Zunächst die Links zu den bisher eingestellten Teil-Beiträgen:
- Teil 1: "
Volldampf Lehrte - Bw Lehrte" (Ulrich Budde)
- Teil 2: "
Volldampf Lehrte – Bw Lehrte und Hämelerwald" (Stefan Carstens)
- Teil 3: "
Volldampf Lehrte – Hämelerwald und Peine" (Olaf Ott)
- Teil 4: "
Volldampf Lehrte – Woltorf" (Ulrich Budde)
- Teil 5: "
Volldampf Lehrte – das nicht geplante Intermezzo" (Stefan Carstens)
- Teil 6: "
Volldampf Lehrte – Lehrte - Wolfsburg" (Ulrich Budde)
- Teil 7: "
Volldampf Lehrte – Für Hartmut" (Stefan Carstens)
Volldampf Lehrte – in dieser noch im letzten Jahr begonnenen Beitragsfolge wollten Stefan Carstens, Olaf Ott, Hartmut Riedemann und ich noch einmal die letzten Jahre des Bw Lehrte und des Dampfbetriebs auf den von Lehrte ausgehenden Strecken in Erinnerung rufen. Hartmut war hierbei der Statistik-Teil zugedacht – ein Spezialgebiet, auf dem er anerkannter Experte war und über das er uns noch so viel zu erzählen gehabt hätte; sein früher Tod hat nun eine schmerzliche Lücke hinterlassen und zu einer längeren Unterbrechung der Beitragsfolge geführt.
Ich denke aber, es ist in seinem Sinne, wenn wir das Thema nun wieder aufgreifen. Der heutige Beitrag enthält daher neben Bildern von den Einsätzen rund um Lehrte (und Hannover) auch noch ein wenig Statistik und einige ausgewählte Lebensläufe von Loks des Bw Lehrte.
In meinem ersten Teilbeitrag hatte ich bereits erwähnt, dass sich Lehrte zum Ende der Dampfzeit zu einem der (stückzahlmäßig) größten Dampflok-Bws der DB entwickelte. Dementsprechend lang ist Liste der ab 01.01.68 im Bw Lehrte beheimateten Maschinen. Statt hier im Beitrag seitenlang nach rauf und runter scrollen zu müssen habe ich deshalb den Weg gewählt, die Aufstellung als separate Liste ins Netz zu stellen, die durch Anklicken des folgenden Vorschaubildes aufgerufen werden kann (ich wäre an Rückmeldungen interessiert, ob dieses Verfahren Gefallen findet).
Liste aller Loks des Bw Lehrte im Zeitraum 01.01.68 bis 31.12.76, 5 Seiten.
Aus dieser Tabelle kann man leicht den Bestand zu jedem beliebigen Zeitpunkt ableiten.
Zum Beispiel für den 01.06.72, wo das Bw Lehrte auf sage und schreibe
83 Maschinen kommt, davon fünf auf z:
Selbst drei Jahre später, am 01.06.75, als es mit dem Dampfbetrieb bei der DB schon dramatisch dem Ende zu ging, waren in Lehrte immer noch
79 Loks beheimatet. Jetzt zwar keine 94er mehr, aber eben auch nur eine 50er weniger, als drei Jahre zuvor. Von diesen waren acht Lok z-gestellt.
Beachtlich ist die erhebliche Fluktuation der Fahrzeuge, die natürlich im Auslauf des Dampfbetriebs und dem Abfahren der letzten Dampfer begründet ist. Um das deutlich zu machen, sind in der oben stehenden Aufstellung die seit dem Stichtag 01.06.72 neu hinzu gekommenen Loks gelb markiert. Fazit: Vom Bestand 6/72 sind nur noch 31 übrig geblieben, darunter zum Glück die vier besonderen 50er. Dem stehen 48 Neuzugänge gegenüber. Da hatte man als Fotograf schon Mühe, mit dem Ablichten aller Maschinen hinterher zu kommen. ,-))
Von den insgesamt 239 seit dem 01.01.68 in Lehrte beheimateten Maschinen möchte ich im Folgenden drei herausgreifen und mit ihrem Lebenslauf und ein paar Bildern vorstellen. Dabei wurde ich tatkräftig von Holger Vohns unterstützt, dem ich hiermit noch einmal meinen Dank aussprechen möchte.
