Nach dem Bau der Ostfriesischen Küstenbahn (Eröffnung am 15.06.1883) zeigte sich recht bald, dass der rund sechs Kilometer lange Weg vom Bahnhof Norden (der sich eigentlich außerhalb der Stadt in Süderneuland befand) zum Anleger der Schiffe bei Norddeich für den zunehmenden Bäderverkehr eine wirkliche Unbequemlichkeit darstellte. Als Abhilfe baute die Eisenbahndirektion Münster nicht einmal zehn Jahre später eine Stichstrecke vom Norder Bahnhof östlich an der Stadt vorbei bis nach Norddeich, wo ein neuer Bahnhof entstand. Auf der vor dem Deich in die See gebaute Mole wurden Gleise verlegt, so dass Reisende und Güter ohne Umweg zwischen Zug und Schiff wechseln konnten. Eröffnet wurde die Strecke am 15. Juni 1892.
Der Bau erwies sich schon bald als die richtige Entscheidung, der Verkehr auf der Stichstrecke nahm stetig zu. Nur der Eisenbahn-Güterverkehr blieb – wie anderswo auch – irgendwann auf der Strecke, so dass heute nur noch ein Gleis für Personenzüge auf der Mole liegt. Dafür hat der einstige Abzweig soviel Verkehr an sich gezogen, dass heute nichts mehr darauf hinweist, dass die Ostfriesische Küstenbahn in Norden in östliche Richtung auf Hage zu abbiegt und die Strecke nach Norddeich gar nicht dazugehört.
Bild 1
Diese Ansichtskarte muss kurz nach der Eröffnung entstanden sein und zeigt die Mole in ihrer ursprünglichen Form. Herausgeber war die „Bahnhofswirtschaft Norddeich Eugen Wagner“. Leider gibt es keinen Hinweis auf das Jahr, allerdings ist die „Deutschland“ zu sehen (siehe Bild 2 – der weiße Dampfer davor könnte die Frisia I sein – weiß es jemand?).
Bemerkenswert ist – neben der kleinen Rangierlok - der Bremsprellbock in der Bildmitte.
Bild 2
Auf dieser etwa gleichzeitigen Karte ist dagegen ein schönes Betriebsbild zu sehen. Während auf dem Molengleis ein Personenzug steht sind in der Ferne auf dem Gütergleis am Kai einige Güterwaggons zu erkennen. Vorn links am Kai liegt der Dampfer „Deutschland“ der Reederei Norden-Frisia, gebaut 1894 und außer Dienst gestellt 1914, womit die undatierte Aufnahme etwas eingegrenzt wird.
Bild 3
Im Jahre 1928 weilte ein Photograph des Ansichtskartenverlages Julius Simonsen (Oldenburg in Holstein) in Ostfriesland, der auch in Norddeich einige Bilder anfertigte. Dieses zeigt fast dieselbe Perspektive wie Bild 2, aber wie viel mehr Betrieb! Die Mole hat zwar einen Portalkran bekommen, aber in der Hauptsache erfolgt der Umschlag immer noch mit Handkarren und Gepäckträgern (etwas verdeckt hinter dem Mann im Vordergrund). Ob es dieses Motiv (das ich schon mal im HiFo gezeigt habe) auf eine Ansichtskarte geschafft hat kann ich nicht sagen.
Bild 4
Die Szenerie vom Deich aus gesehen, wie die vorige 1928 für den Verlag Simonsen abgelichtet (und wohl nicht als Karte herausgegeben). Neben dem Photographen nehmen sich auch die vier Straßenbauer einen Augenblick Zeit. Ebenfalls um die Ausfahrt des Zuges zu beobachten?
Bild 5
Mit dieser Nachkriegsaufnahme (herausgegeben von der Welt-Postkarten-Gesellschaft m.b.H. in Berlin) möchte ich abschließen. Insgesamt hat sich noch nicht viel verändert, das Bild bestimmen Kran und Bahnsteighalle. 78 436 (je nach Aufnahmedatum noch Bw Norden oder schon Bw Emden) zieht ihren Zug in den Bahnhof Norddeich vor.
Den kommenden Wandel durch die Massenmotorisierung deuten aber – noch zaghaft – die beiden Volkswagen und ein weiterer Pkw an. Heute dominiert hier die Autoverschiffung und man sieht der Anlage ihren Ursprung als klassische Hafenmole mit darauf verlegten Gleisen nicht mehr an. Und die preußischen Bahnhofsgebäude in Norddeich und Norden stehen auch nicht mehr.
Viel Spaß beim Anschauen!
Thomas
[Meine bessere Hälfte fand ein paar Tippfehler]
2-mal bearbeitet. Zuletzt am 2016:10:11:18:05:39.