Hallo zusammen,
über viele Jahre hinweg war der Holzkirchner Flügelbahnhof des Münchner Hauptbahnhofes für den Reisenden ein grobschlächtiges – für den Eisenbahnromantiker ein idyllisch anmutendes Provisorium.
Das Empfangsgebäude von 1921 wurde im Krieg zerstört, nur ein Gebäudeteil, direkt an der Bayerstraße hat bis heute überstanden.
Neben dem Eilzug- und Nahverkehr spielte der Holzkirchner Bahnhof eine Rolle für die Post- und Expreßgutverladung. Außerdem wurden hier Reisezüge, v. a. Nachtzüge abgestellt.
Interessierte seien nun eingeladen zu einem Rundgang in mehreren Teilen über mehrere Jahrzehnte durch diesen Bahnhofsteil.
1.) Vom früheren Bahnhofsvorplatz an der Ecke Bayerstraße/Paul-Heyse-Unterführung konnte man über eine große Treppe auf den Querbahnsteig gelangen, der mit einer hochgestelzten Überdachung überspannt war.
2.) Der Querbahnsteig mit den Kopfgleisen 3 bis 10 (früher 1 bis 10). Der Verladebahnsteig der Gleise 3 und 4 (früher 1 und 2) besitzt als einziger noch eine Holzüberdachung.
3.) Der südlichste Bahnsteig von der Nähe aus gesehen.
4.) Seit der Inbetriebnahme des Südstreckentunnels an der Donnersbergerbrücke im Jahre 1981 fahren im Holzkirchner Bahnhof keine Züge mehr nach Holzkirchen ab. Sondern vom nördlich gelegenen Starnberger Flügelbahnhof, von wo aus sie sich an der Donnersbergerbrücke zum Südstreckentunnel einfädeln können. Seitdem beschränkt sich der Zugbetrieb im Südlichen Flügelbahnhof auf die Strecken nach Rosenheim und Mühldorf. Ausserdem auf das Abstellen von Reisezug- und Schlafwagen.
Die orientrote 113 308 hat im April 1995 um 15:10 den E 3528 aus Salzburg gebracht. Das Zuglaufschild am Prellbock kündigt schon die Rückleistung an: N 4819 nach Rosenheim, Abfahrt 16:00.
5.) Aktueller Vergleich. 218 433 kurz nach der Ankunft aus Simbach. Da die RB 27002 kein Wendezug ist, ist das einer der wenigen Regionalzüge, die aktuell noch planmäßig mit Lok voran in München Hbf ankommen.
6.)
139 136 (E 40 1136) (Krauss-Maffei 1959, Erstbeheimatung Offenburg, Bw Mü Hbf 29.7.1971 - 12.12.1972) mit N3525 nach Holzkirchen am 27.11.1971.
Nahschnellverkehrszug, waren das noch Zugbezeichnungen – und der Herr Lokführer mit seinem eigenen Diensthut!
Foto & Text: Paul Müller
7. - 9.) Zwei Einheitsloks auf Gleis 9 und Gleis 7 am 21. Mai 1975.
Der angeschnittene niedrige Wagen (Bild 8) ist ein Schlieren. Einziger Planlauf eines solchen war der Tauern-Orient D 292 / 293, den stellte die TCDD. Der Zuglauf kann´s von der Aufnahmezeit her nicht sein. Denkbar, dass wegen der Pfingstwoche die ÖBB eine solchen als Verstärkungswagen einsetzte.
Die S 22 war nicht nur Münchnens schnellste S-Bahnlinie, sondern hatte auch das modernste Wagenmaterial, Karlsruher Steuerwagen BDnrzf 740 und Bnrzb 725 der neuesten Bauserien, kenntlich an den Lautsprechern neben den Türen und den "Tür offen"-Leuchten.
150 143 (Hagen-Eck) hatte einen TOUROPA-Wagen dran, kenntlich an der hellen (=hellgrauen) Langträgerverkleidung.
