...Elektrisch in die schlesischen Berge!
So hieß es als Untertitel beim Band 2 des famosen Forschungs- und Sammelwerks über den "Wechselstrombetrieb in Deutschland
von 1911 bis 1945" (Oldenbourg-Verlag. 2011). Den Autoren Glanert, Scherrans, Borbe und Lüderitz vielen Dank!
Das hatte mich elektrisiert, im Wortsinne. Vieles konnte ich nun zuordnen. Wusste ich doch, dass auch in meiner Sammlung
einiges ist, was dazu "einfach mal raus muss"! Bei Bezugnahme auf die vg. Quelle ist einfach mal eine Seitenangabe
beigefügt. Nachsehen mag man es mir auch, wenn ich die Bezeichnungen RBD und RAW in der jungen DRG-Zeit dort verwende, wo
es z.T. zeitlich noch ED bzw. AW geheißen haben könnte.
Und schon gehts los:
ES 2 bzw. WSL 10502 Halle, wie sie bei Ablieferung hieß, kam am 12.03.1911 in Dienst, wurde am 19.07.1911 zur
Internationalen Industrie- und Gewerbeausstellung nach Turin verschafft und kam von dort aus Anfang 1912 zurück. Von Mai
bis November 1914 war sie dann bei der baltischen Ausstellung in Malmö. Nach der Rückkehr erfolgte die Abstellung im Bw
Bitterfeld. Zusammen mit ihren numerischen Schwesterloks ES 1, 3, 4, 5, 6, 9 und 11 wurde sie Mai/Juni 1915 nach Schlesien
abgegeben (Bw Niedersalzbrunn) [Zusatzmaterial zu Band 1; Anhang 11.1].
Die Werkaufnahme ist eine Postkarte von Hanomag (verantw. für den mechan. Teil), die drei anderen Aufnahmen werden Hermann
Maey zugeschrieben, zumindest aber als Urheber für die Wiedergabe der vermutlich bei der AEG entstandenen Fotos. Die Lok
hat zunächst offenbar zunächst noch doppelte Lyra-Bügel, später dann Scherenstromabnehmer.
1922 kehrte sie ins RAW Lauban ein, um danach wegen geringer Leistungsfähigkeit (mit nur 900 PS die schwächste der
Versuchs-ES-Typen der Achsfolge 2' B 1') wieder der RBD Halle zugeordnet zu werden. Anfang 1923 Abgabe an die RBD München,
Bw Freilassing, wovon sie im Mai bereits zurückkehrte und im Bw Leipzig-Wahren abgestellt wurde. Im August ging sie dann
zur RBD Karlsruhe, Bw Basel Bad. Bf.
1927 erfolgte dann die Ausmusterung und die Abgabe an das Verkehrs- und Baumuseum Berlin, wo sie nach 1945 kriegsbeschädigt
und teildemontiert bis zur Übergabe 1984 an den Senat überdauerte.
Nach jahrelanger weiterer Abstellzeit auf dem Gelände des ehemaligen Zollpackhofes etwa dort, wo heute die Bundestags-
Schlange steht, fand sie nun - leider ungeschützt - ihren wohl endgültigen Abstellort neben der Monumentenhalle des
Deutschen Technikmuseums Berlin, gleich neben den monumentalen Resten des Fahrmotors der EP 235.
Ein weiteres trauriges Schicksal erlitt die 1914 von Borsig (mechanischer Teil) und Siemens-Schuckert Werken (elektrischer
Teil) gelieferte ES 6 (WSL 10506 Halle), die vom Versuchsbetrieb im Halle-Bitterfelder Raum im Sommer 1915 in der Bw
Niedersalzbrunn eintraf und schon 1921 an die ED Halle zurückgegeben wurde. Nach Reparatur erfolgte die
Wiederinbetriebnahme, der alsbald ein Schaden das Ende und 1923 die Ausmusterung bereitete (Bd. 1, S. 70; Zusatzmaterial
Bd. 1, Anh. 11.1). Ende der 20er Jahre wurde sie noch als Umformer für einen Bauzug umgebaut, 1946 kam sie als
Reparationsleistung in die UdSSR, nach der Rückkehr 1953 wurde die ES 6 oder was noch übrig war, 1962 verschrottet.
Das Werkfoto von SSW wird seiner weiteren Existenz Hermann Maey zugeschrieben.
