DREHSCHEIBE-Online 

Anzeige

HIER KLICKEN!

 04 - Historisches Forum 

  Neu bei Drehscheibe Online? Hier registrieren! Zum Ausprobieren und Üben bitte das Testforum aufsuchen!
Bilder, Dokumente, Berichte und Fragen zur Vergangenheit der Eisenbahn und des öffentlichen Nahverkehrs - Bilder vom aktuellen Betriebsgeschehen bitte nur im Zusammenhang mit historischen Entwicklungen veröffentlichen. Das Einstellen von Fotos ist jederzeit willkommen. Die Qualität der Bilder sollte jedoch in einem vernünftigen Verhältnis zur gezeigten Situation stehen.
Dies ist KEIN Museumsbahnforum! Bilder, Meldungen und Fragen zu aktuellen Sonderfahrten bitte in die entsprechenden Foren stellen.
Seiten: 1 2 All Angemeldet: -
Hallo Leude,

ganz ganz herzlichen Dank für Eure lieben Geburtstagsglückwünsche, da hab ich mich riesig drüber gefreut. Als ich gestern Abend den Rechner noch einmal hochgefahren hatte bin ich ja fast vom Stuhl gefallen, nur weil sich die Kinnlade in der Tastatur verhakt hatte ist nichts passiert. Um mich gebührend zu bedanken hätte es umfangreicher Tipperei bedurft, und wenn eh schon viel getippt werden soll, dann könnte man doch... So habe ich mich an ein 12 Jahre altes Manuskript erinnert, das könnte man doch stattdessen (leicht modernisiert) abtippen und sich damit bei der Belegschaft bedanken. Gesagt getan, ein paar (zum Teil schon einmal gezeigte) Aufnahmen dazu gefügt und voilà, da ist es. Da dieses Machwerk schon etwas älter ist (und somit HiFo Reife erlangt hat), mein Schreibstil mittlerweile aber etwas flüssiger geworden ist, bitte ich Euch, über den teilweise etwas holperigen Erzählstil hinweg zu lesen.




Drei Achsen, zwei Stangen und 54 Tonnen- Liebeserklärung an eine Ungeliebte oder darf’s ein wenig mehr sein, Micha?

Ich weiß nicht so genau woran es liegen mag, dass sich diese kleine Lok namens V60 so tief in mein Herz gefahren hat. Liegt es vielleicht daran dass sie die erste Lok war, die ich bewusst wahrgenommen habe (ca. 1963/64 als Rangierlok auf der Zeche Brassert hinter dem Haus meiner Großeltern in Marl) oder daran, dass ich die erste Führerstandsmitfahrt meines Lebens auf ihr gemacht habe (Mai 1976 im Bw Bismarck) oder etwa daran, dass sie die erste Lok war, auf der ich ausgebildet wurde? Wer weiß, wahrscheinlich spielt hier alles zusammen und so wurde der Stangenbomber zu meiner Lieblingslok. Ja Ihr habt richtig gelesen, nicht die sechsachsige Schöne von der hohen Schiene, nicht die schnittige Bügelfalte, sondern der kleine Stangenteufel ist und bleibt mein Favorit.

Dazu muss allerdings gesagt werden, dass mein Arbeitgeber es gut mit mir gemeint und mich in Essen stationiert hatte. Wäre ich stattdessen in Osterfeld oder Wanne gelandet, hätte die Liebe wohl kaum 14 Tage lang gehalten. Immer nur den Ablaufberg rauf und runter gurken, die ganze Schicht ewig nur zweite BRO Lok, sieben rauf, neun dahinter und langsam abdrücken hören, da lernt man solche Loks zu hassen. So aber standen wunderschöne Dienste nach Neviges, Herbede oder zur Gruga in Essen Rüttenscheid im Dienstplan. Diese Dienste boten gegenüber den reinen Bahnhofsrangierdiensten eine Menge Abwechslung, Übergabefahrten mit Rangieraufenthalten an jeder Unterwegsstation, tolle Landschaften im Ruhrtal oder Niederbergischem, tolle Metzgereien, tolle Bäckereien und und und. Ich habe nie genug davon bekommen den Kopf aus dem Fenster zu strecken, den Fahrtwind im Gesicht zu spüren, dass Klackern der Stangen zu hören, den Zug zu spüren wie er sich reckt und streckt und drückt und schiebt, Eisenbahn pur halt. Wie sah so ein Dienst auf der V60 aus? Kommt mit und begleitet mich einfach, Ihr seid herzlich eingeladen

