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 04 - Historisches Forum 

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Moin Moin!

Der heutige (kleine) Blick in die Lieferunterlagen gilt der Berliner Maschinenbau-Actien-Gesellschaft, vormals L. Schwartzkopff, Berlin (hier nur noch kurz BMAG), und ist nicht ganz so "spektakulär" wie der erste Teil (Jung-Jungenthal, Kirchen a.d. Sieg), aber auch hier gibt es ein paar interessante Aspekte und Probleme – und die Tatsache, dass es überhaupt original Unterlagen zu diesem Hersteller gibt, wird den ein oder anderen Lieferlisten-Interessierten etwas überraschen.

Wie bei Jung gab es auch bei der Lieferliste der BMAG lange Zeit nur die Ausarbeitung vom Dipl.-Ing./Baurat Bernhard Schmeiser und auch die Liste in dem Buch von Hans-Dieter Haeuber und Dierk Lawrenz, "Schwartzkopff Lokomotiven 1867-1945", Verlag Steiger, Moers, 1986, basiert auf diese Liste aus Wiener Neustadt.

Werfen wir also erst mal einen Blick auf das, was seit den 1950er Jahren "die" BMAG-Liste war:

http://www.ssdw.de/quellen/BMAG_Schmeiser_0001.gif

Die Seite 1 der BMAG-Lieferliste von Bernhard Schmeiser – diesmal auf kariertem Papier. (aus Nachlass Schmeiser, Sammlung Josef Pospichal).
Interessant sicher die FNr. 96 und 97, zwei "auf Schienen fahrbare Lokomobile; Radantrieb durch Ketten".

http://www.ssdw.de/quellen/BMAG_Schmeiser_0002.gif

Schon auf der zweiten Seite offenbart sich aber schon das Problem der "Schmeiser-Liste" – FNr. 838 bis 840 fehlen. Eine Lücke, die so über Jahre hinweg nicht geschlossen werden konnte. Auch auf den folgenden Seiten sind immer wieder Lücken zu finden.

Die Tatsache, dass die Staatsbahnlieferungen und Lieferungen für (bekannte) Privatbahnen genannt werden, offenbar aber viele Werkbahnlokomotiven und besonders die ab 1906 von der BMAG in größeren Stückzahlen gelieferten Pressluft-Grubenlokomotiven fehlen, ist heute nicht mehr sicher begründbar. Ob Hr. Schmeiser seine Liste entweder nur anhand von Sekundärquellen erstellt hat oder ihm bzw. "dem Netzwerk" nur Lieferunterlagen zu den Staatsbahnlokomotiven vorlag (ähnlich wie bei Jung, wo die Feldbahndiesel nicht "im Hauptlieferbuch" vermerkt wurden), ist nicht wirklich nachvollziehbar. Auch könnte die BMAG nur die Staatsbahnlieferungen preis gegeben haben, oder die Liste wurde von jemandem erstellt, der sich nicht für die Werkbahn- und Grubenlokomotiven interessierte. Bernhard Schmeiser dürfte das dann aber nicht gewesen sein, denn er hat nach Möglichkeit auch die wenigen bekannten Werkbahnlokomotiven mit aufgelistet.

Wie dem auch sei, die unvollständige Liste diente lange als Grundlage für alle Veröffentlichungen und auch für die ersten digitalen BMAG-Lieferlisten. Dies, obwohl schon 1977 Kurt Pierson in seinem Buch "Lokomotiven aus Berlin" (Motorbuch Verlag, Stuttgart) auf das "Bestellbuch der Lokomotivfabrik L. Schwartkopff" hinwies und den Inhalt der ersten beiden Seiten (als Abschrift) publizierte:

http://www.ssdw.de/quellen/BMAG_Pierson_0001.gif
Quelle: Kurt Pierson, Lokomotiven aus Berlin, Motorbuch Verlag, Stuttgart, 1977, Seite 51

Diese Angaben sind eine Abschrift eines Lieferbuches, welches sich in einer Kassette für eine Grundsteinlegung befand und 1952 beim Wiederaufbau wiedergefunden wurde (so Kurt Pierson in seinem Buch). Es bleibt (mir) rätselhaft, warum scheinbar keiner bis ins neue Jahrtausend hinein dem Hinweis von Kurt Pierson nachging und nach diesen BMAG-Lieferbuch (bzw. Büchern) gesucht hat und warum es so lange nicht wieder "aufgetaucht" ist.