Die Tabelle der preußischen ES-Loks aus dem Merkbuch von 1915 findet sich hier:
Während des ersten Weltkrieges wurde der elektrische Betrieb in Schlesien wie auch im Hallenser Raum zeitweise eingestellt.
Auch später mit der Wiederinbetriebnahme gab es noch Mangel an leistungsfähigen Lokomotiven.
So ist denn pr. G 10 5470 Osten mit einer nicht erkannten weiteren G 10 in Dittersbach unter Fahrdraht und vor Fördertürmen
tätig.
Inzwischen gab es bemerkenswerte "Infrastrukturen" der Elektrifizierung und Signalausstattung, wie man heute sagen würde
(Postkarte mit Marke im Motivfeld, abgestempelt Breslau 25.06.1926):
Und dann kamen sie endlich, die ersehnten stärkeren Maschinen. Zunächst die EG 511 Halle mit Indienststellung im März 1914
in Bitterfeld. Schon im Mai 1915 kam sie zum schlesischen Netz in die Bw Niedersalzbrunn von wo sie erst nach Zugang der E
75 62 bis 69 im Sommer 1931 nach Basel abgegeben wird, inzwischen längst als E 71 11 umgezeichnet. Die Ausmusterung
erfolgte im Februar 1943 (Bd. 1, S. 69).
Übrigens: Im DTMB sind erhalten die EG 528 (E 71 28), hier Blicke auf einen Radsatzwellenstumpf und einen der beiden
Fahrmotore...
...sowie im Verkehrsmuseum Dresden die im Führerhaus zugängliche EG 530 (E 71 30):
Die Tabelle der preußischen EG-Loks aus dem Merkbuch von 1915 findet sich hier:
Die zwanziger Jahre brachten für Schlesien eine Reihe weiterer Lokversuche mit sog. Einrahmen-Lokomotiven und damit auch
über den weiterhin angewendeten Stangenantrieb die annähernd größten, wohl aber die leistungsfähigsten Fahrmotore der Welt.
Das ganze war verbunden mir riesigen Unwuchten, was auch zu Verschleiß und Zerstörungen an Triebwerken führte.
Trafodurchschläge, Kontaktabbrande und schlechte Komutierungen als weiterer Mangel warfen ein schlechtes Licht auf die
sonst recht leistungsfähigen Maschinen, die mit ihrem Erscheinen sofort den schweren Reisezugverkehr übernehmen mussten.
Recht schlecht kamen dabei auch die BEW-Maschinen weg (Bd. 2, S. 136 bis 138). Die Baureihenbezeichnung hieß zunächst noch
EP 235 bis 252, später E 50 35 bis 52.
Diese Aufnahme eines Personenzuges in Hirschberg/Schles. mit E 50 48 wird Hermann Maey zugeschrieben.
Außer dem oben bereits gezeigten Motorrest beim DTMB findet sich im Verkehrsmuseum Dresden auch ein Torso einer Lok dieser
Reihe, genau der E 50 42, die nach dem 2. Weltkrieg aus UdSSR-Verschleppung 1952 wieder zurückkam und nicht wieder
aufgebaut wurde. Der Größenvergleich mit einem 1,75 m großen erwachsenen Besucher zeigt die Ausmaße:
Die Tabelle der preußischen EP-Loks aus dem Merkbuch von 1915 findet sich hier:
Weitere Modernisierungen kamen durch die kräftige E 91, die als Reihe E 91.9 mit elektrischer Widerstandsbremse
ausgerüstet, schwere Güterzüge auch im bergigen Bereich befördern konnte. Hier die E 91 102 in einer Aufnahme, die mal Carl
Bellingrodt, mal Hermann Maey zugeschrieben wird (ich neige zu letzterem, da CB häufig alle erreichbaren Positive von HM
nach dem Krieg reproduzierte und dann oft nur seinen Stempel drauf gab).
Altertümlich aussehend, aber moderner Einzelachsantrieb (Tatzlagermotoren) und davon gleich sechse verlieh der E 92 79 auch
erhebliche Kraft, die aus einer robusten und nach Kinderkrankheiten dauerhaften Konstruktion kam. Bereits 1913 vor dem 1.
