Hallo HiFo!
Wie die Zeit vergeht! - Fünf Jahre bin ich jetzt schon im HiFo dabei - ein kleines Jubiläum. Damals wollte ich eigentlich nur ein paar Bilder zeigen - [
www.drehscheibe-online.de]. Mittlerweile sind es weit über 300 - irgendwann habe ich mein Inhaltsverzeichnis nur noch sporadisch gepflegt... Schade eigentlich... daher kann ich aber nicht mehr sagen, wie viele es jetzt wirklich aktuell sind.
Alles was älter als 100 Jahre ist, fand und findet immer noch mein Interesse. Mittlerweile haben sich aber so viele neue Quellen, Archive und Sammlungen aufgetan, dass ich mich mehr und mehr spezialisieren konnte und musste. Viele neue Kontakte zu "Leidensgenossen" der gleichen "Leidenschaft" haben sich ergeben, was mich sehr freut. Und was mich besonders freut: Hier wird einem geholfen! Egal welche Suchmeldung oder Frage man hat, man kann sie stellen und wenn es gut läuft und das Thema nicht zu speziell ist, bekommt man hilfreiche Antworten. Dafür an dieser Stelle herzlichen Dank.
Mein Interessens-Schwerpunkt liegt irgendwo zwischen Bochum und der Bergisch Märkischen Eisenbahn - mit einem Hang zum Bochumer Verein. Tangierendes wird dankend hinzugenommen, wie die KED Essen oder Crr bzw. Clr, aber das ist ja - denke ich mal - hinlänglich bekannt. Aber da will ich dann auch meinen Jubiläumsbeitrag verorten: In Bochum - genauer am Bergisch-Märkischen Bahnhof, dem alten Bochumer Hauptbahnhof oder auch Bochum Süd.
Keine Angst - ich werde jetzt nicht die einschlägige Literatur ("Die Eisenbahn in Bochum" von Rolf Swoboda) abschreiben, sondern eher ungewohntes zeigen bzw. darauf hinweisen.
Fangen wir mit einem Ausschnitt aus dem Messtischblatt von 1899 mal an- leider steht mir kein besserer Scan zur Verfügung. Zur ersten Orientierung reicht es aber. Ich habe den Bergisch-Märkischen Bahnhof mal markiert.
Quelle: Wikimedia Commons [commons.wikimedia.org]
Interessant ist diese leicht eingequetschte Lage im Dreieck zwischen der nach oben abzweigenden Linie nach Herne und der im Osten begrenzenden Hattinger Straße, die nicht mit der heutigen Königsallee verwechselt werden darf. Der Straßenverlauf war damals halt noch komplett anders. Um dieses Streckengeflecht zu verdeutlichen zeige ich noch mal einen Ausschnitt aus der Karte des Ruhrkohlenbezirks von 1880. Die roten Strecken stehen für Linien der Bergisch-Märkischen Eisenbahn, die blauen für die Rheinische Eisenbahn.
Adolf Scholtz beschreibt den Bahnhof 1873 in seinem Buch
Der Güter-Expeditionsdienst der Bergisch-Märkischen Eisenbahn folgendermaßen:
Ebenfalls eine der wichtigsten Stationen der BME ist die mit einem Hebekrahn von 120 Ctr. versehene und eine besondere Eilgüterexpedition, auch Bestätterei besitzende Station Bochum, von welcher aus eine Zweigbahn nach der Station Herne der Cöln-Mindener Bahn führt. Im Bau begriffen ist eine directe Verbindung das Bahnhofs Bochum und der Station Essen mit Umgehung von Steele. Angeschlossen an die Station Bochum durch Schienengeleise sind eine Kohlengrube, drei Coaksbrennereien, ein Eisen- und Gußstahlwerk, eine Bessemer-Hütte und ein Gas- und Wasserwerk. In der Richtung nach Langendreer zu sind zwei weitere Zechen mit der freien Bahn verbunden, fernere drei dergleichen in der Richtung nach Steele zu. Außer dem großartigen Verkehr dieser Etablissements hat Bochum noch Verkehr von zwei kleineren nicht angeschlossenen Kohlenzechen, einer Eisensteingrube, drei Eisenhütten, zwei Feilen- und einer Asphaltfabrik zu besorgen. Neben dem hieraus originirenden Versandt und Empfang besteht letzterer noch in Lebensmittel, Tabak, Kurzwaaren und Möbeln.
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Eine andere Art der Belege sind die Bauberichte des Ministers der öffentlichen Arbeiten, Albert Maybach, an das preußische Abgeordnetenhaus, die mir in Auszügen für die Jahre 1876-1892 und dann wieder für 1903-1907 vorliegen. Aus welchen Gründen auch immer, finden sich erst sehr spät - nämlich Anfang der 1890er Jahre - Belege:
1891: Zusammenfassung der Weichen und Signale in einem Stellwerk.
