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Hallo,
hier mehrere Zeitungsartikel zu einem Unfall bei Sauerlach im Januar 1861:

Münchner Neueste Nachrichten
Montag, 14. Janaur 1861
Nr. 14
** München, 13. Jan. Bei dem heute Morgen nach Rosenheim abgegangenen Güterzug hat sich oberhalb Sauerlach die Maschine vom Tender losgerissen. Die Heizer blieben auf letzterem zurück, der Führer fiel unglücklicherweise herab und wurde durch den nachrollenden, übrigens bald gestellten Zug schwer verwundet. Die Maschine setzte allein ihren Weg fort und stieß außerhalb Holzkirchen auf den von Rosenheim kommen Güterzug, wobei dessen Führer u. Heizer leichte Verletzungen erhielten. Von den Passagieren und sonstigem Personale wurde Niemand beschädigt.

Augsburger Postzeitung
Dienstag, 15. Januar 1861
Nr. 13
Heute Morgen ereignete sich auf der Bahnstrecke zwischen Holzkirchen und Rosenheim ein Unfall, der die schrecklichsten Folgen hätte haben können. Bei dem von hier abgegangenen Güterzug Nr. 17 hat sich nämlich oberhalb der Station Sauerlach die Locomotive vom Tender losgerissen. Die Heizer blieben auf letzterem zurück, der Lokomotivführer aber stürzte in Folge der Erschütterung auf das Geleise und wurde durch den in vollem Lauf befindlichen Zug, der übrigens bald gestellt ward, sehr schwer verletzt (es sollen dem Unglücklichen, dessen Frau in gesegneten Umständen sich befindet, beide Beine abgefahren worden sein). Die Locomotive setzte in vollem Dampf mit der größten Schnelligkeit allein den Weg fort und passirte ohne Hindernis den Bahnhof in Holzkirchen. Außerhalb Holzkirchen, wo das Geleise gegen den Teufelsgraben zu abfällt, stieß sie mit in Folge des Gefälls verstärkter Kraft und Schnelligkeit auf den von Rosenheim kommenden Güterzug. Der Zusammenstoß war natürlich so gewaltig, daß die beiden Maschinen buchstäblich zertrümmert wurden. Merkwürdiger Weise erlitten Führer und Heizer des Rosenheimer Zuges nur leichte Verletzungen, während das übrige Dienstpersonal und die Passagiere mit dem Schrecken davonkamen. Tender und die übrigen Wägen sollen nicht beschädigt worden sein. Von hier begab sich sofort nach der eingetroffenen telegraphischen Meldung des Vorfalls der Vorstand des Oberpost= und Bahnamts Graf v. Reigersberg mit einem Oberpostrath, einem Ingenieur und Arzte nach dem Ort des Unfalles. Der schwerverwundete Locomotivführer (Merz) wurde nach Holzkirchen gebracht, wo er bat, seiner Frau nur zu melden, daß er erkrankt sei. Wahrscheinlich befindet er sich nun bereits unter den Todten. Es sollen 14 Verwundete in Holzkirchen liegen.

Münchner Neueste Nachrichten
Dienstag, 15. Janaur 1861
Nr. 15
Dem, wie gestern gemeldet, beim Rosenheimer Güterzug oberhalb Sauerlach schwer verwundeten Maschinenführer (Merz), welcher Mittags hieher in das allgem. Krankenhaus verbracht wurde, wurden heute Vorm. beide Beine am Kniegelenke amputirt. Der Unglückliche, verlässig im Dienst und ein braver Familienvater, wird allgemein bedauert.

Augsburger Abendzeitung
Dienstag, 15. Januar 1861
Nr. 15
München, 14. Jan. Zu dem Berichte über den Eisenbahnunfall tragen wir noch einiges Nähere nach. Es war der gestern Morgens 4 Uhr 45 Min. von hier nach Rosenheim abgegangene Güterzug Nr. 17, welchem der angegebene Unfall begegnete. Die Losreisung der Maschine vom Tender war die Folge des Brechens der Kuppel, welche beide verbindet, ein Unfall, der so viel bekannt, bei einem im Gange befindlichen Zuge außerhalb der Bahnhöfe bis jetzt noch niemals vorgekommen ist. Es war in dem sog. Teufelsgraben jenseits Holzkirchen, in welchem die Bahn bekanntlich in ziemlich stark absteigender Richtung sich gegen Westerham zieht, wo die allein dahin fahrende Lokomotive mit den beiden Lokomotiven des von Rosenheim kommenden Güterzugs zusammenstieß, nachdem sie ohne Nachlaß der Dampfkraft und ohne Führer, allein, noch eine Wegstrecke von etwa drei Stunden Länge zurückgelegt hatte. Daß alle drei Lokomotiven bei dem Zusammenstoße beschädigt wurden, ist begreiflich. Der schwer verwundete Lokomotivführer wurde noch gestern Nachmittag von Holzkirchen, wohin er zuerst gebracht worden war, hieher zurück und sogleich ins allgemeine Krankenhaus gebracht, um dort alle nöthige ärztliche Pflege zu erhalten. Leider wird wahrscheinlich die Amputation seiner beiden Beine nöthig werden. (N. M. Z.)