Bild 1 und 2)
http://www.michael-vau60.de/2009/200911/20091102/001.jpg

Zuvor aber zwei Bilder dieser denkwürdigen ersten Führerstandsmitfahrt am 11. Mai 1976 im Bw Bismarck. Ober der freundliche Gastgeber, unten der Arbeitsplatz, der es mir so angetan hatte

http://www.michael-vau60.de/2009/200911/20091102/002.jpg



Es ist Mitte Juni 1990 kurz nach halb sechs morgens im Melderaum des Bw Essen. Draußen ist es schon hell, die Vögel zwitschern, noch ist es angenehm kühl, genau die richtigen Begleitumstände für so eine Fuhre. Da erscheint auch schon der Lokdienstleiter, und mit dem Aufschließen der Klappe beendet er die Nachtruhe im Bw. Es folgt das obligatorische Schwätzchen über dies und das und nach fünf Minuten schmeißt er mich mit der Bemerkung, ich sei ja schließlich zum Wohle der Eisenbahn und nicht zu seiner Unterhaltung aufgestanden hinaus. Durch die Wagenhalle geht es hinaus zu den Abstellgleisen, dort steht als einzige Lok noch 361 835 herum, nehmen wir doch einfach die. Über die hintere Rangierbühne wird der Umlauf geentert und schon merke ich, dass da irgendwas nicht stimmt. Da fehlt das Summen der der elektrischen Kühlwasserumwälzpumpe. Auf dem Führerstand ein Blick auf das Bediengerät der Warmhalteeinrichtung, na toll, ausgeschaltet. Der Kollege von der Lok 6 hatte vergessen, sie für mich einzuschalten. Sommertags werden die 60er nämlich kalt abgestellt und der erste V60 Mann, der morgens Dienstbeginn, hat wärmt alle Loks für die Kollegen vor, sollte er zumindest. Also schnell das Gerät eingeschaltet und schon zündet der Sturzbrenner im Dofaofen. Der folgende Blick auf die Kühlwassertemperaturanzeige offenbart noch 27º warmes Wasser, bis zum Erreichen der Starttemperatur von 40º fehlt nicht mehr viel, Glück gehabt.

Nach Beendigung des Vorbereitungsdienstes melde ich mich mit knapp 15 Minuten Verspätung über den Rangierfunk beim Stellwerk: „WSB Zwo, schönen guten Morgen Hermann, in Zwodreizehn Lok 5 fertig zum Rbf“. Die Scheuerglatze nuschelt eine Bestätigung ins Mikrofon und nachdem eine 110’er das Ausziehgleis geräumt hat, gibt es zwei Helle für die Lok 5. Einmal kurz vorziehen, Kopfmachen und weiter geht es als Rangierfahrt zum Rbf. Im Rangierbahnhof erwartet man mich schon sehnsüchtig „Mensch Micha, wo bleibst Du denn? Ausgerechnet heute, wo wir einen ganzen Ar… voll zu tun haben. Dein Zug steht in 13, fahr bitte von unten ran und häng dich mal selber an, ja?“ Na gut, woll’n wir mal nicht so sein. Beim Wechseln zur anderen Bahnhofsseite bekomme ich immer größere Augen, so lang war die Üg 67531 nach Neviges schon lange nicht mehr. Da ich mittlerweile anhand der Wagentypen erkennen konnte wo es überall hingeht, konnte ich mir ausrechnen, dass es heute etwas später werden wird. Für jeden Kunden an der Strecke ist etwas dabei, heute geht es in jedes Loch rein. Nach dem Entfernen der Hemmschuhe wird sanft beigefahren, angekuppelt und anschließend heißt es erst einmal, den Zug voll zu pumpen. Da Essen Rbf keine stationäre Druckluftanlage besitzt sind die Wagen ganz leer, und mit den beiden 300 l Hauptluftbehältern der V60 reißt man da nicht allzu viel, das dauert. Mit 1000 Touren Motordrehzahl wird der kleine Luftpresser bei Laune gehalten, trotzdem bleibt mehr als genug Zeit, um die Indusi zu beschriften und den Betriebsleistungszettel auszufüllen. Irgendwann ist der Zug aber aufgefüllt und schon quäkt der Lautsprecher „Lok 5, wenn voll bitte anlegen“. Während der Rangierer mit mir die Bremsprobe ausführt kommt der Rangiermeister auf die Lok. „Morn Micha, nu sag mal, was war denn los?“ „Morgen Hannes, der Bock war kalt“ „Ach so, was soll’s. Sag mal, bis Kupferdreh sind es ein paar Tonnen zuviel, nimmste die mit?“ „Wie viel zuviel?“ „Warte, ich rechne noch.“ Schließlich einigen wir uns auf 220 Tonnen Überlast, da es bis Kupferdreh aber fast nur bergab geht sollte das kein Problem sein. Hätte ich vorher gewusst was diese paar Tonnen für einen Ärger machen würden, wären sie stehen geblieben.


