DREHSCHEIBE-Online 

Anzeige

HIER KLICKEN!

 04 - Historisches Forum 

  Neu bei Drehscheibe Online? Hier registrieren! Zum Ausprobieren und Üben bitte das Testforum aufsuchen!
Bilder, Dokumente, Berichte und Fragen zur Vergangenheit der Eisenbahn und des öffentlichen Nahverkehrs - Bilder vom aktuellen Betriebsgeschehen bitte nur im Zusammenhang mit historischen Entwicklungen veröffentlichen. Das Einstellen von Fotos ist jederzeit willkommen. Die Qualität der Bilder sollte jedoch in einem vernünftigen Verhältnis zur gezeigten Situation stehen.
Dies ist KEIN Museumsbahnforum! Bilder, Meldungen und Fragen zu aktuellen Sonderfahrten bitte in die entsprechenden Foren stellen.

E-Lok Bauart Falkenried in Hamburg (m1B)

geschrieben von: Helmut Philipp

Datum: 02.10.16 20:44

Hallo zusammen!

Bis in die sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts betrieben die Hamburgischen Electricitäts-Werke am Rande der Hamburger Innenstadt ein kohlegefeuertes Kraftwerk. Das 1896 gebaute E-Werk diente von Anfang an nicht nur der Stromversorgung verschiedener Unternehmen und Haushalte, sondern auch der Stromversorgung der damals neuen elektrischen Straßenbahn. Geradezu kundenfreundlich war die Tatsache, das der Straßenbahnstrom (600V =) schon auf Gebrauchsebene vom Kraftwerk ins Stromnetz der Straßenbahn eingespeist wurde.

Das Kraftwerk an der Carolinenstraße erhielt die Bezeichnung „Caroline“ und behielt diese, seit 1919 ebenso wie die Straße nun mit „K“ geschriebene Bezeichnung bis zur Stilllegung bei. Die Brennstoffversorgung erfolgte per Bahn bis zum Güterbahnhof Hamburg-Sternschanze. Da zwischen dem Güterbahnhof und dem in der Nähe liegendem Kraftwerk Straßenbahngleise lagen, nutzte man diese für die Zustellung der Güterwagen. Diese wurden einzeln (!) per Drehscheibe von den Bahngleisen auf die hierfür geeigneten Straßenbahngleise umgesetzt. Von dort holte die werkseigene E-Lok die Wagen einzeln ab und brachte diese auch später wieder dorthin zurück. Hierfür hatten sich die HEW von der hamburger Firma Falkenried auf Basis eines Untergestells eines ausgemusterten zweiachsigen Straßenbahnwagens eine E-Lok bauen lassen, die durch Nutzung des Straßenbahnstromes (also mit Rolle, wie in HH üblich) den Zufuhrdienst für das Kraftwerk vornahm.

Technische Daten sind leider nicht überliefert worden, mit Sicherheit handelt es sich bei der E-Lok um ein Unikat.
Das Foto zeigt die Lok im Einsatz auf dem Kraftwerksgelände, ich erhielt vor mehr als 30 Jahren dieses Foto von dem hier namentlich genannten Kollegen, der damals mit einem Herren aus Buxtehude dort auf Erkundung war..

Hier die Aufnahme:

http://fs5.directupload.net/images/user/161002/ytdv824q.jpg


Ich selbst habe die Lok nie zu Gesicht bekommen, trotzdem ich die Lizenz zum Betreten von Anlagen der E-Wirtschaft habe. Vermutlich war die Lok bereits den Weg des alten Eisens mit der Stilllegung der Karoline gegangen, aber genaueres ist mir nicht bekannt. Ich hoffe, der kleine Ausflug in das Reich der Kuriositäten hat ein wenig gefallen!

Grüsse aus dem Norden

Helmut


Meine bisher erschienenen Beiträge findet ihr durch Anklicken des Bildes hier:
http://s14.directupload.net/images/user/140226/jikgddpg.jpg
Inhaltsverzeichnisse von weiteren Eisenbahnfreunden
bitte hier anklicken!

Re: E-Lok Bauart Falkenried in Hamburg (m1B)

geschrieben von: Electroliner

Datum: 02.10.16 20:59

Hallo Helmut,

da bin ich aber von den Socken!
Die Lok war mir vollig neu!
Das Fahrgestell sieht tatsächlich nach einem typischen Hamburger 2-Achser-Fahrwerk aus.