(Fotos 7-9 & Text: Paul Müller)
10.) Der E 3411 nach Mühldorf, Abfahrt 13:52 im Januar 1991. Ursprünglich war dies Gleis 8, rechts daneben gab es das Gleis 9 (auf dem auf dem vorherigen Bild die 140 859 steht), dann den Postbahnsteig, dann Gleis 10.
Mit der Verlängerung der Bahnsteige der Gleise 11, 12 und 13 aus der Halle heraus, und der damit verbundenen Begradigung der Gleise wurde zunächst das stumpf neben Gleis 11 endende Gleis 10 in Gleis 11 eingeführt.
Später dann, Anfang bis Mitte der 80er Jahre erfolgte ein weiterer Umbau. Die bisherigen Gleise 9 und 10 wurden komplett getilgt, und der Bahnsteig vom Gleis 11 weiter begradigt.
Das hatte zur Folge, dass die Gleisnummern im Holzkirchner Flügelbahnhof um jeweils +2 verschoben und das neue Gleis 10 nunmehr beidseitig einen Bahnsteig hat.
11.) Am besten wird das mit einem Blick von oben deutlich: Gleis 10 ist bereits in das Hallengleis 11 integriert. Gleis 9 ist noch existent. Nachdem es verschwand hatte Gleis 8 (Gleis 10 neu) beidseitig einen Bahnsteig.
Mit diesem weiteren Umbau verschwand auch der hier seltsam anmutende "Knick" im Bahnsteig von Gleis 11. Außerdem konnte der noch sehr kurze Bahnsteig von Gleis 12/13 weiter herausgezogen werden.
(Foto: Johannes Heigl)
12. + 13.) Zurück auf den Boden in den Winter 1991. Das niedrige Walmdach in der Bildmitte gehört zum letzten Überrest des Empfangsgebäudes von 1921.
Wo hier noch der überdachte Packbahnsteig ist, befindet sich heute der bunte Gebäuderiegel parallel zu den Gleisen, sowie ein Fuß- und Radweg.
Bei den Kränen im Hintergrund entsteht gerade das neue Postbank-Gebäude, das die alte Bayerpost ersetzte.
14.) Die "Straßenseite" im Juni 1997. Rechts die eingangs erwähnte Treppe zum Querbahnsteig. Links der noch als Kantine genutzte Rest des alten Empfangsgebäudes von 1921. Das mit einem Fenster noch vorhandene Fragment des Mittelbaus, der sich bis zum Hauptgebäude entlang des Platzes fortsetzte. Das schlossartige Hauptgebäude (ebenfalls mit Walmdach, aber höher als die Kantine) stand im 90°-Winkel dazu und nahm etwa die Fläche ein, die hier das mit Tauben besetzte Flachdach markiert. Davor gab es eine Art Terrasse und eine Treppe, die wie heute hinunter zur Paul-Heyse-Unterführung führt.
Das Wohnhaus aus den 50er Jahren dahinter beginnt hier gerade seine Metamorphose. Es wurde entkernt, modernisiert und steht auch heute noch. Hier werden u. a. gerade die aussenliegenden Aufzugsschächte aufgestellt.
15.) Wesentlich gefälliger zeigt sich diese Ansicht heute. Das alte Gebäude wurde ganz geschickt in die neue Umgebung eingefügt.
16.) Der Blick von unten nach oben zeigt links das neue Gebäude, das so ziemlich genau den Grundriss des alten Empfangsgebäudes einnehmen dürfte. Daneben die Paul-Heyse-Unterführung und jenseits davon Bahnsteighalle und das Gebäude der Bayerpost mit heutiger Luxusherberge.
17.) Wo 2004 bereits ein Durchgang zwischen Bahnhofshalle und Bayerpost/Hotel geschaffen war...
18.) ...bestand zu Zeiten der Bahnpost eine überdachte Verbindung zwischen Postgebäude und Bahnsteighalle.