Augsburger Tagblatt
Mittwoch, 16. Januar 1861
Nr. 16
München, 14. Jan. Ueber das Eisenbahnunglück bei Holzkirchen bringt der "Münch. Bote" noch folgendes Weitere: Die Lokomotive, die in Folge eines Brechens der Kuppel plötzlich sich vom Tender losriß und ihren Führer herabschleuderte, brauste ledig und allein von Sauerlach weg, durch die steigende Kraft des Dampfes immer schneller rasend, die ganze Station bis Holzkirchen, wo sie bei der Kreuzung von einem Schienenstrang auf den anderen übersprang und wieder fortsauste, zum größten Schrecken des Dienstpersonals, da bereits der Güterzug von Rosenheim her signalisirt war. An ein mögliches Aufhalten des Dampfrosses war nicht zu denken. Bald hörte man auch weithin einen furchtbaren Kracher, der den Zusammenstoß verkündete. Ein Führer des Güterzugs, dem zwei Lokomotiven vorgespannt waren, wurde weit in den Schnee hinausgeschleudert. Zwei Lokomotiven wurden total zertrümmert und das dritte arg ruinirt, so daß der Schaden ein beträchtlicher sein wird. Nach größeres Unglück hätte gedroht, wenn die Lokomotive den sog. Teufelsgraben erreicht hätte und hier bergab auf den Zug gestoßen wäre. Den einen Lokomotivführer März, einem wackeren (erst seit einem Jahre verheiratheten) Mann, wurden beide Füße zerquetscht, so daß eine Amputation nicht zu vermeiden sein wird; der Unglückliche wurde im Laufe des Tages hieher ins allgemeine Krankenhaus gebracht, zwei Heizern wurden die Rippen eingedrückt; sie wurden im Krankenhaus zu Holzkirchen untergebracht. Die Passagiere kamen glücklicherweise mit dem Schrecken davon. Sobald die telegr. Meldung von dem Unfalle im hiesigen Bahnhof eingetroffen, ward sofort ein Hilfszug mit einer Commission von Bahnbeamten nach dem Schauplatz des Unglücks abgesendet.

Augsburger Abendzeitung
Freitag, 18. Januar 1861
Nr. 18
München. Ueber das Eisenbahn=Unglück, welches sich am Sonntag den 13. d. früh zwischen 6 und 7 Uhr auf der Strecke München = Rosenheim ereignete, kommen dem "Bayer. Kurier" von einem Augenzeugen folgende nähere Angaben zu: "Von dem am 13. ds. Morgens 4 Uhr 45 Minuten von München abgegangenen Güterzug Nr. 17 trennte sich, eine Bahnwärterstrecke außerhalb Sauerlach in der Richtung nach Holzkirchen, in Folge des Zerreißens der Kuppelung, die Maschine vom Tender; letzterer war außer der gebrochenen Kuppelstange noch mit 2 sogenannten Nothketten mit der Maschine verbunden. Durch die Prellung, welche der kurze Widerstand der jedenfalls zu schwachen, dem Zwecke nicht entsprechenden Nothketten verursachte, wurde der auf der Maschine stehende Führer März aus München von dieser zurückgeworfen und stürzte zwischen Maschine und Tender dergestalt, daß ihm letztere über beide Füße hinweg ging und diese unterm Knie abdrückte, während die nun ledige Maschine nach Holzkirchen raste. Das diesen Zug begleitende Personal brachte den Führer März nach der Station Sauerlach und ließ Holzkirchen telegraphisch benachrichtigen, daß eine ledige Maschine gegen den von Rosenheim abgegangenen und in Holzkirchen zur Kreuzung bestimmten Güterzug laufe. Allein die Maschine passirte in demselben Augenblick Holzkirchen, als dort die Depesche ankam, so daß ein Abweisen der um 20 Minuten zu früh die Station passirdenden Maschine nicht möglich war. Zwei Minuten später wurde in Holzkirchen der Zusammenstoß gehört, welcher in der Nähe des Pfarrdorfes Vöching stattfand. Der Stoß war so heftig, daß von der anprallenden Maschine der Kamin weit fort flog und die drei Maschinen, die anprallende sowie die beiden entgegenkommenden sämmtliche Glieder einbüßten und buchstäblich ineinander steckten. Ebenso wurden die den Zug bildenden Wagen sämmtlich mehr oder minder beschädigt; die in den Personenwagen befindlichen Passagiere und Kondukteure kamen mit dem Schrecken davon, nicht so die Führer und deren Heizer. Der auf der Vorspannsmaschine befindliche Führer Greif wurde am Kopfe und Körper erheblich, jedoch nicht lebensgefährlich beschädigt, während der auf der zweiten Maschine stehende Führerlehrling Häberlein ungefähr 25 Schritte weit an der Böschung geschleudert wurde, wo ihn der 1 1/2 Fuß tiefe Schnee von jeder weiteren Beschädigung schützte. Von den Heizern liegt einer im Krankenhause zu Holzkirchen mit gebrochenen Rippen, ein anderer sowie Führer Greif fanden menschenfreundliche Aufnahme und Pflege bei dem Post=Bahn=Expeditor Hrn. Stieglitz zu Holzkirchen."

