Hallo zusammen,
bei diesem Titel wünscht man sich natürlich einen Bilderbogen aller sieben Stichstrecken, die einstmals reihum das Fichtelgebirge in Oberfranken erschlossen. Mir stand leider nur noch eine im Personenverkehr bediente Strecke zur Verfügung, die heute auch nicht mehr vollständig vorhanden ist: Bayreuth Hbf — Warmensteinach. Auch diese Bahn erwischte ich gerade noch auf den letzten Drücker, denn 1993 wurde der Gesamtbetrieb auf dem letzten Teilstück Weidenberg — Warmensteinach stillgelegt.
Einen Teil der Bilder von meiner Führerstandsmitfahrt auf 211 037 von Warmensteinach nach Bayreuth hatte ich vor fast 5 Jahren schon mal gezeigt. Da ich die Bilder damals aber noch nicht auf dem eigenen Server hatte, sind sie mittlerweile nicht mehr sichtbar. Außerdem war das längst nicht alles von dieser Tour, deshalb nun der ausführliche Bericht, auch in besserer Bildqualität.
1.) Von München nach Nürnberg ging es mit dem IR 402 nach Leipzig, der hier auf der rechten Seite noch angeschlagen ist. Bei der Ankunft fiel mir gleich die orientrote 211 054 auf. Der Lack ist noch frisch, erst im Februar des selben Jahres wurde sie lackiert. Hier wartet sie mit dem N 4257 zur Abfahrt um 9:57 nach Hilpoltstein bereit. Ankunft in Roth ist um 10:38, wobei in Schwabach ein planmäßiger 10-minütiger Aufenthalt ist. Als N 7261 geht es in Roth um 10:52 weiter, der Endbahnhof Hilpoltstein wird um 11:08 erreicht werden.
2.) Auf Gleis 18 steht 218 226 mit einem Eilzug nach Schwandorf, Abfahrt um 9:52. Ankunft in Schwandorf 11:15. Daneben auf Gleis 17 der E 3428 nach Würzburg Hbf. Auf Gleis 16 der N 5736 nach Bamberg.
3.) Die Strecke eingleisige Strecke nach Bayreuth beginnt im Bahnhof Schnabelwaid mit dem Km 0,0. Im nahegelegenen Bahnhof Creußen (km 5,6) werden Zugkreuzungen durchgeführt, wie hier, als sich zwei 614er begegnen.
614 013 als E 3670 wartet auf Gleis 1 die Ankunft des E 3667 aus Nürnberg ab.
4.) Abfahrt um 11:01. Am anderen Ende hängt der 614 014. Der auf Gleis 2 stehende E 3667 beschleunigt auch gerade wieder, wie man an der Dieselfahne erkennen kann.Die Uhr zeigt 11:01, zu diesem Zeitpunkt steuert die 211 054 mit dem N 7261 gerade Eckersmühlen an, die letzte Station vor Hilpoltstein.
5.) Meine Ankunft in Bayreuth Hbf mit dem E 3667 war um 11:12 auf Gleis 1.
Die Uhr zeigt nun 11:15, auch alle anderen Bahnsteiggleise sind belegt: auf Gleis 2 steht 211 062 mit dem N 7533 nach Kirchenlaibach (Abfahrt 11:27), auf Gleis 3 der Schienenbus aus Kirchenlaibach (Ankunft 11:08), auf Gleis 4 der 614 004 als N 6663 nach Neuenmarkt-Wirsberg (Abfahrt 11:22).
6.) Auf Gleis 5 wartet schon der täglich erste von insgesamt drei Zügen nach Warmensteinach. Abfahrt 11:19. Montags bis Freitags verkehrt ein Güterzug mit V100 nach Weidenberg und zurück. Warmensteinach wird von der Übergabe nur bedarfsweise angefahren.
Hier steht also der N 7601, gebildet aus einem n-Wagen und einem Bm 232, dessen Drehtür einladend weit offen steht. Vorne hängt 211 037, die wir später noch sehen werden. Jetzt blieb erstmal noch keine Zeit, deswegen fällt nur noch der Blick auf die 211 284, die mit einem Bauzug drei Gleise weiter steht. Nebendran die Bahnmeisterei, wo ein VW T3 wohl gerade kurz vor dem Einsatz steht.
7.) Auch das Nachbargleis neben dem Zug nach Warmensteinach ist belegt. Dort steht die noch frisch lackierte 217 021 mit einem Müllzug nach Schwandorf. Einen interessanten Kontrast bilden die giftgrünen Müllbehälter.
