Hallo,
nach einigen älteren Stellwerken nun einmal etwas modernes, das auch der näheren Betrachtung verdient.
Bei den Stellwerksneubauten in sehr großen Bahnhöfen standen häufig keine geeignten Übergangslösungen zur Verfügung. Der elektromechanische Kraftstellwerkswagen hatte nur ein bedingtes Einsatzspektrum. Mit dem Fortschritt in der modernen Relaistechnik konnte ein fahrbares Stellwerk entwickelt werden, das auch in größeren Bahnhöfen verwendbgar war.
Das BZA München begann 1961 mit der Entwicklung eines transportablen Stellwerks in Relaisbauweise der Bauform Sp Dr 60. Nach dreijährigen Erprobungs- und Versuchsphase konnte 1964 das erste fahrbare Relaisstellwerk der Signalwerkstätte Wuppertal übergeben werden. Es entsprach den Relaisstellwerken von Siemens. Der Ersteinsatz dieses Stellwerks erfolgte im Rbf Mannheim beim Bau des Stellwerks R 2.
Für das fahrbare Relaisstellwerk kommen reguläre Koffersattelzüge der DB zum Einsatz, wie sie im Güterverkehr auf der Straße verwendet werden. Spezielle Transportfahrzeuge brauchten daher nicht entwicklet zu werden. In drei Koffersattelzügen ist das Stellwerk verlastet. Bei den Koffersattelzügen handelt es sich um die grössten für den Straßenverkehr zugelassenen Fahrzeuge der damaligen Zeit. In jeweils einem Koffersattelzug ist die Bedieneinheit, die Relaistechnik sowie die Stromversorgung untergebracht. Der Stromversorgungs- und Relaiswagen war identisch. In den 11,80 Meter langen und 3,55 Meter hohen zweiachsigen Koffersattelaufliegern von Ackermann-Fruehauf konnte die jeweilige Ausrüstung untergebracht werden. Abweichend war der Bedienungswagen 9 Meter lang und hatte eine Höhe von 3,75 Metern. Als Zugmaschinen kamen zweiachsige Fahrzeuge von Magirus-Deutz Typ Saturn 145 F-S 4 x 2 zur Verwendung. Für größere Bahnhofsanlagen kann ein zweiter Relaiswagen mitgeführt werden. Bis auf die Relaiswagen sind der Bedienungswagen und der Stromversorgungswagen bereits vorinstalliert. Die erforderlichen Relaisgruppen werden in einem besonderen Transport-Lkw in Gitterboxpaletten angeliefert.
Auf dem ersten Foto sind die Bedienungskabine, zwei Relaiswagen und der Stromversorgungswagen zu erkennen.
Die beiden Relaiswagen werden mit ihren beiden Wagenenden miteinander verbunden.
Im Relaiswagen können bis zu zehn Relaisgruppen in den entsprechenden Gestellen untergebracht werden. Da für die Stellvorgänge mehrere Relaisgruppen verwendet werden müssen und in den Koffersattelzügen nur begrenzt Platz vorhanden ist, können maximal 38 Weichen ferngesteuert werden. Diese sind allerdings dann auch mit Licht-Gleissperrsignalen abgesichert. Durch den Wegfall dieser Signale können dann 50 Weichen ferngesteuert werden. Insgesamt können bis zu 19 mit Hauptsignalen gesicherte einfache Fahrstraßen mit jeweils 2 Weichen gestellt werden. Bei mehreren Weichen verringert sich die Fahrstraßenbildung, bzw. macht den zweiten Relaiswagen erforderlich. Vor Ort werden die entsprechend notwendigen Relaisgruppen dann gesteckt ansonsten der üblichen Lötung.
Ein Blick in den Bedienungswagen.
Im Bedienungswagen kann ein Stelltisch mit zwei bzw. drei Stößen an Tischfeldern in der Größe von 18 x 20 Feldern untergebracht werden. Der Stelltisch weist zwar eine gewisse Grundstruktur auf, kann aber ganz idividuell auf den entsprechenden Bahnhof abgeändert werden, da Tischfelder ein- und ausgebaut werden können. Am Einsatzort wird der Bedienungswagen entweder in der Nähe des Relaiswagen aufgestellt bzw. kann 75 bis maximal 150 Meter von diesem entfernt an einer günstigen Stelle aufgrund der mitgeführten Verbindungskabel aufgestellt werden. Den notwendigen Strom erhält man aus dem Stromversorgungswagen, der dazu an das Ortsnetz angeschlossen wird. Über spezielle Gleichrichter wird dieser auf die für das Stellwerk notwendige Stromfrequenz umtransformiert. Bei Bedaarf kann ein fahrbares Stromerzeugungsaggregat (Anhänger) zur Einsatzstelle beordert werden.
Der komplette Transport des Stellwerkes in den Koffersattelzügen erfolgt auf der Straße, da ein Schienentransport wegen der Lichtraumüberschreitung nicht möglich ist.
Es blieb bei diesem Einzelstück eines fahrbaren Relaisstellwerk. Als sehr hinderlich erwies sich der Transport auf der Straße. Als 1968 die ersten Niederflurwagen für den Huckepacktransport von Lkw aufkamen, konnte die Beförderung der Koffersattelzüge auch über die Schiene erfolgen. Eine weitere neue Transportmethode im Güterverkehr eröffnete ab 1968 schließlich auch für künftige Behelfsstellwerke neue Möglichkeiten. Gemeint sind hier die 40 ft Container, in denen sich hervorragend eine größere Anzahl an Behelfsstellwerken problemlos zum Einsatzort transportieren ließ. Am Entladebahnhof musste eine geeignete Entladungsmöglichkeit sowie ein entsprechendes Straßentransportfahrzeug vorhanden sein.
Die Fotos zeigen einer der letzten größeren Einsätze beim Umbau des Bahnhof Kassel-Wilhelmhöhe von 1968 bis 1970. Bis 1975 wurde das fahrbare Relaisstellwerk noch als Reserve vorgehalten. Die Koffersattelzüge wurden danach anderen Verwendungszwecken zugeführt. Der frühere Bedienungswagen wurde bis 1986 noch als Lehrstellwerk genutzt. Die beiden Relais- und der Stromversorgungswagen wurden in Lehrstellwerke zu Schulungszwecken umgebaut. 1989 wurden ein Koffersattelzug mit einem elektronischen Stellwerk für die Personaleinweisungen umgebaut, der von der DB letztmalig in Eilsleben 1993 eingesetzt wurde. Diese Funktion erfüllen seitdem Containerstellwerke.
Als Quelle für diesen Beitrag diente eine Abhandlung in der Fachzeitschrift für das Signal- und Sicherungswesen "Signal und Draht" aus verschiedenen Jahrgängen.
Schöne Grüße ausn Bayreuth
Ael