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 04 - Historisches Forum 

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In Folge IX ( [www.drehscheibe-foren.de] ) hatte ich ja schon einmal angedeutet, daß wir uns die Aschentransporte vom Kraftwerk Scholven zur Halde Oberscholven einmal näher ansehen wollen. Dies tun wir heute. Und begeben uns dazu zunächst in den Hinterhof des alten Kraftwerks Scholven.

15.jpg


Links angeschnitten sehen wir Block Scholven A, das Kesselhaus dieses Kraftwerkes, das Gebäude im Hintergrund ist die Maschinenhalle, die die Turbinensätze beinhaltet. Ein Turbinensatz ist die Kombination aus Dampfturbine mit angeflanschtem Generator - dazu unten mehr.

Bildbeherrschend ist die große Kranbrücke und die lange Reihe etwas spezieller Waggons. Hierbei handelt es sich um speziell konstruierte Wannenwagen, die am unteren Ende der Seitenwände schmale Schlitze haben, damit das Wasser, das zum Löschen der Asche benutzt wurde, wieder abfließen kann. Das sieht man auf diesem Bild sehr deutlich. Aus diesem Grunde hat man die Achslager vor dem herunterpladdernden Wasser auch mit den abgewinkelten Blechen geschützt. Der Zug wurde sodann zur Halde verbracht, wo diese Wannenwagen mittels eines Kopfkippers (vgl. Folge IX) entleert wurden. Diese Asche hat aber nicht nur weggekippt, sondern früher auch gerne als Baumaterial verwendet bzw. als Bürgersteigbelag verwendet.

Hier endet der Teil für diejenigen, die nur der unmittelbare Bahnbezug interessiert. Unterhalb der Linie ist fortführende Info für HiForisti, die sich fragen, wo die ganze Asche und der Strom eigentlich herkommt.



"Wozu Kraftwerke? Bei mir kommt der Strom doch aus der Steckdose!!" höre ich oft Menschen sagen. Also machen wir mal einen kleinen Exkurs in die Stromerzeugung, welch selbige vergleichsweise simpel ist. Jeder kennt ja den allfälligen Dynamo am Fahrrad (für Autofahrer: Lichtmaschine). Je schneller wir fahren, desto heller waren die Lampen und das Flackern bei niedrigen Geschwindigkeiten hörte nahezu auf. Ein Kraftwerk macht kaum etwas anderes, allerdings sind die Dimensionen und Leistungen deutlich gigantischer.

Wie ensteht denn nun der Strom? Da erinnern wir uns an den Physikunterricht und das Schlagwort "elektromagnetische Induktion" ( [de.wikipedia.org] ). Der Strom entsteht, indem wir einen Rotor in einem feststehenden Magnetfeld, dem Stator, drehen. Fertig ist der Generator (auch der Dynamo ist ein solcher). Die Generatoren werden aber heute bei einer sehr eng geregelten, konstanten Drehzahl betrieben, nämlich 50 U^sec (3000 U^min), entsprechend den 50 Hz Netzfrequenz. Bahnstrom hat ja bekanntermaßen nur 16 2/3 Hz, die Generatoren drehen also langsamer.

Das Problem ist nur, daß wir das Ganze zum Drehen bekommen müssen (O-Ton eines Kraftwerkers im KW Frimmersdorf!). Und je mehr elektrische Leistung ich dem Generator abverlange, desto schwerer wird es, diesen zu drehen. In vielen Kraftwerken dient hochgespannter überhitzter Dampf als Antriebsenergie der Generatoren. Den Dampf kann man Verbrennen durch fossiler Brennstoffe (Kohle, Braunkohle, Öl, Diesel, Gas) erzeigen oder halt durch die immense Hitze, die beim kontrollierten radioaktiven Zerfall in einem Atomkraftwerk entsteht. Die Kraftwerkskessel sind allerdings deutlich leistungsfähiger und größer als in einer Dampflok. Das 1936 in Betrieb genommene Kraftwerk Scholven hatte z.B. einen Höchstleistungskessel, der 535°C heißen Dampf mit einem Druck von 125 bar lieferte. Heutige Kessel liefern bei nahezu gleicher Dampftemperatur (537-540°C) einen Druck von 212 bis 280 bar und benötigen zwischen 125 und 250 t Kohle pro Stunde! Welche Mengen an Asche da anfallen, kann man sich bei einem Ballastgehalt der Einsatzkohlen von rund 30% unschwer ausmalen. Das abgebildete alte Kraftwerk Scholven A (in Betrieb bis 1980) war höchstwahrscheinlich noch mit einem Wanderrostkessel ausgerüstet und würde dann mit feinen Nußkohlen gefeuert. Die ausgebrannten Kohlen hat man dann in einem Wassersumpf zum Ablöschen gegeben. Dieser Sumpf wurde - wie man an dem Bild unschwer erkennt - mit einem Greifer entleert.