Ich selbst jedenfalls habe gar nicht danach gesucht, jedoch 2007 auf einem Treffen des Arbeitskreis Lokomotivgeschichte in Berlin eine CD in die Hand gedrückt bekommen, auf der die Seiten von zwei BMAG-Lieferbüchern abfotografiert waren – da bleibt einem dann schon etwas die Spucke weg und zwei Flaschen Herztropfen bringen den Puls nicht unter 180:

http://www.ssdw.de/quellen/BMAG-Deckblatt.jpg
Unscheinbarer Einband des BMAG-"Verzeichnis der Namen & Nummern gelieferter Lokomotiven No 1." – das hört sich nicht gerade nach einem Lieferbuch an...
Quelle: Archiv Deutsches Technikmuseum, Berlin

http://www.ssdw.de/quellen/BMAG-Vorblatt.jpg
Das Vorblatt "Mit Gott" sehr aufwendig gestaltet - und dann geht es richtig los:
Quelle: Archiv Deutsches Technikmuseum, Berlin

http://www.ssdw.de/quellen/BMAG-0001.jpg
Tatsächlich – die Lieferliste der BMAG! Was heute im Vordergrund steht, die Fabriknummer, ist in den damaligen Unterlagen erst in der fünften Spalte vertreten. Die Angaben sind 1:1 identisch mit den von Hr. Pierson handschriftlich wiedergegebenen Auszug – es ist also offensichtlich das Buch, welches aus der Grundsteinlegung stammt.
Quelle: Archiv Deutsches Technikmuseum, Berlin

http://www.ssdw.de/quellen/BMAG-0036.jpg
Gleich ein Blick auf die erste Lücke in der "Schmeiser-Liste": FNr. 838 bis 840 sind schmalspurige Tenderlokomotiven für Friedrich Krupp, Lok Nr. 8, 9 und 10. Offenbar lag Dipl.-Ing. Schmeiser diese Quelle nicht vor, denn solche Dampfok-Lieferungen wären von ihm genannt worden. Bleibt natürlich die Frage, welche Quelle bzw. welche anderen Lieferbücher es einst gab, die als Quelle dienten.

Egal wie, die beiden in Berlin aufgetauchten BMAG-Lieferbücher schliessen auch alle weiteren bis dahin vorhandenen Lücken, darunter die vielen Pressluft-Grubenlokomotiven und die elektrischen Lokomotiven in Zusammenarbeit mit dem Maffei-Schartzkopff-Werken MSW.

Ein großes Manko bleibt aber: Es sind leider nur zwei Bücher, die Aufzeichnungen enden 1923 – die weiteren Bücher bis 1945 fehlen bisher bzw. sind nicht aufgetaucht.

Aber auch hier konnte 2009, wieder im Rahmen eines Regionaltreffens des Arbeitskreis Lokomotivgeschichte in Berlin, noch etwas Licht ins Dunkel gebracht werden. Der Dipl.-Ing. Johannes Töpelmann (Lebenslauf) hatte offensichtlich Zugriff auf original Lieferunterlagen auch nach 1923, denn in seinen handschriftlichen Aufzeichnungen zur BMAG finden sich detaillierte Angaben zu den BMAG-Lieferungen inklusive der Auftragsnummer und dem Tag der Lieferung:

http://www.ssdw.de/quellen/BMAG_Toepelmann.gif
Zwar "nur" eine Abschrift, also eine Sekundärquelle, aber offensichtlich lagen dem Lokomotivkonstrukteur Töpelmann nach 1945 noch BMAG-Lieferunterlagen vor, aus denen diese Details zu den Lieferungen hervorgingen.

