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Der Bahnhof von Wolfskehlen im Bild (mB und mL)

geschrieben von: Pallaswiese

Datum: 30.07.17 12:14

Das Dorf Wolfskehlen im hessischen Ried besaß zwei Bahnhöfe. Zunächst wurde an der Riedbahn zwischen Darmstadt und Worms 1869 eine Station mit einem sog. "provisorischen" Gebäude errichtet, eine Art besserer Bretterbude. 1872 wurde mit dem Bau des "definitiven" Stationsgebäudes begonnen. Das benachbarte Griesheim mußte weitere 30 Jahre warten, ehe es ebenfalls etwas Definitives hingestellt bekam. Beide Gebäude wurden 1944 durch alliierte Bombenflugzeuge zerstört.

1879 erhielt Wolfskehlen eine weitere Station, nunmehr an der Riedbahn von Frankfurt nach Mannheim. Das "definitive" Stationsgebäude muß hier später entstanden sein (zwischen 1900 und 1910), denn es ist im neobarocken Landhausstil gebaut worden. Ähnliche Bauten stehen heute noch in Groß-Rohrheim, Biebesheim und Dornheim. Einige Jahre, nachdem das Gebäude grundrenoviert worden war, wirde es in den 1970er Jahren entsorgt.

Daß Wolfskehlen nunmehr zwei Stationen besaß, war der Linienführung beider Riedbahnäste geschuldet. Es hatte sogar Pläne gegeben, die Riedbahn von Groß-Gerau aus nicht in Goddelau-Erfelden, sondern weiter nördlich in Wolfskehlen am schon bestehenden Bahnhof einmünden zu lassen. Das hat man dann wohl zugunsten einer geraden Linienführung verworfen. Die zweite Station erhielt zur Abgrenzung die Bezeichnung Leeheim-Wolfskehlen und erhielt in den 1930er Jahren sogar einen eigenen Gleisanschluß an die dortige landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft. Auf beiden Bahnhöfen wurden zur Rübensaison jede Menge Zuckerrüben verladen, von Leeheim-Wolfskehlen aus dürften sie bevorzugt zur Zuckerfabrik nach Groß-Gerau verfrachtet worden sein, die auch schon Geschichte ist. Leeheim-Wolfskehlen ist nunmehr S-Bahn-Station mit den üblichen Utensilien einer langweilig-lieblos dahingeklotzten Bahnsteigödnis.

Interessant ist vielleicht noch, daß es um die Jahrhundertwende ein ambitioniertes Projekt gegeben hat, einen Abzweig vom Wolfskehler Bahnhof nach Westen zu legen, um am Kornsand über den Rhein nach Oppenheim übersetzen zu können. Dieses Projekt ist, wie so viele andere, an Wirtschaftlichkeitserwägungen gescheitert.

Das Gebäude an der Darmstädter Strecke ist ein typischer Typenbau, wie ihn die Hessische Ludwigsbahn auch andernorts vor der Gründerkrise von 1873 errichtet hat. Die Main-Neckar-Eisenbahn besaß ähnliche Baupläne. Von diesem Gebäude waren bislang nur im Thema variierte stilisierte fiepsige Darstellungen in mehrfeldrigen Ansichtskarten bekannt. Als ich im Juni mehr zufällig auf der bekannten Bucht herumlungerte, verschlug es mir die Sprache. Deshalb:


http://www.walter-kuhl.de/dso/Wokefoto.jpg



Vermutlich entstand die Aufnahme beim Bau oder Ausbau der Telegefanleitung von Goddelau-Erfelden nach Darmstadt zwischen 1897 und 1901. Dieses Aufnahme und einige Detailausschnitte habe ich auf einer eigenen Unterseite meines Riedbahnprojekts untergebracht.


Edith heißt heute migru und hat die Gründerkrise richtig datiert, danke.

Gruß, Walter

Die Riedbahn von Darmstadt nach Goddelau-Erfelden, und mehr, auf https://www.walter-kuhl.de/riedbahn/.
Neueste Seite: Bahnwärterhäuser in Darmstadt und der näheren Umgebung. *** Mein DSO-Inhaltsverzeichnis.




1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2017:07:30:12:59:32.

Re: Der Bahnhof von Wolfskehlen im Bild (mB und mL)

geschrieben von: migru

Datum: 30.07.17 12:53

Hallo Walter,

vielen Dank für die Infos zur Bahn bei mir um die Ecke (GG).

Die Gründerkrise würde ich aber 100 Jahre früher als 1_9_73 verorten ;-)

Viele Grüße

Michael

Re: Der Bahnhof von Wolfskehlen im Bild (mB und mL)

geschrieben von: Dampffrosch

Datum: 30.07.17 15:49

Hallo Walter,

ein supertolles Zeitdokument :-).
Zu gerne würde ich den ganzen Telegraphenmast sehen. Da vermute ich, dass ein Umbau von Hakenstützen (eine ist im Bild zu sehen) auf Querträger stattfand.
Auf alten Bildern wie z.B. vom Bahnhof Lorsch sind auch diese verschiedenen Bauarten zu sehen. Der Umbau könnte in diese Zeit fallen.