http://www.michael-vau60.de/2009/200911/20091102/Schicht.jpg

Sommerfahrplan 1990, Schicht 0408 im Dienstplan 809, einmal Neviges und retour, meine absolute Lieblingsschicht. Dank unserem Altpapiersammler kann diese Geschichte nun auch mit den passenden Buchfahrplanseiten ergänzt werden, danke Olaf

http://www.michael-vau60.de/2009/200911/20091102/Bfpl1.jpg

http://www.michael-vau60.de/2009/200911/20091102/Bfpl2.jpg



Mittlerweile hat der Rangierer die Lok erreicht und wie immer hat der Kleine einen dieser elendig stinkenden Stumpen im Hals stecken, dritter Schnitt vom Bahndamm halt. Fertigmelden und prompt kommt die Ausfahrt, zwei Flügel für die Fahrt nach Steele. Der Maybach GTO 6a ändert seine Tonlage, die Lok zieht sachte an und nachdem alle Kupplungen straff sind, wird die Motordrehzahl auf 1400 Umdrehungen erhöht. Im Übergabebuch stand zwar dass die Lok nur 1200 Touren bringe, da aber von dieser Störung nichts mehr zu spüren war, muss wohl etwas Dreck im Kraftstofffilter gesessen haben. Direkt an den Rbf schließt sich das Gefälle ins Ruhrtal hinab an, da kann man die Leistung zurücknehmen und den Zug rollen lassen. Kurz drauf gibt es einen Schlag von hinten, die schweren Wagen sind auf die Lok aufgelaufen und beginnen nun, heftig ins Tal zu drücken. Die Tachonadel bewegt sich zügig nach rechts, da heißt es rechtzeitig zu bremsen. Die V60er sind nämlich mit dem alten Knorr Nr. 8 Drehschieber- Führerbremsventil ausgestattet, welches im Gegensatz zum moderneren D2 Selbstregler bei Betriebsbremsungen nur sehr widerwillig die Hauptluftleitungsluft entweichen lässt. Wer da zu spät mit dem Bremsen anfängt überschreitet im Gefälle leicht die erlaubten 60 km/h, anschließend kommt dann zwangsläufig der Übertourungsschutz ins Spiel, und der entlüftet konsequent. Man würde sich den Fahrdienstleiter Steele zu seinem besten Freund machen, käme man wegen solch eines Missgeschickes am S- Bahn Bahnsteig zum Halten und brächte damit den ganzen Betrieb durcheinander, nein das wollen wir alle nicht. So geht es mit knappen 50 km/h gegen 07:15 durch Steele und über die große, neu gebaute Brücke biegt der Zug ins Ruhrtal ein. Kurz darauf ist das erste Etappenziel, der Bahnhof Essen Kupferdreh erreicht.

Hier beginnt ein Spielchen, dass Außenstehende verwirrt und den Beteiligten eine Menge Arbeit beschert. Weil in den Firmenanschlüssen oftmals der Platz zum Rangieren fehlt müssen die Wagen vorher so zusammengestellt werden, dass im Anschluss alles passt. Da werden Wagengruppen in Nachbargleise gestellt, umfahren, neu zusammengestellt und irgendwann ist die Lokomotive gnadenlos eingekeilt. Fünf Wagen vor der Lok, vier Wagen hinter der Lok, doch dieses Chaos hat Methode. Im Anschluss stellt sich plötzlich heraus dass nur noch die abgehenden Wagen abgezogen und die neuen Wagen zugestellt werden müssen. Alles löst sich in Wohlgefallen auf, gute Rangierer verblüffen mich zuweilen immer noch. Auf geht’s, mit sieben beladenen Wagen an beiden Zughaken ist die Lok 5 zu den Anschlüssen der Firmen Edeka, Steinwerke Kupferdreh und Schmidt Import unterwegs. Siehe da, es wird genauso wie ich es mir gedacht hatte. Ruckzuck habe ich acht leere Schachteln am Haken, die Vorarbeit hat sich gelohnt. Da der Bahnhof Kupferdreh mit leeren Bauwagen zugestellt ist können die gerade abgeholten Wagen nicht stehen bleiben, sondern müssen nach Langenberg mitgenommen werden, und schon fängt der Ärger an. Die Üg 67531 hat u.a. dadurch mit 582 Tonnen immer noch 132 Tonnen Überlast, dass sind für die folgende Steigung deutlich zuviel für den Streckengang. Kurz vor der Abfahrt entschließe ich mich, es im Rangiergang zu versuchen. Dadurch sinkt die erlaubte Höchstgeschwindigkeit zwar auf 30 km/h, die Zugkraft steigt aber gleichzeitig stark an.

