... am Berliner Platz.

Wie im 1. Teil versprochen, schauen wir uns heute am Berliner Platz und dessen Umgebung um. Alle Aufnahmen stammen vom 17.04.1977, einem Sonntag. Nun sind Sonn- und Feiertage ja nicht gerade "ideal", wenn man Straßenbahnen fotografieren will (lange Taktfrequenzen, in Bielefeld waren es 30 Minuten), aber es gab eine Besonderheit: wegen des 30-Minuten-Taktes trafen sich alle halbe Stunde am Berliner Platz alle drei Linien, so daß dort für ein paar Minuten sechs Straßenbahnen standen.

Bild 1)



Wir sehen hier zunächst einen Blick entlang der Friedrich-Ebert-Straße, rechts das Gebäude der Hauptpost. Was mir erst beim Scannen des Bildes wieder auffiel, ist die eingleisige Führung der Straßenbahnlinie 3 bis zur Einmündung Herforder Straße im Hintergrund. "Angeblich" waren Platzgründe für diese Entscheidung maßgebend (wenig glaubhaft: man sehe sich die neue Führung der Linie 3 in der Nikolaus-Dürkopp-Straße an...). Der Blick entlang der Stresemannstraße zum Teutoburger Wald ist heute nicht mehr möglich, da völlig zugebaut.

Bild 2)



Die Haltestelle Berliner Platz von Süden aus gesehen (die "schwarze Fläche" im oberen Bilddrittel ist die Markise eines Fleischerfachgeschäftes).

Bild 3)



Immerhin - es liegen Straßenbahnschienen! Wir sehen die Unterführung der Jöllenbecker Straße (Linie 3) unter der Köln-Mindener Eisenbahn. Das Stellwerk Bhw steht noch, daß Fußballstadion heißt noch "Alm" (und nicht Schüco-Arena), an der Brücke wirbt das Autohaus Stratemann, und die alte Bausubstanz nördlich der Bahnlinie war noch intakt - fünf Jahre später setzte hier der große Abbruch ein, um den Ostwestfalendamm bauen zu können.

Bild 4)



Der Bahnhofsvorplatz mit der Haltestelle der Linien 1 und 2 (Schutzdach nur für Fahrgäste in Richtung Schildesche/Baumheide). Das Hotel Bielefelder Hof existiert nach wie vor unter diesem Namen, die Firma Gildemeister mit ihrem qualmenden Schornstein ist allerdings schon lange aus der Innenstadt verschwunden und hat heute ihren Sitz in Dalbke. Die Dame mit dem Jägerhütchen war mir nicht bekannt.

Bild 5)



Zurück zum Berliner Platz. Hier die Haltestelle aus nördlicher Richtung gesehen. Es ist kurz vor 12:30 Uhr, die ersten Fahrgäste warten schon (und bereits damals fanden Jugendliche die Geländer als Sitzgelegenheit unheimlich spannend...).

Bild 6)



Das Spiel beginnt! Erster Kandidat ist Wagen 828 (GT6) auf Linie 3, der sich hinter Käfern und Enten in der Feilenstraße anpirscht.

Bild 7)



Aus der Düppelstraße nähert sich vom Bahnhof kommend Wagen 502 (M8S) auf Linie 2, dicht gefolgt von ...

Bild 8)



Wagen 848 (GT6 + B4) auf Linie 1. Im Vordergrund der Wagen Linie 3 in Gegenrichtung (nicht fotografiert, zu starkes Gegenlicht). Schön zu sehen ist, daß der Linienrücktausch zwischen den nördlichen Ästen der Linien 2 und 3 noch nicht lange zurückliegt - die Linien werden in unordentlicher Reihenfolge aufgeführt (1 - 3 - 2), wahrscheinlich war es einfacher, nur die Liniennnummern umzukleben als die Endhaltestellen...

Bild 9)



Die Kavalkade in nördliche Richtung, hinten Wagen 503 (M8S) auf Linie 2.

