Moin!
Heute möchte ich das Thema, dass das barackenartige Stellwerk Nn (Fahrdienstleiter Neustadt Güterbahnhof) gar nicht zu seinem korrespondierendem Stellwerk Ns (Weichenwärter) passen möchte, gerne noch einmal beleuchten und Fakten zusammen fassen. Sollten die nachfolgenden Verlinkungen unerwünscht sein, bitte melden, damit ich diese wieder entfernen kann.
Die Frage von Jens aus Juni 2016 hatte mich auch schon beschäftigt. In den letzten Tagen habe ich mich im Netz dazu mal umgesehen und stütze meine Theorie auf die vorliegenden Informationen.
Um in das Thema hinein zu kommen, greife ich gesagtes/geschriebenes noch einmal auf.
Zum zeitlichen Ablauf:
31.05.1866 Eröffnung der Strecke von Neumünster über Ascheberg-Eutin nach Neustadt/Holst [Altona-Kieler Eisenbahn-Gesellschaft (AKE)]
30.09.1881 Eröffnung der Strecke von Neustadt/H nach Oldenburg/H [Kreis Oldenburger Eisenbahn (KOE)]
01.03.1884 Verwaltung und Betriebsführung der AKE durch die königliche Eisenbahndirektion Altona
01.01.1887 Ankauf der AKE durch die Preußische Staatseisenbahn
01.04.1920 Gründung der Deutschen Reichsbahn und glz. Ende der Preußischen Staatseisenbahn
01.07.1925 Eröffnung Bäderbahn Bad Schwartau – Timmendorfer Strand (Personenverkehr) [Deutsche Reichsbahn (DR)]
08.07.1925 Eröffnung Bäderbahn Timmendorfer Strand - Scharbeutz (Personenverkehr) [Deutsche Reichsbahn]
18.08.1925 Eröffnung Bäderbahn Scharbeutz – Haffkrug (Personenverkehr) [Deutsche Reichsbahn]
01.06.1928 Eröffnung Bäderbahn Haffkrug – Neustadt/H (Personenverkehr) [Deutsche Reichsbahn]
01.06.1928 Eröffnung Bäderbahn Bad Schwartau – Neustadt/H (Güterverkehr) [Deutsche Reichsbahn]
31.07.1941 Verstaatlichung KOE
00.00.1951 Einbau der Verbindungskurve vom Gbf nach Neustadt-Schleuse (in Richtung Oldenburg/H)
01.12.1968 Aufgabe der Verbindungskurve vom Personenbahnhof nach Neustadt-Schleuse (in Richtung Oldenburg/H)
Die Streckenführung, die Christoph in seinem Ursprungsbeitrag dankenswerterweise bereits sehr übersichtlich präsentiert hat, zeigt uns, dass die ursprüngliche Trasse der AKE von Eutin her über die lang gestreckte Kurve, beginnend am ehemaligen Bahnübergang an der Pohnsdorfer Straße aus westlicher Richtung kommend, in nördliche Richtung abdriftet und diesen Radius erst hinter/nördlich des heutigen Yachtclubs ancora marina verlässt. Im damaligen Trassenverlauf liegt heute die Straße „Am Holm“.
Auf diesem
Messtischblatt von 1886 mit Nachtrag 1919 verläuft die Kurve noch durch ziemlich einsames Gebiet. Direkt an der Strecke eingezeichnet ist ein Gebäude und mit „B.W.“ ausgewiesen – es hatte also einen bahntechnischen Zusammenhang. Da an der Stelle offensichtlich ein Weg die Bahnstrecke kreuzte, wird es sich hier um einen Posten gehandelt haben. Ich bin mir nicht sicher, ob das Gebäude durch die Neuasphaltierung der Straße Am Holm in 2016/2017 erhalten geblieben ist, aber ich meine es dürfte dort noch immer stehen. Siehe:
Google Maps Ich werde versuchen ein Foto nachzureichen.
Noch heute lässt sich auf
Google Maps der damalige Streckenverlauf (mehr als) erahnen.