Die Ausfahrt steht, der Zug setzt sich schwerfällig in Bewegung, für meine Geschmack deutlich zu schwerfällig. In Höhe der zuvor bedienten Anschlüsse sind die 30 Sachen gerade mal soeben erreicht, gleichzeitig beginnt aber genau dort die lang anhaltende Steigung Richtung Wuppertal. 650 PS zerren nun gnadenlos am Zughaken, es könnten ruhig ein paar mehr sein, die Geschwindigkeit sinkt nämlich mit jedem weiterem Meter. Ein Blick zum Rangiermeister und schon zieht der den Kopf ein und brummelt etwas von „Man wird sich ja mal verrechnen dürfen.“ Jetzt wo es etwas zu spät ist, gesteht er mir die tatsächliche Belastung von 637 Tonnen. Langsam werde ich sauer, wenn man schon mal Fünfe gerade sein lässt möchte man doch wenigstens die ganze Wahrheit wissen. Wie soll man denn sonst abschätzen, was man riskieren kann und was nicht. Das hier hätte ich so nie riskiert. Bei knapp 20 km/h pendeln sich Motorkraft und Fahrwiderstand ein, das kann nicht gut gehen. Der Fahrdienstleiter Langenberg gleicher Meinung und prompt piepst das Zugbahnfunkgerät. „67531 hier.“ „Hier Langenberg. Kollege, hast Du Schwierigkeiten?“ „Ein wenig, die Kiste bringt keine volle Leistung.“ „Alles klar, sieh zu, der Pz liegt schon dahinter.“ Nun kommt mir der Eintrag im Übergabebuch zu Gute. Wie hab’ ich es doch beim Bund gelernt? Eine Ausrede muss glaubhaft klingen, im Brustton der Überzeugung vorgetragen werden und einer ersten flüchtigen Überprüfung standhalten. In Langenberg angekommen hegt der Blaue aufgrund der Zuglänge wohl gewisse Zweifel an meiner Aussage und ruft den Rangiermeister sofort zu sich ins Stellwerk. Als dieser nach fünf Minuten wieder erscheint und mir mitteilt, dass wir dem nachfolgenden Personenzug 12 Minuten mitgegeben haben, wird mir ein wenig mulmig. Das kann man nicht mehr unter den Teppich kehren, das hat die Bü mitbekommen, das gibt Ärger. Folgerichtig lag bei Dienstende auch schon der gelbe Vogel (eine Sofortverfolgung der Betriebsüberwachung) auf dem Schreibtisch des B- Gruppenleiters.

Nun gilt es aber erstmal die Hauptverursacher dieses Desasters loszuwerden. Nein, ich meine nicht die Rangierer, sondern die drei mit Rollmöpsen (Bandeisenrollen) beladenen Haubenwagen, welche alleine schon über 300 Tonnen wiegen. Sie müssen zurück nach Nierenhof und so unwillig wie sie sich bei der Bergfahrt gezeigt haben, so ungestüm drücken sie nun die V60 zurück ins Tal. Das Kaltwalzwerk Otto Rauch wartet schon händeringend auf uns. Die Wagen sind mit Spezialstahl für Autoteile beladen und dieser Stahl drohte knapp zu werden. Das kommt davon, wenn man seine Lagerhaltung auf den Spediteur verlagert, wenn dann aus irgendeinem Grund bei Just in Time Transporten was schief geht, stockt sofort die Produktion. An unserer ¾ Stunde Verspätung kann es aber nicht gelegen haben, da hat jemand anderes geschlampt. Nachdem anschließend in Langenberg noch die Anschlüsse von Filter und dieser Kartonagefabrik bedient wurden, besteht der Zug außer zwei Tms Wagen mit Ton aus dem Westerwald und einem Wagen mit Halbzeugen aus Stahl nur noch aus leeren Schachteln. Trotzdem liegt das Zuggewicht noch immer gefährlich nahe an der erlaubten Grenzlast, welche ab Langenberg nur noch 350 Tonnen beträgt. In stetiger Steigung geht es nun dem Wallfahrtsort Neviges entgegen. Es ist mittlerweile ungefähr 11:00, draußen dürften es so 27 bis 28º C sein und da auf es der Lok gut 10º wärmer ist, stehen alle Fenster und Türen offen. So sorgt der Fahrtwind für etwas Erfrischung. Weil sich bei uns allen ein Hungergefühl eingestellt hat, beeilen wir uns in der Awanst Stadt Velbert gehörig mit dem Rangieren, die Pause lockt doch gewaltig. Auf den katastrophal schlechten Gleisen quietschen und knurren die Spurkränze aber schließlich heißt es: Motor aus, Handbremse fest und schnell zur Metzgerei rüber.

