Hallo, zur Abwechslung mal keine Klapperschlange, sondern "Liberation".
Die UNRRA (United Nations Relief & Rehabilitation Administration, 1943-47) benötigte in der unmittelbaren Nachkriegszeit für den Wiederaufbau in Kontinental-Europa Lokomotiven, die man recht preiswert als Hilfe an die Bahnverwaltungen abgeben konnte, da in Europa betriebsfähige Dampflokomotiven durch Kriegsschäden bekannterweise knapp waren. Sie musste schnell zu bauen und schnell verfügbar sein und vergleichsweise wenig kosten, aber haltbar und leistungsfähig sein. Man hätte hier sicher auch auf die S-160 zurück greifen und davon noch ein paar bestellen können, doch vermutlich wegen deren bekannten Unzulänglichkeiten z.B. mit den Achs- und Stangenlagern entschloß man sich statt dessen eine ähnliche Lokomotive selbst zu entwickeln. Dabei griff man auf den Entwurf der britischen WD Austerity mit der Achsfolge 2-8-0 (1'D-h2), die wiederum auf der LMS Stanier Class 8F basierte, zurück und entwickelte diese weiter. Konstruiert wurde die Lokomotive von der TACIT (Technical Advisory Comittee on Inland Transport) zusammen mit der britischen "Locomotive Manufacturers Association" und Konstrukteuren aus Belgien, Tschecheslovakien, Frankreich, Griechenland, Niederlande, Polen and Jugoslavien ab dem Jahr 1943, so dass sie unmittelbar zum Kriegsende zur Verfügung stehen könnte.
Der Blechrahmen, Kessel (16 Bar) und der vierachsige Tender (25000 l Wasser) ähneln der WD Austerity sehr, doch bei der Rauchkammertür griff man auf eine Type zurück, die sich bei britischen Exportloks für z.B. Südamerika bewährt hatten. Die Konstrukteure der "Liberation" oder "UNRRA-type" genannten 1'D-h2-Loks waren von der USATC S-160 "Klapperschlange" und der deutschen 1'E - Baureihe 50 beeindruckt und übernahmen von diesen beiden Loktypen so manche Details, wie das sehr deutsch aussehende Führerhaus und den hoch liegenden Umlauf. Auch wurden Waschluken deutscher Bauart am Kessel verwendet, ungewöhnlich waren für eine in Groß Britannien entworfene Lok auch die Verwendung von Teilen in metrischen Maßen. Im Gegensatz zur S-160 konstruierte man die Liberation jedoch für das kontinentaleuropäische Lichtraumprofil und haltbarer, also für längere Laufzeiten als eine typische Kriegslok. An der mit Stirling-Überhitzer und HOULSON-Schüttelrost ausgestatteten Lokomotive, welche mit 18,5 Tonnen Achsdruck und 1.451 m großen Treibrädern eine recht freizügige Verwendung auf verschiedensten Strecken versprach, sind sowohl amerikanische, britische als auch kontinentale Konstruktionsmerkmale sichtbar.
Insgesamt 120 Lokomotiven wurden im Jahr 1946 von der Vulcan Foundry in Newton-le-Willows in Cheshire gebaut, der Transport der Maschinen erfolgte wegen dem großen Lichtraumprofil per Straße nach Liverpool, von dort per Schiff nach Hamburg, wo sie im BW HH-Altona zusammen gebaut wurden. 65 Stück gingen als Wiederaufbauhilfe nach Jugoslavien, wo sie als JDZ 38.001 - 065 liefen; weitere 10 wurden 1957/58 für die JDZ von Duro Dakovic noch nachgebaut. Weitere 10 Exemplare der bei Vulcan Foundry gebauten Serie gingen zu einem Stückpreis von 15.000 britischen Pfund als Baureihe 47.01-10 nach Luxemburg zur CFL, wo sie gerne vor Reisezügen eingesetzt wurden und in den Jahren 1960/61 ausgemustert wurden. Die Luxemburger Maschinen wurden während ihrer Betriebszeit erheblich umgebaut, wobei sich auch ihr Aussehen stark veränderte. Auch Polen erhielt von der UNRRA 30 Lokomotiven dieses Typs, die als Reihe Tr202.1-30 bezeichnet wurden und dort bis 1976 laut Baureihenbezeichnung für Güterzüge eingesetzt wurden. Bei der CSD sind 15 UNRRA-Loks als Reihe 459.001-015 betrieben worden, wobei sie schnell von Links- auf Rechtssteuerung umgebaut wurden und bis 1969-71 eingesetzt wurden, dann aber bei fortschreitender Verbreitung von Dieselloks nicht mehr auf Nebenstrecken ausweichen konnten, weil dafür dann doch die Achslast zu hoch war. Insgesamt scheint diese Konstruktion recht gut gelungen zu sein, bei der CSD gehörten sie unmittelbar bei Übernahme mit 2000 PSi Leistung und einer Zugkraft von 201.1 kN zu den stärksten Lokbaureihen.
Anzahl . Fabr.Nr. . . Baujahr
10 . . . 5357-5366 . . 1946
50 . . . 5367-5416 . . “
40 . . . 5417-5456 . . “
20 . . . 5457-5476 . . “
UNRRA 1-D 102, diese Lok lief später als JDZ 38.057 in Yugoslavien. Hier ist das sehr nach 50/52 aussehende Führerhaus deutlich erkennbar. Sammlung Greg Martin.
in Groß: [
www.enuii.com]
Tr 202 der PKP, Bild aus der Wikipedia, zwei sind dort erhalten, eine in Breslau (VF 5448), eine in Chabowka (FV 5405, Tr202-19).
Fotos aus Luxemburg: [
www.rail.lu]
Die Liberation in der Wikipedia, man beachte auch die vielen Wiederspüche zwischen den einzelnen Sprachversionen: [
en.wikipedia.org] [
de.wikipedia.org] [
cs.wikipedia.org] [
pl.wikipedia.org]
Außerdem gerade noch gefunden: [
www.enuii.org] [
www.stationroadsteam.co.uk] [
www.locomotives.com.pl] [
www.locomotives.com.pl] [
www.flickr.com]
(Mit Material von Greg Martin und Paul Scheller, außerdem ein paar Ergänzungen (hoffentlich nichts falsches) aus der Wikipedia (deutscher, englischer, tschechischer und polnischer Artikel.))
9-mal bearbeitet. Zuletzt am 2012:10:29:23:23:13.