Vielen Dank für das Foto die Geschichte dazu.

Gruß

Thomas

Re: E-Lok Bauart Falkenried in Hamburg (m1B)

geschrieben von: Joachim Leitsch

Datum: 02.10.16 21:36

sehr goil - wie man bei euch im Norden so sagt. Danke für's Zeigen dieser Rarität, Helmut

RUHRKOHLE - Sichere Energie

seit dem 24.II.2022 bittere Wahrheit in Europa

Re: E-Lok Bauart Falkenried in Hamburg

geschrieben von: Stefan Motz

Datum: 02.10.16 21:57

Moin Helmut,
sagenhaft, was Du hier hervorzauberst! Ich überlege gerade, wie der Betrieb ablief: Du schreibst, daß die Kohlenwagen einzeln über die Drehscheibe auf das Straßenbahngleis umgesetzt und einzeln von der Lok zum Kraftwerk befördert wurden. Stand da ständig auf DB-Seite eine zweite Lok bereit, die die Wagen zuführte und abholte, oder gab es dafür Seilzüge, eine Spillanlage o. ä.?
Viele Grüße
Stefan

https://abload.de/img/db-251902-4003812-titu8k49.jpg

Re: E-Lok Bauart Falkenried in Hamburg

geschrieben von: Helmut Philipp

Datum: 02.10.16 22:09

Moin Stefan!

Danke für Deinen netten Kommentar. Gern beantworte ich Deine Frage zum Waggonverschub in Bezug auf die Drehscheibe: Die Wagen wurden per Spillanlage bewegt, im Kraftwerk gab es ebenfalls eine Spillanlage, mit der die Kohlewagen auf das Kohlebunkergleis gezogen wurden, um dort per Kippvorrichtung im 90 Grad Winkel über eine Stirnseite entleert zu werden.

Gruß
Helmut

Re: E-Lok Bauart Falkenried in Hamburg

geschrieben von: Jürgen Danner

Datum: 02.10.16 22:46

Das Kraftwerk wurde sogar bis in die 80er Jahre betrieben - hatte aber keinen direkten Bahnanschluss mehr, sondern wurde per Förderband vom Güterbahnhof Sternschanze versorgt. Dort stand meines Erachtens eine Waggonkippeinrichtung.

Kraftwerk Karoline bis in die 80er-Jahre

geschrieben von: Helmut Philipp

Datum: 02.10.16 23:08

Jürgen Danner schrieb:
"Das Kraftwerk wurde sogar bis in die 80er Jahre betrieben - hatte aber keinen direkten Bahnanschluss mehr, sondern wurde per Förderband vom Güterbahnhof Sternschanze versorgt. Dort stand meines Erachtens eine Waggonkippeinrichtung."

Moin Jürgen!

Deine Aussage ist richtig, aber seit Ende der sechziger Jahre diente die Karoline primär nur noch der Erzeugung von Fernwärme und nicht mehr der Stromerzeugung. Strom wurde nur noch im Rahmen der Kraft-Wärme-Kopplung produziert. Der Abbau der Gleisanlagen in Sternschanze erfolgte zeitgleich mit dem Bau des Fernsehturms und der Erweiterung des Messegeländes, u.a. Parkhaus. Seit dem damit verbundenem Umbau der Karolinenstraße existiert die von Dir erwähnte Bandanlage. Das KW Karoline wurde zu der Zeit stillgelegt, in der der damalige Senator Jörg Kubier Aufsichtsratsvorsitzender bei der HEW war.

Gruß
Helmut

Re: E-Lok Bauart Falkenried in Hamburg (m1B)

geschrieben von: Bernhard Terjung

Datum: 03.10.16 08:21

Helmut, das ist ein dolles Ding, von dem ich noch nicht das Mindeste geahnt hatte.

Hab vielen Dank dafür!

Bernhard

Re: E-Lok Bauart Falkenried in Hamburg (m1B)

geschrieben von: Detlef Schikorr

Datum: 04.10.16 00:46

Moin Helmut,

das ist ja eine interessante Bahn, von der ich nie etwas gehört habe. Und die Ellok sieht richtig zusammengebastelt aus.

