Mit unserem kleinen
Dampflok-Technik-Rätsel, das von den HiForisti erwartungsgemäß bravourös gelöst wurde, wollten wir ursprünglich das Thema GySEV schon einmal ein wenig "vorwärmen". Durch den Beitrag von <Rolf_311> "
Sommerhitze am Neusiedlersee (GySEV 1979)", in dem man dankenswerterweise auch die Links zu früheren GySEV-Beiträgen im HiFo findet, ist aus dem Vorwärmen schon geradezu ein Überhitzen geworden. Nachdem zuletzt vor allem die museale GySEV im Mittelpunkt stand, möchten wir den Blick jetzt wieder auf den ganz normalen Betriebs-Alltag dieser ganz besonderen, beiderseits des eisernen Vorhangs agierenden Privatbahn lenken. Wir denken, dass hieran noch ein gewisses Interesse im HiFo besteht, auch wenn die Reaktionen auf das Rätsel nicht unbedingt dafür sprechen.
GySEV – das steht für Györ – Sopron – Ebenfurti Vasút, oder auf Deutsch: Raab – Ödenburg – Ebenfurter Eisenbahn (übrigens ohne "h" im Gesellschaftsnamen, obwohl sich die Stadt Ebenfurth mit "h" schreibt!). Diese gar nicht mal so kleine Privatbahn im Grenzgebiet zwischen Österreich und Ungarn war bzw. ist in der Tat ein höchst interessantes Unternehmen und war zur Dampfzeit ein Geheimtipp unter den Eisenbahnfreunden. Einzigartig in der Zeit des kalten Krieges: Eine Bahn mit Firmensitz im sozialistischen Ungarn, die einen Großteil ihres Betriebs im westlichen Österreich abwickelte. Ich kann und will hier jetzt nicht vertieft auf die Geschichte dieser Bahn und ihrer Lokomotiven eingehen und verweise hier nur auf die einschlägige Literatur, wie z.B.: Hans Stenhart, "Die GySEV", Slezak Verlag, Wien, 1966. Um sich bei den nachfolgenden Bildern besser orientieren zu können, ist es aber vielleicht angebracht, wenigstens eine Karte mit dem Streckennetz der GySEV und seine Einbindung in die ÖBB-Strecken vorzulegen (GySEV-Strecken fett gezeichnet).
Die erste Berührung von HS mit der GySEV gab es bei der Anreise zu einem Urlaubsaufenthalt in der Steiermark am 01.06.65. In Wulkaprodersdorf wurde zwar nur ein kurzer Zwischenhalt eingelegt, aber dabei traf er mit
GySEV 403.507 eine Lok an, die er bei seinen späteren, Aufenthalten am Neusiedler See nicht mehr vor die Flinte kriegen sollte und die ich deshalb überschriftswidrig in diesen Beitrag mit aufnehme.
403.507 wurde 1930 von der Lokomotivfabrik Budapest gebaut und ist eine Maschine der BBÖ-Reihe 270 (DRG 56.34, ÖBB 156).
Bild 1:
Drei Jahre sollte es danach noch dauern, bis HS wieder an den Neusiedler See kam. Im Sommer 1968 wurde Familien-Urlaub in Podersdorf am östlichen Seeufer gemacht und natürlich wurde hin und wieder auch mal dem Hobby gefrönt.
Es beginnt am 29.05.68 in Mönchhof, wo HS dem regelmäßig mittags von Pamhagen nach Neusiedl verkehrenden Güterzug auflauerte. Eingesetzt war an diesem Tag die
GySEV 124. Exakt hier und bei dieser Gelegenheit entstand übrigens auch die Triebwerksaufnahme der 124, die als Rätselbild vorgestellt wurde.
Bild 2:
Nachdem die Formalitäten erledigt sind, zieht der Zug vor, um ein paar Wagen von der Laderampe abzuholen – klassisches Rangiergeschäft, wie es das bei der heutigen Bahn nicht mehr gibt.
Bild 3:
Das Güteraufkommen scheint damals nicht unbeträchtlich gewesen zu sein, vergleicht man die Zuglänge vor und nach dem Umsetzen auf das vordere Gleis. Sollte unsere
124 anschließend alle Wagen mitgenommen haben, dürfte sie das ganz ordentlich gefordert haben.
Bild 4:
Im Bahnhof Mönchhof wird aber nicht nur der Güterzug mit der GySEV 124 abgelichtet, sondern auch der kreuzende Personenzug nach Pamhagen/ungarische Grenze. Und da wartet die GySEV mit einem optischen Leckerbissen erste Güte auf, den man sicher auch damals schon Diesel-Saurier bezeichnen konnte. Der zweiachsige, dieselmechanische Triebwagen
ABmot 16 mit Beiwagen
Bz 115 ist mit seinen großen Dachlüftern ein typischer Vertreter der ersten Generation von Dieseltriebwagen für Nebenstrecken; ähnliche Fahrzeuge gab es bei vielen Bahnen in Europa. Mönchhof, 29.08.68.
Bild 5:
Dieselbe Triebwagengarnitur, also
ABmot 16 +
Bz 115 ist auch das Erste, was HS am nächsten Tag, dem 30.08.68, im Bahnhof Neusiedl vor die Kamera kommt.
