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Die erste Gasturbine bei der DB: Die Baureihe 219
Zunächst wie gewohnt der Hinweis auf themenverwandte Beiträge:
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Vor 40 Jahren: Die Vorserienmaschinen der Baureihe 218.0 (m29B – neu gescannt und wieder hochgeladen!)
Dabei waren die Loks der Baureihe 210 nicht die ersten Gasturbinenloks bei der Deutschen Bundesbahn, sondern hatten bereits einen Vorreiter gehabt. Die Rede ist von dem Einzelgänger V 169 001 (ab 1968: 219 001). Zwischen 1960 (V 160 001 bis 009) und 1963 (V 160 010) waren die ersten einmotorigen Großdiesellok an die DB abgeliefert worden, deren Serienproduktion 1964 beginnen sollte. Gleichzeitig experimentierte man auch mit der elektrischen Zugheizung und gab 1964 die ersten drei Vorserienloks der Baureihe V 162 (ab 1968: 217 001 bis 003) in Auftrag, die mit einem separaten Heizdiesel ausgestattet waren. Fast parallel dazu ließ man bei Klöckner-Humboldt-Deutz unter der Fabriknummer KHD 57876 eine, ebenfalls auf der V 160 basierende, einmotorige Diesellok bauen, die neben einem Heizgenerator für die elektrische Zugheizung, auch über eine Gasturbine verfügte. Diese sollte beim Anfahren von schweren Zügen, bei der Beschleunigung und bei Bergfahrten als Booster dienen, wobei eine Zuschaltung nur bei Volllast des Dieselmotors und im Bereich des günstigsten Verbrauchs der Turbine vorgesehen war. Zudem sollte sie den durch die elektrische Zugheizung entstehenden Leistungsverlust kompensieren.
Vier Zwischenwände teilten den Innenraum in die Sektionen Führerstand 1/Kühlanlage und Gasturbine/Maschinenraum/Hilfsbetriebe/Führerstand 2 auf. Zwei Seitengänge verbanden die beiden Führerräume und erleichterten die Wartung der Maschine. Zur besseren Luftzirkulation erhielt die Lok in der vor der Gasturbine liegenden Tür ein zusätzliches Lüftungsgitter. Auf späteren Aufnahmen ist auch an der diagonal gegenüberliegenden Tür in der Nähe der Hilfsbetriebe ein kleines Lüftergitter zu erkennen. Ansonsten entsprach der Fahrzeugteil weitestgehend dem der V 160 (ab 1968: 216).
Sie erhielt einen neu entwickelten Maybach Motor vom Typ MD 870 1B mit sechzehn Zylindern, der eine Leistung von 2150 PS bei 1500 U/min entwickeln konnte. In der V 169 001 war er jedoch auf 1900 PS bei 1400 U/min gedrosselt worden, um die Maschinenanlage zu schonen. Als Zusatzantrieb diente eine Zweiwellen-Gasturbine der Bauart LM 100 PA 104 von General Electric, die KHD in Lizenz gebaut hatte. Diese entwickelte eine Leistung von 900 PS bei 19 500 U/min. Dabei wurde die Leistung von Dieselmotor und Gasturbine auf eine gemeinsame Welle des Voith-Turbogetriebes L 860 W6rs abgegeben. Die Lok verfügte über 15 normale Fahrstufen. Bei Fahrstufe 16 wurde die Turbine, welche übrigens keine Kühlanlage benötigte, dafür aber mit besonderen Ansaug- und Abgasschalldämpfern ausgerüstet war, mit Volllast zugeschaltet. Schaltete man unter die Fahrstufe 10 zurück, ging die Gasturbine in den Leerlauf über. Die Betriebszustände der Maschinen, sowie Störungen derselben, wurden dem Lokführer durch Leuchtmelder angezeigt. Als Heizaggregat für die Zugheizung diente ein Drehstrom-Generator vom Typ 1 FA 3264-6 der Firma Siemens, der eine Leistung von 360 kW erbrachte und mittels eines Hilfsabtriebes vom Voith-Turbogetriebe mit doppelter Motordrehzahl angetrieben wurde. Zusätzlich war noch ein Hagenuk-Heizkessel zur Vorwärmung bzw. Warmhaltung der Maschinenanlage vorhanden.
