Hallo HiFo!
Ein wichtiger Betriebszweig des Bochumer Vereins (BV) waren seine Hammerwerke und Schmiedeanlagen. Insbesondere bei den "großen Hämmern" war er seit Ende des 19. Jahrhunderts aktiv. Nun liegt mir eine 68-seitige Firmenschrift des BV von 1920 vor, die in 55 ganzseitigen Abbildungen große Schmiede- und Stahlformgussstücke präsentiert - einige davon verladen auf Plattformwagen, doch dazu später.
Vorab der Blick auf die Maschinen mit den enormen Kräften:
Bild 1: Die 1892 errichtete 4.000 t Schmiedepresse auf einem 1920 gedrucktem Bild [BV 1920].
Hydraulische Schmiedepressen fanden 1859 erste Verwenung und verdrängten ab der Jahrhundertwende die großen Schmiedehämmer. Ab Ende der 1880er Jahre wurde in der Hammerwerkshalle II ein Presswerk errichtet. Man begann mit kleinen Pressen von 320, 540 und 1.200 t, bevor dann um 1892 die 4000 t Presse errichtet wurde. [Robeck 2010, S. 83]. Selbstverständlich, dass diese hochmoderne Presse 1896 in einer Schrift zum Westfälischen Städtetag [BV 1896] gezeigt wurde. Im Gegensatz zu Bild 1 befindet sich hier eine Kurbelwelle in der Presse.
Bild 2: Nicht wirklich anders sah die Szenerie 20 Jahre früher aus: Noch einmal die 4000 t Schmiedepresse im Hammerwerk II des Bochumer Vereins (1896) [BV 1896]
Das nächste Bild stammt ebenfalls aus der 1896er-Schrift und zeigt die Größendimensionen, die notwendig sind, wenn man große Werkteile schmieden möchte. Die Welle ist in der Schmiede erkennbar.
Bild 3: Hammerwerk I des Bochumer Vereins (1896) [BV 1896]
Zur korrekten Verladung bzw. zum Transport dieser sperrigen Güter sei aus dem "Güter-Expeditionsdienst der Bergisch-Märkischen Eisenbahn" von 1873 zitiert [Scholtz 1873]. Auch wenn das Buch schon etwas älter als die Bilder ist, so hat sich an den grundsätzlichen Verladeregeln offensichtlich nichts verändert - das könnte auch daran liegen, dass sich die Physik auch nicht verändert hat:
Bei Gegenständen [..], welche den Laderaum eines Wagens in der Längenrichtung überragen, sind zu unterscheiden:
Gegenstände, welche so verladen werden können resp. müssen, daß sie nur auf einem Wagen lasten und für deren überragende Länge Schutzwagen beigestellt werden und Gegenstände, welche auf zwei Wagen lasten.
Sowohl bei den ersteren als bei den zweiten eben genannten langen Gegenständen ist noch zu beachten, ob es Gegenstände von weicher oder harter und besonders fester Structur sind und bei letzteren, z.B. langen Schienen, darauf zu sehen, daß dieselben niemals auf eisernen, sondern nur auf hölzernen Unterlagen, d.h. auf den Wagenboden befestigten Querbohlen lagern. Diese Querbohlen müssen über den Achsen resp. bei achträdigen Wagen über den zwischen den Achspaaren befindlichen Querträgern angebracht sein.
Bild 4: Vollständige Schiffswellenleitung. Für den Versand auf Eisenbahnwagen verpackt. Der Vierachser gehört zum Gattungsbezirk KÖLN, die Nummer ist leider verdeckt. [BV 1920]
Bei Gegenständen der ersten Art ist die allgemeine Bestimmung, wonach die Ladung möglichst gleichmäßig auf die Achsen vertheilt sein muß, zu beachten. Dabei dürfen die überragenden Theile, wenn Schutzwagen angewendet werden, niemals auf dem Boden oder den Kopfbracken der Schutzwagen lasten, müssen vielmehr so verladen sein, daß sie die Schutzwagen nicht berühren. Niemals darf wegen solcher Ueberragungen die Anwendung von Schutzwagen durch angebrachte steife Kupplungen umgangen werden, weil hierdurch bei den auf den Bergisch-Märkischen Bahnstrecken vorliegenden Gefälle-Verhältnisse der Transport gefährdet werden würde.
Gegenstände der zweiten Art, welche also auf zwei Wagen lastend verladen werden, dürfen nicht anders, als auf mit Drehschemeln versehene Wagen geladen werden und müssen entweder für sich solche Steifheit haben, daß sie nicht durch Durchbiegung an anderen Stellen der Wagen, als auf den Drehschemelschwellen auflasten, ...
