Ich hatte es ja geahnt, daß weniger das Ereignis selbst, sondern seine sprachlich politisch korrekte Zuordnung im Vordergrund stehen würden. Was habe ich also Böses getan?
Zunächst einmal habe ich die damalige deutsche und heutige polnische Ortsbezeichnung gewählt. Wo ist das Problem? Deutsche und Polinnen können gleichermaßen den geografischen Bezug zuordnen.
Dann habe ich nicht von Landsberg an der Warthe, je nach Korrektheit mit Bindestrich oder mit Klammer*), sondern nur von Landsberg geschrieben, was nicht angeht, weil es ja sein kann, daß Gorzów Wielkopolski am Lech oder bei Halle liegt, und daß dies demnach zu Verwechslungen führen kann. Ich vergaß, daß polnische Dampfloks ein Schwerpunkt im HiFo sind, und deshalb die Kenntnis der polnischen Geografie hier weit verbreitet ist. Also war auch für diese Usergruppe mit der polnischen Ortsbezeichnung die Zuordnung eindeutig gegeben.
(Das mit den unaussprechlichen polnischen Namen finde ich eher süß. Wo Deutsche bekanntermaßen schon am einfachen "th" und "w" scheitern, worüber sich englische Boulevardblätter bei unpassender Gelegenheit gerne lustig machen. Was glaubt ihr eigentlich, womit Nichtdeutsche bei deutschen Eigennamen so ihre Probleme haben? Jedenfalls – derlei Zungenbrecher lassen sich von aufgeklärten deutschen Muttersprachlern durchaus mit etwas Wohlwollen erlernen.)
Das alles wäre ja noch verzeihlich gewesen, wenn ich nicht – ganz böse – geschrieben hätte: "verunglückte im damals deutschen Teil Polens ein Schnellzug". Weil, worauf zurecht hingewiesen wurde, Landsberg 1918 schon seit Jahrhunderten wahlweise brandenburgisches, preußisches oder einfach nur deutsches Gebiet gewesen ist. Nun ist das alles eine Frage der historischen Perspektive. So war das Gebiet um Landsberg vor Jahrhunderten schon einmal Teil des polnischen Königtums, bevor irgendwelche deutschen Raubritter einfielen. So ist das eben. Die mittelalterlichen Grenzen vor 800 Jahren waren eben andere, sie änderten sich, mal nach Osten, mal nach Westen. Dann kamen noch die diversen polnischen Teilungen dazu. Aber zurück zur Wortwahl.
Vielleicht hätte ich schreiben sollen: "verunglückte im damals deutschen Teil des heutigen Polen ein Schnellzug". Ob dies an der darauf folgenden Kommentierung Wesentliches geändert hätte? Ich zweifle. Aber ich gelobe Besserung. Ich werde den historischen Bezug meiner Wortwahl besser darzustellen versuchen.
Daß Polinnen und Polen freundlich deutsche Bezeichnungen akzeptieren, zeigt m.E. eher, daß ihr Nationalstolz**) dem schnöden Mammon geopfert wird. Solange in Deutschland Revanchistenverbände politisch meinungsbildend sind und der Verfassungsschutz als eine Regierungsbehörde Neonazis finanziert, ist in Bezug auf die Revision der Verhältnisse nach 1945 durchaus noch Vorsicht angesagt. Ich bringe meine Position dann eben so zum Ausdruck, daß ich nach Möglichkeit die polnischen Ortsbezeichnungen wähle. Das ist nicht übertriebene politische Korrektheit und Gutmenschentum, sondern Respekt.
*) Frankfurt am Main ist ein schönes Beispiel dafür, mit welch verschiedener Interpunktion diese Stadt bezeichnet werden kann, z.B.: a.M., (M), /M., /M, etc. Oder gar ohne Zusatz, weil aus dem Zusammenhang ersichtlich.
Vermutlich gibt es hier nur eine Duden-korrekte Fassung, aber die Realität hält sich einfach nicht daran, und seltsamerweise verstehen es alle.
**) Ich bin auch kein Freund von welchem Nationalstolz auch immer. Hier geht es mir allein darum, daß sprachliche Befindlichkeiten dem Geldverdienen untergeordnet werden.
1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2013:02:24:13:43:51.