Wenn ich mir den (schematischen)
Gleisplan von 1928 ansehe (man beachte den Hinweis: „Zur Eröffnung der Bäderbahn Haffkrug-Neustadt am 1.6.28“), dann sehe ich da neben dem neu geschaffenen Güterbahnhof, der in Richtung Personenbahnhof kurz vor der Strecke von/nach Oldenburg/H auf die alte Trasse der AKE eingefädelt wird, zwei Drehscheiben. Eine befindet sich im Personenbahnhof zwischen Empfangsgebäude und Hafen, eine weitere im neuen Güterbahnhof etwa unterhalb des Stellwerks Ns. Da ich aufgrund ähnlicher Backsteinarchitektur des dazugehörigen Lokschuppens davon ausgehe, dass die Drehscheibe gleichzeitig mit dem Stellwerk Ns durch die Reichsbahn entstand und bereits eine Drehscheibe im Pbf. vorhanden war, schließe ich daraus, dass der Betrieb der Bahnstrecken nach Eutin und Oldenburg/H inklusive Umsetzen bzw. Drehen der Lokomotiven komplett im Personenbahnhof Neustadt/H abgewickelt werden konnte und hierzu keine weiteren (größeren) Einrichtungen an den Strecken nach Eutin bzw. Oldenburg/H erforderlich waren.
Die bereits vor 1928 installierten Weichen und Signalanlagen sollten durch Drahtzugleitungen bedient worden sein.
Die Drahtzuglänge bei mechanischer Signaltechnik ist aufgrund physikalischer Kräfte die auf die Rollen wirken auf circa 1.800 m begrenzt. Bei Weichen sind es sogar etwa nur 600m.
Führt man sich diesen Punkt vor Augen und wendet ihn auf das Stellwerk Nk im Personenbahnhof an, dann führt das zu dem Ergebnis in welcher maximalen Entfernung Einfahrsignal und Weichen gelegen haben können. Da das Stellwerk Nk in Kilometer 63,2 lag, wäre der Stellbereich dementsprechend für Weichen bis Kilometer 62,6 (das ist etwa Höhe der heutigen Wegeunterführung des Gleises zum Personenbahnhof (Straße „Am Holm“)) und für Signale bis Kilometer 61,4 (das war in Richtung Eutin noch hinter dem heutigen Bahnübergang "Holmer Weg").
In Folgerung dieser Punkte gehe ich davon aus, dass es
bis zur Eröffnung der Bäderbahn und der gleichzeitigen Schaffung des Güterbahnhofes außerhalb des Personenbahnhofes bzw. dem o.g. maximalen Stellbereich der vor 1928 dann in Richtung Eutin bis vor die Weichen 19-21 gereicht haben muss (sofern sie zu diesem Zeitpunkt überhaupt bereits existent waren, denn ich lese da im
Gleisplan von 1928 „neues Abstellgleis“), keine weiteren Einrichtungen gab, die ein Stellwerk erforderlich gemacht hätten.
Bei dem Stellwerk Nk im Personenbahnhof (im
Gleisplan von 1928 offensichtlich noch/auch „Ns“ genannt? ( Wofür mag „N
k“ gestanden haben? Neustadt
Kopfbahnhof? )) handelte es sich um ein charmantes Gebäude in fachwerkartiger Bauweise. Schaut man sich andere Stellwerke an der Strecke nach Eutin/Ascheberg an, so passt sich der Baustil (teilweise hervorragend) an die zu ähnlicher Zeit (Preußische Staatsbahn - s.o.) entstandenen Stellwerke an:
Eutin Ef (IB 1910)
Eutin Ew (IB 1910)
Malente-Gremsmühlen Ost Mo (IB 1912)
Plön Plf (IB 1909)
Plön Plo (IB 1909)
Hier nun ein Bild des Stellwerks
Neustadt Nk (IB 1907) aus den 60er Jahren.