Bild 5: Diese Verladung ist offensichtlich "moderner". Die 32 m lange Schiffswellenleitung lagert auf einer Holzkonstruktion und verteilt so das Gewicht auf die gesamte Wagenfläche. Die alte Vorschrift von 1876 ließ hingegen nur Drehschemelwagen zu. - Es handelt sich übrigens um die Wagen "ESSEN 35446" und "ESSEN 35645". [BV 1920]
...oder daß, wenn die zu verladenen Gegenstände diese Steifigkeit nicht haben, z.B. lange Bohlen für den Schiffbau oder langes dünnes Eisen, auf den Drehschemel erst ein hinreichend steifes Unterlager aufgelegt wird;
Bild 6: Auch wenn der Wagen nicht komplett abgebildet ist: Es dürfte sich um ein auf Drehschemeln lagernde steife Unterkonstruktion handeln, auf der wiederum eine Holzkonstruktion angebracht wurde, die das 22 t schwere Schiffsruder trägt. [BV 1920]
Die Ansicht eines auf zwei Drehschemelwagen verladenen Zahnrades aus Stahlguss der Witkowitzer Bergbau- und Eisenhütten-Gewerkschaft zeigt dieses Bild auf dem Schlotforum:
[
schlotforum.wordpress.com]
...daß ferner der Durchbiegung der Ladung nicht durch übermäßig lange steife Verkupplung Vorschub geleistet, sondern der nach beiden Außenseiten der Drehschemel in der Längenrichtung gebotene Laderaum der Wagen voll ausgenutzt wird; daß auch in Fällen, wo z.B. lange Hölzer ohne Anwendung von Kupplungen geladen werden, das eben erwähnte beachtet wird; ebenso daß bei Anwendung steifer Kupplungen die sogenannten festen Seiten der benutzten Wagen gegen einander stehen und zwischen diesen die steife Kupplung (Langbaum) sich befindet; und daß bei und nach der Verladung die zugehörige Einstellung, Befestigung und Verkettung der Rungen und der Ladung selbst stattfindet. Die Verladung dergleichen auf Drehschemel ruhender Gegenstände darf nur in gradlinigen Gleisen stattfinden und muß darauf geachtet werden, daß die Drehschemel genau richtig liegen, wenn die Ladung beginnt und sie während der Ladung keine Verschiebung erleiden, weil sonst die Drehschemel während des Transportes ihren Zweck nicht erfüllen würden.
So weit der Text mit den Verladevorschriften. Zur Abrundung nun noch die weiteren Fotos aus der 1920er Broschüre:
Bild 7: Nun zwei Bilder einer verladenen Koepescheibe mit 7 m Durchmesser und 25 t Gewicht. [BV 1920]
Bild 8: Der hier abgebildete ESSEN 38346 war laut Anschrift ein in Duisburg stationierter Spezialwagen. Als letztes Untersuchungsdatum ist der 31.5.10 angegeben. [BV 1920]
Bild 9: Zahnrad mit Welle, 3,5 m Durchmesser und 25 t. [BV 1920]
Bild 10: Kurbelwelle für Gaskraftmaschinen, 30 t. [BV 1920]
Bild 11: Schiffssteven 18 t. [BV 1920]
Und im Schlotforum gibt es auch noch einen verladenen Hintersteven aus Stahlguß: [
schlotforum.wordpress.com]
Quelle
BV 1896 | Bochumer Verein für Bergbau und Gußstahlfabrikation. Zur Erinnerung an den westfälischen Städtetag in Bochum, Juni 1896. Bochum 1896 |
BV 1920 | Bochumer Verein (Hrsg.): Bochumer Verein, Bochum. ohne Ort und Jahr. Graphische Kunstanstalten J.J.Weber, Leipzig. - Firmenschrift |
Robeck 2010 | Robeck, Ulrike: Die älteren Hallen des Bochumer Vereins als Zweckbauten und Denkmale der Eisen- und Stahlindustrie. von Zabern, Mainz 2010, ISBN 978-3-8053-4279-7
(= Denkmalpflege und Forschung in Westfalen. Band 50) |
Scholtz 1873 | Scholtz, Adolph: Der Güterexpeditionsdienst der Bergisch-Märkischen Eisenbahn. Baedeker'sche Buch- und Kunsthandlung. Elberfeld 1873 |
Ich hoffe es gefällt
Besten Gruß
Christian
PS.: An alle später Lesenden: Erfahrungsgemäß antworten die meisten Leser innerhalb der ersten 24 Stunden auf einen Forumsbeitrag. Gelesen wird er aber auch noch Wochen später. Ich freue mich natürlich auch noch nach Tagen, Wochen, Monaten über jede Rückmeldung, Anregung und Kritik!