Bild 10)



Wagen 828 verläßt als erster die Haltestelle, Fahrtziel Brennerstraße (heute Sieker Mitte), er wird gleich in die Friedrich-Ebert-Straße einbiegen.

Bild 11)



Wagen 502 reitet in die Sonne...


High Noon beendet - nächste Aufführung in 30 Minuten!


Soweit meine Eindrücke aus dem Bielefeld von 1977. Ich habe noch ein paar Bilder aus 1982, dann gibt es demnächst einen dritten Teil (sofern Interesse besteht).

Sehr schöner Bericht, vielen Dank - gerne mehr davon!

Obwohl ich die Stadt nicht kenne, fallen doch ein paar Hinweis-Schilder und Werbungen auf, die man heute vergeblich sucht.

"Reichsbund", ein sozialpolitischer Interessenverband, der sich merkwürdig lange mit einem ebenso-merkwürdig rückwärtsgewandten Namen gefallen hat. – Erst 1999 wurde der Verband umbenannt, trägt den Begriff "Reichsbund" jedoch bis heute im Untertitel.

Der Gerling-Konzern ist ganz verschwunden und die Colonia-Versicherung ist heute Teil der französischen AXA.

Wegen solcher und anderer Details fällt also auch anhand einer unbekannten Stadt auf, wie "spießig" die Welt in den 70ern teilweise gewesen ist. Die bis heute anhaltende innere Auflehnung kam also nicht von ungefähr...

Sehr schöner Beitrag aus meiner Heimatstadt, vielen Dank! Ich freue mich auf 1982.

Wow, toller Beitrag! Vielen Dank! Vor allem die Fotos 1 und 2 haben mich ins Nachdenken gebracht. Die Gebäude im Hintergrund des ersten Fotos zeigen die Stresemannstraße noch vor der Einrichtung der Fußgängerzone und sind heute längst verschwunden. Daher hatte ich echt Schwierigkeiten, die einzuordnen. Foto 2 hatte ich erhofft, denn ich stand vor zwei Wochen vor der Stadthalle, um mir die Wise Guys anzuhören, und habe mich versucht zu erinnern, wie es dort vor dem Bau der Stadthalle ausgesehen hat, konnte mich aber beim besten Willen nicht mehr erinnern. Jetzt weiß ich es wieder... ;-)

Ich schließe mich Carsten (Hallöchen!!!) an und freue mich schon auf eine Fortsetzung!

Zitat:

steamjoe schrieb:
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Die Gebäude im Hintergrund des ersten Fotos zeigen die Stresemannstraße noch vor der Einrichtung der Fußgängerzone und sind heute längst verschwunden.

Jein, die Gebäude, welche man sieht, stehen auch noch. Allerdings ist auf der linken Seite ein Warenhauskomplex im Bau, welcher heute die Sicht verstellt.

Hier ein "Gegenschuß" für Dich (allerdings völlig OT):



Blick von der Bahnhofstraße über die Baustelle des Kaufhauses "Quelle" (heute Peek & Cloppenburg) Richtung Friedrich-Ebert-Straße, links das Horten-Kaufhaus (heute Galeria Kaufhof) befindet sich kurz vor der Fertigstellung. Im Hintergrund die Sparkasse, die Hauptpost und das Fernmeldehochhaus. Dieser Blick war tatsächlich nur wenige Wochen (zwischen Abriß des alten Kaufhauses und Beginn des Neubaus) im Frühjahr 1977 möglich.

Ein aktuelles Vergleichsfoto zu Bild 1(Quelle: google-maps):



Hier sieht man auf der Südseite der Stresemanstraße das Parkhaus, das den Blick nachhaltig versperrt...



Im übrigen danke für die Blumen! Die 82er Bilder sind gescannt, jetzt brauche ich nur ein bißchen Zeit zum Beitragschreiben...