Moin, liebe DSO-Gemeinde,
ich wünsche euch ein frohes sowie persönlich, gesundheitlich und "hobbytechnisch" gutes neues Jahr. Für mich hat 2009 mit der überfälligen Anschaffung eines Scanners begonnen, was bedeutet, dass ich euch gelegentlich mit Bildbeiträgen heimsuchen werde. Hier zum Auftakt mein zweiter von allen:
1969 wurde in Hannover die Ganzreklame (damals "Popwerbung") auf Straßenbahnwagen des Personenverkehrs "erfunden". Es ist eine Errungenschaft, auf die ich (als gebürtiger und bekennender Hannoveraner) eher wenig stolz bin -- nicht aus Prinzip, sondern weil sich die Masche mittlerweile zu einer Pandemie ausgewachsen hat, die zuweilen bizarre Blüten treibt.
Ganzreklame gab es aber auch schon früher. Nur kleisterte man damals den Beförderungsfällen noch keine Rasterfolie ins Blickfeld, sondern schickte Altfahrzeuge, die bereits aus dem Plandienst ausgeschieden waren, sowie ggf. Güter- und Arbeitswagen als rollende Litfaßsäulen auf die Strecke. Dazu erhielten die Vehikel meist eine großflächige Plattenverschalung oder textile Verkleidung, die mit den gewünschten Motiven verziert war. In den 30er- und 40er-Jahren wurden solche Wagen gerne für Nazi-Propaganda missbraucht. Schon wenige Jahre nach Kriegsende waren indes Fröhlichkeit und Konsum verordnet. Beide verbindet das erste Bild, ein Zug mit Werbung für einen Schnaps, der damals aus keiner echten Familienfeier wegzudenken war. Mittlerweile ist dieser "Verteiler" ein wenig aus der Mode gekommen. Die Garnitur steht vermutlich auf dem Btf. Döhren (ich bin aber nicht sicher):
Vom Branntwein zum Weinbrand: Familienfeiern und sonstige Parties kannten seinerzeit zwei Fraktionen. Wer einen "Klaren" verschmähte, bevorzugte meist einen "Braunen". Zum Beispiel jenen, der hier als "wohltuend", "weich" und "vollblumig" angepriesen wird. Auch er kam später aus der Mode, wird aber aktuell wieder offensiv im Fernsehen beworben, z.B. als Basis für absonderliche Mixgetränke (die ich mir nicht freiwillig reinziehen würde). Im Falle der beiden folgenden Fotos bin ich mir bezüglich des Standortes Döhren etwas sicherer:
Wer abends ein paar braune Brände zu viel hatte, braucht am nächsten Morgen ein starkes, ebenfalls braunes Brühgetränk, um wieder auf die Beine zu kommen. In der Wagenhalle Döhren (100%ig sicher) wartet ein Zug, der für den damals wie heute unangefochtenen Kaffee-Marktführer wirbt, auf seine nächste Tour durchs Netz:
Apropos "Brühe" und "braun": Während Kaffee den ganzen Menschen fit macht, peppt eine andere dunkle Essenz zumindest Suppen auf. Die berühmte Würzmischung bemühte in den 50ern einen Suppenkasper -- pardon, wollte sagen: ein niedliches Maskottchen -- als Werbefigur. Den Fridolin nämlich, der gerne mal Deutschlands Städte bereiste, um den dort ansässigen braven Hausfrauen die Magie des korrekten Suppenwürzens nahezubringen. In welcher Stadt er hier unterwegs ist, weiß ich nicht. Hannover ist es definitiv nicht (dagegen spricht die Trichterkupplung), aber dieser Irrläufer passt so gut in die Reihe, dass ich ihn mitnehmen musste (sachdienliche Hinweise auf die Örtlichkeit werden dankend entgegengenommen):
Was ist, wenn mal eine dunkle Flüssigkeit danebengeht und das Tischtuch verunziert? Dann ist Vertrauen in den "waschechten Fortschritt" gefragt. Vielleicht lässt sich das Malheur ja tatsächlich ohne "Einweichen", "Kochen" und "Reiben" beseitigen. Eigentümlich: Für die "Waschmaschine aus der Tüte" wirbt ein Gebilde in unförmiger Kartongestalt. Das antike Fahrgestell des Tw deutet auf sein Baujahr kurz nach 1900 hin. Der Zug steht ausfahrbereit auf dem Btf. Döhren:
Die übermächtige, noch heute führende Konkurrenz setzte nicht auf den schlichten Charme des Eckigen. Den Abschluss der Reihe mit Werbewagen bildet ein Foto, das aus zwei Gründen mein persönlicher Favorit ist: Erstens ist der Bw (entweder eine Arbeitslore oder ein ehemaliges Personenwagen-Fahrgestell) fast so liebevoll gestaltet wie ein Umzugs-Festwagen, zweitens handelt es sich endlich mal um ein Bild aus freier Wildbahn, aufgenommen am Steintor, Blick- und Fahrtrichtung Goseriede:
Zugabe 1:
Das Kerngeschäft der Üstra, die Personenbeförderung, sei nicht vergessen. Deshalb füge ich noch drei Bilder von Triebwagen an, die für die hannoversche Strab besonders charakteristisch waren. Den Auftakt macht Holz-Tw 65, aufgenommen vermutlich auf Glocksee. Dieser Grundtyp kristallisierte sich um 1913 als Hannoveraner Standardbauart heraus und wurde bis 1927 in diversen, immer wieder modernisierten Auflagen beschafft. Hersteller waren vorrangig Nordwaggon Bremen und die HAWA in der Heimatstadt. Erst 1965 wurden die letzten Holzwagen ausgemustert. Tw 129 ist bei der Üstra als betriebsfähiger Museumswagen erhalten. Zugegeben: Mit Flankenwerbung, Plattformtafeln (immerhin für denselben Kunden) und Dachreklame sieht Tw 65 eigentlich auch nicht besser aus als eine gut gemachte Vollwerbung:
Es folgt ein HAWA-Stahlwagen der berühmten Serie 171 - 220 (Bj. 1928 - 1930). Die Nummer ist nicht erkennbar, aber Experten müssten die Reihe der Kandidaten eingrenzen können. Die leichte Fahrgestellbauart mit gewichtsparenden Durchbrüchen im Seitenrahmen war für diese Bauart nämlich nicht typisch, sondern eine seltene Ausnahme. Der Wagen wirbt für jene Firma, die in Hannover von 1907 bis 1994 für die Verkehrsmittelwerbung zuständig war. (Der oben erwähnte HTw 129 trägt übrigens heutzutage eine sehr ähnliche, historisierende Reklame für dieses Unternehmen.) Warum der Stahl-Tw -- vermutlich anno 1947 -- mit nur einem Seitenblinker posiert (der rechte im Bild fehlt), fragt man sich besorgt:
Zum Aufnahmezeitpunkt noch so gut wie fast fabrikneu ist Düwag-Großraum-Tw 310 (Bj. 1953). Seine Werbung erinnert an eine Zeit, in der Raucher noch keine asozialen Kleinkriminellen, sondern honorige Säulen der Gesellschaft waren. Die Reklame passt irgendwie gut zum Fahrzeug. Nicht umsonst hießen die Bremer Großraumwagen im Volksmund "Zigarren". Der Aufnahmestandort ist mir unklar. Linie 1 Laatzen <> Limmer dürfte sowohl in Döhren als auch in Glocksee beheimatet gewesen sein:
Zugabe 2:
Zum Abschluss drei für die 50er typische Büssing-Busse. Der erste ist sogar reklamefrei und trägt stolz das damalige Üstra-Wappen spazieren. Über die Schauplätze kann ich nichts sagen -- beim ersten Bild tippe ich auf Vahrenwald, List oder Südstadt -- über die Bustypen auch nichts. Aber dafür gibt's im HiFo ja einen gewissen Herrn K., der uns sicher gerne mit Details aushilft, sofern er mitliest:
Bis auf das höchstwahrscheinlich etwas ältere Foto des Stahl-Tw stammen die Bilder m.W. alle aus den frühen 50ern, denn die Busse haben noch alte Kennzeichen, die Zweiachs-Tw keine Schienenbremsen.
Hinweis:
Alle hier gezeigten Bilder befinden sich seit über 40 Jahren als Originalabzüge in meinem Privatarchiv. Ich habe die Serie damals geschenkt bekommen und erst kürzlich beim Aufräumen wieder entdeckt. Über den Ursprung der Fotos ist mir leider nichts bekannt. Sollte also jemand wider Erwarten durch diese Veröffentlichung seine Rechte verletzt sehen, so bitte ich um eine entsprechende Reaktion. Ich werde sie in dem Fall umgehend vom Server löschen.
Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung von [
www.abload.de]. Der Autor dankt!
Grüße aus HH,
Helmut
2-mal bearbeitet. Zuletzt am 2009:01:05:16:20:08.