Zum Thema Streikkultur kann ich die Erfahrungen aus den 1990er Jahren beisteuern, als Streiken in Italien auch nicht mehr war, wie man es erwartete.
(13.06.1996) Durch aufmerksames Studieren von Aushängen im Bahnhof Ferrara wußten wir, daß vom 12.6., 21.00 Uhr bis 13.6., 21.00 Uhr die Lokführer streikten. Es gab aber viele Ausnahmen. Im Berufsverkehr fuhren von 6 - 9.00 Uhr Nahverkehrszüge. Ausgewählte Nord-Süd-Verbindungen und einige IC verkehrten. Ebenso Internationale Züge, die Pendolinos und ETR500-Züge. Auch sollten alle vor dem Streik planmäßig gestarteten Züge bis zum Zielbahnhof durchfahren. Letzteres betrifft nahezu alle Nachtzüge, die irgendwann am Nachmittag in Palermo, Lecce oder Calabrien losfahren und so gegen 9 bis 10.00 Uhr am nächsten Tag in der Poebene auftauchen und Mittags im Norden (Bologna, Turin etc) sind.
So mußten wir nur von Ferrara nach Bologna kommen, was im Berufsverkehr gelang. Dort erwischten wir um 9.00 einen pünktlichen Nachtzug aus Palermo, der uns nach Milano brachte. Dort durfte man offiziell zwar nicht einsteigen, aber das hat niemanden interessiert.
Von dort erreichten wir einen EC nach Brüssel, der uns an unser Tagesziel Novara brachte. Zur Not hätte man ab Milano auch mit der privaten Ferrovie Nord-Milano (FNM) nach Novara kommen können. Wir waren kurz vor 12.00 in Novara.
Nach Albergo-Eincheckung ging's erstmal zur FNM. Diese Bahn betreibt derzeit nur Schienenverkehr Novara - Vanzaghello, der Rest bis Saronno wird mit Servizio Pullman erledigt. Wir pendelten einmal hin und her mit dem schon seit Jahren von der FS gemieteten Ale 883.017 + Le 883.004 (Breda 1939) + Ale 883 007 (Breda 1944). ....
Doch was mit dem Rest des Tages anfangen? Ganz einfach, mit dem Taxi nach Trecate (Strecke nach Milano) fahren, wo wir auf der Hinfahrt eine Lokansammlung gesehen hatten. Zurück sind wir von dort mit einem Linienbus gefahren, auf den wir 1,5 Stunden warten mußten (und da der Fahrer keine Fahrkarten verkaufte, fuhren wir schwarz nach Novara zurück). Vom ersparten Geld gönnten wir uns einen dekadenten 15.000 Lire Eisbecher in Novara. Dank Lokführerstreik konnte man ja außer Stadtbesichtigung nicht mehr viel machen.
Zwei Jahre später war es auch trotz Streik möglich, noch einiges zu unternehmen. Von Asti aus erkundeten wir den Hafen von Genua:
(-mu, fg, 18.6.98) Der heutige Tag hatte seine besondere Spezialität. Es wurde gestreikt, diesmal war es wohl eine größere Lokführergewerkschaft. Von 10 bis 17.00 sollte außer den Garantie-Zügen (IC, Intern. Züge und div. andere hochwertige Züge) nichts rollen. Wir fuhren also morgens los, um unseren Genova-Tag einzulegen. Ziel war vor allem der Hafen, den man ohnehin nur per Stadtbus erreicht. Bzw., man kann mit der FS bis zum Bf Sampierdarena fahren und von dort eine Wanderung beginnen. Kurz nach 9.00 Uhr waren wir vor Ort.“
Der Streik brachte uns übrigens noch ein Photo einer ex FS, ex DRG Köf II ein, die wie über die toten Gleise bequem erreichen konnten. Gegen 17.00 Uhr saßen wir wieder in einem Nahverkehrszug und wurden nach Asti gebracht.
Sicher dem ein oder anderen Bekannt sein dürfte die Tatsache, das ich mit Michael Ulbricht seit 1990 regelmäßig in Italien bin. Bis in die 2000er Jahre bereisten wir das ganze Land per Zug. Hauptziel waren und sind die deutschen Loks, aber im Laufe der Jahre versuchten wir auch viele der Privatbahnen zumindest mal abzufahren. So auch ganz unten im Süden.
Hier gebe ich mal wieder, was ich damals zu der Bahn geschrieben habe.