Dieser heiße Dampf ist extrem energiereich und wird nun auf die Turbine des Turbosatzes aufgegeben und in mehreren Stufen (Hochdruck, Mitteldruck und Niederdruckteil) nahezu vollständig ausgenutzt und entspannt. Es fällt heißes Wasser (sog. Kondensat) an, welches wieder zurück in den Kessel kommt, um erneut verdampft zu werden. Oder halt als super-weiches Wasser zum Speisen von Dampfloks dienen kann ( [www.drehscheibe-foren.de] ). Die Turbine treibt nun den Generator an ("bringt ihn zum Drehen"). Da aber stets Last anliegt, ist es verdammt schwer, das ganze am Drehen zu halten. Lies und sprich: die ganze Chose wird heiß! Deshalb wird der Turbosatz intensiv mit Wasser gekühlt, das auch stets im Kreislauf geführt wird. Das erwärmte Wasser wird zu den Kaminkühlern (umgangssprachlich: Kühlturm) gepumpt und dort fein verrieselt, so daß es im freien Fall herunterfallen kann. Der Kaminkühler ist unten offen, so daß Luft eindringen kann, die von dem heißen Wassertropfen erwärmt wird und somit nach oben steigt und die Tröpfchen kühlt. Allerdings verdampft auch ein Teil des Kühlwassers und das sind diese Dampfwolken, die man dann weithin sehen kann. Das gekühlte Wasser wird unten im Kaminkühler aufgefangen und wieder zurück zum Turbinensatz gepumpt und der Kühlkreislauf beginnt erneut.

Der erzeugte Strom wird sodann in einem Umspannwerk hochgespannt und über das Hochspannungsnetz in das Absatzgebiet transportiert und verteilt. Um zB seinen Computer damit zu betreiben, wird der Strom in der Nähe des Verbrauchers auf eine gebrauchsfähige "Haushaltsspannung" - meist 240 Volt - heruntertransformiert undkann nun mit Hilfe der Elektrizität diesen Beitrag letztendlich lesen.

edith brachte noch eine Präposition und eine inhaltliche Verbesserung (Danke an Helmut P. und Verbabdstyp2)

RUHRKOHLE - Sichere Energie

seit dem 24.II.2022 bittere Wahrheit in Europa




2-mal bearbeitet. Zuletzt am 2011:05:31:21:28:44.

Sehr sehens- und lesenswert !

geschrieben von: Reinhard Gumbert

Datum: 31.05.11 12:15

Vielen Dank, Joachim, Deine Erläuterungen zu den Vorgängen "vor" unserer Steckdose sind lehrbuch- oder unterrichtswürdig. Ich gebe den Link zu Deinem Beitrag mal auch außerhalb der "Bahnerkreise" weiter.

Viele Grüße aus dem regnerisch-grauen (!! Ein Genuß!) Aachen -
Reinhard

HiFo vom Feinsten!!!

geschrieben von: wolle.bochum

Datum: 31.05.11 12:35

Danke für die Erläuterungen!

Freundliche Grüße

Wolfgang

Und wieder eine Glasplatte mit Durchblick!

geschrieben von: Helmut Philipp

Datum: 31.05.11 13:05

Moin Joachim!