Etwas ausführlicher wird es dann in dem
Baubericht No 28. Haus der Abgeordneten. 17. Legislaturperiode. V. Session 1892/3. (12.01.1893). Hier heißt es dann unter der Überschrift
14. Erweiterung der Gleisanlagen auf dem Bahnhofe Bochum (B.M.):
Auch die Erweiterung der Gleisanlagen auf dem Bahnhofe Bochum (B.M.) ist in der Ausführung begriffen. Die neuen Rangiergleise am westlichen Ende des Bahnhofs sind nach Fertigstellung der Erdarbeiten größtenteils verlegt. Der Rest der Arbeiten wird vorbereitet-
Die erforderlichen Baumittel sind veranschlagt zu 105.000 Mark, davon bewilligt sind:
durch den Etat für 1891/92..... 70.000 M
durch den Etat für 1892/93..... 35.000 M
Verausgabt wurden bis Ende September 1892: 37.300 M.
Der verfügbar gebliebene Betrag von 67.700 M wird zur Bestreitung der noch aufzuwendenden Kosten ausreichen.
...
17. Überführung der Bochum-Hattinger Chaussee auf Bahnhof Bochum (B.M.):
Gegen den im Jahre 1882 landespolizeilich geprüften Entwurf für die Ueberführung der Bochum-Hattinger Chaussee auf Bahnhof Bochum (B.M.) sind bei der jetzt wiederholten landespolizeilichen Prüfung solche Bedenken erhoben worden, daß derselbe nicht zur Ausführung gebracht werden kann. Die angestellten Erhebungen zur Beseitigung der vorhandenen Mißstände auf andere Weise sind noch nicht beendet.
Von der für die Herstellung einer Überführung veranschlagten Bausumme von 210.000 Mark sind seither durch den Etat für 1891/92 als erste Rate 60.000 Mark bewilligt worden, woraus Ende September 1892 Ausgaben noch nicht verrechnet waren.
Also war mal geplant, die Unterführung, die auf einem der folgenden Bildern am linken Rand zu sehen ist, durch eine Überführung zu ersetzen. Offensichtlich ist das nie erfolgt, sondern es blieb auch nach dem Krieg trotz Verlegung der Straße bis heute bei der oberen lage der Bahn. Von der Unterführung erzählt mein Vater übrigens nur von der "Mausefalle", wobei mir nicht ganz klar ist, ob so auch ein dortiges Etablissement hieß...
Hier folgt die Lücke in den Berichten und es geht für 1903-1907 weiter:
1897-1902: Erweiterung des Bahnhofes Bochum Süd. (1,7 Mio. Mark)
1905-07: Errichtung eines Post- und Gepäcktunnel. (142.000 Mark)
1906-08: Schienenfreie Durchführung des Gemeindeweges von Eppendorf nach Bochum und der Gahlenschen Kohlenstraße. (430.000 Mark)
Ab 1907: Erweiterung der Freiladeanlagen: Die neue Ladestraße ist nahezu fertiggestellt; auch die übrigen Arbeiten sind im Gange. (143.000 Mark)
Demzufolge müssten wir auf dieser Karte schon die neuen Ladeanlagen sehen können - jedenfalls stammt die früheste mir bekannte Verwendung der Karte vom 8.8.1907:
bzw. im Detail:
Aber noch ein Wort zu den Ladegleisen auf der rechten Seite des Bahnhofs, die sich lange erhalten haben. Auf dem zweiten Gleis von links stand übrigens der Bahndienstwagen, den ich in diesem Beitrag gezeigt hatte:
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www.drehscheibe-online.de]
Am rechten Rand erkennt man den Lokschuppen, der noch aus bergisch-märkischen Zeiten stammte. Das Landesarchiv NRW hat mit Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft umfangreiche Bestände an Plänen eingescannt. Unter anderem auch die Erweiterungspläne des Lokschuppens aus den Jahren 1881 [
www.archive.nrw.de] und 1888 [
www.archive.nrw.de] - Vorsicht: die Pläne haben ein längere Ladezeit.