Zwanzig Minuten, ein Frikadellenbrötchen und eine Flasche Kakao später meldet der Rangierer uns beim Fahrdienstleiter fertig. Nach dessen Freigabe der Schlüssel werden Sperrklotz und Weichen aufgeschlossen und umgelegt, die Lok 5 zieht aus der Ausweichanschlussstelle vor und hinter dem letzten Wagen wird alles wieder in Grundstellung verschlossen. Nach Zustimmung des Fahrdienstleiters kann die Rückfahrt Richtung Essen beginnen. Da wir auf der Hinfahrt alle leeren Wagen mitgenommen hatten, kann es jetzt ohne weiteren Rangieraufenthalt nach Hause gehen.

Als Sperrfahrt auf dem falschen Gleis rollt unsere Eisenbahn nach Langenberg hinab. Da es bis Essen eigentlich nur bergab geht verwundert es, dass die Üg 67536 (Neviges- Essen Rbf) eine Grenzlast von 325 Tonnen hat. So wie der Zug das Maschinchen vor sich herschiebt, könnte er ruhig dreimal so schwer sein. Wäre da nicht die am Anfang erwähnte Brücke mit ihrer heftigen Zufahrtsrampe und die gut 60 Meter Höhenunterschied von Steele bis zum Rbf. So hat Hannes diesmal spitz gerechnet und der Bremszettel weist 307 Tonnen aus, das dürfte keine Probleme geben. Ab Langenberg zuckeln wir hinter dem planmäßigen Personenzug her, da kann man es gemütlich angehen lassen. In Kupferdreh ist dann der tiefste Punkt der Reise erreicht, ab dort gilt es, den Zug aus dem Ruhrtal hinaus zur Essener City hoch zu wuchten. Mit ordentlich Schwung wäre das überhaupt kein Problem, da aber hinter Essen Überruhr kurz vor Beginn der Steigung der eingleisige Streckenabschnitt nach Steele anfängt und die Kreuzung mit dem Personenzug nach Wuppertal abgewartet werden muss, war das wohl nichts mit dem ordentlichen Schwung nehmen.

Nachdem die 216er mit ihren drei Silberlingen vorbeigebrummt ist schafft es die V60 auf dem ersten, noch halbwegs ebenem Stück bis auf knapp 40 km/h, die aber nicht lange gehalten werden können. Die Zufahrt zur Ruhrbrücke kostet schon einmal 10 km/h, danach wird es richtig heftig. Die neu erbaute Verbindungskurve nach Steele samt der Brücke über Hengler- und Grenoblestraße beinhaltet eine kurze, aber heftige Steigung. Das Getriebe schaltet zweimal zurück und kurzzeitig pendelt die Tachonadel um die 10er Markierung. Doch schon sind die ersten Wagen über den Knappen und auf den paarhundert Metern bis zum Bahnsteig Steele hinab werden wieder 25 km/h erreicht. Dieses Tempo kann dann bis zum Rbf hinauf gehalten werden. Dort angekommen wird die Lok schnell vom Zug abgekuppelt, die Rangierer verabschieden sich und ab geht es zum Personalwechsel rüber ins Bw. Der Ablöser wartet bereits auf uns, er wird anschließend mit der Lok Essen Nord unsicher machen. Da dies meine Abschiedsvorstellung auf der V60 war bekommt sie einen kleinen Klaps auf’s Hinterteil, wir haben schließlich eine Menge Freude miteinander gehabt und viel zusammen erlebt. Auch wenn ich ihr so manches Mal etwas zuviel zugemutet habe, ich bin nie mit ihr liegen geblieben, einen Abhänger hat es mit ihr nie nich gegeben. Schaue ich sie mir heute an wie sie als funkferngesteuerte 364 oder 365 durch die Bahnhöfe dirigiert wird stelle ich fest, dass das nicht mehr meine Kleine ist, schade drum.

So, das war jetzt die kleine Exkursion in Sachen V60. Glaubt bloß nicht dass jede Schicht soviel Aufregung mit sich bringt. Ich habe mir ein wenig künstlerische Freiheit heraus genommen und die Erlebnisse aus mehreren Diensten zusammengefasst, meistens ist es eher eintönig. Zum Schluss ein Fazit zum "Traumberuf" Lokführer. Traumberuf? Ich weiß nicht so genau, der Beruf hat halt viele Schattenseiten, trotzdem hat bei mir immer der Spaß am Fahren überwogen. Nachdem ich seit sieben Jahren nicht mehr fahre und etwas Abstand gewonnen habe kann ich nur sagen, Traumberuf nein, aber einer der schönsten denkbaren Berufe ist es doch.