Alle 15 Loks der Baureihe 217 waren zum Zeitpunkt im Bw Regensburg beheimatet. Um 2000 wanderten die verbliebenen Loks zum Bh Mühldorf, wo sie noch mehr als 10 Jahre im Güterverkehr eingesetzt wurden.
8.) Nun gehts auf die Nebenbahn. Nachdem das Bayreuther Industriegebiet durchquert ist, führt die Strecke auf dem unteren Abschnitt durch eine malerische, landwirtschaftlich geprägte Gegend und steigt stetig bergan. Hier ein Blick durch die glücklicherweise sauberen Falttürenfenster des Bm.
Die Bahn wurde am 15. August 1896 in Betrieb genommen und war fast von Anfang an das regelmäßige Ziel von Wintersportlern. Dieser Zweig des Tourismus wurde hier schon früh erkannt und gefördert. Bereits 1903 rollte der erste Wintersportzug an, wodurch der Bahnhof schon damals einen für fränkische Nebenbahnen ungewöhnlich langen Bahnsteig erhielt. Richtig lange Züge kamen vor allem in den 50er Jahren nach Warmensteinach. Von einer 01 oder 18.4 von Nürnberg nach Bayreuth gebracht, wurde der Zug dort geteilt und von zwei 64ern auf die Höhen des Fichtelgebirges gefahren. Mit dem Aufkommen des Individualverkehrs wurden diese Züge irgendwann überflüssig.
9.) In steten Bögen mäandert die Trasse durch die sommerliche Landschaft dem Fichtelgebirge entgegen. Schön wars, sich aus dem Fenster zu hängen, den satten Dieselsound der V 100 im Ohr und gelegentliche Dieselschwaden abzubekommen.
10.) Einfacher Bahnsteig, massives Stationsschild: Hp Döhlau, beim km 6,9.
11.) Kurz hinter Döhlau. An dem BÜ wechselt die Telegraphenleitung die Gleisseite. Bevor Weidenberg erreicht wird, folgen die beiden Stationen Untersteinach (b Bayr) und Görschnitz, von denen ich keine Bilder habe.
12.) Bahnsteigszenerie bei der Ankunft in Weidenberg, der größten Betriebstelle unterwegs mit gemauerten Empfangsgebäude.
13. + 14.) Was genau entladen wurde, weiß ich nicht, möglicherweise Dünger für die BayWa. Auf Bild 13 sieht man einen Traktor mit zwei Anhängern, die mit Säcken beladen sind.
In Weidenberg endet heute die Strecke, das Ladegleis ist entfernt, an dessen Stelle ist ein neuer Bahnsteig errichtet worden. Seitens DBAG war auch die Stillegung der Strecke Bayreuth — Weidenberg beschlossen, konnte aber dank der Übernahme durch die DRE verhindert werden. Heute betreibt die Agilis unter dem Namen "Dieselnetz Oberfranken" mit Regioshuttles die Strecke.
1991 ging es noch weiter in den wirklich urigen Teil der Bahnlinie. Deutlich zu sehen ist der weitere Anstieg der Trasse. Auf den folgenden 9 km bis Warmensteinach sind noch 114 Höhenmeter zu überwinden.
15.) Nun macht die, seit Bayreuth in östlicher Richtung verlaufende Strecke einen Schwenk nach Norden. Sophienthal wird erreicht. Hier verengt sich das Tal der
Warmen Steinach. Auf der Brücke wir der
Steinbach überquert, der ein Stück rechts ausserhalb des Bildes in die
Warme Steinach mündet. Diese hat ihre Quelle am Ochsenkopf, oberhalb von Warmensteinach und mündet ihrerseits nach 24 km Gesamtlänge bei Bayreuth in den
Roten Main.
16.) Ein wahres Idyll. Für Fahrgäste, die hier möglicherweise ein- oder aussteigen heißt es einen großen Schritt machen, da der Bahnsteig am Außenbogen liegt.
17.) Sogar ein Ladegleis liegt noch. Ob das noch bedient wurde?
18.) Nun wirds steil und eng. Die kleinsten Bogenhalbmesser betragen 200 m, dabei wird eine Steigung von 20 Promille (1:50) erreicht. Die nahegelegene Schiefe Ebene hat auf einem Abschnitt von 500 m eine Steigung von 25 Promille (1:40). Somit ist die Nebenbahn schon ganz gut dabei und die
Wintersportzüge mit 64er Doppelbespannung und bis zu sechs vollbesetzten 26,4m-Wagen am Haken waren hier sicher ein eindrucksvoller Anblick!
Bilder solcher Züge sind beispielsweise im Buch "Fränkische Nebenbahnen – einst und jetzt | Oberfranken" (Bufe Verlag) auf den Seiten 126/127 zu sehen.