Glasplatten zeichnen sich ja unter anderem dadurch aus, das diese im wahrsten Sinne des Wortes Durchblick verschaffen. Auch Du mit Deinen kompetenten Erläuterungen zur Montanindustrie trägst eine Menge zum Durchblick bei - das mußte ich einfach mal loswerden!

Dein heutiger "Scholven-Report" zeigt, so vermute ich wenigstens, das durch das Nässen der Asche auch noch ein weiterer sicherlich willkommener Nebenefekt besteht. Nasse Asche kann in der Regel beim Be- oder beim Entladen nur geringfügig stauben, ein nicht zu unterschätzender Faktor nicht nur für die Umwelt, sondern auch für die Verladetechnik. Denn Staubasche läßt sich wohl kaum offen und mit einfacher Greifertechnik verladen - da freut sich der Betriebskostenabrechner!

Auf weitere Glasplatten wartet - mit einem großen Dankeschön & Gruß nach D.

Helmut
Hallo Joachim ,
beim blutigen Laie wie mir érzeugen Deine Beiträge immer wieder aufs neue chemische und elektrische Signale in der grauen Masse , und nach vielen Aha´s in der Vergangenheit fängt da langsam etwas an , was man mit Zusammenhänge verstehen bezeichnen könnte ;-).Danke und ....weitermachen .

Glück auf aus dem (herrlich!! ) verregneten I.nach B.
Wolfgang

( [www.minister-achenbach.de] )

mein Beitrag zur Geschichte des Ruhrpotts
Wunderbares Foto - es geht doch nichts über Glasplatten-Negative!

Eine Frage hätte ich aber noch: von wann ist denn das Foto? Lässt sich da ein Zeitraum eingrenzen oder vielleicht sogar ein genaues Jahr benennen? M.M.n. könnte es von Epoche II bis IV alles sein...

Gruß

Der Wagner
Peter Brinke

"Wer es nötig hat, ständig seine Kompetenz zu demonstrieren, ist der Dumme."

Scholvens Dreckloch: Tolles Motiv!

geschrieben von: Walsum5

Datum: 31.05.11 15:28

Noch viel besser als diese sehr sehenswerte Aufnahme ist die kompetente, gut lesbare
Erklärung der technischen Zusammenhänge! Besten Dank dafür.

Viele Grüße, Stefan
Peter ,

ich habe ein weiteres Foto aus dieser Serie zum Vergleich herangezogen .Mit auf dem Vergleichsfoto ein LKW mit GLA Kfz-Zeichen .Da diese erst zum 1.Juli 1956 eingeführt wurden , und die Serie aller Glasplattennegative bis Anfang der 60er Jahre zu datieren ist , stammt es aus diesem Zeitraum von 7 -8 Jahren.Also von Mitte 1956 bis spätestens 1962/63 .
Glück auf
Wolfgang

( [www.minister-achenbach.de] )

mein Beitrag zur Geschichte des Ruhrpotts




1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2011:05:31:16:06:00.
Hallöle,

vielen Dank nicht nur für das interessante Bild. Deine fortführende Info ist erst die echte Würze der Suppe, vorallem für den, der weitab von jeder solchen Anlage stammt!

Viele Grüsse,
Hubert.
Hallo,

an dieser Stelle möchte ich mich den Vorrednern anschließen und mich ganz herzlich für die interessanten Beiträge aus der "Oben"- und "Untenwelt" gedanken. Ich bin wie immer schon auf die nächste Folge gespannt.

MfG aus B.

Brosius
Moin Joachim,

ja, Reinhard bringt es auf den Punkt: Sehr sehens- und lesenswert!

Die Physikstunde habe ich auch gerne mitgemacht - bei deeeem Bild! - auch wenn ich das im Prinzip schon kannte. Trotzdem hast Du es schön erklärt.

Im Bild sind mir bei den Güterwagen auch sofort die Achslagerschoner aufgefallen, solche Wagen sind mir bisher auch noch nicht untergekommen.