Was mich nun interessiert: Wie lang war die Strecke vom Gbf. Sternschanze zum Kraftwerk in der Karolinenstraße? Wenn öffentlicher Straßenraum benutzt wurde, müßte die Ellok ja alle für Straßenbahnen damals erforderlichen Sicherungseinrichtungen gehabt haben. War die zu befahrende Strecke schnurgerade, denn ich kann keine Fahrtrictungsanzeiger erkennen?...

Wat es nicht allens gift!

Vielen Dank für das Einstellen dieser Rarität.

Gruß
Detlef

Re: E-Lok Bauart Falkenried in Hamburg (m1B)

geschrieben von: Bäderbahn

Datum: 04.10.16 10:12

Das Lökchen ist schon toll. Danke für's zeigen.
Der Streckenverlauf kann hier
[www.christian-terstegge.de]
(Achtung, 21 MB)
nachvollzogen werden. Der Stadtplan stammt von 1911. Demnach werden keine öffentlichen Straßen mitgenutzt, lediglich gekreuzt. Signaleinrichtungen wie bei der Straßenbahn waren also nicht notwendig.

Edit:
Diese Karte ist wohl aussagekräftiger:
[www.christian-terstegge.de]
Demnach zweigte das Gleis zum Kraftwerk von dem Richtung Süden verlängerten Gleis aus Sternschanze zwischen Lager- und Kampstraße südlich der Schönstr. nach Osten ab. Hier ist auch die Drehscheibe aingezeichnet.

Bäderbahn




2-mal bearbeitet. Zuletzt am 2016:10:04:10:19:40.

Re: E-Lok Bauart Falkenried in Hamburg (m1B)

geschrieben von: stenkelfelder

Datum: 04.10.16 12:19

Die Lok wurde mal in den 1970er Jahren im Lok- Magazin beschrieben. Als Ausgangsprodukt für das Fahrwerk wurde tatsächlich laut Beschreibung ein alter Strab- Wagen verwendet und der Name "Otto" soll auf den Ingenieur zurückgehen, der die Lok entworfen hatte.

Re: E-Lok Bauart Falkenried in Hamburg (m1B) (o.w.T)

geschrieben von: wookie-2

Datum: 04.10.16 14:35

(Dieser Beitrag enthält keinen Text)
1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2016:10:04:14:36:54.

Re: E-Lok Bauart Falkenried in Hamburg (m1B)

geschrieben von: wookie-2

Datum: 04.10.16 14:36

Auch von mir ein herzliches Dankeschön für den Forenbeitrag. Das ist/war ein Lökchen so ganz nach meinem Geschmack!

"Diese Maschine kann von jedem einigermaßen intelligenten Arbeiter innerhalb weniger Stunden bedient werden."
Der Lokname "Otto" geht nicht auf einen Ingenieur zurück, der die Lok entworfen hatte, sondern vielmehr auf das damalige technische Vorstandsmitglied Otto, dieser war bei den Kraftwerkern äußerst beliebt. Die Lok wurde übrigens nicht von einem Ingenieur, sondern vom damaligen Leiter der Hauptwerkstatt entworfen und berechnet. Die Hauptwerkstatt der HEW befand sich damals direkt neben der heute noch existierenden Hauptwerkstatt der HHA... Spekulationen zu diesem vorteilhaften Standort der beiden Werkstätten dürfen gerne angestellt werden...

Gruß
Helmut

Re: E-Lok Bauart Falkenried in Hamburg (m1B)

geschrieben von: martin welzel

Datum: 06.10.16 09:10

Moin Helmut,

da bin ich sprachlos! Was es nicht alles gab! Eigenbauloks sind ja immer lustig, aber diese sieht fast nach etwas "Richtigem" aus!

;-))

Andere machten einen Holzrahmen und bauten einen Lanz-Bulldog drauf (Museum Kiemele, Eschach-Seifertshofen, 4.5.16):

http://eisenbahnhobby.de/aalen/Z17418_Lanz-Bulldog-Eigenbaulok_Eschach-Seifertshofen_4-5-16.jpg

Danke fürs Zeigen dieser Rarität,

Martin

Dankeschön!

geschrieben von: Helmut Philipp

Datum: 08.10.16 23:26

Für eure zahlreichen Kommentare sowie für ergänzende Illustration (danke, Martin!) möchte ich es nicht versäumen, mich hierfür bei euch zu bedanken!

Beste Grüße

Helmut


Je suis Français!

(der sich nun erst einmal für eine Woche aus dem Tagesgeschehen verabschieden muß)