Hallo,
die 1920er Jahre stellen für mich eine besondere Herausforderung dar, da es zu dem Geschehen auf der Riedbahn und ihrem Ambiente nur sehr wenige verwertbare Quellen und Darstellungen gibt (oder ich habe die wirklich spannenden Texte noch nicht gefunden). Akten aus dieser Zeit scheinen sowohl in Griesheim als auch in Darmstadt Mangelware zu sein, vermutlich 1944 bei den alliierten Luftangriffen auf beide Orte verbrannt.
Nach dem am 11. November 1918 geschlossenen Waffenstillstandsabkommen mußten sich die Armeen des geschlagenen und durch eine revolutionäre Bewegung gestürzten Deutschen Kaiserreichs bis hinter den Rhein zurückziehen. Die allierten Truppen besetzten das Rheinland, das Saarland, die Pfalz und Hessen bis hin zum Rhein. Weiterhin wurden den siegreichen Alliierten drei Brückenköpfe in Köln, Koblenz und Mainz zugesprochen, deren Umkreis in einem Radius von 30 Kilometern ebenso zum Besatzungsgebiet zählte; ein vierter kam bei Kehl mit einem Radius von 10 Kilometern hinzu. Hierdurch wurden Darmstadt und Griesheim voneinander getrennt, denn die Demarkationslinie verlief durch den Wald zwischen den beiden Orten. Auch Darmstadt wurde im April und Mai 1920 für knapp anderthalb Monate besetzt. Der Verkehr auf der Riedbahn war somit nur eingeschränkt möglich und wurde zuweilen von den französischen Truppen auch ganz unterbrochen. Dieses Schicksal ereilte zuweilen auch die Main-Neckar-Bahn zwischen Frankfurt und Darmstadt, da Teile der Strecke innerhalb des französischen Besatzungsgebiets lagen.
Das folgende Bild zeigt das Griesheimer Stationsgebäude mit französischen Besatzungssoldaten um 1920, (vermutlich heimlich) aufgenommen aus einem Zugabteil heraus. Quelle: Stadtarchiv Griesheim, em2008.0087.
Insbesondere während der Ruhr-Besetzung 1923 und der von der Reichsregierung verordneten Arbeitsverweigerung der Bahnbediensteten kam der Verkehr häufig zum Erliegen. Die französisch-belgische Regiebahn war die Folge. Erst, nachdem die Reichsregierung nachgeben mußte, kam es 1924 zu einer Entspannung der festgefahrenen Fronten. 1926 konnte daher beispielsweise die von Dampf- auf elektrischen Betrieb umgestellte Straßenbahn zwischen Darmstadt und Griesheim in Betrieb genommen werden.
Der hier teilweise wiedergegebene Dienstplan Nº 2 der Betriebswerkmeisterei (Bwm)-Station Darmstadt vom 1. Dezember 1919 trägt diesem Umstand Rechnung. Aufgeführt wird am 8. Tag des Werktagsdienstes eine Zugleistung von Darmstadt nach Griesheim (ab 12.33, an 13.08) mit Zug 1537, die anschließend als Zug 1538 von Griesheim in den Frankfurter Betriebsbahnhof geführt wurde (ab 13.45, an 15.50). Es handelt sich hierbei vermutlich um einen Güterzug, der am Kontrollposten am Griesheimer Bahnhof endete. Interessant ist auch die Zugleistung am Tag 7 nach/von Wiesbaden, das sich im Gegensatz zu Darmstadt innerhalb des Mainzer Brückenkopfs befand. Bei der verwendeten Maschine handelt es sich um eine ehemalige preußische Schnellzuglokomotive der Baureihe S 5. Der Dienstplan sah den Dienst von zehn Lokpersonalen mit wechselnden Schichten auf sechs Lokomotiven vor, von denen fünf in Betrieb waren und eine turnusgemäß ausgewaschen wurde.
Die drei weiteren Blätter dieses Dienstplans finden sich
auf meiner Webseite.
Jetzt zu meinen Fragen:
Der bei Dumjahn nachgedruckte Regiefahrplan von 1924 enthält keinen Fahrplan für die Riedbahn zwischen Gernsheim und Frankfurt bzw. Darmstadt, also im französisch besetzten Gebiet. Gibt es hierzu anderweitige Angaben? Fuhr dort 1924 kein Zug, oder nur französische Transportzüge ins Garnisonslager Griesheim? Oder durfte die Reichsbahn die Strecke durchfahren, ohne im Besatzungsgebiet anzuhalten?
Könnte mir jemand freundlicherweise Riedbahn-Fahrpläne aus den 20er Jahren zur Verfügung stellen?
Anregungen, Hinweise und Korrekturen meiner Darstellung sind willkommen.