Bild 6:
Doch im Hintergrund versteckt sich noch etwas anderes im Schatten der Bäume: Richtig, eine ÖBB Tenderlok der Reihe 95, in diesem Fall
95.103 vom Heizhaus Bruck an der Leitha. Nachdem der Triebwagen ein wenig ins Bahnhofsvorfeld vorgefahren ist, ist nun auch eine Seitenansicht der 95 möglich. Da trifft es sich gut, dass just in diesem Moment
GySEV 124 mit ihrem Güterzug aus Pamhagen eintrifft.
Bild 7:
Nun kommt Bewegung in die Szene. Die 95 setzt auf das hintere Gleis um, während die GySEV Lok ihren kurzen Güterzug wegrangiert und mit dem Güterzug-Begleitwagen an die andere Bahnhofsseite wechselt. Dabei zückt HS just in dem Moment seine Kamera, als
GySEV 124 ihre große ÖBB-Schwester 95.103 passiert.
Bild 8:
Ausfahrt frei für
95.103. Mit kräftigen Auspuffschlägen aus dem Flachschornstein des Giesl-Ejektors setzt der kräftige Fünfkuppler den für ihre Verhältnisse nicht allzu schweren Güterzug mühelos in Bewegung.
Bild 9.
Danach kehrt Nachmittagsruhe ein in den Bahnhof Neusiedl – eine gute Gelegenheit, noch einmal den alten Triebwagen ins Visier zu nehmen. Auch wenn eingefleischte Dampflok-Fans es vielleicht nicht nachvollziehen können: Für mich ist dieser Triebwagen das Highlight dieser Bilderstrecke.
Bild 10:
Am 04.06.68 begibt sich HS zur nächsten Foto-Session in den Bahnhof Ebenfurth.
Als erste Lok macht ihm ÖBB
152.288 ihre Aufwartung. Bei der Einfahrt passiert der kurze Güterzug eine sehenswerte Garde von Formsignalen, die abwechselnd deutscher und alt-österreichischer(?) Bauart sind.
Bild 11:
Nachdem der Zug zum Stehen gekommen ist, wird auch noch eine Porträtaufnahme von
152.288 angefertigt. Über dem Vorläufer ist bei genauem Hinsehen zu erkennen, dass die Lok einen Barrenrahmen besitzt, was zu ihrer Einordnung in die ÖBB Reihe 152 führte.
Bild 12:
Nach der österreichischen "Edel-52er" kommt nun die "russische Variante" ins Bild, die
GySEV 520.094, ehemalige DRG 52 7781. Sie stammt aus einem Kontingent von 100 Maschinen der DRG Baureihe 52, die nach dem Krieg in den sowjetisch besetzten Ländern von der UdSSR beschlagnahmt, auf russische Breitspur umgebaut und 1963 an das sozialistische Bruderland Ungarn verkauft wurden (sicherlich zu einem Freundschaftspreis …). 94 davon wurden wieder zurück gespurt und von der MAV als 520.001 – 094 eingereiht. Noch im gleichen Jahr wurden die Loks 520.018, 020, 050, 079, 083 und 094 unter Beibehaltung der MAV Nummer an die GySEV weitergegeben.
Bild 13:
Die folgende Ausfahrt aus dem Rbf Ebenfurth erfolgt reichlich unspektakulär, obwohl
520.094 einen ganz beträchtlichen Güterzug am Haken hat. Man achte hier auch auf die Signalisierung: Das auf Hp2 gezogene Signal dient als sog. Gruppen-Ausfahrsignal für alle hinteren Gleise; also auch für die, die nicht direkt an dem Signal vorbeiführen.
Bild 14:
Und noch eine Spielart der Baureihe 52: ÖBB
52.6969 entspricht als Lok noch am ehesten der Ursprungsbauart. Dafür ist der Tender ist durch den Einbau einer Kabine in meinen Augen völlig verunstaltet, aber das ist natürlich Geschmackssache. Die Lok bespannt hier einen Unkraut-Spritzzug, der offensichtlich gerade in Aktion ist.
Bild 15:
Zurück zur GySEV und den ungarisch/russischen 52ern. Mit einem langen Güterzug rollt
520 018 (ex DRG 52 7443) in den Bahnhof Ebenfurth ein.
Bild 16:
Auch
520 018 spendiert HS noch eine Porträt-Aufnahme, bei der sehr schön die russischen Accessoires – kleine Rauchkammertür und großes Spitzenlicht – hervortreten. Das war das letzte Bild aus Ebenfurth vom 04.06.68.
Bild 17:
Am gleichen Tag ging’s noch weiter nach Wulkaprodersdorf, wo allerdings nur noch
520.050 (ex DRG 52 3815) auf den Film kam.
Bild 18:
Soweit zu den Bildern aus dem Jahr 1968, die, so glauben wir, einen recht guten Eindruck vom damaligen Betriebsgeschehen rund um den Neusiedler See geben.
Zwei Jahre später ging es wieder an den Neusiedler See und zur GySEV. Und auch dieses Mal konnte HS wieder viele interessante Aufnahmen machen – aber
dazu mehr nächsten Teil.
Schönen Tag noch,
Herbert S. und Ulrich B.
1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2021:05:06:13:38:40.