Weltkrieg bestellt, kamen die Loks der Reihe EG 571 bis 579 (später E 92 71 bis 79) kriegs- und kriegsfolgenbedingt erst
1923 zur Auslieferung. Ihre Höchstgeschwindigkeit wurde nach Sifa-Einbau Anfang der 30er Jahre auf 60 km/h erhöht, auch
erhielten einige eine elektrische Zugheizung. Die Loks hatten auch ein Gepäckabteil (Bd. 2, S. 138 ff.; Zusatzmaterial,
Anh. 5.5).
Bleibt noch, die Indienststellung der E 21 51 im Oktober 1927 beim Bw Hirschberg zu vermelden. Dies war eine der ersten
Schnellzugloks mit Einzelradantrieb. Dabei wurden die zwei Reihen zu je vier Fahrmotoren versetzt gegenüber gestellt, so
dass sie gemeinsam auf je eines der vier Achsgetriebe wirken konnten. Die Steuerung war eine Schützensteuerung, die über
einen komplizierten Fahrradketten-Mechanismus vom Führerstand aus auf ein im Dachbereich befindliches Nockenwerk wirkte,
das die Schützen dann mit pneumatischem Antrieb ansteuerte (Zusatzmaterial Bd. 2; 12.1).
Das äußerst seltene Foto, das offenbar den Autoren des eingangs genannten Werkes fehlte, zeigt den mit seitlichen
Schutzgittern versehenen Maschinenraumgang und den Blick auf die ominöse Fahradketten-Mechanik. Links deutlich ein Schild
mit "Motor 4" zu erkennen, rechts die Ölschalter. Die Lok entgleiste 1939 mit der Bisselachse voraus. Anschließende
Messungen ergaben eine zu hohe seitliche Kraft von über 8 t in Gleisbögen. Daraufhin sollte sie umgebaut werden was aber
kriegsbedingt unterblieb und nur die Höchstgeschwindigkeit auf 75 km/h reduziert wurde. Ihr weiteres Schicksal ist nicht
genau geklärt; sie soll 1944 als Schadlok im RAW Dessau gewesen und in die UdSSR abtransportiert worden sein (Bd. 2, S.
233; Zusatzmaterial Anh. 6.1 u. 6.4).
Im Februar 1931 kam aus Mitteldeutschland zu Versuchsfahrten die noch nicht mit Lokschildern versehene E 44 001, blieb
jedoch mit nur gut 1400 km Pz- und nur gut 300 km Gz-Leistungen nur etwa sechs Wochen, bevor sie an die RBD München ins RAW
Freimann abgegeben wurde und erst im Frühjahr 1932 bahnamtlich abgenommen wurde (Bd. 2, S. 173; Zusatzmaterial Bd. 2, Anh.
12.1).
Das Bild aus der Zeit beim Bw Hirschberg wird Hermann Maey zugeschrieben.
Schließlich, sozusagen als Krönung: Die E 95!
Die E 95 01 bis 06 kamen in der Zeit vom 27.12.1927 bis zum 21.06.1928 zum Bw Hirschberg und kosteten das Stück je gut eine
halbe Million Reichsmark (Bd. 2, S. 154 ff). Die sehr leistungsfähigen Loks wurden eingehenden Messfahrten unterzogen und
bewährten sich gut.
Stolz zeigt sich das Bw-Personal auf der mit Zierlinien versehenen Lok, dahinter die mit Widerstandsbremse ausgerüstete
E 95 02:
Nach Verschleppung in die UdSSR am Ende des 2. Weltkriegs, nach Rückgabe Anfang der 50er Jahre an die DR der DDR und nach
Wiederaufbau und Wiederinbetriebnahme des elektrischen Netzes im Dreieck Halle-Dessau-Bitterfeld fand sich E 95 03 in Halle
1967:
Im RAW Lauban, so sind diese Bilder zuzuordnen, fanden sich die am 06.08.1936 an das Bw Hirschberg gelieferte E 44 050 ohne
nähere Datumsangabe bei der Demontage von Dachbaugruppen und eine Gruppe Mitarbeiter bei der Lagerbearbeitung von Radsätzen
einer E 95:
Ich hoffe, der kleine Bilderbogen, mit einigen Verweisen ins "Heute" hat gefallen.
Wie immer: Auf alten Bildern ist viel zu entdecken!
Grüße
VB995
Tante Edith meinte, es seien Dreckfuhler drinne und doch 27 Abbildungen...
2-mal bearbeitet. Zuletzt am 2012:06:16:06:06:16.