vorhanden sind.

Daraus folgt die Frage, wem die Schmalspurwagen im Bild gehören. Vermutlich doch nicht der BME, sondern der Hütte! Die Rhene-Diemeltalbahn nach Martenberg kann es nicht sein, die Begann (ab 1873) auf der anderen Seite der Bahn. Eher ist an ein Anschlussgleis zum Bahnhof zu denken, um Kohle oder Koks abzuholen. Leider habe ich die Literatur zur Geschichte der Hütte hier nicht zur Hand, aber es gibt Publikationen dazu.

Viele Grüße

Burkhard
Hallo HiFo!

Besten Dank für die positiven Rückmeldungen. Es ist schön zu wissen, dass andere das eigene Leiden verstehen... :-)

@Walter: Bisher ist mir nicht bekannt, dass die Bauabteilung der BME eigene Schmalspurloks besessen hätte. Ich binbisher davon ausgegangen, dass etwaige Schmalspurloks den externen Bauunternehmen gehörten... Aber ich halte die Augen offen!

@Burkhard: Ich habe nochmal die Jahresberichte befragt. Netter Weise führen die auch auf, welche Anschlussgleise wo an die BME angrenzen. Unter der laufenden Nummer 121 findet sich 1874 ein Anschluss in Bredelar. Und zwar wurden über einen 795 Meter langen normalspurigen Anschluss die Eisensteingruben der Aplerbecker Hütte (Dortmund), der Dortmunder Union (Dortmund) und der Westfälischen Union (Hamm) an den Bahnhof Bredelar angeschlossen. Die Summe aller Gleislängen betrug 928 Meter. Insgesamt waren zwei Weichen vorhanden. Der Betrieb erfolgte von der BME und transportiert wurden hauptsächlich Steine.

Das beantwortet aber leider nicht die Frage nach dem Feldbahn-Material... schade...

Besten Gruß in die Runde!

Christian

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Chr. Dahm schrieb:
@Walter: Bisher ist mir nicht bekannt, dass die Bauabteilung der BME eigene Schmalspurloks besessen hätte. Ich binbisher davon ausgegangen, dass etwaige Schmalspurloks den externen Bauunternehmen gehörten... Aber ich halte die Augen offen!

Schmeiser/Willhaus/Merte gehen davon aus, dass 1872 die Loks 27 und 28 der Maschinenfabrik und Eisengießerei Darmstadt an die BME (als Bauloks) geliefert worden sind. Beide sind 900 mm B-n2t. Ich war dann erstaunt, dass in den Jahresberichten der BME selbige Loks nicht aufzufinden sind. Ich forsche halt jedem Strohhalm nach.

Gruß, Walter

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Christian, was ist dass denn mal wieder für ein großes Kino! Bei dem Gleis im Vordegrund dürfte es sich um die meterspurige Rhene-Diemeltalbahn gehandelt haben?

LG

Jörn
Fürwahr ein großes Kino!
Aber Kino mit Untertiteln... ;-)

Denn denn des Silbergräbers Frage: "Bei dem Gleis im Vordegrund dürfte es sich um die meterspurige Rhene-Diemeltalbahn gehandelt haben?" ist ja bereits drei Beiträge darüber von Burkhard Beyer beantwortet worden: "Die Rhene-Diemeltalbahn nach Martenberg kann es nicht sein, die Begann (ab 1873) auf der anderen Seite der Bahn. Eher ist an ein Anschlussgleis zum Bahnhof zu denken, um Kohle oder Koks abzuholen." Und was sollte die Grubenbahn vor dem BME-Lokschuppen? ;-)

Rolf Löttgers schreibt in seinem Buch zur Rhene - Diemeltalbahn (S.27-28) von einem Baubeginn vor August 1873, sowie einer Teileröffnung von Bredelar nach Bismarkstollen/Grube am 28. März 1874. Erst am 23.Mai 1875 erfolgte die Eröffnung bis Martenberg.
Die in dem Buch zu sehende Lageskizze (aus "Die Bahnenim Altkreis Brilon" von Josef Högemann) weist nach, das die ANschlußgleise bzw. die Betriebsanlagen der R-D. gute 900m weiter in Fahrtrichtung der Homberg/Isar lagen. In der Hoffnung mich mit dem Gockellink nicht zu blöd anzustellen, versuche ich das mal zum passenden Satelitenbild.

Ein höchst interessantes Thema neben der BME-Geschichte.

Beste Grüße aus dem Bergischen

Michael

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"Jetzt sind die guten alten Zeiten, nach denen wir uns in zehn Jahren zurücksehnen werden."(Peter Ustinov)____ P.S.: Ich kann ihm trotzdem nicht glauben;-)

...noch mal zur Datierung...

geschrieben von: Chr. Dahm

Datum: 26.09.17 23:21

Hallo zusammen!

Meine ursprüngliche Vermutung, dass das Bild 1874 entstanden ist, kann nicht stimmen. Ich habe noch einmal im Geschäftsbericht von 1873 geblättert. Hier heißt es, dass die Strecke Bestwig - Warburg am 6. Januar 1873 eröffnet worden ist.
Da es aber auf dem Bild beim besten Willen nicht nach Winter aussieht, sondern die Bäume volles Laub tragen, würde ich also eher auf das Sommerhalbjahr 1872 tippen. Dies deckt sich mit den Angaben im Geschäftsbericht 1871: "Für den Oberbau war am Jahresschlusse [1871] der gesammte Materialbedarf in der Anlieferung begriffen, auch hatten auf allen Bahnhöfen die Hochbauten begonnen."
Da auf dem Foto die Hochbauten auch schon recht weit gediehen scheinen, würde ich - wie gesagt - das Bild auf Sommer 1872 datieren.

@Walter: Die Schmalspurloks für die BME waren mir bisher entgangen, ich werde aber ab jetzt die Augen offen halten...

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