Dieses Bild hier entspand am km 20, unweit des Hp Zainhammer, an dem nur bedarfsweise Züge halten.
19. + 20.) Und immer weiter nach oben. Dass rechts der Gummiwulst des Bm zu sehen ist, sollte nicht stören, sondern den Eindruck vermitteln, wie schön es schaukelte auf der Plattform.
21.) Um 12:08 Ankunft in Warmensteinach. Es wird sogleich umgesetzt. Der Zughalt bei der Ankunft erfolgt am verlängerten Bahnsteig im Bereich von Lade- und Umfahrgleis. Dadurch spart man sich eine Zugbewegung. Die Lok kann gleich abgekuppelt werden und umsetzen. Nach dem Umsetzvorgang wird der Zug zum Prellbock zurückgedrückt, so dass die Fahrgäste direkt beim EG einsteigen können.
211 037 war zum Zeitpunkt eine von 60 Maschinen der V 100.10, die 1991 noch beim Bw Hof beheimatet waren. Wie für die 01 war Hof eine der letzten Hochburgen der 211. Sie waren auf so ziemlich allen Strecken in Ober- und Mittelfranken, Oberpfalz und im Bayerischen Wald zu sehen.
Die Laufbahn der V 100 1037:
Bw Rosenheim 05.02.1962 – 12.12.1962
Bw München Hbf 13.12.1962 – 08.09.1963
Bw Ingolstadt 09.09.1963 – 25.05.1968
Bw München Ost 26.05.1968 – 31.07.1977
Bw Mühldorf 01.08.1977 – 31.05.1986
Bw/Bh Hof 01.06.1986 – 23.09.1997
Bis 1986 war sie purpurrot lackiert, dann bis zur Ausmusterung ozeanblau-beige.
22.) Noch während die eben angekommenen Reisenden aus dem Bahnhof rausmarschieren, warten hinten am Bahnsteig schon diejenigen, die den Zug Richtung Bayreuth nutzen wollen.
Nun möchte ich noch das Empfangsgebäude in seiner Bauart würdigen:
In oberfränkischen Bahnhöfen sind sehr verwinkelte Fachwerkgebäude oder mit Schiefer verkleidete Gebäude typisch. Das aus Bruchsteinen errichtete Warmensteinacher Gebäude entspricht jedoch einer Einheitsbauweise, die über ganz Bayern verteilt auf Nebenbahnen zu finden ist. Charakteristisch ist das Schopfwalmdach, die beiden dicht nebeneinander liegenden Giebelfenster und darunter die Granitplatte mit dem Stationsnamen. Identische Gebäude finden sich zum Beispiel in
Bischofsgrün, Nordhalben, Fladungen, Grafenau und
Tittmoning mit 4 Fenstern im 1. Stockwerk auf einer Längsseite. In
Maroldsweisach und
Ruhpolding gibt es die 5-Fenster-Variante. In
Mainburg in der Holledau steht eines in verputztem Zustand und in
Haag (Oberbay) gab es eine Ziegelvariante mit Sichtmauerwerk. Beide mit 4 Fenster. Ebenso in
Rottenburg a. d. Laaber in Ziegelbauweise. Das am weitesten südwestlich gelegene Gebäude dieser Art könnte in
Lechbruck gewesen sein (Bruchsteine, 4 Fenster), es wurde aber schon Anfang der 80er Jahre abgerissen, nachdem die Nebenbahn ab Marktoberdorf schon 1963 (Pv) und 1971 (Gv) stillgelegt wurde. Das noch tiefer im Allgäu gelegene Gebäude von
Pfronten-Ried ist zwar auch in dieser Form errichtet, hat jedoch abweichend ein Satteldach.
Die kleinste mir bekannte (einstöckige!) Variante steht beispielsweise in
Benediktbeuren (Bruchsteine) und
Ebersberg (verputzt), nur drei Fenster lang und zwei Fenster breit, dafür aber mit offenen Wartehallenanbau. Auch an der Lokalbahn München-Giesing — Deisenhofen ist diese Bauart in verschiedener Ausführung zu finden in
Taufkirchen,
Unterhaching und
Fasangarten. Wieviele Gebäude dieser Art es insgesamt gibt/gab ist mir nicht bekannt, es wäre aber mal interessant zu wissen.
Fortsetzung in Teil 2 [
www.drehscheibe-foren.de]
Viele Grüße,
Georg
April 2023, DSO-Username geändert: aus Djosh wurde doku-des-alltags – sonst ändert sich nix ;-)
8-mal bearbeitet. Zuletzt am 2017:10:19:01:54:04.