Die Maschine wurde am 21. Juni 1965 an die DB übergeben, welche sie der Öffentlichkeit auf der IVA in München präsentierte. Zuvor waren noch einige Versuchsfahrten absolviert worden. Nach einem Aufenthalt im AW Nürnberg wurde sie im Januar 1966 von der DB endgültig abgenommen. Es folgten weitere Versuchsfahrten und am 09. März 1966 dann die Beheimatung beim Bw Kempten/Allgäu. Hier bespannte sie in erster Linie Schnellzüge zwischen München und Lindau, seit 1970 zusammen mit den acht Gasturbinenlokomotiven der (Folge-)Baureihe 210. Bis zum April 1974 erreichte die Lok eine Laufleistung von 712.899 km, als ein schwerer Schaden an der Gasturbine auftrat. Da das Versuchsprogramm abgeschlossen war, verzichtete die DB auf eine Instandsetzung der Turbine und ließ diese ausbauen, so dass die Lok fortan als reine Diesellokomotive unterwegs war. Als dann auch noch ein Schaden am Dieselmotor auftrat, stellte man die Lok kurzzeitig ab. Bei der folgenden Reparatur ließ man auch die Zugheizanlage stilllegen, so dass ein Einsatz vor Reisezügen, außer vielleicht in der warmen Jahreszeit, nicht mehr möglich war. So stationierte man die Lok am 27. Februar 1975 nach Gelsenkirchen-Bismarck um, wo sie bis zur nächsten Hauptuntersuchung noch im Güterzugdienst Verwendung fand. Diese wurde aber nicht mehr ausgeführt, und die Lok am 25. November 1977 auf „z“ gestellt und am 26. Januar 1978 ausgemustert. Bis dahin hatte sie 853.000 km erbracht.
Danach war die Lok lange Zeit im AW Bremen abgestellt, bevor sie 1985 nach Italien verkauft werden konnte. Im Dezember 1998 holte zunächst die Firma Railimpex die Lok nach Deutschland zurück und ließ sie bei Gmeinder in Mosbach aufarbeiten. Nach Austausch des Maybach-Dieselmotors gegen einen Caterpillar-Motor, einer Überarbeitung des Strömungsgetriebes, sowie einer Neuverkabelung, die am 06. April 2000 abgeschlossen war, oblag ihr die Beförderung der Müllzüge von Hildesheim nach Krefeld. Die ehemalige Bahngesellschaft Waldhof in Mannheim (BGW) hatte die Lok zu diesem Zwecke erworben und bezeichnete sie fortan als DH 280.01, wozu sie auch eine Lackierung im grün-grauen Farbschema der BGW erhielt. Dieser Einsatz währte nur kurz, da die Lok im Herbst 2000 in einen Auffahrunfall verwickelt war, der einen erneuten Aufenthalt bei Gmeinder in Mosbach notwendig machte. Nach der Reparatur im Februar 2001 fuhr die DH 280.01 unter anderem auch Kalkzüge für die BASF von Stromberg nach Ludwigshafen, bis sie Ende Oktober 2001 an die Eisenbahnen und Verkehrsbetriebe Elbe-Weser (EVB) verkauft und dort vor Containerzügen zwischen Hamburg und Bremerhaven eingesetzt wurde. Bei der EVB reihte man die Lok als 420 01 in das neue Nummernschema ein. Ein erneuter Unfall Anfang 2003, bei dem die Lok nicht unerheblich beschädigt worden war, achte erneut eine Reparatur notwendig. Aktuell ist die Lok wohl erneut mit einem Unfallschaden im Bw Bremervörde abgestellt.
Da die Lok bereits im Jahre 1977 „z“-gestellt wurde, habe ich sie leider nur noch im AW Bremen angetroffen. Daher war Ulrich Budde, dem ich an dieser Stelle meinen Dank aussprechen möchte, so nett, mir für diesen Beitrag einige Bilder zur Verfügung zu stellen.
Bild 01: Am 24. August 1967 ist 219 001 noch als V 169 001 im Bf Lindau unterwegs. Deutlich
ist auf diesem Foto von Ulrich Budde das zusätzliche Lüftergitter in der Einstiegstür zu erkennen:
Bild 02: Wenige Tage später, am 01. September 1967, bespannt sie in München Hbf den D 102:
Bild 03: Dieses Foto von Achim Switing zeigt die 219 001 am 28. Juli 1974 im Bw Kempten. Zu diesem Zeitpunkt muss die Gasturbine schon ausgebaut
gewesen sein. Hier ist gut das von mir im Text erwähnte, später eingebaute, kleine Lüftungsgitter in der schräg gegenüber liegenden Tür zu erkennen:
Bild 04: Mit dem Nahgüterzug Ng 63541 ist 219 001 am 06. Februar 1976 bei Gelsenkirchen-Schalke unterwegs:
Bild 05: Knapp 2 Monate später, am 27. März 1976, ist die Lok im Bw Gelsenkirchen-Bismarck zu sehen:
Bild 06: Im März 1985 rostet die Lok im AW Bremen vor sich hin und harrt der Dinge die da kommen werden. Noch im selben Jahr wird sie nach Italien verkauft:
Das sie noch einmal in ihr Heimatland zurückkehren würde, war damals bei bestem Willen noch nicht abzusehen!
Bild 07: Am 07. September 2000 fotografierte Ulrich Budde die DH 280.01 bei Duisburg-Kaiserberg vor dem Müllpendel Krefeld – Hildesheim:
Damit endet mein kleiner Beitrag über die Geschichte der 219 001 bei der DB. Ich hoffe, er wird euch wieder gefallen.
Bis neulich – natürlich im HiFo
Rolf Köstner
7-mal bearbeitet. Zuletzt am 2020:01:03:21:45:04.