Da wäre zunächst einmal der Jumbo
44 969:
Die 969 gehört zum Baulos 44 913 – 972, das bei der Société Francaise de Constructions Mécaniques (SFCM), ex Cail, in Denain gefertigt wurde und von denen nach dem Krieg nur wenige bei der DB verblieben. Zu erwähnen ist ferner, dass die 44 969 bereits als ÜK-Lok gelistet ist, was aber nur eine erste Vereinfachungsstufe bedeuten kann (z.B. ohne Schürze und Windleitbleche), während das Führerhaus mit zwei Seitenfenstern wohl auch schon bei Lieferung der regulären Friedensausführung entspricht – siehe Cail Werkfoto der 44 913.
Nach der Erstbeheimatung in Würzburg und einer längeren Zwischenstation in Ansbach gelangt die Lok 1952 nach Ehrang, wo sie den größten Teil ihrer Betriebszeit verbringt. Aus Ehrang stammt denn auch das erste Bild zu dieser Lok:
Bild 128:
044 969-4 (Ehr), Bw Ehrang, 14.09.73.
Als im Dezember 1973 mit der vorzeitigen Aufnahme des elektrischen Betriebs auf der Moselstrecke der Dampfbetrieb in Ehrang und Koblenz-Mosel endete, wurden die Mehrzahl der Jumbos nach Gelsenkirchen-Bismarck, Rheine und Emden abgegeben, um den Ausfall der wegen der Ölkrise abzustellenden Öl-Loks zu kompensieren. Nur die drei Loks
044 277,
599 und
969 gingen an die BD Hannover. Aber nicht etwa direkt in das Hannoveraner Jumbo-Sammelbecken Ottbergen, sondern zunächst einmal nach
Lehrte, weil die Werkstatt in Ottbergen keine freien Kapazitäten mehr aufwies. Was für die Statistiker eine kleine Sensation war – nach mehreren Jahren Jumbo-Abstinenz wieder 44er in Lehrte beheimatet – hatte betrieblich keine Relevanz, da die Maschinen in den Ottbergener Umlaufplänen eingesetzt wurden.
Bild 129:
044 969-4 (Leh), Bw Lehrte, 01.03.74.
Nur wenige Tage vorher, am 27.02.74, war mir dieselbe Lok bereits an der inzwischen sicher wohlbekannten Fotostelle im Hämelerwald am Posten 40 vor die Linse gefahren.
Bild 130:
044 969-4 (Leh), Hämelerwald, 27.02.74.
Am 23.04.74 waren das Gastspiel in Lehrte beendet und die Loks da, wo sie hingehörten, nämlich in Ottbergen. Aus der Ottbergener Zeit stammen denn auch naturgemäß die meisten meiner Aufnahmen von diesem Jumbo.
Bild 131:
044 969-4 (Ott), Bw Herzberg, 31.07.75. Im Hintergrund rückt gerade
044 389 aus zu neuen Taten.
Der nächste Kandidat, dessen Lebenslauf hier vorgestellt werden soll, ist
50 2602 aus der Baureihe 50, die die letzten Jahre des Bw Lehrte prägte. Die Stationierungsfolge weist keine Besonderheiten auf und ist nur irgendwie typisch für die Bundesbahnzeit.
Ich habe diese Lok nur deshalb ausgewählt, weil mir hierzu ein sehr schönes Bild meines Freundes Herbert Schambach aus der frühen Epoche III vorliegt.
Bild 132:
Die großen Windleitblechen stehen
50 2602 ausgesprochen gut, als HS sie am 05.04.58 in ihrem damaligen Heimat-Bw Bingerbrück antraf. Erstaunlich, dass sich eine Lok mit so hoher Betriebsnummer noch komplett in der Normalausführung (also nicht ÜK) präsentiert. Im Hintergrund eine weitere 50er mit großen Windleitblechen, die aber leider nicht abgelichtet wurde.
Bild 133:
052 602-0, Mehr als 17 Jahre später hat es die Lok über mehrere Zwischenstationen nach Lehrte verschlagen. Verglichen mit dem letzten Bild fehlen eigentlich nur die Schürze und die großen Windleitbleche, sonst hat sich der Bauzustand kaum verändert. Bw Lehrte, 26.07.75
Als dritte Lok in dieser Reihe möchte ich mir die
94 1184 anschauen.
Die preußische Baureihe T16.1 war zwar als unverwüstlicher und kräftiger Rangier-Teckel bis ans Ende der Dampfzeit bei der DB "nicht tot zu kriegen", aber in Lehrte eigentlich nie richtig heimisch. Die hier beheimateten Maschinen waren immer nur Hinterlassenschaften anderer Dienststellen, die die Dampflok-Unterhaltung aufgegeben hatten. Von Lehrte aus wurden die 94.5 vor allem in Goslar und Seesen eingesetzt, sowie an anderen Orten in der BD Hannover, wo gerade Not am Mann war.