Viele Grüße aus Pampanga
Horst

Re: Der Bahnhof von Wolfskehlen im Bild (mB und mL)

geschrieben von: magicTTfreak

Datum: 07.08.17 20:31

Kann es sein, dass der Mast hinter dem Zaun des Bahngeländes steht?
Dann könnten es auch ein Fernmeldebautrupp der damaligen Post sein und das Ganze hat weniger mit dem Bahnhof zu tun.
Klar die Bah hatte auch einen Fernmeldedienst.

Suche doch mal nach alten Postuniformen.
Ich halte die "TA" an den Mützen eher plausibler für Telegraphenamt .

Der Mast sieht alt und rissig aus.
Vielleicht soll er ausgetauscht werden oder die Linie wird umgebaut oder erweitert.
Es reicht ja das die Linie um einen Anschluss erweitert werden sollte.

Flaschenzüge brauchte man um die Kupferfreileitung die dann an den Isolatoren aufgehängt wurden zu straffen bzw hoch zu ziehen.
Das bekommt man nicht mit der Hand hin.

Das Werkzeug am Boden ist ganz normales Schanzzeug um einen Mast in der Erde einzugraben.
Schaufel, Hacke, Stoßlanze und ein langer spezieller Spaten mit dem man besser tiefe kleine Mastlöcher ausheben kann sowie der Stampfer deuten eindeutig darauf hin.
Ich neige zur Annahme, dass auch Hohläxte zur Mastbearbeitung zu sehen sind.
So sieht es aus was der Arbeiter auf der untersten Stufe der Leiter auf/über der linken Schulter hat.

Das ist sicher kein Asphaltkocher, sondern ich halte es für einen Holzkohleofen. Die beiden Werkzeuge darin sehen mir aus wie früher gebräuchliche Lötkolben die im Feuer erhitzt wurden.
Die Kupferne Freileitung wurde aber nicht verlötet. da wurde alles verdrallt.
Ähnliche kleine Holzkohleöfchen kenne ich persönlich, die gab es noch bis in die 80er Jahre. Damit wurde auch verschiedene Vergussmassen oder Abbrühmassen erhitzt.
So etwas brauchte man bei der Montage von damals üblichen papierisolierten Fernmeldekabeln.

Der mit dem Anzug und Hut ohne Uniform ist evtl. auch einer der Auftraggeber oder so, der Aufsichtsfrühende des Bautrupps steht doch eher in der Mitte hinten.
Bahn und Post hatten doch sicher Uniform zu der Zeit.

Schön dass sich die Form der Steigeisen bis in unsere Tage wenig verändert hat. So zu sehen an den beiden Herren die sie nicht am Arbeitsschuh sonder über der Schulter tragen.
Siehe die beiden außen stehenden Handwerker.
Fast alle Arbeiter tragen sichtbar entweder Steigeisen und oder Mastgurt bzw. beides bis auf der Herr auf der unteren Leiterstufe, der Herr der mit Hemd in der Mitte und der Arbeiter der den Flaschenzug in der Hand hält.
Dieser war evtl. der Rangniedrigste im Trupp und nur zum Schachten bzw. für Hilfsarbeiten zuständig.
Auch seine Arbeitskleidung ist etwas einfacher.
Der mit dem Hemd und der wichtigen Taschenuhr in der Mitte ist vermutlich der Bautruppführer.

Alles nur Vermutungen, aber den Job habe ich erlernt und noch selbst Kupferfreileitungen in der Ausbildung oben am Mast montiert. Später waren es dann nur Kabel.

Das Bild gefällt mir sehr gut.
Man sieht deutlich den zu Tage getragen Stolz der Handwerker.

Mit bestem Gruße aus B.
Frank-K.




2-mal bearbeitet. Zuletzt am 2017:08:07:20:36:35.

Re: Der Bahnhof von Wolfskehlen im Bild (mB und mL)

geschrieben von: Dampffrosch

Datum: 08.08.17 15:07

magicTTfreak schrieb:

Kann es sein, dass der Mast hinter dem Zaun des Bahngeländes steht?
Dann könnten es auch ein Fernmeldebautrupp der damaligen Post sein und das Ganze hat weniger mit dem Bahnhof zu tun.
Klar die Bah hatte auch einen Fernmeldedienst.

Suche doch mal nach alten Postuniformen.
Ich halte die "TA" an den Mützen eher plausibler für Telegraphenamt .

Der Mast sieht alt und rissig aus.
Vielleicht soll er ausgetauscht werden oder die Linie wird umgebaut oder erweitert.
Es reicht ja das die Linie um einen Anschluss erweitert werden sollte.


Hallo zusammen,

es gab auch Masten auf denen sowohl Bahnleitungen als auch Postleitungen angebracht waren, die sog. Gemeinschaftsträger. Da waren bei den Bahnleitungen die Isolatoren mit einem grünen Ring gekennzeichnet und die Masten wurden von der Post unterhalten. Ob dies schon zur Länderbahnzeit der Fall war entzieht sich meiner Kenntnis.
Die Lebensdauer der Holzmasten beträgt je nach Behandlung 30 - 40 Jahre. Somit dürfte der Mast sein Alter erreicht haben, sollte er schon zur Eröffnung der Riedbahn gestanden haben.
Egal ob Bahn oder Post - das Bild ist in allen Belangen historisch einmalig.

Gruß
Horst