Augsburger Abendzeitung
Sonntag, 20. Januar 1861
Nr. 20
München, 17. Jan. Der am vergangenen Sonntag beim Rosenheimer Bahnzug verunglückte und inzwischen amputirte Lokomotivführer Merz ist gestorben.

Münchner Neueste Nachrichten
Montag, 21. Januar 1861
Nr. 21
Heute Nachm. wurde der vorigen Sonntag bei Sauerlach verunglückte Maschinenführer Merz, welcher die erlittene Amputation beider Beine nur einige Tage überlebte, unter sehr zahlreicher Theilnahme beerdigt.

Augsburger Abendzeitung
Dienstag, 22. Januar 1861
Nr. 22
München, 21. Jan. Gestern Nachmittag 4 Uhr fand das Leichbegängnis des verunglückten Lokomotivführers Merz statt. Herr Generaldirektor Frhr. v. Brück, der Vorstand des k. Oberpost= und Bahnamts von Oberbayern, Hr. Graf v. Reigersberg, mehrere Oberposträthe, viele Beamte und Bedienstete der Verkehrs=Anstalten und sonst noch zahlreiche Leidtragende erwiesen dem Verlebten die letzte Ehre. (B. K.)

Augsburger Postzeitung
Donnerstag, 24. Januar 1861
Nr. 21
München, 23. Jan. Die Frau des nun gestorbenen Locomotivführers März hat sogleich den Tag nach dessen Beerdigung von J. M. der Königin, Höchstwelche Theilnahme für Unglückliche und Mildthätigkeit bei jeder sich bietenden Gelegenheit bethätigt, eine momentane Unterstützung von 25 fl. durch einen Hofbediensteten zugeschickt bekommen.

Grüße
Walter
Hallo,

vielen Dank für die Erschließung dieser im Original sicher nicht ganz einfach zu lesenden Quellen.

Ich finde es bemerkenswert, wie viel Mitgefühl mit dem Lokführer und seiner jungen Familie aus den Artikeln spricht. Sozialversicherung, Unfallverhütungsvorschriften und ähnliches wurden ja erst einige Jahrzehnte später eingeführt, noch nicht einmal das Rote Kreuz war erfunden, deshalb hätte ich gedacht, damals wäre so ein tragisches Schicksal noch nicht sonderlich in der Öffentlichkeit thematisiert worden.

Über die ersten 50 oder 70 Jahre der Eisenbahn wissen wir viel zu wenig. Ich zumindest.

Viele Grüße
KBS435
Vielen Dank für die Mitteilung!

Das Schwierigste und Umständlichste ist ja immer die Tipparbeit (leicht zu lesen sind die Quellen ja).

Konnte man sich denn irgendwann mal einigen, ob das Unglück nun um 5.45 h oder gegen 7 h stattfand?

Das weitere Schicksal der Wittib und des Kindes bzw. die Versorgung wäre natürlich interessant, aber das steht sicher nicht weiters in den Blättern.