An dieser Stelle geht mein Dank an den Betreiber dieser liebevoll und umfangreich gestalteten
Internetseite zum Ort Neustadt in Holstein, der einiges wissenswertes zum Thema beitragen konnte. Schaut mal auf der Seite vorbei. Der
Bereich Bahnhof hat dort sogar eine eigene Kategorie. Die Seite selbst bietet eine große Auswahl an (historischen) Bildern und Informationen der Region. Bringt etwas Zeit zum Stöbern mit! :-)
Einen
Gleisplan vom Personenbahnhof (Zustand 1950) darf ich hier auch veröffentlichen.
Das Stellwerk Nk ist auf der Seite von Ulrich Budde im
Zustand März 1978 zu sehen. Hier hat es leider schon das schöne Spitzdach eingebüßt.
Etwa zwölf Jahre später im
Sommer 1990 ist das Obergeschoss (mit Schieferplatten?) verkleidet wie uns der Bericht von Christoph zeigt.
Da die Deutsche Reichsbahn die Bäderbahn eröffnete, entstanden durch sie erst die Hochbauten im Güterbahnhof.
Zur Vervollständigung auch der
Gleisplan vom Güterbahnhof (Zustand 1950). Danke auch hier an Herrn Schwarz!
In diesem Gleisplan fehlt in der lfd. Nummerierung die Weiche 2. Vermutlich gab es hier mal ein weiteres Gleis zwischen dem Hauptgleis und dem Stellwerk Ns welches zwischen W1 und W3 abzweigte (da ist noch so viel Platz zwischen Schiene und Stellwerk…)
Das Stellwerk Nn im Güterbahnhof befindet sich auch in diesem Gleisplan etwa in Höhe Kilometer 62,33. Wir erinnern uns an den
Gleisplan von 1928 und finden das Stellwerk auch in einem
Gleisplan von 1940 an dieser Stelle. Einen Standortwechsel schließe ich daher aus. Der obige Heimatkundler weiß zu berichten, dass Neustadt in Holstein im zweiten Weltkrieg
nie eine Bombe abbekommen haben soll, was – dem Umstand geschuldet, dass Neustadt Marinestandort mit U-Boot Schule war und es eine U-Boot Versuchsanlage in Pelzerhaken gab – doch schon sehr verwunderlich ist. Es bestehen hier Gerüchte, dass die ebenfalls in Neustadt ansässige Firma Glücksklee zum Teil in US-Besitz war und der Ort deshalb nicht bombardiert wurde. Sehr interessant! …
In der Rubrik
Thema 4 – Straßenbilder finden wir unter der Straße „Am Holm“ ein interessantes
Foto aus höherer Aufnahmeperspektive.
Und unter „Industrieweg“ eine
weitere Aufnahme. Da hier die Verbindungskurve von 1951 zwischen dem Güterbahnhof und Neustadt Schleuse zu sehen ist, der Speicher am Hafen bereits der Neubau von 1957/1958 ist, würde ich die Aufnahme vor allem anhand der zu sehenden VW Käfer (und des anderen Fahrzeuges) eher in die 70er Jahre verorten. Erstaunlicherweise hat das Ausfahrsignal in Gleis 7 noch einen zweiten Flügel, so dass es noch eine Weichenverbindung in Richtung Personenbahnhof gegeben hat. M.E. ist diese Verbindung seit spätestens 1983 nicht mehr vorhanden.
Das Stellwerk Neustadt Nn scheint daher mehr oder minder im Originalzustand zu sein.
Warum das so ist, kann sich mir auch nicht wirklich erschließen.
Vielleicht kann die oben angesprochene Ausstellung zur Bäderbahn im zeiTTor- Museum weitere Fragen beantworten.
Genauso freue ich mich über eure Anmerkungen, Hinweise und wo nötig: Korrekturen.
Viel Spaß mit dem Thema wünscht euch
Guido
P.S.: Tante Edith war auch schon da und hat die GP als Bilder verlinkt - danke Edith!
2-mal bearbeitet. Zuletzt am 2018:01:11:19:15:37.