Danke fürs Bild und die profunden Erläuterungen,

Martin

Re: Sehr sehens- und lesenswert !

geschrieben von: demag-kran

Datum: 31.05.11 18:46

Dem schliesse ich mich an.

Und für den Kran/Verladebrückenfan ist auch noch was dabei ;).

Regentanzende, Wassersammelnde Grüße aus Jülich.

Markus
Moin Joachim,

hab' vielen Dank für Deine schöne Glasplatten-Edition!

Eine kleine, vielleicht nicht ganz unwichtige Anmerkung:
50 Hz bedeuten ja bekanntlich 50 Schwingungen pro Sekunde. Also müsste die von Dir gemachte Angabe für die Generator-Drehzahl entsprechend 50 U/sec = 3000 U/min lauten. Bei einem Besuch des Gemeinschaftskraftwerkes in Kiel (Kohle) anlässlich eines Tags der offenen Tür konnte ich mich ob dieser Drehzahl vom ohrenbetäubenden Lärm in der Turbinenhalle persönlich überzeugen (es wurde vor Eintritt in selbige Gehörschutz verabreicht).

Viele Grüße aus S-H
Norbert
Hallo Wolfgang,

Danke für die Eingrenzung des Zeitraums. Als bekennender Epoche-III-Fan ist das natürlich noch mehr Zuckerguß als ohnehin schon!

Herzliche Grüße zurück nach I.

Der Wagner
Peter Brinke

"Wer es nötig hat, ständig seine Kompetenz zu demonstrieren, ist der Dumme."

Sammelantwort

geschrieben von: Joachim Leitsch

Datum: 03.06.11 14:49

Herzlichen Dank für die außerordentlich freundlichen Rückmeldungen bzw. das Lob, die mich hier, per PN, mail oder Telefon erreichten. Das freut mich riesig und spornt zum Weitermachen sehr an! Danke auch für die Hinweise auf kleine Ungereimtheiten.

Wolfgang erwähnte ja noch andere Bild dieser Szene mit dem LKW mit Gladbecker Kennzeichen; ich denke, das kommt dann mit einigen anderen Bildern in Folge XVI, wenn wir den Aschezug weiter verfolgen.

RUHRKOHLE - Sichere Energie

seit dem 24.II.2022 bittere Wahrheit in Europa
Für den, der sich Scholven mal ansehen möchte, mag vielleicht die folgende Veranstaltung, auf die ich durch den Route-Industriekultur-Newsletter aufmerksam wurde, von Interessen sein:


01) Besichtigung des Kraftwerks Scholven

Lernen Sie das Kraftwerk Scholven im Rahmen einer kostenlosen Führung näher kennen. Erfahren Sie alles über die Funktionsweise eines Steinkohlekraftwerkes, die neueste Umwelttechnik und Steigerung des Wirkungsgrades. Die Führungen sind möglich bis maximal 25 Personen, das Mindestalter der Teilnehmer sollte 10 Jahre betragen. Für einen Besuch im Kraftwerk müssen Sie etwa drei Stunden einplanen, der Rundgang selbst dauert etwa zwei Stunden. Stationen sind unter anderem die Bekohlungsanlage, die Rauchgasreinigung, das Dach eines Kesselhauses, das Maschinenhaus sowie die Blockwarte.

02.09.11, 15 Uhr

Treffpunkt: E.ON Kraftwerk Scholven, Tor West | Glückaufstr. 56 | 45896 Gelsenkirchen
ÖPNV/Haltestelle: Bus, Linie 247 oder 252 l Schwedenstraße
Teilnehmerzahl: max. 25 Personen, Dauer: ca. 3 Stunden
Hinweis: Mindestalter 10 Jahre | festes Schuhwerk benötigt
Kostenbeitrag: Die Teilnahme ist kostenlos.

Buchung: Stadtmarketing Gesellschaft Gelsenkirchen mbH
Bahnhofsvorplatz 1
45879 Gelsenkirchen
Fon 0209 951970
info@stadtmarketing.de


Grüße

-chriz

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