Damit endet die kleine V 60 Geschichte, es folgen noch ein paar Aufnahmen "meiner" Kleinen in ihrem angestammten Revier.

Bild 3 und 4)
http://www.michael-vau60.de/2009/200911/20091102/003.jpg

Zwei Aufnahmen von der hier beschriebenen Strecke. Oben die Üg 67536 am Deilbachhammer an der Stadtgrenze von Essen in Kupferdreh, unten mangels geeignetem V60 Foto eine 216er Aufnahme aus luftiger (Laternen)Höhe, Einfahrt Langenberg. Im Hintergrund (noch hinter der Brücke) das erwähnte Kaltwalzwerk in Nierenhof

http://www.michael-vau60.de/2009/200911/20091102/004.jpg


Bild 5 und 6)
http://www.michael-vau60.de/2009/200911/20091102/005.jpg

Zwei Aufnahmen aus dem Hattinger Bereich. Oben ist 361 834 an der Ruhr zwischen Hattingen und Blankenstein unterwegs. Bis auf den ersten Wagen befördert sie nur Arbeitsvorrat für Bötzel. Der schnuckelige Zweiachser dürfte dort nicht lange überlebt haben. Unten die beachtlich lange Spätübergabe von Hattingen bei der Ausfahrt Bochum Dahlhausen

http://www.michael-vau60.de/2009/200911/20091102/006.jpg


Bild 7 und 8)
http://www.michael-vau60.de/2009/200911/20091102/007.jpg

Kehraus. Nach den Jubelfeierlichkeiten zum 150sten Bahngeburtstag in Dahlhausen durfte ich dort erst den Hof aufräumen, ein paar Tage später wollte die 24 009 von Dahlhausen nach Lengerich zurückgebracht werden

http://www.michael-vau60.de/2009/200911/20091102/008.jpg




Ich hoffe ein klein wenig vom Flair eines Diensts auf der V60 rübergebracht zu haben. Zum Schluss bleibt mir nur die Bemerkung, dass ich einige Eurer wunderschönen Präsente zu Roco schicken sollte, auf das meine kleine V60 Ecke stetig weiter wachse.

http://www.michael-vau60.de/2009/200911/20091102/009.jpg



Wie immer mit den besten Grüßen aus Essen, Michael




edit raspelt ein paar sprachliche Klippen glatt

Das DSO Inhaltsverzeichnis von Vau60, klicke >>hier<< für Beiträge aus Nordrhein Westfalen, und >>hier << für den Rest der Welt

http://www.michael-vau60.de/signatur/dla.jpg
[www.dampflokomotivarchiv.de]




9-mal bearbeitet. Zuletzt am 2015:05:25:21:06:20.

Literarisches Talent...

geschrieben von: Walsum5

Datum: 02.11.09 16:58

...ist ganz eindeutig vorhanden! Die schönen Fotos sind hier, ausnahmsweise, nur schmückendes Beiwerk. Klasse, Michael.

Beste Grüße

Stefan

ja, ein sehr schönes Dankeschön

geschrieben von: Joachim Leitsch

Datum: 02.11.09 17:53

und dann war meine Kleine in K'dreh ja ein richtiges Zückerchen für Dich *lach*

RUHRKOHLE - Sichere Energie

seit dem 24.II.2022 bittere Wahrheit in Europa

keine Mär mit Brassert!

geschrieben von: Joachim Leitsch

Datum: 02.11.09 18:09

Dein kleiner Liebling war doch auf Brassert - und zwar die einzige V60, die nicht an die DB ging:

[www.loks-aus-kiel.de]

RUHRKOHLE - Sichere Energie

seit dem 24.II.2022 bittere Wahrheit in Europa
Moin Michael!

Deine Erzählkunst hat klasse, da macht das Lesen richtig freude! Schön, das Du auch nun in den nächsten 50 Jahren die HiFo-Gemeinde mit entsprechenden Geschichten erfreuen willst!!!

Grüße aus dem Norden

Helmut
Welch eine schöne Geschichte über Dein Dreibein, Michael. Wie gerne bin ich mitgefahren, habe über die Rechenkünste Deines Kollegen geschmunzelt, habe versucht, den Zug ins Tal hinunter zu bremsen und auch mit Dir die Höhe nach Steele gemeistert! Tolle Erzählung!

Auch Deine Bilder erfreuen mein Essener Herz, vor Allem das Bild am Deilbachhammer finde ich Klasse. Ich selbst hatte leider keine Kenntnis von der Übergabe auf der Langenberger Bahn, aber habe einmal 261 445 in Essen Hügel mit einer Übergabe nach Kettwig erwischt!