Leider gibt es, wie man z.B. bei FNr. 11914 bis 11918 sieht, hier aber Lücken in den Angaben – es sind offensichtlich nur Dampflokomotiven aufgeführt. Diesellokomotiven nennt Hr. Töpelmann auch in seinen Aufzeichnungen, jedoch mit dem Vermerk "soweit bekannt" und ohne Kommisionsnummer und Liefertag. Insgesamt ergibt sich so zwar eine umfangreiche Ergänzung zu der ursprünglichen "Schmeiser-Liste", jedoch bleiben zum Teil große Lücken. Diese dürften zum Teil zwar mit Straßenwalzen gefüllt sein, aber auch dazu gibt es leider keine Lieferliste und damit bleibt es halt offen, was wirklich noch fehlt.

Zusammenfassend kann man sagen, dass zur BMAG leider nur ein Bruchteil an Original-Unterlagen existieren (FNr. 1/1867 – 8238/1923) und damit die Lieferliste ab 1923 bis zur Aufgabe des Lokomotivbaus mit FNr. 13275/1945 doch noch sehr lückenhaft ist. Zwar konnte durch die Aufzeichnungen von Hr. Töpelmann, die offensichtlich auf BMAG-Unterlagen beruhen, die bisher (mir) nicht vorliegen, die Sammlung von Lieferdaten von Hr. Schmeiser nochmals vervollständigt werden, aber letztendlich konnte bisher das Fehlen der Original-Lieferunterlagen ab 1923 nicht wirklich ausgeglichen werden. So fehlen zu ca. 1400 Fabriknummern die Lieferangaben – man soll zwar niemals nie sagen und Wunder gibt es immer wieder, aber es dürfte das "harte Los" der "Lieferlisten-Fetischisten" sein, das diese Lücken wohl nie alle geschlossen werden.

Und man muss noch feststellen:
Die heute noch verfügbaren originalen Lieferunterlagen enthalten keine Angaben zur Bauart/Achsfolge der Lok – diese gehen aber aus der Liste von Bernhard Schmeiser hervor und seine umfangreiche Arbeit ist damit weiterhin eine sehr wertvolle Ergänzung der Originalunterlagen.

Ich hoffe, dieser weitere kleine Einblick hinter die digitale BMAG-Lieferliste gibt wieder einen Eindruck, wie solche Zahlenwerke entstehen und auf welche (z.T. unvollstädige) Quellen sie eigentlich beruhen.


Beste Grüße

Jens


"DIE neue" ist da - V12 - Stand 2012:
http://www.werkbahn.de/eisenbahn/lokbau/cd-info/cd-v12.gif
Hallo Jens,
danke, daß Du uns hier einen Einblick gibst, wie mühsam es ist, die Daten der Lieferlisten zusammenzuklauben.
Mit Bewunderung für Deine Sorgfalt und Akribie grüßt
Stefan

https://abload.de/img/db-251902-4003812-titu8k49.jpg

Hallo,

Ein schöner Beitrag und dazu ein kleiner Tipp meinerseits:
Die Suche nach dem "fehlenden Rest" könnte in Richtung Russland weitergehen.
Aber das ist ein neues Thema.

Grüße und schönen Sonntag wünscht,

fahr-Meister
Hallo!

Vielen Dank fuer diese hochinteressanten Einblicke!

Gruss von

Peter

+++ Ich will gar nicht, dass mich jeder mag - im Gegenteil: Die Sympathie oder Zuneigung gewisser Menschen waere mir hochgradig peinlich.
+++ Friends help you move. True friends help you move bodies.
+++ Rechtschreibfehler sind beabsichtigt: Es gibt immer Menschen, die nach Fehlern suchen - und ich versuche, allen Lesern etwas zu bieten.
Gegen einen kleinen Obolus biete ich sogar Patenschaften fuer meine Schreibfehler an. Und bald ist Weihnachten ...

Ganz großes Tennis, Jens

geschrieben von: Joachim Leitsch

Datum: 04.06.12 18:31

und beim Stöbern in solch einer CD wäre ich auch tot vom Stuhl gekippt ;)

Besonders interessant finde ich die Notizen von Herrn Töpelmann bzgl. der ganzen Verlagerei des Lokbaus.....

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