Wie man sieht, wurde diese 94er bereits frühzeitig von der Reichsbahn in den Süden versetzt, wo kräftige Rangierloks Mangelware waren. Weiter ist bemerkenswert, dass diese Lok schon zweimal kurz vor der Ausmusterung stand, es aber jedes Mal wieder in den Unterhaltungsbestand geschafft hat.
Bild 134:
Als mir
94 1184 am 25.05.68 das erste Mal im Bw München Ost vor die Flinte kam, erweckte die ganz hinten auf den Schrottgleisen abgestellte Maschine nicht den Eindruck, als hätte sie noch mehr als sechs Betriebsjahre vor sich.
Bild 135:
Die Hochkonjunktur 1970 führte zu einer kurzzeitigen Renaissance des Dampfbetriebs, die auch unsere 94 1184 wieder in Fahrt brachte. Über Saarbrücken gelangte die Lok zum Bw Koblenz-Mosel, wo ich sie am 20.05.71 in tadellosem Zustand vor dem Lokschuppen aufnehmen konnte. Schade nur, dass man kein Geld mehr für ordentliche Siebdruckschilder übrig hatte.
Bild 136:
Von Koblenz aus gelangte sie schließlich im Sommer 1972 nach Lehrte, wo sie aber, wie oben schon gesagt, nur noch für Sonderdienste verwendet wurde. Ein herausragender Einsatz war dabei eine EF-Sonderfahrt in den Harz nach Altenau, für den die Lok noch einmal optisch bestens herausgeputzt wurde. Zusammen mit
050 548-7 kachelt die wieder mit alter Nummer versehene
94 1184 bei Frankenscharrnhütte die Steigung nach Clausthal-Zellerfeld hinauf.
Bild 137:
Damit man mir auch glaubt, dass die führende T16.1 tatsächlich die 94 1184 von Bild 134 ist, noch eine Nahaufnahme von der Ausfahrt des Sonderzugs aus dem Bahnhof Clausthal-Zellerfeld, bei der beide Maschinen mächtig ins Zeug legen.
Damit möchte ich den Statistik-Teil beenden, den Hartmut sicher viel besser und mit zusätzlichen Hintergrundinformationen hätte gestalten können. Aber es hat halt nicht sollen sein.
Zum Abschluss des Themas möchte ich nun noch ein paar Aufnahmen aus Lehrte und umzu ("und umzu" heißt in Norddeutschland soviel wie "und Umgebung") anfügen.
Gehen wir zunächst ins Bw Celle, wohin sich auch 1975 immer wieder einmal 50er des Bw Lehrte hin verirrten. Als eigenständige Dienststelle war das Bw Celle zu diesem Zeitpunkt schon längst aufgelöst, aber Ringlokschuppen, Drehscheibe und Lok-Behandlungsanlagen waren noch komplett vorhanden. Welche Leistungen von bzw. nach Celle zu fahren waren, ist mir nicht bekannt; möglicherweise sporadische Ngs auf der Strecke Celle – Plockhorst – Braunschweig?
Bild 138:
052 374 köchelt am 15.02.75 im Bw Celle vor sich hin.
Bild 139:
Auch die Schürzenlok
050 446 ist auf dem Weg nach Celle, als sie mir am 03.05.74 zufällig in Großburgwedel begegnet. Eigentlich war ich wegen des 403 hierher gekommen, der an diesem Tag Versuchsfahrten auf der Hasenbahn (Hannover –) Langenhagen – Celle unternahm. Natürlich war auch just in diesem Moment die Fotowolke vom Dienst zur Stelle.
Bild 140:
Wir bleiben bei Versuchsfahrten und Messzug-Einsätzen. Dieses Mal ist
052 858 sogar direkt involviert. Ihre Aufgabe besteht am 15.09.75 darin, einen Messzug bestehend aus 627 001 und einem Messwagen der VersA Minden im ehemaligen Bw Isenbüttel-Gifhorn zu verschieben.
Bild 141:
Von einem Ex-Bw im Osten zu einem anderen Ex-Bw im Westen von Hannover: Im aller-aller-letzten Büchsenlicht liegt ein goldener Glanz auf
052 757, als ich sie am Abend des 14.12.75 im Bw Nienburg (Weser) ablichten konnte.
Bild 142:
Nanu, die 1654 frisch im Lack? Bisher kannte ich die Maschine nur als Uelzener Dreckspatz. Seit knapp einem halben Jahr nach Lehrte versetzt, hat man
051 654 offensichtlich noch einmal eine Auslaufuntersuchung verpasst. Am 08.12.75 dampft sie mit einem Kranzug durch den Rbf Hannover-Hainholz.