Leider muss ich gleich weg zu einer Einladung, so kann ich das Bild nicht noch schnell bereitstellen.

Danke ganz herzlichst für Deinen Dank,

Martin
Hallo Michael!

Deine schöne Geschichte hat mir natürlich sehr gut gefallen.

Falls Dich und die Leser ein paar trockene Zahlen interessieren, möchte ich sie der Leserschaft präsentieren:



Die schwere Hinfahrt:

http://img503.imageshack.us/img503/117/67531.jpg



Und die Frikadellen und Kakaogestärkte Rückfahrt:




http://img442.imageshack.us/img442/5118/67536.jpg


Viele liebe Grüße in den Pott!

Olaf Ott



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2009:11:02:19:54:12.

Tolle Story mit ebenso tollen Bildern.

geschrieben von: demag-kran

Datum: 02.11.09 20:09

Hallo Michael,

das ist wie "mitgefahren sein".
Danke für die lebhaften Eindrücke.

Schönen Abend.

Markus

Michael, wir haben zu danken,...

geschrieben von: Guido Rademacher

Datum: 02.11.09 20:22

... denn das erlebte Eisenbahn hervorragend erzählt.

Vielen lieben Dank!

Beste Grüße

Guido

http://www.guidorademacher.de/Banner.jpg

Mit Kuh-Pferd-Reh als Vorspann...

geschrieben von: gasbahn

Datum: 02.11.09 20:30

wäre es vielleicht schneller gegangen. Da ich in Kupferdreh und im Deilbachtal ortskundig bin, kann ich den Bericht gut nachvollziehen. Besten Dank für die schöne Erzählung und noch nachträglich alles Gute zum Fünfzigsten.

Auf Wiederlesen!
Heinz

BVG ist, wenn man trotzdem lacht.

Verzeichnis meiner Beiträge (wegen Arcor-Bilderabschaltung ohne Bilder)





Toller Bericht, echt Klasse.
Am Samstag und Sonntag könnt ihr das Flair der "Kleinen" bei den Wittener Eisenbahntagen (www.efwitten.de) bewundern.
V 60 615 macht dort Führerstandsmitfahrten zwischen 11 Uhr und 17 Uhr.
Übrigens ein Essener Kollege ist auch am Handrad.
Freue mich euch dort zu sehen.
Gruß aus dem Pott

Danke für diese wunderbare Geschichte!

geschrieben von: Bernhard Terjung

Datum: 02.11.09 23:28

Und noch alles Gute zum runden Geburtstag auch von mir. Diese Art von lebendigen Erzählungen von der Eisenbahn verdiente es, als Buchform zu erscheinen!

Herzliche Grüße aus Köln von

Bernhard Terjung
Hallo Michael,

auch von mir nachträglich die besten Wünsche zum Deinem Geburtstag mit ein paar Dreibeinern.

http://www.eisenbahn-sh.de/Bilder/P/P50/P50-Puttgarden-1976-07-001.jpg

Juli 1976, 260 289 im Fährbahnhof Puttgarden.

http://www.eisenbahn-sh.de/Bilder/F12/F12-Flensburg-BW-1987-03-020.jpg

04.03.1987, 260 367 im BW Flensburg.

http://www.eisenbahn-sh.de/Bilder/H22/H22-Hamburg-Altona-1989-06-002.jpg

Juni 1989, 360 260 bei der Bereitstellung eines Eilzugs in Hamburg-Altona.

http://www.eisenbahn-sh.de/Bilder/H8/H8-Hamburg-Hbf-1989-05-003.jpg

Mai 1989, 361 713 im Hamburger Hauptbahnhof.

Gruss aus Neumünster vom

D-Zug Schaffner

Rainer

Eisenbahn in Schleswig-Holstein und der Blog dazu Eisenbahn SH – Die Geschichten zu den Bildern




2-mal bearbeitet. Zuletzt am 2012:08:20:08:57:28.
Guten Morgen! Vielen Dank für diesen wunderbaren Artikel. Solche Beiträge sind es, die das HiFo so interessant machen. Damit hast Du der V60 ein wahrhaftes Denkmal gesetzt.
Beste Grüße
Lars

*blonk*

geschrieben von: Vau60

Datum: 03.11.09 08:48

Joachim, besten Dank für diese Info, also stimmen die Kindheitserinnerungen doch.

dem Dreibein mal Beulensalbe rüberschiebt

geschrieben von: Joachim Leitsch

Datum: 03.11.09 09:06

nach so vielen Blonks mußt Deine Stirn ja ganz schröcklich aussehen....