Irgendwann später wurde der Lokschuppen dann zum kompletten geschlossenen Rundschuppen erweitert, wie dieses Luftbild aus den 20er Jahren zeigt:
Quelle: Regionalverband Ruhr, CC BY-NC-SA 4.0
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Aber wenden wir uns doch mal dem Betriebsgeschehen zu. Mir liegt die Stationierungsübersicht für die KED Cöln (rrh) vom 1. Juli 1894 vor. Netterweise ist auch gleich mitangegeben in welchem Turnus die jeweiligen Loks eingesetzt wurden:
Pzt I - Personenzugdienst: 2/3 Personenzug-Tenderlok
Crr 1470 (Han 858/1873, ex BME Typ 4.4)
Crr 1467 (Han 854/1873, ex BME Typ 4.4), in Reparatur
Pzt II - Personenzugdienst: Thomas-Dampfwagen
Crr Thomas I (Hoh 275/1883, Typ Thomas-DTW)
Crr Thomas II (Hoh 276/1883, Typ Thomas-DTW), in Reparatur
Gzt I - Güterzugdienst: 3/3 Güterzuglokomotiven
Crr 1328 (BMAG 1238/1883, ex BME Typ M III-3 )
Crr 1329 (BMAG 1239/1883, ex BME Typ M III-3 )
Crr 1330 (BMAG 1240/1883, ex BME Typ M III-3 )
Crr 1331 (BMAG 1241/1883, ex BME Typ M III-3 )
Crr 1332 (Graf 3569/1885, Typ M III-3)
Crr 1344 (Vulc 1185/1891, Typ M III-3a)
Crr 1360 (Hen 3428/1891, Typ M III-3)
Crr 1361 (Hen 3429/1891, Typ M III-3)
Crr 1362 (Hen 3430/1891, Typ M III-3)
Crr 1363 (Hen 3431/1891, Typ M III-3), in Reparatur
Crr 1364 (Hen 3432/1891, Typ M III-3), in Reparatur
Gzt III - Güterzug-, Rangier- und Zechendienst: 3/3 Güterzuglokomotiven
Crr 709" (Hen 220/1869, ex BME Typ 3.3)
Crr 712" (Hen 223/1869, ex BME Typ 3.3)
Crr 713" (Hen 224/1869, ex BME Typ 3.3)
Crr 714" (Hen 225/1869, ex BME Typ 3.3)
Crr 715" (Hen 226/1869, ex BME Typ 3.3)
Crr 716" (Hen 227/1869, ex BME Typ 3.3)
Crr 710" (Hen 221/1869, ex BME Typ 3.3), kalte Reserve
Gzt II - Rangier- und Zechendienst: ¾ Tenderlokomotive
Crr 1877 (Han 2550/1894, Typ M III-4f)
Crr 1878 (Han 2551/1894, Typ M III-4f)
Crr 1881 (Unio 758/1894, Typ M III-4k)
Crr 1882 (Unio 759/1894, Typ M III-4k)
Crr 1883 (Unio 760/1894, Typ M III-4k)
Crr 1884 (Unio 761/1894, Typ M III-4k)
in Reparatur der Turnus II+IV: ¾ Tenderlokomotive
Crr 1841 (Han 1806/1885, Typ M III-4c), in Reparatur
Crr 1842 (Han 1807/1885, Typ M III-4c), in Reparatur
Gzt IV - Rangierdienst: 3/3 Tenderlokomotive
Crr 1837 (Graf 3567/1885, Typ M III-4c)
Crr 1838 (Graf 3568/1885, Typ M III-4c)
Crr 1839 (Han 1804/1885, Typ M III-4c)
Crr 1840 (Han 1805/1885, Typ M III-4c)
Ich würde das ja gerne mit Bildern garnieren, aber... was soll ich sagen...
Ebenso weiß ich leider nicht, welchen Strecken die Turni umfassten. Das einzige, was ich weiß, ist, dass die Thomas-Dampftriebwagen nach Herne fuhren. ...Davon ein Bild...
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Verlassen wir wieder den Betriebsdienst und wenden uns noch einmal dem Bahnhof zu - diesmal von der Gleisseite:
Diese Karte erreichte kurz nach der Jahrhundertwende (3.12.1901) die nordfranzösische Stadt Douai. Sie zeigt den Bahnhof von der Gleisseite - eher eine seltenere Ansicht.
Abschließen möchte ich den Reigen früher Mosaiksteinchen der Bochumer Eisenbahngeschichte mit dem folgenden Bild. Es wird wohl zwischen Ende Februar und April 1923 entstanden sein. Jedenfalls sagt Klaus Kemp in seinem Buch "Die Regiebahn", dass in diesem Zeitraum der Bahnhof von den Franzosen besetzt worden ist (S. 111, 1. Spalte, 2. Absatz). Es zeigt eine Gruppe hauptsächlich französischer Eisenbahner. Bei dem sitzenden Herrn in der Mitte vermute ich mal einen leitenden Militär.
Leider ist die Karte nicht beschriftet, so dass keine weiteren Informationen vorliegen.
Interessant finde ich an dieser Karte den Blick auf den Bahnsteig, die Bahnsteigüberdachung und die Absperrung zwischen den Gleisen. Auch die Bezeichnung "Bochum-H.B." ist mir so noch nicht untergekommen.
Ergänzung im Februar 2021: Ich habe eine weitere Quelle gefunden. Im Buch "Ruhrbesetzung und Reichsbahn" heißt es auf Seite 6:
"Gegen Ende Februar 1923 wurde der Hauptbahnhof Bochum besetzt, nach zwei Monaten aber wieder freigegeben."
Quelle:
Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (Hrsg.): Ruhrbesetzung und Reichsbahn. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg 1925.
Vorabdruck aus "Archiv für Eisenbahnwesen"? [
books.google.de]
Ich hoffe, es hat gefallen und wünsche allen schöne Ostertage!
Besten Gruß
Christian
PS.: An alle später Lesenden: Erfahrungsgemäß antworten die meisten Leser innerhalb der ersten 24 Stunden auf einen Forumsbeitrag. Gelesen wird er aber auch noch Wochen später. Ich freue mich natürlich auch noch nach Tagen, Wochen, Monaten über jede Rückmeldung, Anregung und Kritik!
1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2021:02:07:22:29:21.