Hannover-Hainholz, das war auch der Ausgangspunkt für eine interessante 50er-Leistung im Stadtgebiet von Hannover. Der werktäglich von Hainholz nach Berlin-Grunewald verkehrende Dg 44465 verließ nämlich die Landeshauptstadt zunächst in Richtung Westen (!), um dann in Leinhausen über eine Eckverbindung zur Güterumgehungsbahn abzuschwenken und Hannover südlich zu umfahren. Einmal einen Zug auf dieser wenig benutzten Eckverbindung zu erwischen, war ein Vorhaben, dem ich mich längere Zeit gewidmet habe.
Bild 143:
Nach diversen Anläufen mit unbefriedigendem Ergebnis hat’s dann am 18.08.75 endlich geklappt:
050 439, eine alte Bekannte aus Wuppertaler Zeiten, zuckelt mit Dg 44465 über die Eckverbindung zur GüB. Mit den paar Wagen wirkt dieser Zug allerdings nun gar nicht wie ein Durchgangsgüterzug.
Bild 144:
Olaf Ott war so freundlich, mir aus seinem schier unendlichen Altpapierbestand einen passenden Buchfahrplanauszug zur Verfügung zu stellen, aus dem der ungewöhnliche Laufweg ersichtlich wird.
Bild 145:
Bei dieser Aufnahme befinden wir uns genau an der Stelle, wo die oben beschriebene Eckverbindung von Leinhausen her in die Güterumgehungsbahn einmündet – siehe das von rechts kommende Gleis. Der Prellbock des selbstverständlich noch vorhandenen Schutzweichengleises bot einen willkommenen erhöhten Standpunkt, um Züge aus Richtung Seelze aufzunehmen. Wie zum Beispiel
050 964, die am Morgen des 09.08.75 soeben mit Ng 63747 die Brücke über den Seitenkanal (so einfallslos heißt der Kanal) passiert hat.
Bild 146:
Nur zwei Kilometer weiter in Richtung Linden sehen wir am 27.08.75 denselben Zug, also Ng 63747, mit
051 256.
Bild 147:
Der berühmte Conti-Blick in Limmer darf in dieser Folge natürlich nicht fehlen. Vor der prächtigen Kulisse des Continental Werks ist
050 034 am 22.09.75 mit dem schon aus Bild 143 bekannten Dg 44465 auf "Stadtrundfahrt" gen Osten.
Bild 148:
Und noch ein Bild aus dem Süden Hannovers, wo die GüB zwischen Han.-Linden und Abzwg. Waldhausen parallel zur Personenzugstrecke Hameln – Hannover verläuft. Am 05.06.74 zuckelt
050 919 in Hannover-Döhren, direkt am Rande des Maschsees, mit einem Ng in Richtung Lehrte.
Bild 149:
Mit dem letzten Bild dieser langen Beitragfolge sind wir wieder da, wo alles begann – im Bw Lehrte. Das erste Farbbild einer Lehrter 50er, das ich nach rund vierjähriger, budgetbedingter schwarz/weiß-Phase machen konnte, zeigt die bestens gepflegte
050 396 bei tief stehendem Winterlicht am 30.12.72 in ihrem Heimat-Bw Lehrte.
Mit diesem Bild möchte ich / möchten wir unsere Beitragsreihe über das Bw Lehrte und seine Lokomotiven beenden. Ich denke, es ist deutlich geworden, dass Lehrte trotz einer nur auf die Baureihen 44 und 50 beschränkten Fahrzeug-Monotonie ein durchaus interessantes Pflaster am Ende der Dampfzeit bei der DB war.
Bewusst ausgeklammert haben wir die Einsätze der Lehrter 50er im Harz, um die Reihe nicht zu überfrachten. Ich möchte in diesem Zusammenhang an die wirklich hervorragenden Beiträge von Hartmut Riedemann "Es muss nicht immer Solling sein" verweisen, von denen sich die Teile 1 und 2 mit den Lehrter 50ern beschäftigen. Hier die Direkt-Links:
Es muss nicht immer Solling sein - Teil 1
Es muss nicht immer Solling sein - Teil 2
So, damit bin ich nun aber wirklich durch. Vielen Dank, dass ihr so lange ausgeharrt habt.
Schönen Tag noch,
Ulrich B.
Edit: Dre-Friedrichsfeld in dre-Friedrichstadt geändert
2-mal bearbeitet. Zuletzt am 2011:03:18:17:16:11.