19.) Als die Bahnpost noch viel zu tun hatte. Hier erkennt man auch wieder die überdachte Fläche zwischen Halle und Postgebäude. Vom Bahnsteig Gleis 11 führte dort eine 30m lange Rampe hinein für die Elektrokarren.
Innendrin ging es noch weiter nach unten zum Posttunnel quer zu den Bahnsteigen, der im EG vom Starnberger Flügelbahnhof direkt auf die Arnulfstraße führte (und auch noch führt).
Was sich mit dem Dampfzug am 22.7.1968 auf sich hatte, beschreibt Paul beim nächsten Bild.
20.)
"Ich war bereits in der Frühe am Ostbahnhof, da ich am Vortag über die Buschtrommel (= Lokleitung Bw München-Ost) telefonisch erfahren hatte, dass sich an dem Tag einiges in puncto Dampfereinsatz tut. Nun gut, üblicherweise Güterzüge, kannte man ja, waren aber doch immer Aufnahmen wert.
An dem Tag, den 22. Juli 1968, gings aber echt rund.
Plötzlich hechelte in ziemlicher Eile die 50 2179 aus dem Bw in den Ostbahnhof. Gottseidank am Ausfahrsignal kurz warten, konnte ich wohlbekannte Mannschaft fragen, was los ist: "Da Diesl füan Muidoafa is ausgfoin, etzat miassn mia umme zum Habanof".
Oha, des werd was, meine Gedanken und ab in die nächste Trambahn vom Ostbahnhof durch die Stadt zum Hauptbahnhof. Damals gabs ja noch ein paar mehr Linien durch die Stadt als der Trauerzustand heute...
Die Zugläufe waren bekannt, also stand der P 1105 nach Mühldorf ohne Zuglok (Ausfall Planlok V 100) im Hauptbahnhof auf dem klassischen Mühldorfer Gleis 11. Der mittägliche Mühldorfer war so kurz, dass die Zuglok in der Halle stand.
Die Mannschaft grinste sich einen runter, wie sich mich wieder entdeckten und versprachen eine "gute Ausfahrt".
Heute undenkbar, damals musste ein den Fahrweg kreuzender D-Zug am Einfahrsignal warten, dass der Mühldorfer mit seiner Ersatzlok ja auf die Sekunde genau rauskommt!
Ich hatte mich zum Fotografieren ausserhalb hingestellt, auch da siehts heute anders aus. Mit einem Donnerwetter böllerte die 50er durch die Weichenstrasse, kaum drüber, waren die Kanonenschläge noch lang zu hören.
Es wäre ja nichts besonderes gewesen für diese Zeit, aber es war doch ein denkwürdiger Tag:
es war das letzte Mal, dass ein Planzug in München Hbf abfuhr - mit Dampflok!"
(Foto & Text: Paul Müller)
21.) Ganz aktuelles Vergleichsbild annähernd von dieser Position aus gesehen. Hier führen jedoch die Gleise gerade heraus aus der Halle, während auf Bild 20 die 50er schon deutlich in eine Kurve hineinfährt.
22.) 1998 war die Elektrokarrenrampe noch vorhanden.
23.) Es begannen aber auch schon die Bauarbeiten für den Neubau am Holzkirchner Bahnhof. Im Hintergrund, die noch ziemlich neue Postbank Bayerstr. Ecke Paul-Heyse-Str.
24.) Die Straßenseite.
25. + 26.) Die Südseite der etwa 220 m langen Paul-Heyse-Unterführung, die die Hbf-Gleise 11-36 unterquert.
27.) Für den Abschluss von Teil 1 ein Vergleichsbild von 1969. Das Thema "Kreuzung Bayerstraße / Paul-Heyse-Str / - Unterführung" mit Schwerpunkt Trambahn wird dann mal noch in einem eigenen Beitrag Platz finden.
Fortsetzung Teil 2: [
www.drehscheibe-online.de]
April 2023, DSO-Username geändert: aus Djosh wurde doku-des-alltags – sonst ändert sich nix ;-)
4-mal bearbeitet. Zuletzt am 2015:05:02:13:08:02.