Ferrotranviaria Bari – Barletta FT
(31.05.2000) Nach Erichtung der Hauptbahn an der Adriaküste im Süden Italiens 1863 kam bald der Wunsch auf, auch das Hinterland von Bari bis Barletta (beides Orte an der Adria-Küste) an die Eisenbahn anzugliedern. 1877 präsentierte der Ingenieur Di Lorenzo der Provinzregierung von Bari das Projekt einer Pferdebahn, die Andria, Corato, Ruovo di Puglia und Terlizzi verbinden sollte. Zwei Jahre später erhielt dann die belgische Gesellschaft Chemins de fer Economiques de Bari – Barletta et Extensions SA aus Brüssel eine Concession für den Bau und Betrieb eine Dampfstraßenbahn auf 750 mm Spurweite von Bari nach Barletta durch das Hinterland der beiden Städte. Verwendet wurden Vignol-Schienen von der Bochumer Hütte, zwischen Bitonto und Terlizzi war die Strecke kurvenreich mit Radien von 100 m. Streckenhöchstgeschwindigkeit waren 20 km/h, dies war auch in einer Klausel der Konzessionsurkunde festgelegt. Für der Versorgung der Loks wurden in Fesca und Bitonto große Zisternen angelegt. Die Strecke wurde sukzessive in Betriebgeommen. Am 01.10.1883 war sie mit Eröffnung des Stückes Andria – Barletta komplett.
Eingesetzt wurden zwölf 1881 von St. Leonhard, Lüttich, gebaute, dreiachsige Loks. Hinzu kamen die üblichen Personen- und Güterwagen (40 Stück), die von Franco-Belge, La Croyere gebaut wurden. Auch einen Salonwagen gab es, der sogar vom deutschen Kaiser Wilhelm II bei einem Besuch in Bari benutzt wurde.
1934 wurde die Bahn an die Ferrotranviaria SA in Rom verkauft. 1959 endete der Betrieb vorläufig, es war auch gleichzeitig das Ende des Dampfbetriebes. Bis 1964 wurde die Strecke dann von 750 mm auf 1435 mm umgebaut und elektrifiziert. Zum Einsatz kamen neu beschaffte ET von TIBB und OMS (110 km/h) sowie zwei Elloks (90 km/h). Zum Auffangen unerwarteter Fahrgastzuwächse waren in der Anfangszeit auch Ellok Garnituren mit ex SNCF-Mitteleinstiegswagen im Einsatz. Auch eine FS 626 mit ex FS-Wagen kam zum Einsatz. Nachdem man weitere ET erworben hatte, kam dann noch als Gelegenheit die DB 280 007 für den Güterverkehr in den Bestand der Bahn. Letztere ist noch vorhanden, wird aber nicht mehr genutzt.
Die Bahn beginnt in Barletta unscheinbar am FS-Bf und fährt in einem Bogen durchs Hinterland nach Bari. Es werden eine Reihe ländlicher Kleinstädt berührt, Industrie ist kaum auszumachen. Die Strecke ist eingleisig, von Ruovo nach Bari ist mit EU-Mitteln derzeit der 2gleisige Ausbau in Arbeit, was dann auch einige Bauloks bescherte. Das ganze erinnert ein klein wenig an die KBE-Vorgebirgsbahn. In Bari überquert die FT die FS um auf der Küstenseitigen Seite fast paralell zum FS-Bf zu führen. Den letzten Kilometer verläuft die FT in Tieflage und endet in einem eigenen Kopf-Bf, der zur Straßenseite fast wie ein Bürohaus aussieht. Direkt daneben befindet sich aufgeständert in Hochlage der Endpunkt der schmalspurigen Privatbahn nach Potenza mit ihrem Kopfbahnhof. Das Depot der FT liegt etwa 3 km vor dem Endpunkt. Zur Besichtigung benötigt man eine Genehmigung der Direktion, die im Endbf der FT gegenüber des FS-Bf Bari sitzt.
Wir sind die Bahn einmal vom Übernachtungsort Barletta aus komplett abgefahren und haben dann noch mal gezielte Fahrten zu einzelnen Bauloks gemacht. Triebwagen wurden dabei wenige aufgenommen. Hier die beiden einzigen Aufnahmen. Was auffällt: Keine Graffitti, für das Italien der Jahrtausendwende sehr ungewöhnlich.
Im Bf Ruvo galt die Aufmerksamkeit eigentlich der im Hintergrund sichtbaren Henschel 30323, aber TW 01 durfte auch mal auf’s Bild.
Im Bf Severato galt unser Aufenthalt der V90P im Hintergrund (MaK 1000390, ex Dortmunder Eisenbahn „15“). Aber diese Kombi aus modernerem ET und älteren ET durfte auch auf’s Bild.
Soweit mal
Frank