RUHRKOHLE - Sichere Energie

seit dem 24.II.2022 bittere Wahrheit in Europa
Vau60 schrieb:
-------------------------------------------------------

> Zwanzig Minuten, ein Frikadellenbrötchen und eine
> Flasche Kakao später

Ja, irgendwann kennt man seine Metzge- und Bäckereien; und auch auf der Strapazenbahn gibt noch Wendezeiten von mehr als 5 Minuten (aber nurnoch ganz wenige) und dann heißt es auch bei mir: Frikadelle und Kakao!

In diesem Sinne also auch noch aus Holsterhausen "alles Gute!" nach Huttrop rüberrufend!

Grüße

-chriz

--
Rückfragen ersparst du dir oft viel, nennst du sofort dein Reiseziel.

Herrliche Erzählung!

geschrieben von: rolf koestner

Datum: 03.11.09 11:02

Da ist man hautnah dabei und fiebert mit, ob der Zug den Berg auch schafft!

Immer diese Rangierer. Vielleicht sollte man nur Anwärter mit abgeschlossenem Mathematikstudium für den Beruf nehmen... *duck und wech* ;-)))


Bis neulich

Rolf Köstner

Man hat nicht richtig gelebt, wenn man nie in einem ICE gesessen hat, der in Hamm geteilt worden ist.


Ich bin ein Boomer!
Moin Michael,

tolle Geschichte, schonmal dran gedacht, Kolumnen für die einschlägige Presse zu schreiben? ;-)

Zum Thema Traumberuf: Heute weniger als früher; früher hatte man i. d. R. seinen Beamtenstatus beim Monopolisten, man brauchte keine Angst vor Entlassung zu haben, höchstens vor einer Versetzung. Und das ist für mich immer noch das Wichtigste: Jobsicherheit!
Heute sieht das anders aus, besonders beim ehem. Monopolisten: Gibt´s einen Verkehrsrückgang zu beklagen, ist das erste, was bei der Bahn aus der Schublade geholt wird, der Sozialplan. Allerdings muß man auch sagen, dass man es als AN bei der DB, was Arbeiten an sich angeht, immer noch am besten hat.
Wenn ich mich dann mit Kollegen unterhalte, die für Privaten fahren, was da mitunter abgeht..... da wird man ungefragt von eine Ecke in eine andere gejagt. Und was die Bezahlung in manchen Betrieben, besonders im SPNV, angeht.... schweigen wir lieber, dass ist jenseits von Gut und Böse.
Bei manchem Unternehmen ist man obendrein noch mit dem Koffer unterwegs... da hätte ich auch Fernfahrer werden können.

Was sich natürlich nicht geändert hat, sind die teilweise unchristlichen Arbeitszeiten, zu denen man antreten darf. Das ist der wohl größte Schwachpunkt am Traumberuf Lokführer.

Mir persönlich macht die Arbeit an sich Spaß, trotz ihrer Schattenseiten. Aufgrund meines Alter konnte ich die Bundesbahnzeit als AN leider nicht miterleben. Zu den Kollegen, die diese Zeit noch miterleben durften, schaue ich heute auf, die Leute haben meinen Respekt, die haben sich bis heute ihren Stolz bewahrt.
Heute, besonders durch Schulungsmaßnahmen alá "werden sie in sieben Monaten Lokführer" wurde viel kaputt gemacht. Nichts gegen die Kollegen an sich, die meisten wollten raus aus der Arbeitslosigkeit, aber durch diese Maßnahme wurde der Job in meinen Augen deutlich abgewertet. Viele von den Kollegen wissen stellenweise gar nicht, was sie tun, die haben das System Eisenbahn eindeutig nicht verstanden, aber fahren tun sie trotzdem. Ich spreche da aus Erfahrung, bei uns gibt es einige Kollegen, die so an den Job gekommen sind.

Schöne neue Eisenbahnwelt kann man da nur sagen.
Aber, den Spaß lasse ich mir trotzdem nicht nehmen!

Die Osterfelder Ostereier grüßen freundlichst

Edit: Wer Rechtschreibfehler oder Grammatikfehler findet.... darf sie behalten! ;-)
Hallo Michael

Danke für diese Geschichte, da kommen sehr schöne Erinnerungen auf.
Die Essener Rangierdienste waren allesamt sehr angenehm und es war keineswegs eine Strafe,wenn man in die Rangiergruppe
versetzt wurde, eher das Gegenteil.
Ich habe sie alle, ausser Hofhund in Waldthausen, gerne gemacht, ganz besonders Neviges und Herbede.
Die Frikadellen in Neviges waren berühmt, war es doch mehr ein kleiner Hackbraten......

Gruss
W.Oepen

....und nachträglich alles gute.
Seiten: 1 2 All Angemeldet: -